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Väter in den Frühen Hilfen – Impulse für ein systemisches Elternverständnis

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 16. August 2023

Der von Andreas Eickhorst und Christoph Liel editierte Sammelband „Vater in den Frühen Hilfen“ greift die Zielgruppe der Unterstützungsangebote für Eltern in der frühen Familienphase heraus, die in der Praxis zunehmend an Bedeutung gewinnt, bislang aber zu wenig im Fokus stand.

Aus Perspektive der Forschung betreten sie mit diesem Band Neuland. Denn so intensiv die Frühen Hilfen für Familien während der Schwangerschaft und der ersten Lebensjahre von Kindern auch ausgebaut wurden, werden Väter in den einzelnen Konzeptionen und auch in den konkreten Angeboten in der Regel noch nicht ausreichend berücksichtigt.

Vor diesem Hintergrund waren verschiedene Bemühungen am Deutschen Jugendinstitut (DJI) in den Jahren 2015 bis 2020 darauf ausgerichtet, Vätern dezidierte Aufmerksamkeit in der Forschung und Konzeptentwicklung zu Angeboten der Frühen Kindheit zukommen zu lassen. Die Aktivitäten verfolgten im Wesentlichen zwei Ziele:

Zum einen ging es darum zusammenzutragen, was an generellem wissenschaftlichem Hintergrundwissen mit Relevanz für das Feld der Frühen Hilfen sowie an (wenigen) vorhandenen konkreten Programmen und Praxisbeispielen verfügbar ist, um dieses Wissen für die deutschsprachige Fachöffentlichkeit aufzubereiten. Zum anderen war es wichtig, durch das Generieren und Erheben von Daten sowie das Ableiten von Handlungsempfehlungen für die Praxis neue Impulse im Feld der Frühen Kindheit zu setzen, die in der Folge von der Fachpraxis (und gegebenenfalls wissenschaftlichen Akteuren) aufgegriffen, ausprobiert und weiterentwickelt werden können.

Das vorliegende Buch bündelt die Ergebnisse dieser Bemühungen und ist ein erster verbindender Aufschlag für Praktikerinnen und Praktiker und ebenso für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, um einen Fachdiskurs rund um das Thema der Ansprache von Vätern mit Frühen Hilfen anzuregen. Das damit intendierte breite Zielpublikum des Buches bedingt eine heterogene Zusammenstellung von Beitragen aus Wissenschaft und Fachpraxis.

Den Ausgangspunkt der Aktivitäten bildete eine Fachtagung zum Thema „Vater in den Frühen Hilfen“ am Deutschen Jugendinstitut in München im Jahr 2015, bei der Themen und Beiträge dieses Buches mit Väter-Expertinnen und -Experten aus den Frühen Hilfen und angrenzenden Arbeits- und Forschungsfeldern diskutiert wurden.

Immer mehr jungen Vätern ist es ein echtes Anliegen, sich als Vater zu engagieren, für sein Kind da zu sein, seine Partnerin zu unterstutzen, sich aber auch selbst zu einem wesentlichen Anteil über die Vaterrolle bzw. die direkte Beziehung zu seinem (Klein-)Kind mit all den damit verbundenen Verantwortlichkeiten zu definieren und diese Rolle entsprechend wahrzunehmen.

Dieses gestiegene Potenzial bei den Vätern zu nutzen, das systemisch betrachtet einen wesentlichen Beitrag zum Entwicklungsprozess der Familie als Ganzes, aber auch ihrer einzelnen Mitglieder leisten kann, ist in den letzten Jahren äauch ein Anliegen im Rahmen der Frühen Hilfen. Es wäre fahrlässig, in den Fällen, in denen Väter eine grundlegende Bereitschaft sich einzubringen zeigen, nicht dazu beizutragen, dass diese Bereitschaft auch in Taten umgesetzt wird.

Die Wahrscheinlichkeit, dass dies nicht nur den Kindern, sondern auch den Müttern und nicht zuletzt auch dem Vater selbst zugutekommt, ist hoch, zumal gerade in den ersten Lebensjahren der Kinder die involvierten Familienmitglieder in aller Regel stark emotional verbunden und Familien als kommunikative Einheiten zu verstehen sind.

Das zentrale Anliegen dieses Buches ist es, Anregungen zu liefern, wie es besser gelingen kann, Frühe Hilfen auch vatergerecht, maßgeschneidert, gut durchdacht und annehmbar zu gestalten, insbesondere „an den Mann“, an die Väter zu bringen, diese „an Bord zu holen“.

Der Sammelband ist im Beltz-Verlag erschienen, kostet in gedruckter Form 48 €, kann jedoch als pdf kostengfrei heruntergeladen werden.

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‚… ein abwesender Vater ist nicht immer ein Vater, der nicht gewünscht ist‘

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 26. Juli 2023

Interview mit Jennifer Jaque-Rodney

Frau Jaque-Rodney, sie arbeiten seit mehr als 30 Jahren als Familienhebamme und haben im Jahr 2000 das Netzwerk der Familienhebammen in Deutschland mitbegründet. Was war Ihre Motivation, diesen beruflichen Weg einzuschlagen?

Für mich war meine Motivation wirklich, die Familie als System zu sehen, die Familie als Ganzes zu sehen. Mann, Frau, Frau, Frau, Mann, Mann, egal welche Konstellationen das war. Und hier reden wir von einer Mann-Frau-Konstellation. Das war für mich wichtig, einfach das weiter zu verfolgen und das auch zu unterstützen, da ich schon damals als Hebamme gemerkt habe, wie wenig Kontakt wir zu den Männern eigentlich haben und wie schade das ist.

Und für mich, ich habe auch Soziologie studiert und das ist etwas, was mich auch beflügelt hat als Hebamme, viel, viel mehr mit den Männern, mit den Partnern in Kontakt zu kommen. Und dann, als ich relativ früh in Deutschland war und mir diese Tätigkeit angeboten wurde beziehungsweise die Qualifizierung erstmal, habe ich gedacht, das ist genau das, was ich will. Dieses familiäre Feld, also wo sowohl Frau als auch Mann als gleichwertige Ressource für das Kind angesehen werden und das will ich unterstützen.

Aufgrund Ihrer Erfahrungen waren Sie in den folgenden Jahren an der Ausarbeitung zahlreicher Curricula für die Aus- und Fortbildung von Familienhebammen beteiligt. Welche zusätzlichen Qualifikationen benötigen Hebammen, um als Familienhebammen tätig werden zu können?

Auf jeden Fall braucht man diese Qualifizierung, die vom Land angeboten wird, hier in Nordrhein-Westfalen umfasst sie 400 Stunden. Das ist ein bisschen unterschiedlich, es gibt eine Mindestqualifikation von 200 Stunden, aber die meisten Länder haben 400 Stunden und diese Qualifikation beinhaltet unterschiedliche Lerneinheiten, unterschiedliche Themen.

Da muss man über das Systemische Bescheid wissen, da muss man auch über das Bild und überhaupt über die Definition Familie wissen. Was bedeutet Familie, was ist eine Familie aus dem Soziologischen, aber auch aus dem rein Statistischen? Was ist eine Familie, wie bildet sich eine Familie ab? Das ist Thema oder eine Lerneinheit.

Was Familienhebammen auch brauchen ist Kommunikation. Wie kann ich mit Eltern gut und wertfrei kommunizieren wo möglich? Also sowohl die gewaltfreie Kommunikation als auch die motivierende Gesprächsführung. Das sind Themen, die auch dann vorkommen und Themen wie die Entwicklung des Kindes. Themen wie Kindeswohlgefährdung sind auch ganz wichtig, aber auch Themen wie Lebenswelt, Familie, so was verstehe ich unter Lebenswelt Familie?

Als Familienhebamme gehen wir in unterschiedliche Lebenswelten und es kommt sie nicht einzuengen, weil ich sie nicht kenne, sondern einfach zu verstehen, die Lebenswelt Familie ist sehr divers und sehr vielfältig. Das sind so einige Themen, Qualitätsmanagement, Dokumentation, das sind einige Lerneinheiten, die eine Familienhebamme braucht, um umfassend Familien begleiten zu können.

Familienhebammen haben, noch mehr als Hebammen bei der Geburtsvorbereitung und der Geburt das gesamte Familiensystem im Blick. Dabei spielen Väter, ob sie anwesend sind oder nicht, eine wichtige Rolle. In welchem Umfang wird diesem Thema bei der Aus- und Fortbildung von Familienhebammen Rechnung getragen?

