Teresa Bücker, Journalistin und Autorin appellierte beim #VaeterSummitNRW am 26. August 2023 in Essen an alle Männer: „Ihr müsst laut
und deutlich sagen: Wir wollen mehr Zeit mit unseren Familien!“ Väter
müssten sich politisch für mehr Familienzeit und bessere Teilzeitlöhne
einsetzen. „Sie müssen unbequemer werden.“
In
deinem Buch beschreibst du, dass viele Kinder ihre Väter als abwesend
wahrnehmen, immer noch. Was hindert denn die Väter daran, präsenter zu sein in
ihren Familien?
Mich
hat das erst mal überrascht, dass Kinder immer noch sagen, dass ihre Mütter
viel präsenter sind als die Väter, weil wir davon ausgehen, dass sich in
Familien sehr viel getan hat. Und was Väter wirklich daran hindert, sich mehr
zu beteiligen, sind die langen Arbeitszeiten. Das zeigen alle Studien, alle
Analysen ganz klar, dass die Vollzeitnorm von 40 Stunden Vätern die Zeit in der
Familie nimmt. Dann kommen oft noch Pendelwege dazu. Väter haben oft
Arbeitsorte, die länger entfernt sind. Und das ist im Alltag dann ganz wenig
Zeit. Also, Arbeitszeit ist eine der großen Stellschrauben und Vätern sollte
eben bewusst sein, die Kinder nehmen. Das war heute immer noch. Ja.
Was
können denn Väter gewinnen, wenn sie mehr Carearbeiten in den Familien
übernehmen?
Jeder
Vater, der sich ganz viel in die Familie einbringt, erlebt das eigentlich. Also
am besten mal Väter fragen, die lange in Elternzeit waren oder Teilzeit
arbeiten. Das entspricht auch eigentlich den Wünschen vieler Vätern, ja, ganz
aktiv Vater zu sein, viel Zeit mit den Kindern zu haben. Und diejenigen, die es
erleben, die vielleicht jetzt schon in Teilzeit arbeiten, die sagen auch, sie
wollen nie wieder dahin zurück, wo sie vorher waren, weil der große Wunsch von
den meisten Vätern ist, eben auch eine starke emotionale Bindung an die Kinder.
Vorbild sein können und das kann man nur, wenn man im Alltag präsent ist. Und
Väter leiden gerade oftmals zwischen der Zerrissenheit von den beruflichen
Ansprüchen und wie sie als Vater eigentlich leben wollen. Und das in Einklang
zu bringen, darum geht es und dann fühlt man sich auch wohl da in der eigenen
Vaterrolle.
Was
können wir denn noch an den Strukturen drehen, damit wir den Vätern die
Anwesenheit in den Familien erleichtern können?
Was
ich empfehlen würde, ist, dass sich Paare, heterosexuelle Paare, wirklich
frühzeitig damit auseinandersetzen, wie sie leben wollen und ganz, ganz offen
darüber sprechen. Das findet oftmals nicht statt und dann werden wir in alte
Rollen gedrängt, in denen wir eigentlich gar nicht leben wollen. Und das
wirklich früh zu planen, vielleicht auch zu sagen, wir machen materielle
Einschnitte, weil wir beide in Teilzeit arbeiten wollen, aber dann so Eltern
sein können, wie wir es wirklich wollen, das ist ganz, ganz wichtig. Und was
ich Vätern auch empfehlen würde, wäre sich untereinander zu vernetzen, zu
solidarisieren und immer zu sagen, wenn ich hier in meinem Unternehmen den Weg
ebne für Familienfreundlichkeit auch für Väter, dann haben ganz viele andere
Väter was davon. Also diese solidarische Ebene, politisch auch etwas zu
verändern, das ist ganz wichtig.
Zum
Schluss, was ist dein Appell an Väter?
Traut
euch, in den Familien präsent zu sein, wirklich von Anfang an. Gönnt euch die
Zeit. Macht euch ganz klar, wie ihr Vater sein wollt, wie ihr Familie leben
wollt. Und seid dann auch mutig, dass es etwas unbequem sein kann, dass es
bedeuten kann, beruflich zu reduzieren. Aber redet auch mit anderen Vätern, wie
sie es wahrgenommen haben. Redet unbedingt mit Vätern, die lange in Elternzeit
waren, die jetzt Teilzeit arbeiten und macht euch gegenseitig Mut. Und traut
euch eben, Pioniere zu sein. Es wird euch und eure Kinder stärken.
Das
Interview hat Martina Züger am Rande des VäterSummits am 26. August geführt.
… und dass nicht erst durch Pandemie, Klimakrise und Inflation.
Unter der Überschrift „Ein Tag hat 24 Stunden …“ legt der Vorsitzende
der LAG Väterarbeit in der aktuellen Ausgabe der Deutschen
Hebammenzeitschrift dar, dass mehr Zeit für Familien nur durch eine
Umverteilung von Zeit und die in ihrem Verlauf ausgeübten Tätigkeiten
zwischen Vätern und Müttern entstehen kann.
„Eltern und Familien stehen unter Druck, und dass nicht erst durch
Pandemie, Klimakrise und Inflation. Schon vor 25 Jahren hieß es in der
von der Konrad Adenauer Stiftung beauftragten Studie „Eltern unter
Druck: Selbstverständnisse, Befindlichkeiten und Bedürfnisse von Eltern
in verschiedenen Lebenswelten“: „Eltern stellen heute hohe Anforderungen
an ihre Mutter- und Vaterrolle; sie haben das Bedürfnis und
Pflichtgefühl, in der Erziehung alles richtig machen zu wollen. Der
persönliche Anspruch, diesen Vorstellungen auch in der Praxis zu
genügen, setzt Eltern häufig unter großen Druck. Vor allem Väter
befinden sich in einer unbestimmten Situation: Der Wandel des
Rollenbilds vom Ernährer zum Erzieher kollidiert im Familienalltag mit
den gestiegenen Ansprüchen im Berufsleben.“
Damit ist eine Dimension beschrieben, die „Stress im Familiensystem“
auslösen kann: die eigenen Vorstellungen vom Mutter- Vater- und
Elternsein, die auf Rahmenbedingungen treffen, die in vielen Fällen
nicht förderlich sind. In diesem Beitrag wird jedoch weder davon
ausgegangen, dass Vereinbarkeit eine „Lebenslüge“ ist, noch einer
Selbstoptimierung das Wort geredet. Der Autor beschreibt die
Herausforderungen für Väter und Mütter in verschiedenen
Lebenssituationen, vor allen denen, in denen Weichen gestellt bzw.
