Gute Krippe, schlechte Krippe
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Montag 26. Februar 2007
Eine Mutter, die ein Kind unter 18 Monaten „abgibt“, muss schon sehr gute Argumente haben oder in echter Not stecken. Die „Fremdbetreuung“ der Kleinsten lehnen viel mehr Deutsche ab, als man meinen sollte. Immerhin 42% der Befragten beantworteten die Frage ‚Sind berufstätige Frauen „Rabenmütter“?’ im Show Quickvote bei Christiansen mit „Ja“.
‚Das „Tabu Krippe“ zieht sich … durch die gesamte Bevölkerungsschicht. Auch wenn man sich anderen gegenüber tolerant geriert: die eigenen Kinder sollen die ersten drei Jahre auf jeden Fall zuhause bleiben. Das hört man von der alternativen Ayurveda-Beraterin ebenso wie vom sozialdemokratischen Bankangestellten, der linken Filmemacherin oder dem gutsituierten Arzt – und von der ehemaligen Waldorf-Schülerin sowieso. Das übliche politische Koordinatensystem greift hier nicht,‘ schreibt Thomas Pany in telepolis.
Auch bei Christiansen hat sich gestern Abend ein ‚Querschnitt der Bevölkerung‘ eingefunden um die Familie zu retten. Aber ’nach drei Minuten war alles vorbei‘, schreibt Tilmann Lahme in der FAZ. Der ’schwarze Kater‘ lenkte direkt zu Beginn der Sendung ein und sprach von einem Missverständnis.
Der Unternehmer Wolfgang Grupp (Trigema) übernahm bereitwillig die frei gewordene Stelle des Bischofs, sprach von den „Mutterpflichten“ und den wunderschönen Zeiten der Kindeserziehung durch die Mutter, von der Modernität seines Vaterbildes (Väter, die Elternzeit nehmen wollen, gebe es bei ihm im Unternehmen grundsätzlich nicht, Erziehung sei eben Mutterpflicht) und von eigener Kindeserziehung.
Die Psychologin Gabriele Kuby schlug in die gleiche Kerbe. Sie präsentierte ‚Ergebnisse’ aus Hirnforschung und Entwicklungspsychologie, die belegen sollten, dass Kinder in den ersten drei Jahren von der Mutter betreut werden müssten.
Dem Argument, andere europäische Länder, etwa Schweden, zeigten doch, dass es Möglichkeiten gebe, Arbeit und Beruf zu verbinden, begegnete sie mit dem Hinweis auf eine „große Studie“, der zufolge Schweden mit seinem Erziehungssystem „total gescheitert“ sei: Jedes dritte Kind dort sei nachgewiesenermaßen „psychisch gestört“.
Angesichts dieses Debattenniveaus war Nordrhein-Westfalens Familienminister Armin Laschet, der einzige Berufspolitiker in der Runde, sichtlich unterfordert. Klug wies der CDU-Politiker Skurrilitäten wie diese zurück und verteidigte die Politik Ursula von der Leyens.
Die eigentlich interessanten Fragen wurden (mal wieder) nicht behandelt. Etwa jene, wie man Vätern oder Müttern in einer sich rasch ändernden Arbeitswelt eine Familienauszeit ermöglichen kann, ohne dass der Wiedereinstieg gefährdet ist. Aber einmal ehrlich, haben wir das wirklich in dieser Sendung erwartet?