Ja, die spielt eine wesentlich größere Rolle als bei der originären Hebammenausbildung. Es ist gewachsen, am Anfang war das Thema Vater oder Väter vielleicht nicht so präsent, aber in Nordrhein-Westfalen auf jeden Fall. Da ich die Qualifikation auch durchführe, war das für mich von Anfang an ein sehr wichtiges Thema und es spielt eine wichtige Rolle. Also es gibt unter der Lerneinheit Lebenswelt Familie auch Einheiten, wo das Thema Väter, Vater, die Rolle des Vaters vorkommt. Das könnte vielleicht eine größere Rolle spielen. Aber sie spielt auf jeden Fall im Vergleich zu der originären Ausbildung, finde ich, eine sehr wichtige Rolle, die man dann ausbauen muss.

Jeder Anbieter macht das ein bisschen anders. Ich habe von Anfang an dabei auch Männer wie Herrn Vonnoh eingeladen, um über das Thema zu sprechen. Jürgen Grah war auch lange Jahre in meinem Qualifizierungskurs. Also für mich spielt es eine größere Rolle, nicht nur zum Thema Vater, sondern zum Thema überhaupt Kind kriegen, schwanger sein.

Wenn eine Frau mit jemanden zusammen ist, dann ist der Partner auch zu sehen und auch wertzuschätzen. Und auch die Fragestellung, wie können wir auch Väter beflügeln, dass sie nicht nur sich als Ressource sich sehen, sondern sich auch als wichtiger Bestandteil diese Einheit, diese Triade zu sehen. Wir reden viel zu häufig darüber, dass die Väter eine Ressource sind. Ja, das stimmt, aber sie sind eine wichtige Person einfach, wenn sie da sind.

Und auch die unterschiedlichen Stile der Väter. Wir haben unterschiedliche Modelle, wir haben Modelle, die sind sehr patriarchal, die sind sehr fürsorglich. Wir haben Väter, die aus einem anderen Land kommen oder auch aus Deutschland kommen und ein Verständnis vom Vater sein übernommen haben oder auch nicht. Und das auch zu verstehen, es gibt die unterschiedlichen Modelle von Vatersein, von Vätern. Und das müssen wir in den Kontext unserer alltäglichen Arbeit bringen.

Familienhebammen sind ja dort im Einsatz, wo die frühen Hilfen sagen: Da ist eine Familie, die hat einen besonderen Unterstützungsbedarf. Und da ist es vielfach so, dass aus dem Blickwinkel der Familienhebammen Väter in dem Moment keine Ressource sind, sondern ein Teil eines Problems. Und es gibt auch Studien, wo Familienhebammen beobachtet worden sind, die sagen, dass dann Familienhebammen dazu neigen, dieses „Problem“, also die Väter, erst einmal auszuklammern und zu sagen, jetzt gucken wir doch erstmal, dass die Mutter mit dem Kind zurechtkommt. Und das Problem mit dem Vater, das können wir vielleicht später angehen. Wie schätzen Sie das ein?

Ja, diese Konstellation gibt es auch, wo die Väter eine ganz schöne Herausforderung sein können für die Entwicklung der Familie als solche, die gibt es auch. Ich schaue eher sehr positiv da hin, wenn die Väter da sind, wie wir sie auch unterstützen und wie wir sie auch beflügeln und befähigen können. Und bei den Vätern, die abwesend sind, sie sind manchmal nicht da, aber sind trotzdem im Gedächtnis der Frau da, es ist trotzdem ein Thema.

Und wenn die Frau mir auch zeigt, dass das für sie wichtig ist, auch wenn er nicht da ist, der wohnt woanders, da versuche ich trotzdem ihn auch mit einzubinden in einem Gespräch mit der Frau. Mit der Fragestellung: Okay, was machen wir denn mit diesem Vater, der nichts von seinem Kind wissen will? Ich frage die Frau, was ist ihre Lösung? Aber ich bin eher sehr positiv auch von der Erfahrung. Die Väter, die da sind und wirklich auch mit einbezogen werden wollen, da habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht.

Da, wo Gewalt möglicherweise ein Thema ist da muss eine Frau geschützt werden. Und das mache ich auch und darüber sprechen wir in der Qualifizierung, wie das gehen kann. Also was und worauf wir achten können. Aber eher positiv denken. Das Hebammen oft für die Mutter da sind und der Vater ihnen egal ist – das ist er für mich nicht, das war für mich noch nie der Fall. Ich finde, wenn die Väter da sind, dann sind sie so wertvoll und brauchen genauso eine Unterstützung wie manche Frauen.

Also Unterstützung im Sinne vom Familienleben, Unterstützung bei Themen wie, was ist Bindung, wie kann ich das ermöglichen? Und wir wissen als Familienhebammen, dass Väter die Informationen möglicherweise anders aufnehmen als eine Frau? Sie brauchen möglicherweise Videos, vielleicht auch Studien, vielleicht andere Väter. Und da muss man gucken, wie kann ich diesen Vater erreichen mit dem, was er braucht auf seine Art und Weise?

Und selbstverständlich Väter, die nicht gut für die Familie sind, wo die Frau sowieso mit dem nichts zu tun haben will. Ich versuche sie nicht mit einzubeziehen in der Begleitung, wenn die Frau von Anfang an das nicht will. Aber ein abwesender Vater ist nicht immer ein Vater, der nicht gewünscht ist. Da muss man schauen, wie ist das für die Frau und wie kann ich ihn einbeziehen in meine Tätigkeiten.

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Zielgruppe ‚jugendliche Väter‘ gemacht und welche zusätzlichen Unterstützungsbedarfe sehen sie bei den Jugendlichen?

Ja, also gerade am Anfang meiner Tätigkeit als Familienhebamme viel, viel mehr als jetzt, muss ich sagen. Aber die Statistiken, also die Evidenzen, sprechen auch dafür, dass jugendliche Schwangerschaften, die Zahlen runtergegangen sind. Aber am Anfang hatte ich sehr viel mit jugendlichen Eltern und jugendliche Väter zu tun. Das war nicht immer einfach, da manche von diesen Jugendlichen mit 15, 16, 17 Vater geworden sind. Und in ihrem Jugend sein und in ihrer Entwicklung und die Hormone und alles Mögliche nicht immer sehr gut zu erreichen waren.

Was ich aber allerdings gemerkt habe damals und auch jetzt, wenn sie sehr jung sind, also unter 18 sind oder unter 21, ihnen erstmal zu sagen, als Familienhebamme bin ich auch für sie zuständig, sie sind für mich auch wichtig. Und es gibt auch keine Frage, die zu dumm ist und es gibt auch keine Frage, die sie nicht stellen können. Also ihnen von Anfang an zeigen, dass sie wichtig sind. Und gerade bei den Jugendlichen, bei den jugendlichen Väter, ist das echt sehr wichtig, dass sie den Eindruck haben, okay, sie ist nicht nur für meine Freundin da, sondern sie interessiert sich auch für mich. Sie also von Anfang an einzubeziehen.

Aber einfach ist es nicht, einfach ist es nicht, da braucht man einen langen Zeitraum, wo Vertrauen wächst. Da muss man auch das „jugendliche“ in dem Vater ansprechen und auch anerkennen und auch mit einbeziehen. Das heißt, dass, wenn er darüber spricht, dass er am Wochenende mit seinen Freunden „durch die Gemeinde ziehen möchte“, das nicht zu verpönen, sondern auch die Frage zu stellen, okay, wie kann das denn gehen? Also wie stellst du dir das vor? Also bei den jugendlichen Vätern anzudocken.

Bei den jugendlichen Vätern sind neben den Familienhebammen unter Umständen auch andere Hilfesysteme eingebunden. Wie schätzen Sie das ein, sind diese Systeme auf jugendliche Eltern vorbereitet oder sehen sie auch Handlungsbedarfe an Unterstützung für die Hilfesysteme selber?

Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind im Vergleich zum Beginn meiner Tätigkeit, wo ich damit konfrontiert worden bin auch mit anderen Systemen in Kontakt gekommen bin. Ich glaube, dass es trotzdem noch nicht ausreichend ist. Die Jugendhilfe und auch Sozialarbeiter oder Sozialarbeit grundsätzlich mit Jugendlichen, die braucht viel mehr Wissen darüber, wie sie ticken und wie sie kommunikativ an sie herantreten können. Ich glaube, da können wir uns auf jeden Fall verbessern. Aber im Vergleich zu der 90iger-Jahren, wo ich angefangen habe, wo meiner Meinung nach in der Jugendhilfe Väter nicht so wertschätzend behandelt worden sind, sind wir auf jeden Fall in einer guten Entwicklung.