Entscheidungen getroffen werden, die für zukünftige Aufteilungen von
bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Care-Arbeit bedeutsam sind. Außerdem
werden Wege und Rahmenbedingungen skizziert, die es Vätern und Müttern
erleichtern, ihre mehrheitlich geäußerten Wünsche bzw. Lebenskonzepte
einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung tatsächlich zu leben.
„Keine Zeit …“ – Fakten und Gedanken zur Verteilung und Verwendung von Zeit
„Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, wie Zeit verteilt ist, wie sie
genutzt werden kann, wie ihr Wert bemessen wird und wie sie erlebt wird.
Menschen sind unterschiedlich zeitarm und unterschiedlich zeitsouverän,
und das ist nicht zufällig, sondern als Ergebnis gesellschaftlicher
Machtstrukturen.“ (Bücker 2022, 14)
Zeiten sind unterschiedlich verteilt. Dies fängt bei Möglichkeit über
ihre Verwendung zu entscheiden an und hört bei der Bezahlung und
Wertschätzung der ausgeübten Tätigkeiten noch lange nicht auf. Wie viel
Zeit bleibt den Menschen in Deutschland neben Arbeit, Schule oder
Haushalt für Freundschaften und Familie? Wie viel Zeit wenden Männer und
Frauen für „Care-Arbeit“, also unbezahlte Arbeit wie Kinderbetreuung,
Hausarbeit, Ehrenamt oder Pflege von Angehörigen auf? Antworten auf
diese und weitere Fragen liefert die Zeitverwendungserhebung, kurz ZVE,
die alle 10 Jahre durchgeführt wird.
Die aktuell vorliegenden Zahlen stammen aus dem Jahr 2012. Mütter
bzw. Väter mit Kindern wenden für die Bereiche ‚Erwerbstätigkeit‘,
‚Haushaltsführung und Betreuung‘ sowie ‚Ehrenamt, freiwilliges
Engagement‘ in der Summe 8 Stunden und 26 Minuten bzw. 8 Stunden und 31
Minuten auf. Der Anteil Haushaltsführung und Betreuung beträgt bei den
Müttern 5 Stunden 46 Minuten und bei den Vätern 3 Stunden und 1 Minute.
Die tägliche Zeitverwendung für unbezahlte Arbeit ist bei den Vätern von 2001/2002 bis 2012/2013 um 7 Minuten gestiegen, Mütter haben diese Tätigkeiten im selben Zeitraum um 6 Minuten reduziert. Von einer Gleichstellung der Geschlechter kann also weder bei der bezahlten noch bei der unbezahlten Arbeit gesprochen werden. Nach wie vor liegt eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung vor, wobei Väter insgesamt (unbezahlt wie auch bezahlt) täglich 13 Minuten mehr arbeiten als Mütter. …“
Vor einem Monat hat die Veröffentlichung von
Umfrageergebnissen der Organisation ‚Plan International‘ großen Wirbel
verursacht. Begriffe wie ‚Retraditionalisierung‘ und ‚Rollback in Sachen
Geschlechtergerechtigkeit‘ waren noch die harmlosesten, die mit den Antworten der
befragten Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren in Verbindung gebracht wurden.
Bei den Vorstellungen zur Aufgabenteilung in der Familie sehen
52 Prozent der jungen Männer ihre Rolle darin, im Beruf genug Geld zu
verdienen, die Zuständigkeit für die Carearbeit weisen sie ihrer Partnerin zu.
In seiner Stellungnahme hat der Vorstand der LAG Väterarbeit die Frage
gestellt, ob diese Rollenerwartung wirklich aus der Welt ist. Das Gerangel um
die Familienstartzeit, die als Vaterschaftsfreistellung im Koalitionsvertrag
verankert ist, Kürzungen im Bereich des Elterngeldes und ausbleibende Reformen
im Familienrecht wecken Zweifel am politischen Willen.
„Wir müssen wieder mehr arbeiten“ wird Michael Hüther,
Direktor des arbeitgeberfinanzierten Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), im
Spiegel zitiert. Er will dem Fachkräftemangel mit längeren Arbeitszeiten
entgegenwirken. Es brauche eine Ausweitung der individuellen Arbeitszeit im
Jahr, „nicht den unrealistischen Traum der Viertagewoche“. Bereits im Jahr 2023
würden 4,2 Milliarden Arbeitsstunden fehlen.
An anderer Stelle haben sein und andere Wirtschaftsinstitute
vorgerechnet, dass eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von Müttern mit
Kindern unter 18 Jahren um eine Stunde einen jährlichen Zugewinn von mehr als
100 Millionen Stunden bewirken würde.
Eine aktuelle Veröffentlichung zeigt auf, wie es um die Nutzung dieser ‚Stellschraube‘ für die Volkswirtschaft und die Möglichkeiten für Väter zur Reduzierung ihrer Erwerbsarbeitszeit im Sinne einer geschlechtergerechten Aufteilung von Care- und Erwerbsarbeit bestellt ist.
Die Erwerbsbeteiligung von Müttern in Deutschland ist in den
vergangenen zwei Jahrzehnten zwar angestiegen. 2022 gingen 73 Prozent aller
Mütter mit minderjährigen Kindern in Westdeutschland und 75 Prozent aller
Mütter in Ostdeutschland einer bezahlten Tätigkeit nach, die meisten von ihnen jedoch
in Teilzeit. Bei der Einstellung zur Müttererwerbstätigkeit zeigen sich nach
wie vor erhebliche Unterschiede, wie die neue Studie des Bundesinstituts für
Bevölkerungsforschung (BiB) belegt. Demnach ist die Einstellung gegenüber einer
Erwerbstätigkeit von Müttern stark vom Alter des jüngsten Kindes und der
Herkunft der Eltern abhängig.
Darüber hinaus wurden auch die
Einstellungen zur Erwerbstätigkeit von Vätern erfasst. Die Mehrheit der
befragten Männer und Frauen spricht sich hier für eine Vollzeiterwerbstätigkeit
aus. Ist das jüngste Kind in der fiktiven Konstellation zwei Jahre alt, findet
eine Teilzeiterwerbstätigkeit von Vätern zwar durchaus noch Zustimmung – ab
einem Alter von vier Jahren aber nicht mehr. Frauen befürworten zudem eher als
die Männer selbst eine Teilzeitbeschäftigung von Vätern.