Zum Schluss ein Blick in die Zukunft. Viele junge Eltern wünschen sich eine partnerschaftliche Aufteilung von unbezahlter Care und bezahlter Erwerbsarbeit. Die Weichen dafür werden unmittelbar vor und nach der Geburt gestellt. Welchen Beitrag könnten Hebammen und Familienhebammen Ihrer Meinung nach leisten, um den Eltern die Verwirklichung dieses Wunsches zu erleichtern?

Ich glaube, wir müssen dazu viel, viel mehr Öffentlichkeitsarbeit machen, dass die jungen Familien wissen, was kommt da auf sie zu, gerade bei Familienhebammen. Aber auch die originäre Hebamme einbeziehen, wir müssen mehr Öffentlichkeitsarbeit machen im Sinne von, wie können wir junge Eltern unterstützen und nicht immer so sehr von der Mutter sprechen, sondern wirklich von jungen Eltern.

Heutzutage haben wir auch den Transmann, der auch schwanger ist, hatten wir hier gerade vor ein paar Monaten. Das heißt, dass ändert sich auch alles. Aber mehr Öffentlichkeitsarbeit zu machen auch im Sinne von, warum brauchen Kinder denn Väter, welche Grundbedürfnisse haben Kinder und was brauchen sie, um sich gut zu entwickeln? So eine Art Aufklärung zu machen in Form von einem Video vielleicht, nicht immer in Form von Vortrag oder Text. Aber solche bildlichen Sachen zu entwickeln, die möglicherweise junge Eltern auch mehr ansprechen.

Ich erhoffe mir auch gerade bei den jungen Eltern, dass wir sie über die Sozialen Medien anders erreichen können, das sind die Medien, wo wir sie finden. Wir müssen uns öffnen, Facebook, Instagram und TikTok, auch wenn man das nicht immer gut findet. Aber man kann auch seine Stimme benutzen, um die jungen Eltern auch anzusprechen, um ihnen Hinweise zu geben. Ich habe damit angefangen und ich habe ja auf jeden Fall ein supergutes Feedback von den jungen Eltern.

Dieses kurz, knapp, aber Klarheit über unterschiedliche Themen, Vitamin D, über postpartalen Babyblues, was man machen kann, über Windeln wechseln. Junge Eltern müssen wir dort abholen, wo sie sind und nicht wo wir denken wo sie sind. Und das auch unter anderem über die sozialen Medien. Und dann können wir sie sicher machen, dann können wir sie stark machen. Mir ist es wichtig, dass die jungen Eltern wissen, dass wenn ich mit denen spreche, dass ich nicht so lehrhaft ankomme, dass sie getriggert werden wie in der Schule.

Ich möchte mit ihnen sprechen, so wie ich mit jedem anderen spreche. In der Regel geht es gut, manchmal geht es nicht gut. Wenn es nicht gut geht, muss ich mir auch eingestehen, ich kann die Energie nicht aufbringen für dieses Paar. Und dann muss ich sie weiterleiten an ein anderes Angebot, an die Jugendhilfe oder dahin, wo sie die Sache mehr ernst nehmen.

Vielen Dank, dass sie sich die Zeit für das Gespräch genommen haben

Mehr Informationen zu Frau Jaque-Rodney finden Sie auf ihrer Webseite

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Kurze Anmerkungen zur Bindungssicherheit von Vätern

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 14. März 2023

… Die Tatsache, dass die Mutter ihrem Kind am Anfang seines Lebens körperlich näher ist als der Vater, vermindert dessen Fähigkeiten bei der Betreuung und Versorgung seiner Kinder nicht. In Stresssituationen gilt der ‚hinreichend gute‘ Vater nach der Mutter als wichtigste Bindungsperson für das Kind und gibt dem Kind ebenfalls das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit.

Die Bindungssicherheit, die Kinder an ihre Väter entwickelt haben. Ist recht stabil. Eine Längsschnittstudie an 112 Vätern und ihren Kindern, die im Alter von 13 Monaten und 3 Jahren untersucht worden waren, zeigte nicht nur eine hohe Stabilität über diesen Zeitraum, sondern auch, dass die Bindungssicherheit der Kinder mit einer langfristigen Zunahme der väterlichen Feinfühligkeit verbunden war – sicher Kinder sind also eine gute Entwicklungschance für Väter!

Inge Seiffge-Krenke, Väter, Männer und kindliche Entwicklung, Mainz 2015, S.15

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Glückwunsch und echt großartig, dass du so jung Vater geworden bist!

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 13. Februar 2023

… dass bekommen jugendliche Väter eher selten zu hören. Eine Vaterschaft in ihrem Alter wird als riskant und unverantwortlich betrachtet. Ohne abgeschlossene Ausbildung und vielfach in prekären Lebensverhältnissen Vater zu werden gehört sich nicht. Wenn schon Sex, dann bitte mit Verhütung.

Jugendliche Väter werden beschämt und ihre Vaterschaft wird problematisiert, gesellschaftlich anerkannte positive Bilder existieren nicht. Das war und ist die Ausgangslage des Verbundprojekts ‚… jugendliche Väter im Blick‘.
Die Projekte in Osnabrück, Rheydt und Düsseldorf machen jungen Männern niedrigschwellige Angebote und tragen dazu bei, dass die jungen Väter von bestehenden Hilfsangeboten erreicht werden und ihre Ressourcen für ihre Kinder einsetzen können. Gleichzeitig wird eine gesellschaftliche Debatte zur Bedeutung jugendlicher Väter angestoßen

Bei dieser Fachtagung werden die beiden Keynote Speakerinnen, Dr. Kim Bräuer und Prof. Anna Tarrant zunächst ihre aus wissenschaftlicher Perspektive und praktischen Erfahrungen mit jugendlichen Vätern gespeiste Expertise vortragen.

In den vier Workshops am Nachmittag haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich mit den in verschiedenen Projekten gemachten Erfahrungen insbesondere mit dem Blick auf die Zugänge zu und die Erreichbarkeit von jungen Vätern auseinanderzusetzen und neue Ansätze kennenzulernen.

… jetzt anmelden

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Mensch Papa! Die Wissenschaft vom Vatersein

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 4. Februar 2023

Was macht das Vaterwerden mit Männern? Wissenschaftler untersuchen, wie sich Männer psychisch und physisch während der Schwangerschaft, der Geburt und in den ersten Jahren mit ihren Kindern verändern. Diese Dokumentation geht auf eine Entdeckungsreise und begleitet drei Männer in Deutschland, Frankreich und Schweden während ihres Abenteuers, Papa zu werden und Vater zu sein.

Die arte Dokumentation zeigt, wie sich Männer während der Schwangerschaft, der Geburt und in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder verändern, und welche Bedeutung sie dabei für ihre Kinder haben.
Anna Machin, Evolutionsanthropologin der Universität Oxford, erforscht das Verhältnis von Vätern zu ihren Kindern. Die Ergebnisse ihrer Studien belegen, dass gegen Ende der Schwangerschaft und bei der Geburt das Testosteron der Väter sinkt. Das hilft ihnen, liebevoller auf ihre Kinder zu reagieren. Die Forschungsresultate Marian Bakermans-Kranenburgs von der Universität Leiden deuten darauf hin, dass Väter, die bereits in der Schwangerschaft täglich mit ihrem Baby kommunizieren, auch später eine stärkere Bindung zum Kind haben.
Was passiert bei der Geburt mit Männern? Damit hat sich der Gynäkologe Kai Bühling im Rahmen einer Studie beschäftigt. Rund 90 Prozent der Väter erleben die Geburt als positiv – aber es gibt auch Männer, die sich um negative Veränderungen sorgen, vor allem, was die Sexualität angeht. Die Neurobiologin Ruth Feldman aus Tel Aviv hat sich in großangelegten Studien die Gehirnregionen von Müttern und Vätern angeschaut. Ihr Ergebnis: Nicht nur die Gehirne der Frauen, sondern auch die der Männer verändern sich nach der Geburt – vorausgesetzt, sie sind engagierte Väter.

Spannende wissenschaftliche Erkenntnisse, verwoben mit persönlichen Geschichten von Vätern aus drei unterschiedlichen Ländern, ergeben einen faszinierenden Film über das Phänomen des Vaterwerdens und der Wichtigkeit des Vaterseins.

Nächste Ausstrahlung am:

  • Samstag, 4. Februar um 22:50
  • Mittwoch, 22. Februar um 02:00
  • Sonntag, 26. Februar um 07:45

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Die wichtigste Nebenrolle eines Mannes

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 31. Januar 2023

Väter in der Geburtshilfe

Bei einer Geburt stehen die werdende Mutter und das Kind im Zentrum des Geschehens. Das ist unbestritten. Ebenso unzweifelhaft ist jedoch, dass zu diesem Zeitpunkt, vor und in den ersten Wochen nach der Geburt, die Weichen für die zukünftige Arbeitsteilung in der Familie gestellt werden.
Die überwiegende Mehrheit der jungen Männer und Frauen wünschen sich eine partnerschaftliche Aufteilung von bezahlter Erwerbs- und nicht bezahlter Familienarbeit. In der Realität passiert aber das Gegenteil. Die werdenden Eltern kommen als fortschrittliches Paar in die Geburtsklinik und verlassen den Kreißsaal mit einer Rollenaufteilung, die eher der ihrer Großeltern ähnelt als den eigenen Vorstellungen.

Hans-Georg Nelles zeigt in diesem Beitrag auf, was das mit den Strukturen der Geburtshilfe zu tun haben könnte.

Gute Vorbereitung wäre angebracht

Die Entscheidung Vater zu werden, ist heute in den meisten Fällen eine bewusste, auch wenn der Zeitpunkt nicht genau festgelegt werden kann und von vielen Männern und Frauen weit in die 30er Jahre hinausgeschoben wird, das heißt Mütter und Väter mit einer Hochschulausbildung erst im Alter von 35 Jahren Eltern werden. Berufliche Entwicklung und materielle Absicherung sind wichtig und die ‚richtige‘ Partner*in muss ja auch noch gefunden werden.

In Anbetracht dieser Vorlaufzeit ist es verwunderlich, dass der Vorbereitung auf das Vaterwerden und -sein so wenig Bedeutung zugemessen wird. Sobald eine Frau schwanger wird, greift ein engmaschiges Netz von Schutzvorschriften im beruflichen Umfeld und Angebote zur Geburtsvorbereitung sind selbstverständlich und werden von Krankenkassen finanziert.

Bei den werdenden Vätern sucht Mann vergleichbares vergeblich. Viele Arbeitgebende erfahren erst bei der Änderung von steuerlichen Eckdaten, dass jemand Vater geworden ist und da Kinder zunehmend außerhalb einer Ehe geboren werden noch nicht einmal dadurch.

Auch die Angebote für Väter, sich auf die Geburt ihres Kindes vorzubereiten, sind eher die Ausnahme. Gewiss, Mann kann gemeinsam mit seiner Partner*in zum ‚Hechelkurs‘ gehen und erhält wertvolle Infos zu medizinischen Abläufen und dem Geburtsgeschehen, aber die eigenen Gedanken und Befürchtungen zur Sprache bringen und sich mit anderen Vätern auszutauschen ist in diesem Rahmen nicht möglich.

In dem Beitrag ‚Was bringen Geburtsvorbereitungskurse für Männer‘[ii] werden bundesweit 18 Angebote gelistet. Selbst wenn sich die Angebote in den vergangenen 6 Jahren verdreifacht hätten, wären es immer noch Ausnahmeerscheinungen. (Werdende) Väter brauchen ein flächendeckendes Angebot, das von Krankenkassen finanziert wird.

He for She?

Auf der Grundlage internationaler Forschungsergebnisse, die die Zusammenhänge zwischen dem Verhalten, den Erfahrungen, Einstellungen und Merkmalen von werdenden und neuen Vätern und der Gesundheit und Wohlbefinden von Mutter und Kind aufzeigen, hat die Weltgesundheits-organisation (WHO) eine der zehn Empfehlungen zu Maßnahmen der Gesundheitsförderung von Müttern und Neugeborenen zur Einbeziehung von Vätern formuliert.[iii]

Die WHO empfiehlt, die Beteiligung von Männern während der Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt zu fördern, um die Selbstsorge von Frauen und die häuslichen Pflegepraktiken für Frauen und Neugeborene zu verbessern, den Einsatz qualifizierter Vorsorge für Frauen und Neugeborene während der Schwangerschaft, der Entbindung sowie in der postnatalen Periode zu erleichtern.

Das ist gut und wichtig, beschreibt die Rolle der Väter und ihre Kompetenzen insbesondere mit Blick auf die Vater-Kind-Bindung aber nur unzureichend.

Da fehlt doch einer

‚Mutter, Kind und Hebamme bzw. Ärzt*in‘ mit dieser Triade wird das Geburtsgeschehen beschrieben. Das die werdende Mutter und das Kind im Mittelpunkt der Betrachtung und des Geburtsgeschehens stehen, ist selbstverständlich, aber ohne den Vater ist das System unvollständig.

Diese ‚Ausgrenzung‘ setzt sich vielfach in der nachgeburtlichen Betreuung fort:

„Deutlich wird, dass Familienhebammen weniger Familie im Sinne der Konzeption, sondern vielmehr spezifische Formen von Mutterschaft herstellen, die sich als „Mother in the Making“ also als unfertige Mutterschaften beschreiben lassen und die durch die Familienhebamme in ihrer Mutterwerdung unterstützt werden. Familie wird so zu einer weiblichen Sorgebeziehung, die sich sowohl über Mutterschaft als auch über Großmutterschaft nachzeichnen lässt: Familienhebammen werden zu Mütterhebammen.“[iv]

Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, wenn Paare, die mit der Vorstellung einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung in den Kreißsaal gehen, diesen mit traditionellen Rollenzuschreibungen wieder verlassen.

Eine gute Vorbereitung auf diese Situation und der Austausch unter Väter kann dazu beitragen, die Wirkungen dieser ‚Ernährerfalle‘ zu minimieren.

Weder Assistent noch Beifahrer

In dem 2016 auf 136 Seiten ausformuliertem ‚Nationalen Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘[v] wird die Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt. Unter anderem heißt es dort ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden‘.

Obwohl also Alles dafürspricht, (werdende) Väter rechtzeitig einzubeziehen und als aktive Subjekte im Geburtsgeschehen zu betrachten, werden sie hierzulande häufig immer noch als ‚Assistenten‘ oder ‚Beifahrer‘ betrachtet.

Die Rolle, die sie während der Geburt wahrnehmen können, ist für ihre Partnerin da zu sein, den neuen Lebensabschnitt gemeinsam zu beginnen und von Anfang an als Vater präsent zu sein. Dabei erleben sie sich vielfach in einer völlig ungewohnten Situation: Sie haben keine Kontrolle über das Geschehen und die Mächtigkeit der Gefühle führt sie vielfach nicht nur emotional an ihre Grenzen, sondern manchmal sogar darüber hinaus. Das Vertrauen in die Kompetenzen des geburtshilflichen Teams und ihr Wissen um die natürlichen Abläufe sind in diesen Momenten gute Stützen.

Außerdem unterstützen Väter, auch wenn sie nicht aktiv werden, ihre Frauen bei der Geburt und haben eine wichtige ‚Bodyguard‘ Funktion im Hinblick auf Gewalt und Respektlosigkeit.

Bedeutung zuschreiben und erfahrbar machen

Väter sind wichtig, und zwar von Anfang an. Und zwar von dem Moment an, an dem ein Paar Eltern werden möchte. Die partnerschaftliche Zuwendung der Väter während der Schwangerschaft einerseits und die Zuschreibung väterlicher Bedeutung und Kompetenzen andererseits, lange vor der Geburt, sind mitentscheidend für väterliches Engagement.

Wenn Väter diese Bedeutung dann während der Geburt und unmittelbar danach gerade auch im Kontakt mit ihrem Kind erfahren können, sind weitere wichtige Weichenstellungen erfolgt.

Wie Väter auf diese Situation vorbereitet werden können und welche Rolle die verschiedenen Professionen dabei spielen, ist schon 2014 in einer von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung veröffentlichten Broschüre[vi] benannt worden.

Ein entscheidender Faktor dabei ist die Haltung des geburtshilflichen Teams gegenüber der Rolle sowie der aktiven Einbeziehung von Vätern. Ihre gute Vorbereitung auf die Geburt kommt auch der werdenden Mutter zugute. Studien zeigen, dass Väter, die ihre Rolle während der Geburt kennen und verstehen, was dort geschieht, selbst besser vor übermäßigem Stress geschützt sind und seltener Gefahr laufen, den Ablauf der Geburt negativ zu beeinflussen. Das gilt insbesondere in den Momenten, in dem es mal nicht „nach Plan läuft“, was aber auch völlig normal ist.