Diese Erwartungen erfüllen Väter vollumfänglich. Väter von kleinen Kindern mit einer Vollzeitstelle arbeiten durchschnittlich 44 Stunden pro Woche. Und die Ausgangsfrage lässt sich momentan leider nur mit ‚NEIN‘ beantworten.
Väter wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und
Frauen finden Karriere besser als Kinder
„Wenn wir über Frauen nachdenken, kommen wir immer mehr von
einem ‚Und‘ zu einem ‚Oder‘. Die Wahl: Familie oder Erwerbstätigkeit.“ So Jutta
Allmendinger
Frauen in Deutschland ist es nicht mehr so wichtig, Kinder
zu bekommen. Das ist nachvollziehbar und legitim – zeichnet sich bei näherer
Betrachtung jedoch als unfreiwillige und dramatische Entwicklung ab. Beim ZEIT
für Arbeit-Event am 23. Mai in Berlin haben Jutta Allmendinger, Präsidentin des
Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), und Lena Hipp,
Leiterin der Forschungsgruppe „Arbeit und Fürsorge“ am WZB, die Ergebnisse der
vierten Vermächtnisstudie vorgestellt.
Fragen zur Einschätzung von Vätern in Deutschland wurde 2023
erstmals erhoben. Bei den Antworten fällt auf, dass Väter Kritik an sich selbst
äußern: Väter sollten in Zukunft mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, als sie
es heute tun. Wer mehr arbeitet (Vollzeit im Vergleich zu Teilzeit oder nicht
arbeitstätig), stimmt der Aussage, dass er genügend Zeit mit der Familie
verbringt, weniger zu. Die befragten Väter reflektieren also, dass mehr Arbeit
weniger Zeit für die Familie bedeutet.
Sie wünschen
sich für die Zukunft mehr Zeit in der Familie und gehen auch davon aus, dass
Väter in Deutschland mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen werden, als sie es
heute tun.
Hürden für Väter
Woran liegt es, dass Männer in Deutschland nicht genügend
Zeit mit ihren Kindern verbringen? Auch dazu wurden die Studienteilnehmerinnen
und -teilnehmer befragt. Auf einer Skala von 1 bis 7 sollten sie angeben,
welche Gründe ihrer Meinung nach Väter davon abhalten, mehr Zeit mit ihren
Kindern zu verbringen. Nachstehend werden die gewichteten Antworten von rund
2.160 Frauen und 2.040 Männern auf diese Frage abgebildet.
Das Haupthindernis sind finanzielle Gründe. Das sehen sowohl
Männer als auch Frauen so. An zweiter Stelle werden Hürden in der Arbeitswelt
genannt: Rund zwei Drittel der Männer in Deutschland und ein knappes Viertel
der Frauen stimmen der Aussage, dass der „Druck vom Arbeitgeber“ Männer davon
abhielte „mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen“ zu bzw. sehr zu. Interessant
ist, dass weniger als die Hälfte der Männer und Frauen den Druck seitens der
Kollegen als Hindernis ausmachen. 45 Prozent der Männer und 31 Prozent der
Frauen sagen, dass das nicht bzw. überhaupt nicht zutrifft. Fehlender Mut der
Väter scheint jedoch ein gewichtigeres Hindernis zu sein. Mehr als die Hälfte
der Bevölkerung im Alter von 23 bis 65 Jahren sieht den mangelnden Mut als
Ursache, warum Väter in Deutschland nicht genügend Zeit mit ihren Kindern
verbringen.
Von den etwas mehr als 1.500 Befragten, die auf die Frage, ob es „aus Ihrer Sicht noch andere Gründe … [gibt], warum nicht alle Väter in Deutschland so viel Zeit mit ihren Kindern verbringen, wie sie gerne möchten“ geantwortet haben, wissen wir außerdem: Vorherrschende Rollenbilder, Egoismus und Desinteresse der Väter werden noch als weitere wichtige Hindernisse wahrgenommen. Auch Karriere und die Wünsche und das Verhalten von Müttern wurden von mehr als 10 Prozent der Befragten als Hindernis angegeben
Das trifft auf viele Bereiche zu, insbesondere aber dann,
wenn es um die Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit geht. Sich eine
partnerschaftliche Aufgabenteilung zu wünschen ist die eine, sie tatsächlich leben
zu können die andere Seite der Medaille.
Dies stellt auch das Beratungsunternehmen prognos in dem im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Unternehmensprogramms “Erfolgsfaktor Familie” erstellten Policy Paper` ‚Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Beitrag zur Fachkräftesicherung‘ fest. Eine der Kernaussagen des Papers lautet:
„Vereinbarkeit darf sich jedoch nicht nur an Frauen und
Mütter richten, sondern muss auch Männer und Väter adressieren und eine partnerschaftliche
Arbeitsteilung von Müttern und Vätern ermöglichen.“
Meiner Meinung nach kann die Strategie nur erfolgreich sein,
wenn sie Männer und Väter als handelnde Subjekte in dem komplexen System
Familie und Partnerschaft ansieht und nicht nur als Beiwerk‘ adressiert. Die in
dem Papier angeführten Fakten und Studien sprechen dafür. Unter anderem heißt
es dort:
„Väter sind indirekter Teil der Fachkräftestrategie –
ohne ihre Vereinbarkeit geht es nicht.
Der Fokus auf die Potenziale der Müttererwerbstätigkeit
bedeutet nicht, dass Vereinbarkeit ein Frauenthema ist und sich weiterhin
hauptsächlich auf Branchen konzentrieren kann, in denen der Frauen- und
Mütteranteil besonders hoch ist. Väter sind zwar kein direkter Teil der
Fachkräftestrategie, aber dass sie Familie und Beruf gut vereinbaren können ist
existenziell, damit die von vielen Elternpaaren gewünschte partnerschaftliche
Arbeitsteilung realisiert werden kann, Mütter mehr Freiraum für eine
umfassendere Erwerbstätigkeit haben und ihr Fachkräftepotenzial gehoben werden
kann.
Zudem bestätigen Studien eine erkennbare Änderung der
Haltung von „aktiven Vätern“, die zunehmend aktiver in der familiären
Fürsorgearbeit werden wollen. Haben 2018 noch 83 Prozent der Väter Vereinbarkeitsangebote
in Unternehmen als Angebote für Mütter wahrgenommen, wollen die „Neuen Väter“
gleichfalls Angebote für ihre Vereinbarkeit. 59 Prozent der jungen Männer, die
im Alter einer möglichen Vaterschaft oder Familiengründung sind, würden wegen
fehlender Möglichkeiten den Arbeitgeber wechseln.