… und zum Schluss noch passende Rahmenbedingungen

Als Vision und Wunsch abschließend formuliert: um werdenden und gewordenen Väter und Müttern die Verwirklichung ihres Wunsches nach einer gleichberechtigten Aufgabenteilung zu ermöglichen braucht es, neben den äußeren, passenden Rahmenbedingungen wie der Vaterschaftsfreistellung[vii], ein Angebot sich vor und nach der Geburt mit den oben genannten Themen auseinanderzusetzen. Und zwar an den Orten und zu den Anlässen, die Väter und Mütter sowieso gemeinsam oder getrennt aufsuchen und nutzen. Die Geburtsvorbereitung gehört in jedem Fall dazu. Es braucht aber neben den Hebammen weitere (männliche) Akteure und Angebote für Väter, vor allem für die Zeit nach der Geburt.

Damit dies Wirklichkeit werden kann, kommt es aber auch darauf an, (werdende) Väter so zu empowern, dass sie ihre Bedürfnisse artikulieren und entsprechende Angebote einfordern.

[ii] https://www.menshealth.de/dad/partner-family/das-bringen-geburtsvorbereitungskurse-fuer-maenner/

[iii] https://www.who.int/news/item/15-02-2018-making-childbirth-a-positive-experience

[iv] https://link.springer.com/article/10.1007/s12592-017-0268-z

[v] https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/publikationen/nationales-gesundheitsziel-gesundheit-rund-um-die-geburt-727604

[vi] https://publikationen.sexualaufklaerung.de/themen/geburt/vaeter-auf-die-geburt-vorbereiten/

[vii] https://www.openpetition.de/petition/online/10-tage-vaterschaftsfreistellung-zur-geburt-fuer-einen-gemeinsamen-start-jetzt-2

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Auswertung der Kurzumfrage – Bedeutung von Vätern in der Geburtshilfe

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 15. November 2022

im Oktober hat die LAG-Väterarbeit in NRW eine Kurzumfrage mit 5 Fragen zur Bedeutung von Vätern in der Geburtshilfe gestartet.
Die erste Frage lautete:

Welche Bedeutung haben Väter Ihrer Meinung nach bei der Geburt?

Wichtig bzw. sehr wichtig antworteten 93%. Spannend ist bei dieser Frage der Blick auf die Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Von den 98 Antwortenden haben sich 65 dem männlichen und 30 dem weiblichen Geschlecht zugeordnet. Drei haben keine Angaben gemacht.

Während die Einschätzung, sie haben gar keine oder eine geringe Bedeutung gleichermaßen selten geäußert wird sind prozentual mehr Frauen der Überzeugung, dass werdende Väter bei der Geburt unabkömmlich sind als Männer. Eine große Mehrheit von 63% bzw. 73% schätzen ihre Rolle bei der Geburt aber als wichtig ein.

Frage 2: Kennen Sie Angebote für Väter sich auf die Geburt bzw. aufs Vaterwerden vorzubereiten?

Im Durchschnitt kennen 58% der Antwortenden Angebote zur Geburtsvorbereitung für Väter. Während aber lediglich 52% der Väter entsprechende Angebote bekannt sind, äußern über 73% der Frauen diese Angebote zu kennen.
Bei der Frage, welche Angebote bekannt sind, nennen 6 der 34 Männer väterspezifische Angebote, bei den Frauen äußern drei, diese Angebote zu nennen. Alle anderen Nennungen beziehen sich auf die Teilnahme an den Kursen der Hebammen bzw. Paarkurse. …

Die vollständige Auswertung mit den Grafiken: Bedeutung von Vätern in der Geburtshilfe – Ergebnisse der Kurzumfrage der LAG-Väterarbeit

Schlussfolgerungen für die Arbeit der LAG-Väterarbeit

Väter ‚spielen‘ bei der Geburt eine bedeutsame Rolle, vor, während und unmittelbar nach der Geburt werden Weichen für väterliches Engagement und eine partnerschaftliche Arbeitsteilung gestellt.

In diesem Kontext sind passende Angebote für Väter sind ein unbedingtes Muss und die gemeinsame Vorbereitung im Rahmen eines Hebammenkurses kann diese nicht ersetzen.

Im Rahmen dieser Angebote, die es bislang nur vereinzelt, vor allem in städtischen Ballungszentren gibt, brauchen Väter Möglichkeiten, sich mit anderen (werdenden) Vätern auszutauschen, alleine und gemeinsam mit ihren Kindern, sich als bedeutsam für die Entwicklung ihrer Kinder zu erleben und diese Bedeutung auch gesellschaftlich zugeschrieben zu bekommen.

Für die Schaffung der konkreten Angebote braucht es politischen Gestaltungswillen und die entsprechenden Mittel. Die allgemeine Anerkennung der Bedeutung von Vätern für die Entwicklung von Kindern ist vor allem eine Frage der Haltung. Sie einzunehmen erleichtert die Gestaltung der passenden Rahmenbedingungen, di nicht nur den Vätern, sondern auch den Kindern und den Partnerschaften zugutekommen.

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Väter sind auch rechtliche Subjekte

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 26. Oktober 2022

Bericht zum Werkstattgespräch der LAG-Väterarbeit am 26. Oktober

Das in einem Strategiepapier des ‚Runden Tischs Eltern werden‘ zur guten Geburt gefordert wird, Mutter und Kind als rechtliche Subjekte in der Geburtshilfe zu betrachten, zeigt auf, dass dort einiges schiefläuft.

In seinem Impuls ‚Väter in der Geburtshilfe – systemische Perspektiven‘ zeigte Hans-Georg Nelles einige der ‚Krisensymptome‘ auf: Schließung von ‚unrentablen‘ Kreißsälen, fehlende Hebammen und werdende Väter, die während der Pandemie die Geburt auf den Gängen der Krankenhäuser oder im kalten Auto begleiten mussten. Dies sind in seinen Augen aber nur Symptome der eigentlichen Krise, die seiner Auffassung darin besteht, dass Väter im Geburtshilfesystem nicht als Subjekte betrachtet und vielfach noch nicht einmal in den Blick genommen werden. So erleben

  • 92% der Väter nehmen an Vorsorgeuntersuchungen teil, aber 61% berichten, dass ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden ist
  • Väter haben keinen formalen Status bei der Geburtsvorbereitung, selbst ihr Name wird nicht erfasst. Lediglich 16 % der Väter werden während der Geburt nach ihrem Befinden gefragt.
  • Wenn ‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden und deutlich gemacht wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung von Vätern bei der Nachsorge von ca. 20% auf bis zu 70%

Ergebnisse der Väterforschung zeigen auch, dass Väter, die bei der Geburt dabei sind, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, ihre Kinder häufiger wickeln, ihre Kinder öfter am Körper tragen, häufiger mit ihrem Kind an der frischen Luft unterwegs sind sowie sicherer im Umgang mit dem Kind sind und mehr Spaß daran haben. Dieses Engagement profitiert auch die Partnerschaft.

In dem Beitrag ging der Referent auch auf gute Beispiele ein, Studien des Fatherhoodinstitute aus Großbritannien und die Initiative Erzählcafé, die einen Kostenlosen Flyer für Väter entwickelt hat.

Um Veränderungen im System Geburtshilfe zu bewirken sind jedoch weitere Initiativen und politische Maßnahmen erforderlich. Eine bundesweite Befragung von Hebammen zu ihren Erfahrungen mit Vätern bei der Geburtsvorbereitung und unter der Geburt könnten dem Thema Aufmerksamkeit verleihen. Auch bei der momentan laufenden Umstellung der Hebammenausbildung könnte darauf hingewirkt werden, das gesamte System werdende Familie in den Blick zu nehmen und die Rolle der Hebammen bei der (Te-) Konstruktion traditioneller Rollenbilder zu reflektieren. Im politischen Raum geht es vor diesem Hintergrund vor allem darum:

  • Die Bedeutung von Hebammen für das Paar im Übergang in die Elternschaft mit den psychosozialen Aspekten bei der akademischen Ausbildung angemessen zu berücksichtigen
  • Fortbildungsangebote, Informationskampagnen durchzuführen sowie die Zusammenarbeit mit Hebammenverbänden zu intensivieren, um das Thema zu etablieren und auch den Nutzen zu kommunizieren, der der Hebammenarbeit durch die Einbeziehung der Väter zugutekommt.
  • Neben der Sensibilisierung im Rahmen von Aus- und Fortbildung muss diese Aufgabe der Hebammen vom Gesetzgeber und den Krankenkassen ausdrücklich zugeschrieben und honoriert werden.