Insbesondere die fehlenden Betreuungsmöglichkeiten während
der COVID-19 Pandemie haben einen Schub der Vereinbarkeit von Vätern
verursacht. So geben in der repräsentativen Studie „Neue Chancen für
Vereinbarkeit“ 43 Prozent der befragten Väter an, dass sie während der Pandemie
ihren Arbeitgeber auf Veränderungen ihrer Arbeitsweise oder ihres Arbeitsortes
zugunsten der Kinderbetreuung angesprochen haben.
Vereinbarkeit von Müttern und Vätern ist der Schlüssel zu
Arbeitgeberattraktivität und Fachkräftegewinnung und -bindung.
Hinweise, dass eine partnerschaftliche Arbeitsteilung von Vätern und Müttern, aber auch Angebote für haushaltsnahe Dienstleistungen, einen positiven Einfluss auf die Fachkräftesituation entfalten können, gibt ein aktueller Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e. V. (DIW). Demnach ist in Deutschland unbezahlte Hausarbeit, Betreuung und Pflege von Kindern und älteren Angehörigen zwischen Männern und Frauen immer noch sehr ungleich verteilt. In rund drei Viertel der deutschen Paarhaushalte übernehmen Frauen mehr als die Hälfte der Sorgearbeit. Reduziert sich jedoch die Sorgearbeit des gesamten Haushalts, steigen sowohl Beschäftigungswahrscheinlichkeit als auch -umfang beider Partner, vor allem jedoch bei Frauen.
43 Prozent der Eltern wünschen sich aktuell eine
partnerschaftliche Teilung von Berufs- und Familienarbeit. Je jünger die Frauen
und je besser sie gebildet sind, desto höher ist ihr Anspruch an eine
partnerschaftliche Arbeitsteilung. Der Väterreport 2021 zeigt auf, dass
mittlerweile auch 48 Prozent der Väter mit einem ältesten Kind unter 10 Jahren
diese Ansicht teilen.“
Mehr
als zwei Drittel aller jungen Männer und Frauen wünschen sich eine
partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit, wenn sie
denn einmal Väter und Mütter sind. Wünsche und Wirklichkeiten klaffen
aber nach wie vor auseinander, auch wenn es auf den ersten Blick
‚gerecht‘ aussieht.
Die Summe von bezahlter und unbezahlter Arbeit an Wochentagen ist bei
Männern und Frauen mit circa 11 Stunden in etwa gleich. Aber bezahlte
und unbezahlte Arbeit ist zwischen Männern und Frauen ungleich
aufgeteilt. Dies zeigt die alle 10 Jahre durchgeführte
Zeitverwendungserhebung ebenso wie Studien, die im Kontext der Pandemie
durchgeführt worden.
In einer aktuellen Studie[i]
heißt es dazu, „Betrachtet man die gegenwärtige Studienlage zu
innerfamilialer Arbeitsteilung und Geschlechterungleichheit, zeigt sich …
ein heterogenes und widersprüchliches Bild“ und weiter „Innerfamiliale
Arbeitsteilung lässt sich zunächst direkt auf der Mikroebene verorten,
bei den Paaren und in Familien. Für die Untersuchung der Arrangements
gilt es aber, die innerfamiliale Mikroebene in ihrer Verwobenheit mit
dem mobilen Arbeiten im Kontext von Arbeitsorganisationen auf der
Mesoebene und den Makrostrukturen des Wohlfahrtsstaates sowie
gesellschaftlichen Norm(alitäts)annahmen, wie
geschlechterdifferenzierende Zuschreibungen von Betreuungsverantwortung,
zu betrachten. … Aushandlungen kommt als Modus für Erzeugung, Erhalt
und Veränderung sozialer Ordnung eine zentrale Bedeutung zu.“
Als Fazit bilanzieren die Autor*innen ‚paradoxe Gleichzeitigkeiten‘.
„Wir folgern aus unseren Analysen, dass die Diskussion um innerfamiliale
Arrangements und ihre Entwicklungen während der CoronaKrise
differenziert geführt werden muss: Weder haben wir es ausschließlich mit
einer Retraditionalisierung noch mit einer Modernisierung zu tun,
sondern vielmehr werden bereits bestehende Geschlechterungleichheiten
sichtbar und teilweise verschärft – bei gleichzeitig vorhandenem
Modernisierungsstreben.“
Was das für die Aushandlungen in den Partnerschaften bedeutet und
welchen Beitrag Familienbildung leisten kann um diese Prozesse zu
unterstützen, war das Thema einer Dialogrunde und eines Workshops bei
der Fachtagung der LAG Väterarbeit im vergangenen November.
In ihrem Impuls wies auch Barbara Streidl, Autorin der Streitschrift
‚Lasst Väter Vater sein‘, auf die Ambivalenzen hin: Einerseits
erleichtere das Homeoffice die Vereinbarkeit von Beruf und Familie,
bringe aber andererseits auch die Figur der wartenden Mutter zurück, auf
der die deutsche Sozialpolitik beruhe. Familie, Partnerschaft,
Erwerbstätigkeit, Haushalt, Selfcare und … die Erwartung ist, dass alles
gleichzeitig ‚erledigt‘ werde. Aber der Tag hat nun Mal ‚nur‘ 24
Stunden.
Als Vision wurde eine gesellschaftliche Aufwertung der Carearbeit
formuliert, die sich auch so äußern kann: „Da will ich ja eigentlich zum
Laternenumzug“, sagt der Oberstaatsanwalt, als es um eine Veranstaltung
am Abend des 10. Novembers ging. Die Veranstaltung begann um halb acht,
da ist der Umzug vorbei und er kommt knapp zur Veranstaltung.“
Es geht also darum, dem alltäglichen Vatersein Raum und Zeit zu
gestatten, das ist in erster Linie eine Frage der Haltung. Im Hinblick
auf die in den Partnerschaften notwendigen Aushandlungen geht es auch um
Einstellungen, aber vor allem um Kompetenzen und deren Zuschreibungen
auf Väter und Mütter. Einem klassisches Feld der Familienbildung.
Wie diese in NRW aufgestellt ist und wo Entwicklungspotenziale sind, hat die im vergangenen Jahr vorgelegte Evaluation[ii]
der familienpolitischen Leistungen gezeigt. Dort steht unter anderem,
es „wird deutlich, dass Väter 2019 am häufigsten Angebote in
Beratungseinrichtungen in Anspruch nahmen, … der Anteil der männlichen
Teilnehmer in der Familienbildung [hat sich] im Verhältnis zur
Bestandsaufnahme von 2006 kaum verändert hat. [er verharrt] auf dem
niedrigen Niveau von 16 bis 17 Prozent. An anderer Stelle ist zu lesen,
dass sich „Väter nicht durch die klassischen auf Reflexivität und Dialog
angelegten Kursgruppen angesprochen fühlen und entweder
Outdoor-Aktivitäten oder etwas Technisches bzw. Handwerkliches
bräuchten. Zudem wird die Teilnahme von Vätern/Männern überwiegend
abends oder an Wochenenden verzeichnet.“
Diese und weitere Ergebnisse der Evaluationsstudie griff auch Jürgen
Haas in seinem Impuls zu Beginn des Workshops auf und wies auf einen
weiteren ‚Mangel‘ hin, den geringen Anteil von männlichen Mitarbeitenden
in der Familienbildung.
Wer mehr Väter in der Familienbildung möchte, muss sich so sein
Fazit, als Entscheidungsträger und Anbieter, auch mit diesen
Herausforderungen auseinandersetzen. „Prognos hat in der aktuellen
Studie zu den familienbezogenen Leistungen in NRW auf fünf
Handlungsfelder hingewiesen, die meines Erachtens auch für die
Familienbildung Relevanz haben: Bekanntheit, Vernetzung,
Digitalisierung, Angebotsformate und das Personal.
Als Ergebnis des Workshops wurden drei zentrale Weichenstellungen formuliert:
für die Neuausrichtung der Angebote im Bereich der
Familienbildungsarbeit braucht es einen langen Atem. Projekte sind oft
sehr kurzfristig angelegt. Dadurch kann man das Vertrauen und die
Kontinuität der Väterbeteiligung nicht sicherstellen
eine Erhöhung der Anteile des pädagogischen männlichen Personals in
der Familienbildung und auch die der freiberuflichen Honorarkräfte kann
durch eine bessere finanzielle Ausstattung erreicht werden
die Fachkräfte müssen in die Lage versetzt werden, Väter
gendersensibel in den Blick zu nehmen und anzusprechen. Dazu braucht es
passende Qualifizierungsangebote.
Take Aways für Väter
Es ist gut, dass Sie sich vornehmen, sich alle anfallenden Aufgaben
in der Familie ‚gerecht‘ aufzuteilen. Damit dies Vorhaben auch gelingt,
ist es hilfreich, sich mit ihrer Partnerin darüber auszutauschen welche
Erwartungen sie als Vater und Mutter an sich und den jeweils anderen
haben.
Im nächsten Schritt geht es dann darum, wer was zu welchem Zeitpunkt
macht: Elternzeit nimmt, Kinder und Haushalt betreut oder das Geld für
die Finanzierung des Projekt Familie verdient. Lassen Sie sich bei
diesen ‚Verhandlungen‘ nicht vorschnell durch die Verlockungen des
vermeintlich leichteren Wegs, eine*r geht Geld verdienen und eine*r
bleibt zu Hause über den Tisch ziehen. Auch wenn Sie vorhaben, beim
nächsten Kind alles anders zu machen führt diese gutgemeinte ‚temporäre
Teilretraditionalisierung‘ geradewegs in alte Rollenmuster und engt ihre
Spielräume und Wünsche, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen und
dafür ggf. auch Arbeitszeiten zu reduzieren extrem ein
Fangen Sie mit diesen Aushandlungsprozessen frühzeitig an, am besten
genau dann, wenn Sie über die Umsetzung ihrer Kinderwünsche sprechen.
Eine ‚Arbeitshilfe‘ dazu finden Sie hier oder auch auf dieser Webseite.
Denkanstöße für Beschäftigte in der Familienbildung und Familienzentren
Es ist gut, wenn Sie in Zukunft Väter verstärkt in die
Familienbildungsarbeit ihrer Einrichtung einbinden möchten. Beziehen Sie
bei der Planung der Angebote am besten Väter mit ein.
Planen Sie diese Angebote möglichst niedrigschwellig und zun den
Zeiten, in der die Väter auch daran teilnehmen können: nach Feierabend,
am besten Freitagnachmittag oder Samstagvormittag
Kommunizieren Sie die Angebote so, dass Väter diese auch im Internet finden können.
Bei allen Fragen, die Sie zu diesem Thema haben steht Ihnen die Geschäftsstelle der LAG-Väterarbeit gerne beratend zur Seite.
[i]
Almut Peukert, Miriam Beblo, Laura Lüth und Katharina Zimmermann;
Erwerbs- und Familienarbeit im Homeoffice? Innerfamiliale Arbeitsteilung
in der Corona-Krise auf dem Prüfstand; in Sozialer Fortschritt, 71
(2022), S.29ff
Fast alle zukünftigen Eltern wollen Elternzeit in Anspruch
nehmen und viele wünschen sich bessere Arbeitszeitmodelle. Gleichzeitig wachsen
die Erwartungen an Unternehmen und Organisationen im Bereich der
Familienfreundlichkeit für Mütter und Väter.
Am Freitag hat das Väternetzwerk conpadres in Hamburg die Trendstudie „Zukunft Vereinbarkeit“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Forsa befragte für die repräsentative Trendstudie zukünftige Eltern nach ihren Plänen und Erwartungen. „Unsere Studienergebnisse zeigen deutlich, dass Männer und Frauen mit Kinderwunsch einen ausgeprägten Wunsch nach mehr Familienbewusstsein haben und erwarten, dass ihre Arbeitgebenden diesem mit passenden neuen Arbeitsmodellen proaktiv begegnen“, fasst der Initiator des Väternetzwerks conpadres, Volker Baisch, die Ergebnisse zusammen. Er warnt außerdem, dass fast zwei Drittel der Befragten ihre Arbeitgebenden wechseln würden, wenn diese nicht auf die Wünsche der Eltern ausreichend eingingen.
Elternzeit für alle
Väter wollen aber nicht nur familienbewusste Angebote. 93
Prozent der befragten zukünftigen Väter planen in Elternzeit zu gehen. Ein
Ergebnis, das selbst den erfahrenen Väterspezialisten Baisch überrascht hat.