Damit dies Wirklichkeit werden kann kommt es darauf an, (werdende) Väter so zu empowern, dass sie ihre Bedürfnisse artikulieren und entsprechende Angebote einfordern.

Die Teilnehmenden des Werkstattgesprächs, die allesamt beruflich mit der Beratung und Begleitung von Vätern und Müttern rund um die Geburt befasst sind, tauschten sich im anschließenden Gespräch über ihre Erfahrungen mit der ‚Missachtung‘ von Vätern aus. Ein trauriges Resümee: die traumatisierenden Erfahrungen von Vätern unter der Geburt haben signifikant zugenommen, während es so gut wie keine Angebote für Väter gibt. Vielfach ist die Diagnose ‚postnatale Depression‘ bei Vätern selbst beim Fachpersonal nicht bekannt.

Ein weiterer Schwerpunkt des Gesprächs war die Frage, inwieweit es sinnvoll ist im Rahmen der Geburtsvorbereitung Risiken zu thematisieren. Ja, das ist wichtig, es geht dabei nicht darum, die (Vor-) Freude auf die Geburt zu trüben, sondern das Paar in die Lage zu versetzen, zum Beispiel im Fall einer ungeplanten Sectio handlungsfähig zu sein und im Gespräch zu bleiben.

Stefanie Schmid-Altringer, die Initiatorin der Erzählcafés fasste die Aufgaben der Väter, nicht nur in solchen Situationen, folgendermaßen zusammen:

  • Sie unterstützen die Mutter bei der Geburt
  • Sie haben eine Bodyguard Funktion im Hinblick auf Gewalt und Respektlosigkeit
  • Sie achten auf sich selbst (Selbstfürsorge)
  • Sie sind als Patient auch rechtliches Subjekt im System

Ein Ergebnis des Gesprächs ist, eine Umfrage unter Vätern und Expert*innen durchzuführen und zu erfragen, was Väter im Kontext dieses existenziellen Lebensereignisses brauchen.

Den Impuls zum Download: https://www.lag-vaeterarbeit.nrw/wp-content/uploads/2022/10/Vaeter-in-der-Geburtshilfe-20221026.pdf

Zu den Erzählcafés geht es hier https://erzaehlcafe.net/vaeter/

Der Flyer „Respekt Mann, Du wirst Vater” kann hier heruntergeladen werden https://erzaehlcafe.net/data/uploads/vaeterflyer_online.pdf

Die Veranstaltungen ‚Es war eine schwere Geburt … und vieles kam anders‘ finden Sie hier https://www.guterstart.nrw.de/fhiangebot/details/id/45090

Quelle

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Väter im System Geburtshilfe – Gedanken zu einer neuen Einordnung

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 13. Oktober 2022

Vater werden und sein verändert alles. Diese an sich triviale Aussage verweist auf die Großartigkeit des Ereignisses einer Geburt und die Komplexität der Wirkungen, die sie auslöst. Sie zeigt aber auch auf die Fülle der Möglichkeiten auf, die Hebammen und andere haben, werdende Väter und Mütter auf diesem Weg zu begleiten und sie auf das dieses Ereignis und die folgenden Jahrzehnte vorzubereiten. Mehr als 90 Prozent der werdenden Väter sind bei der Geburt ihres Kindes dabei und eine gute Vorbereitung wirkt sich nicht nur auf den Geburtsverlauf positiv aus.

Wenn Männer Väter werden, wollen sie nicht nur beruflich weiterhin erfolgreich, sondern gleichermaßen auch gute Väter sein. Das bedeutet in erster Linie, Zeit haben, für die Kinder da zu sein, präsent zu sein, ihre Entwicklung zu begleiten und zu fördern, ihnen die besten Möglichkeiten für einen guten Schulabschluss zu verschaffen sowie möglichst viele Risiken des Alltags von ihnen fernzuhalten. Also ein durch und durch fürsorglicher Vater zu sein.

Im Hinblick auf die Partnerschaft und die Partnerin steht der Anspruch, sich anfallende Aufgaben partnerschaftlich aufzuteilen und nicht in traditionelle Rollenmuster zurückzufallen, im Raum. Eltern werden, Partner bleiben. Die große Herausforderung bei der Umsetzung dieser Ansprüche ist, dass Väter (und Mütter) kaum auf erprobte Muster und Rollenmodelle zurückgreifen können und sich einen eigenen Weg suchen müssen. Es ist zwar inzwischen viel zu diesem Thema geschrieben worden, aber verwirklichen müssen Mann und Frau ihren Traum von einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung, einer geteilten Verantwortung für die Kinder und genügend Gelegenheiten für die Pflege der Paarbeziehung schon selber.

Erfahrungen und Studienergebnisse (BMFSFJ, 2011) zeigen, dass die gewählten Lebensmodelle vielfach nicht Ergebnis zielgerichteter Aushandlungsprozesse sind, sondern Paare vor dem Hintergrund vermeintlich rationaler Gründe nach der Geburt dort ‚hineingeschliddert‘ sind und Väter sich mehr oder weniger freiwillig auf die traditionelle Rolle des Ernährers und Assistenten in der Familie einlassen.

Was Väter brauchen, sind passende Erwartungshaltungen, Rahmenbedingungen und Wertschätzungsstrukturen. Es kommt vor allem darauf an, dass es völlig normal sein wird, beruflichen Erfolg und fürsorgliches Verhalten in Familie und anderswo nicht mehr als Gegensätze zu denken, sondern als gegenseitige Ergänzung und Bereicherung.

In dem Zeitraum zwischen der Entscheidung Vater und Mutter werden zu wollen und der Geburt, der in den meisten Fällen länger als die 280 Tage der Schwangerschaft umfasst, werden nicht nur Pläne geschmiedet und das ‚Nest‘ hergerichtet, sondern die Weichen dafür gestellt, ob die Vorstellungen sich Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich aufzuteilen gelingen können oder nicht.

Auf die Vorbereitung kommt es an

Auf der Grundlage internationaler Forschungsergebnisse, die die Zusammenhänge zwischen dem Verhalten, den Erfahrungen, Einstellungen und Merkmalen von werdenden und neuen Vätern und der Gesundheit und Wohlbefinden von Mutter und Kind aufzeigen, hat die Weltgesundheits-organisation (WHO) eine der zehn Empfehlungen zu Maßnahmen der Gesundheitsförderung von Müttern und Neugeborenen zur Einbeziehung von Vätern formuliert.

Die WHO empfiehlt, die Beteiligung von Männern während der Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt zu fördern, um die Selbstsorge von Frauen und die häuslichen Pflegepraktiken für Frauen und Neugeborene zu verbessern, den Einsatz qualifizierter Vorsorge für Frauen und Neugeborene während der Schwangerschaft, der Entbindung sowie in der postnatalen Periode zu erleichtern, und die Einrichtung für Geburtshilfe rechtzeitig zu nutzen falls es Komplikationen bei den Neugeborenen gibt.

Neben dieser auf die Gesundheit von Mutter und Kind bezogenen Perspektive, die für sich genommen schon Grund genug ist, Väter während der Schwangerschaft, bei der Geburtsvorbereitung, der Geburt und der Zeit danach aktiv einzubeziehen, gibt es weitere, ebenfalls wissenschaftlich gut belegte Gründe, dies zu tun.

Die Gesundheit der Väter und ihre Beziehung zu dem ungeborenen Kind haben einen großen Einfluss darauf, in welchem Maße sie sich an der Erziehung des Kindes beteiligen und Ressourcen für seine gelingende Entwicklung zur Verfügung stellen.

In dem 2016 auf 136 Seiten ausformuliertem ‚Nationalen Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘ wird die Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt. Unter anderem heißt es dort ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden‘.

Ansprüche und Wirklichkeiten

Obwohl also Alles dafürspricht, (werdende) Väter rechtzeitig einzubeziehen und als aktive Subjekte im Geburtsgeschehen zu betrachten, werden sie hierzulande häufig immer noch als ‚Beifahrer‘ (BZgA 2011) betrachtet. In Großbritannien, wo bereits 2006 im Nationalen Gesundheitssystem ein Paradigmenwechsel zugunsten der Einbeziehung von Vätern stattgefunden hat, zeigen gerade veröffentlichte Befragungsergebnisse, dass dieser empfohlene Wandel auch dort noch längst nicht überall praktiziert wird. (Thorpe, 2018)

  • 92% der Väter nehmen an den Vorsorgeuntersuchungen teil, aber 61% berichten, dass ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden ist
  • Väter haben keinen formalen Status bei der Geburtsvorbereitung, selbst ihr Name wird nicht erfasst. Lediglich 16 % der Väter werden während der Geburt nach ihrem Befinden gefragt.
  • Wenn ‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden und deutlich gemacht wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung von Vätern bei der Nachsorge von ca. 20% auf bis zu 70%

Ein Blick hinter die Kulissen

Zu der Thematik liegen vor allem Praxis- und Forschungsberichte aus dem angelsächsischen Raum vor. Auf der Website www.familyincluded.com werden diese seit 2015 systematisch ausgewertet, thematisch gelistet und zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist nach der Erklärung der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2013, in der erklärt wurde, dass die Zusammenarbeit mit den Vätern eine globale Priorität für die Gesundheitsversorgung von Müttern haben sollte, und vor dem Hintergrund, dass es weder Pläne noch Ressourcen gab, um dies umzusetzen, entstanden. Als Haupthindernisse für die tatsächliche Einbeziehung von Vätern werden dort folgende Punkte identifiziert:

Das erste Problem ist die Professionalisierung und die Perspektive auf die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen. Häufig wird diese Gesundheitsversorgung als eine Angelegenheit betrachtet, die sich nur zwischen dem Gesundheitspersonal und der „Patientin”, in diesem Fall der Schwangeren abspielt.

Das zweite Problem ist die Sorge um die Gleichberechtigung der Geschlechter. Fast alle Familien umfassen Männer, und sie haben oft mehr vor allem finanzielle Ressourcen. Wenn man sie in die Pflege einbezieht, so wird befürchtet, könnte dies dazu führen, dass die Autonomie der Frauen eingeschränkt wird und die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Familien nicht in Frage gestellt werden. Diese Aussage spiegelt die Tatsache wider, dass zahlreiche Forschungsprojekte in Ländern mit noch ausgeprägteren patriarchalen Strukturen durchgeführt werden.

Hierzulande geht es vor allem darum, Väter für eine Beteiligung in Familie und an den in der Familie zu erledigenden Arbeiten zu gewinnen und zwar von Anfang an. Für den deutschsprachigen Raum liegen zwei Untersuchungen vor, die die von ‚Family Included‘ identifizierten Hindernisse bestätigen.

Marion Müller und Nicole Zilien (2016) verifizieren in ihrem Forschungsprojekt die Ausgangsthese, „dass die heutigen Geburtsvorbereitungskurse durch ihre Ausgestaltung Geschlechterdifferenzen hervorheben, diese weiterhin mit geschlechterdifferenzierenden Zuschreibungen häuslicher Arbeit koppeln und durch eine wissenschaftlich gestützte Naturalisierung legitimieren. Geburtsvorbereitungskurse bahnen demnach bereits in der pränatalen Phase eine geschlechterdifferenzierende Arbeitsteilung an und lassen sich deshalb als Institutionen der Retraditionalisierung interpretieren.“

Lisa Maria Groß (2017) kommt in ihrer Arbeit ‚Väter als Adressaten in Frühen Hilfen? Über die Konstruktion von Väterlichkeit im professionellen Handeln von Familienhebammen‘ zu dem Ergebnis, „In Interviews mit Familienhebammen und ethnographischen Beobachtungsprotokollen von Hausbesuchen zeigt sich allerdings eine Mütterorientierung im professionellen Handeln von Familienhebammen, die zu einer sekundären Adressierung der Väter hinsichtlich innerfamilialer Sorgetätigkeiten bis hin zur Exklusion väterlicher Fürsorge aus dem Binnenraum der Familie führt.“

Die Vorbereitung des geburtshilflichen Teams auf die Väter

Wie Väter auf die Geburt vorbereitet werden können und welche Rolle die verschiedenen Professionen dabei spielen, hat schon 2014 das, in einer von der Bundeszentrale für gesundheitliche veröffentlichten Broschüre, Ergebnis einer multiprofessionellen Arbeitsgruppe deutlich gemacht. (BZgA 2014)

Ein entscheidender Faktor dabei ist die Haltung gegenüber der Rolle sowie der aktiven Einbeziehung von Vätern. Ihre gute Vorbereitung auf die Geburt kommt auch der werdenden Mutter zugute. Studien zeigen, dass Väter, die ihre Rolle während der Geburt kennen und verstehen, was dort geschieht, selbst besser vor übermäßigem Stress geschützt sind und seltener Gefahr laufen, den Ablauf der Geburt negativ zu beeinflussen. Das gilt insbesondere in den Momenten, in dem es mal nicht „nach Plan läuft“, was aber auch völlig normal ist. (Schäfer, Abu Dakn 2008)

Die Rolle, die sie während der Geburt wahrnehmen können, für ihre Partnerin da zu sein, den neuen Lebensabschnitt gemeinsam zu beginnen und von Anfang an als Vater präsent zu sein. Dabei erleben sie sich vielfach in einer völlig ungewohnten Situation: Sie haben keine Kontrolle über das Geschehen und die Mächtigkeit der Gefühle führt sie vielfach nicht nur emotional an ihre Grenzen, sondern manchmal sogar darüber hinaus. Das Vertrauen in die Kompetenzen des geburtshilflichen Teams und ihr Wissen um die natürlichen Abläufe sind in diesen Momenten gute Stützen.

Dieses Vertrauen kann im Vorfeld der Geburt durch verschiedene Angebote zur Geburtsvorbereitung in den Geburtskliniken und den Kursen der Hebammen bzw. der Familienbildung gebildet werden. Dabei geht es verständlicherweise vorrangig um die biologischen Abläufe der Geburt und die Vorbereitung der Mütter darauf, um ihre Bedürfnisse, Ängste und Sorgen.

Darüber hinaus sind aber zwei weitere Ebenen der Vorbereitung auf die Geburt und vor allem die Zeit danach für Väter von großer Bedeutung. Die gemeinsamen Planungen der werdenden Eltern für die Zeit zu Dritt und der Austausch des werdenden Vaters mit anderen Männern.

Einbeziehung von Vätern nutzt partnerschaftlicher Aufgabenteilung

Die Entscheidung Eltern werden zu wollen, ist heute eine bewusste, auch wenn eine exakte Planung nicht garantiert ist. Im Rahmen dieses Prozesses können Fragen der beruflichen Weiterentwicklung, der familiären Arbeitsteilung und auch die Vorstellungen zu den Rollen als Mutter und Vater sowie die Erfahrungen und Prägungen in der eigenen Herkunftsfamilie thematisiert werden. In ihrem Papa Handbuch beschreiben die Autoren eine Fülle von praktischen Möglichkeiten dazu. (Richter, Schäfer 2020)

Darüber hinaus gibt es eine Fülle an ‚Väterthemen und fragen‘, die am besten bearbeitet werden können, wenn Väter unter sich sind und diese Phase auch von einem erfahrenen Mann und Vater betreut wird:

  • Welche Wünsche und Befürchtungen habe ich für die Geburt?
  • Will ich bei der Geburt dabei sein? Was will ich sehen, was nicht?
  • Was ist mir wichtig für die erste Zeit zuhause?
  • Welche Bedeutung habe ich als Vater für die Entwicklung des Kindes?
  • Wie kann ich meine Vaterkompetenzen entfalten?
  • Wie entwickelt sich das Verhältnis zu meiner Partnerin, wenn sie auch Mutter ist?
  • Was ist mit dem Sex in der Schwangerschaft und nach der Geburt?
  • Wie kann es gelingen, dass wir auch als Vater und Mutter die Verantwortung für finanzielle Versorgung der Familie und die dort anfallenden Care-Aufgaben partnerschaftlich aufteilen?

Die Möglichkeit, sich mit anderen Vätern darüber auszutauschen, haben einen bedeutenden Einfluss auf das spätere Geburtsgeschehen. Derart vorbereitet können Väter vom geburtshilflichen Team als unmittelbar Beteiligte des Geschehens wahrgenommen und als Personen mit eigenen Bedürfnissen und eigenem Erleben angesprochen und einbezogen werden.