„Wir beobachten schon seit Jahren, dass sich immer mehr Väter eine längere
Elternzeit wünschen. Dass jetzt aber 93 Prozent der Väter Elternzeit nehmen
wollen und die große Mehrheit sogar mehr als die klassischen zwei
Partnerschaftsmonate, hat selbst uns überrascht.“
Vollzeit wird Auslaufmodell
Ein weiteres Ergebnis der Trendstudie ist, dass zukünftige
Väter sich die Kindererziehung gleichberechtigter mit ihren Partner:innen
teilen wollen. „Wir sehen deutlich, dass die künftigen Väter nicht nur
flexibler, sondern auch weniger Stunden arbeiten wollen.“ erklärt Baisch
„Das ‚New Normal‘ wird die 4-Tage-Woche, um Familie und Beruf im
Gleichgewicht zu halten“ schätzt der Unternehmensberater die Ergebnisse
ein. Die Erkenntnisse aus der Studie setzten damit nicht nur in der Wirtschaft
ein deutliches Zeichen, so Baisch, sondern seien auch richtungsweisend für die
zukünftige Regierung.
Starke Väter bedeuten starke Unternehmen
„Das Land braucht keine neuen Väter, sondern eine neue
Personalpolitik, einen modernen Unternehmergeist und eine Politik, die soziale
Nachhaltigkeit in der Unternehmenswelt stärkt und fördert,“ fasst Volker
Baisch die Aufgaben zusammen, die sich aus den Ergebnissen für Arbeitgebenden
und Politiker:innen ergeben. „Starke Väter bedeuten in der Folge starke
und attraktive Unternehmen für die kommende Elterngeneration.“
Mit der Studie will die gemeinnützige Unternehmensberatung Potentiale für eine zukunftsweisende und gewinnbringende Perspektive für Mütter und Väter aufzeigen und Unternehmen wettbewerbsfähig halten. Laut Baisch sei das Kernproblem nicht nur die ungerechte Lastenverteilung bei der Carearbeit, sondern auch die damit zusammenhängende ungleiche Bezahlung. Der Experte für das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Vätern“ freut sich über die deutlichen Studienergebnisse: „Denn aus den Ergebnissen können wir konkrete Maßnahmen ableiten und so werden wir gemeinsam mit unseren 30 Mitgliedsunternehmen im Väternetzwerk conpadres den gesellschaftlichen Wandel hin zu einer chancengerechteren Arbeitswelt beschleunigen.“
Wie Sie sich selbst, Arbeit und Familie so organisieren, dass (fast) nichts zu kurz kommt.
Den Weg, diesen Herausforderungen zu begegnen skizziert Felicitas
Richter, die selbst seit 20 Jahren mit vier Kindern im HomeOffice
arbeitet, in ihrem in der Reihe ‚Beck kompakt‘ erschienenen Ratgeber ‘HomeOffice mit Familie‘.
Dass es dafür einen großen Bedarf gibt, skizziert sie zu Beginn des
Bandes. Durch die Nutzung der eigenen Wohnung als Arbeitsplatz im Zuge
des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 sind viele Arbeitnehmende von
jetzt auf gleich, relativ unvorbereitet mit dem Firmenlaptop an den
Küchentisch umgezogen oder mussten ihre eigenen Ressourcen zu Hause
nutzen. Die seit der industriellen Revolution immer weiter durchgesetzte
Trennung von Beruf und Familie in getrennte Sphären von jetzt auf
gleich weitgehend aufgelöst. ‚Nine to five‘ als ‚Schutzmauer‘
eingerissen, galt und gilt es doch auch, geschlossene Schulen und
Kinderbetreuungseinrichtungen zumindest zeitweise zu ersetzen und die
Kinder zuhause zu betreuen und zu beschulen und Erwerbs-Arbeit in Zeiten
außerhalb des Familienlebens zu verlagern.
„Papa was, ist die Quadratur des Kreises?“ fragt der Sohn seinen ihm
gegenübersitzenden Vater in der auf der Titelseite der Studie „Thüringer
Familien in Zeiten von Corona“ abgebildeten Karikatur. „HomeOffice und
Homeschooling“ antwortet dieser. Damit sind zwei Themen angesprochen,
die in dem Ratgeber zwar mitschwingen, aber nicht explizit bearbeitet
werden. Ich meine damit zum einen die Erwartungen an und das Verhalten
von Vätern, die im Homeoffice arbeiten und das ‚Chaos‘ in der Familie
scheinbar unberührt an sich abprallen lassen. Zum anderen geht es um die
tatsächliche Unmöglichkeit, die volle Arbeitsverpflichtung zu leisten
und parallel dazu Kinder zu beschulen. Und damit meine ich nicht die
mangelnde fachliche und pädagogische Qualifikation von Müttern und
Vätern. Die Versuche es doch zu leisten enden vielfach in Überforderung
und Erschöpfung.
Aber auch ohne diese aktuellen Bezüge sind die Ausführungen der
Autorin sehr wertvoll. Sie gibt nicht nur einfach Tipps, sondern geht
das Thema von den individuellen Voraussetzungen, über die systemischen
Zusammenhänge in Familien bis hin zu den Voraussetzungen bei der
familienkompatiblen Arbeits(platz)gestaltung.
Die Arbeit im HomeOffice ist attraktiv, fallen doch die unter
Umständen langen An- und Abfahrten zum Büro weg. Beantworten muss aber
Jede und Jeder für sich die Frage, ob ich der Typ bin, der sich alleine
motivieren und strukturieren kann, ob das an zwei oder drei Tagen mit
klar umrissenen Arbeitsaufträgen gut geht und in welchem Maße der
persönliche Austausch mit Kolleg:innen gut geht. Videokonferenzen sind
zwar inzwischen gängige Praxis, die Kommunikation mit und zwischen den
Kästchen auf die Dauer im wahrsten Sinne des Wortes ‚eindimensional‘.
‚Die Familie als Team‘ lautet die Überschrift des 3. Kapitels. Ja,
Familie und Kinder profitieren grundsätzlich davon, wenn Eltern präsent
sind und sie mitbekommen, was Mama und Papa arbeiten, aber … Es braucht
klare Abgrenzungen und Regelungen. Hier schöpft Felicitas Richter vor
dem Hintergrund ihrer Erfahrungen aus dem Vollen und ihre Hinweise sind
nicht nur für HomeOffice Neulinge Insbesondere ihr Blick auf die
Partnerschaft ‚es geht nur zusammen‘ hilft, mit aufkommenden Konflikten
konstruktiv umzugehen.
Schließlich geht es auch noch darum, die Arbeit im HomeOffice
(grundsätzlich) so zu gestalten, dass sie mit Familie und Kindern
kompatibel ist. Und das nicht nur von den Arbeitsabläufen und der
technischen Ausstattung her, sondern auch im Hinblick auf die
erforderlichen Unterstützungssysteme.
Das dazu auch Absprachen mit den Arbeitgebenden gehören ist
eigentlich banal, in den Zeiten nach dem Lockdown mit ‚verpflichtendem‘
HomeOffice, wird sich zeigen, welche Konsequenzen aus dem großen
Experiment gezogen werden.
Auf den letzten Seiten werden die wichtigsten Punkte noch einmal in
Form einer Checkliste zusammengefasst. Der handliche Ratgeber ist in
jedem Fall empfehlenswert, für die, die schon lange diese Arbeitsform
gewählt haben. Für diejenigen, die vor gut einem Jahr Hals über Kopf die
Büros verlassen sollten und auch für diejenigen, die jetzt am liebsten
wieder in die Ruhe des Büros flüchten würden, aber vielleicht doch
zunächst die Erfahrungen der letzten 14 Monate aufarbeiten möchten. Und
wie gesagt, es geht nur gemeinsam!
Care.com und die Väter gGmbh haben heute ihre Studie bzw. ihr
‚Stimmungsbild‘ „Paare und Familien in Zeiten von Corona” vorgestellt.
Welche Punkte daraus sind für Sie besonders bedeutsam?
Für mich war es vor allem nochmal eine Bestätigung dessen, was ich im
Moment subjektiv wahrnehme und was ich von vielen Seiten höre. Das ist
durch die Studie mit Zahlen unterlegt worden. Gerade diese Anspannung
und auch diese Coronamüdigkeit, die von allen Seiten kommt, die
innerhalb der Paare und innerhalb der Familien existiert. Und der Druck
sowie die hohe Nähe, die man mit der Familie immerzu hat. Die Ängste,
Sorgen und Nöte, die nach wie vor da sind, also all das was auf die
Psyche wirkt. Das ist jetzt auch messbar.
Sie beraten ja gemeinsam mit ihrer Partnerin unter dem Label ‚2PAARSchultern‘
schon länger Paare und Väter im Hinblick auf die Vereinbarkeit von
Beruf und Familie. Was hat sich in den vergangenen 14 Monaten im
Vergleich zu den Zeiten vor Corona verändert?
Was ich toll finde, also gerade aus der Sicht der Väter, das durch
diesen „Zwang“, mehr mit der Familie machen zu müssen, mehr zu Hause zu
sein, mehr sich um die Kinder zu kümmern, viele Menschen die
Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, einfach erkannt haben und auch
nutzen. Also, dass man einfach sagt okay, ich bring mich anders mit ein.
Ich mache das jetzt. Ich brauche mich nicht mehr mit meinem Arbeitgeber
auseinanderzusetzen, ob ich Homeoffice machen darf, sondern ich muss ja
sowieso Homeoffice machen. Ich bin zu Hause, kann mich um die Kinder
kümmern, sehe auch, was zu Hause so anfällt. Das habe ich bei vielen
Gesprächen jetzt schon gemerkt, da gibt es einen ‚Aha Moment‘
irgendwann. Ja, da passiert ja ganz schön viel. Da ist ja ganz schön
Trubel. Und jetzt bin ich mittendrin. Und dann kann ich auch gleich
richtig mitmachen.
Sind durch Corona noch neue Herausforderungen dazu gekommen?
Die größte Herausforderung ist für mich nach wie vor, dass man sich
nicht mehr aus dem Weg gehen kann, dass es keine Trennung zwischen
Arbeit, Familie, Freizeit, Partnerschaft gibt. Das findet alles in
unmittelbarer räumlicher Nähe statt. Man kann nicht mal eben eine Tür zu
machen und dann hat man seine Ruhe. Diese Ruhe gibt es nicht und das
ist eine unheimlich große Herausforderung, der viele Familien, auch
Alleinerziehende natürlich, im Moment gerade gegenüberstehen.
Sind durch die Krise auch grundsätzliche, schon länger bestehende Hindernisse sichtbar geworden?
Ich habe zu Beginn von Corona häufig beobachtet, dass es bei vielen
tatsächlich so eine Art Automatismus gab, in das klassische Rollenbild
reinzufallen. Also der Mann wurde sofort irgendwie zum Ernährer, und die
Frau wurde irgendwie sofort zur „Kümmerin“ in einer Familie.
Und ich sehe das auch jetzt noch. Nach über einem Jahr, ist das bei
vielen immer noch so, dass man zumindest in den Köpfen diese Denke drin
hat. Viele Väter bringen sich immer stärker ein und wollen das auch. Sie
scheuen aber nach wie vor auch das Gespräch mit dem Arbeitgeber um zu
sagen, „ich möchte das auch über Corona hinaus und jetzt nicht nur aus
der Drucksituation heraus so machen“. Ich sehe eigentlich die Gefahr,
dass es, wenn sich die Lage wieder normalisiert und man wieder die freie
Entscheidung hat, dass sich diese aktuell praktizierten,
partnerschaftlichen Rollenmodelle möglicherweise auch wieder
zurückentwickeln.
Was bräuchten denn dann Mütter Väter, damit Sie denn, dass die sich eigentlich partnerschaftliche Aufgabenstellung wünschen?
Klarheit und Planungssicherheit, dass man halt so weitermachen kann.
Also zum Beispiel das Thema Homeoffice. Wenn ich weiß, auch nach Corona
kann ich weiterhin Homeoffice als feste Komponente in meinem Alltag mit
nutzen. Nicht fünf Tage die Woche, das will ja gar keiner. Aber zum
Beispiel an zwei Tagen pro Woche spare ich mir die Wegezeiten und kann
von zu Hause ausarbeiten, kann mich für bestimmte Sachen mit den Kindern
oder im Haushalt durch diese hinzugewonnene Zeit einbringen. Ich bin
auch mal zu Hause, wenn die Kita geschlossen ist oder sonst irgendetwas,
kann also auch solche Phasen abdecken. Und wenn ich diese
Planungssicherheit habe in der Partnerschaft, dann kann ich mein Modell
darauf aufbauen. Ich kann sagen, beide Partner haben ein oder zwei
Homeoffice-Tage. Wir hatten mehrere Fälle gerade in der Veranstaltung,
wo es hieß, wir sind beide auf 80 Prozent, das heißt also nicht einer
100 und der andere 60 Prozent, sondern wir haben beide 80 Prozent. Das
bedeutet natürlich auch, das Familieneinkommen muss man sich ganz genau
anschauen, ist das wirtschaftlich machbar? Aber wenn es möglich ist,
dann muss man wirklich sagen, wir haben uns dafür entschieden. Unsere
Arbeitgeber stehen dahinter. Wir haben diese Möglichkeiten auch
langfristig, und das ist jetzt unser Lebensmodell.