Diese „Männerrunden“ sind teilweise schon Praxis bei der Geburtsvorbereitung. Darüber hinaus gibt es an wenigen Orten spezielle Angebote für werdende Väter. (Mens Health 2016)

Ergebnisse eines Praxisprojekts in NRW

Ein vom Familienministerium in NRW gefördertes Praxisprojekt beschäftigte sich mit der Fragestellung, wie die Einbeziehung von Vätern im Rahmen der Geburtsvorbereitung durch Hebammen gefördert werden kann. Im Zentrum standen dabei die Entwicklung und Erprobung eines Fortbildungs-Curriculums. (Nelles 2020)

Die Annahme, Väter und Mütter im Kontext der Geburtsvorbereitung durch Hebammen anzusprechen und dort das Anliegen ‚partnerschaftliche Aufgabenteilung‘ zu thematisieren hat sich bestätigt, da in diesem Zeitraum entscheidende Weichenstellungen vorgenommen werden und mehr als 90 % der Väter an der Geburt und, zumindest beim ersten Kind, auch an angebotenen Kursen zur Vorbereitung teilnehmen.

Auf der Basis freiwilliger Fortbildungen für Hebammen lässt sich das Ziel, partnerschaftliche Aufgabenteilung im Rahmen der Geburtsvorbereitung zu thematisieren jedoch nicht erreichen. Das liegt zum einen, an der von der, an den unterschiedlichsten Stellen beschriebenen Haltung der Hebammen, Frauen und Männern traditionelle Rollen zuweisen und selbst wenn sie Angebote für Väter machen, diesen Unterstützungs- und Assistentenaufgaben zuweisen.

Auf der anderen Seite sind es strukturelle Rahmenbedingungen wie Personalschlüssel in Kliniken und der Blick der dort arbeitenden Gynäkologen auf die Hebammen sowie die schlechte Bezahlung von letzteren. Dazu kommt die Akademisierung der Hebammenausbildung und die Umsetzung der entsprechenden Verordnungen und die Sicherstellung der praktischen Ausbildungsanteile auf den ‚letzten Drücker‘.

Die Neuaufstellung der Hebammenausbildung bietet, zumindest theoretisch, die Chance, die Themen ‚Bedeutung von Vätern‘ und ‚Aufstellung der Akteure im System Familie‘ in den neuen Curricula zu verankern zumal es in der Anlage 1 der ‚Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen des Bundesministeriums für Gesundheit‘, in der die Kompetenzen von Hebammen aufgeführt sind, ausdrücklich heißt: [ sie] ‚verfügen über Kenntnisse …  über Prozesse der Familiengründung und bereiten die schwangere Frau und ihre Familie ihrer individuellen Lebenssituation entsprechend auf die Geburt, das Wochenbett und die Elternschaft vor …‘ (BMG 2019)

Um die Chance, die Themen im Rahmen der zu erarbeitenden neuen Ausbildungsordnungen breiter zu verankern, wird es aber notwendig sein, mit Unterstützung bereits im System tätigen Akteur*innen, Professor*innen mit ausgewiesener Väterexpertise und Praktikern der Väterbildung zunächst eine Expertise und darauf aufbauend Bausteine für die universitären Lehrpläne zu entwickeln.

Ein anderer Ansatzpunkt die Themen in bestehenden Geburtsvorbereitungskursen zu verankern sind die Qualitätsstandards. Die Kurse werden, zumindest für die Frauen, von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert. Jede Hebamme, die derartige Kurse anbietet kann sie über die Krankenkassen abrechnen. Diese könnten also mit entsprechenden Standards auch Einfluss auf die Inhalte ausüben

Fazit

Als Vision und Wunsch abschließend formuliert: um werdenden und gewordenen Vätern und Müttern die Verwirklichung ihres Wunsches nach einer gleichberechtigten Aufgabenteilung zu ermöglichen braucht es, neben den äußeren, passenden Rahmenbedingungen, ein Angebot sich vor und nach der Geburt mit den oben genannten Themen auseinanderzusetzen. Und zwar an den Orten und zu den Anlässen, die Väter und Mütter sowieso gemeinsam oder getrennt aufsuchen und nutzen. Die Geburtsvorbereitung gehört in jedem Fall dazu. Es braucht aber neben den Hebammen weitere (männliche) Akteure und Angebote für Väter, vor allem für die Zeit nach der Geburt.

Literatur

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2014). „Arbeitszeit: Wünsche nach Verkürzung und Verlängerung halten sich weitgehend die Waage“ http://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/azw.aspx (11. Mai 2021).

Beck, Ulrich (1986). Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main: S.169.

BMFSFJ (2011) https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/vaeter-und-der-wiedereinstieg-der-partnerin-82110 (11. Mai 2021)

BMG (2019) Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/H/RefE_Studien-_und_Pruefungsverordnung_fuer_Hebammen.pdf (11.Mai 2021)

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (2011) Beifahrer, Kleiner Tourenplaner für werdende Väter

BZgA (2014) Väter auf die Geburt vorbereiten, Informationen und praktische Tipps für Fachkräfte https://publikationen.sexualaufklaerung.de/themen/geburt/vaeter-auf-die-geburt-vorbereiten/ (11. Mai 2021)

Family Included (2018) https://familyincluded.com/fatherhood-researchers-respond-who-unicef-early-childhood-development/ (11. Mai 2021)

Fisher, Duncan (2010) Baby’s here! Who does what? How to split the work without splitting up

Groß, Lisa Maria (2017) Väter als Adressaten in Frühen Hilfen? https://www.budrich-journals.de/index.php/diskurs/article/view/28992/25248 (11. Mai 2021)

Mens Health (2016) Das bringen Geburtsvorbereitungskurse für Männer https://www.menshealth.de/dad/partner-family/das-bringen-geburtsvorbereitungskurse-fuer-maenner/ (11. Mai 2021)

Müller, Marion; Zillien, Nicole (2016) Das Rätsel der Retraditionalisierung https://www.akf-bonn.de/files/mueller__marion___zilien__nicole_das_raetsel_der_retraditionalisierung_____zur_verweiblichung_von_elternschaft_in_geburtsvorbereitungskursen._in_kzfss__jahrgang_68__heft_3__2016___s._409-433.pdf (11. Mai 2021)

Nelles, Hans-Georg (2020) Sachbericht ‚Bedeutung von Vätern im Geburtsprozess – Ein Fortbildungs­konzept für Hebammen‘ unveröffentlichtes Manuskript

Richter, Robert; Schäfer, Eberhard (2020) Das Papa Handbuch, Alles, was Sie wissen müssen zu Schwangerschaft, Geburt und dem ersten Jahr mit Baby

Schäfer, Eberhard; Abou-Dakn, Michael; Wöckel, Achim (2008) Vater werden ist nicht schwer? Zur neuen Rolle des Vaters rund um die Geburt

Schopp, Johannes (2019) Eltern stärken, Die Dialogische Haltung in Seminar und Beratung

Thorpe, Nick (2018) https://www.fathersnetwork.org.uk/maternity_services_results_news (11. Mai 2021)

Quelle

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Kurzumfrage: Welche Bedeutung haben Väter in der Geburtshilfe?

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 7. Oktober 2022

Im System der Geburtshilfe rumort es. Immer mehr Geburtskliniken schließen, aus Mangel an Hebammen oder Renditegründen. Während der Pandemie wurden Väter ganz oder teilweise bei Vorsorgeuntersuchungen und der Geburt ausgeschlossen und auch wenn sie dabei sein dürfen, fühlen sich Väter vielfach nicht einbezogen.

Es gibt zwar seit 2016 ein auf 136 Seiten ausformuliertes ‚Nationales Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘, aber die von vielen Seiten erhobene Forderung nach einem ‚Geburtsgipfel‘ und der im Frühjahr gestarteten Initiative ‚Bündnis Gute Geburt‘ verdeutlichen den tatsächlichen Handlungsbedarf.

Dort ist die Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt, ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden.‘ Die Wirklichkeit ist von dieser bereits 2008 formulierten Vision weit entfernt, das macht auch eine anlässlich der ‚Weltstillwoche‘ veröffentlichte Befragung deutlich. Es braucht passende Rahmenbedingungen damit aus dem ‚Sollen‘ und ‚Wollen‘ tatsächliches Handeln wird.

Bei der Gestaltung von ‚passenden‘ Rahmenbedingungen gibt es sicherlich Spielräume. Um diese auszuloten haben wir eine Kurzumfrage entworfen und bitte Sie, sich 2 Minuten Zeit für eine Beantwortung zu nehmen.

https://www.surveymonkey.de/r/LAGV_Geburtshilfe

Bei einem Werkstattgespräch am 26. Oktober werden wir die Ergebnisse präsentieren, Eckpunkte zu Veränderungen in der Geburtshilfe aus der Perspektive der Väter formulieren und diese in die aktuelle Diskussion einordnen.

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