Homeoffice ist ja vor allem auch eine äußere Rahmenbedingung.
Wie können wir die Dynamik oder die Unruhe, die im Moment in
traditionelle Rollenaufteilungen hineingekommen ist nutzen, um die
Veränderungen nachhaltiger gestalten zu können?
Da braucht es vor allen Dingen Fantasie. Das, was wir jetzt gerade
erleben, was wir im letzten Jahr erlebt haben, das ist ja kein richtiges
Homeoffice. Das heißt, jetzt müssen wir Kinder betreuen und
Homeschooling machen und nebenbei irgendwie arbeiten. Wir arbeiten ja
auch komplett geclustert im Moment. Der eine arbeitet früh, dann wird
eine Pause gemacht, um sich um die Kinder zu kümmern, dann nachmittags
wieder oder in den Abendstunden. Das hat mit Homeoffice eigentlich
nichts tun. Das bedeutet, jetzt die Fantasie zu haben. Wie kann aus dem,
was ich gerade alles gelernt habe, digitales Arbeiten, dezentral
arbeiten, von zu Hause aus arbeiten können, wie kann das in einem
geregelten Alltag ohne Corona aussehen?
Wenn Corona nicht mehr da ist und alle Betreuungsangebote wieder normal
geöffnet haben. Die Kinder gehen zur Schule in die Kita, und ich habe
alle Möglichkeiten, die mir vor Corona zur Verfügung standen und
zusätzlich das, was ich jetzt gelernt habe. Wie kann diese Vision für
unsere Familie aussehen? Schaut euch mal an, was Corona euch an
Möglichkeiten eröffnet hat. Und wie kann das in den künftigen Alltag
einfließen? Dass ist das, was ich den Leuten gerade häufig im Gespräch
mitgebe.
Kann man diese Prozesse, diese Phantasie, die dann noch
entwickelt und geordnet werden müssen, kann das gerade auch für die
Väter ein Stück weit durch Beratung oder andere Angebote unterstützt
werden?
Ja, es ist ganz wichtig, dass man jemanden hat, mit dem man sprechen
kann, weil man nimmt sich im Moment in der Partnerschaft, so erlebe ich
das jedenfalls, man nimmt sich gar nicht die Zeit, um über so etwas
entspannt zu reden. Eigentlich müsste man sich ganz in Ruhe hinsetzen,
ohne die Kinder, ohne alles und einfach mal so in der Partnerschaft
darüber sprechen. Wie kann denn unser künftiger Alltag aussehen? Dafür
ist im Moment überhaupt nicht die Luft da, dafür ist nicht der Raum da.
Und wenn man mal ein paar Minuten hat, dann ist man froh, dass man auch
mal Ruhe für sich hat. Ich erlebe es aber, dass solche Gesprächsangebote
unheimlich dankbar angenommen werden. Man ist dann schnell in einer
vertrauensvollen Atmosphäre. Man spricht darüber, man stellt auch
Fragen. Es ist dann auch die Aufgabe des Beratenden, die richtigen
Fragen zu stellen und auch Impulse zu geben. Jetzt hast du, Vater XY, du
hast jetzt erlebt, dass Homeoffice machen kannst. Jetzt stell dir mal
vor, die Kinder sind jetzt nicht da. Die sind geregelt im Schulbetrieb,
im Schulalltag und so. Du hast jetzt Homeoffice, wie kann denn der
Alltag Drumherum jetzt aussehen? Wieviel Zeit sparst du? Schau dir mal
die Zeit vor Corona an. Wieviel Fahrtweg hattest du? Wie viele
Dienstreisen hattest du vielleicht und wie kann das jetzt nach Corona
aussehen? Da gemeinsam durch einen geführten Prozess diese Vision des
neuen Alltags zu finden und zu entwickeln, das finde ich, ist jetzt die
Aufgabe der Unterstützer und Berater.
Was wünschen Sie sich für die Zeit nach Corona?
Vieles von dem, was ich sage ist ja immer aus meiner eigenen
Situation heraus und auch aus Gesprächen mit anderen Vätern und Müttern,
mit denen ich jetzt gerade zu tun habe. Ich wünsche mir einfach, dass
das, was gerade in den Familie passieren kann, dass wir das auch auf der
gesellschaftlichen Ebene hinbekommen. Das wir also wirklich schauen,
was hat jetzt vielleicht gut funktioniert? Welche neuen Möglichkeiten
haben wir kennengelernt? Ganz viele Leute können jetzt digital
miteinander kommunizieren. Ganz viele Leute wissen wie das Homeoffice
funktionieren kann. Führungskräfte wissen, dass Mitarbeiter auch aus der
Ferne arbeiten können und nicht immer alle in einem Raum sein müssen.
Dass sie auch zeitversetzt arbeiten können. Wenn uns das
gesellschaftlich gelingt, dieses Verständnis zu schüren, die positiven
Sachen mitzunehmen, die negativen Sachen abzustreifen und auch mal zu
schauen, was war vor Corona nicht gut. Wollen wir da wirklich wieder
hinzurück? Ist es unser größtes Bestreben, hundertprozentig wieder in
den Januar 2020, zurück zu wechseln? Oder haben wir jetzt nicht
eigentlich auch ein wenig an einem Honigtopf geschnuppert?
So das wir jetzt gerne auch ein bisschen positiv in die Zukunft schauen
wollen um einen tollen Mix zu finden. Als Gesellschaft die Zeit zu
haben, die Muße zu haben und die Kreativität zu haben, einen neuen
Alltag zu schaffen, der uns idealerweise nicht wieder in alte
Rollenbilder zurückdrängt, sondern uns ermöglicht, dass wir alle,
unseren Familienalltag so leben können, wie wir es möchten oder wir
zumindest einen gewissen Gestaltungsspielraum daran behalten.