Migrationssensible
Väterarbeit ist wichtig für die Zukunft unserer Gesellschaft. In
Großstädten wie Köln oder Frankfurt haben weit mehr als 50 Prozent der
schulpflichtigen Kinder einen sogenannten Migrationshintergrund. Die
Väter dieser Kinder können einen bedeutsamen Beitrag zu ihrem guten
Aufwachsen und Bildungserfolg leisten.
Väter mit Migrationsgeschichte sind jedoch in öffentlichen Debatten
und im Alltagsleben häufig Vorurteilen, negativen Zuschreibungen und
Verallgemeinerungen ausgesetzt. Die Vielfalt ihres Lebensalltags und
ihre Potenziale, insbesondere im Hinblick auf Vaterschaft, werden
genauso wenig wahrgenommen wie ihre individuellen Ressourcen und
Anpassungsleistungen. Eher selten werden sie in Angeboten adressiert
oder mitgedacht.
Ihre Perspektiven und Potentiale können zum Wohl ihrer Kinder viel
stärker einbezogen und genutzt werden. Vor diesem Hintergrund haben sich
das Hessische Ministerium für Soziales und Integration und der Verband
binationaler Familien und Partnerschaften im Rahmen eines
Integrationsvertrages unter anderem das Ziel gesetzt, gemeinsam einen
Beitrag zur Entwicklung einer migrationssensiblen, diversitätsbewussten
Väterarbeit in Hessen zu leisten.
In Hessen hat sich 2020 der Fachkreis migrationssensibler Väterarbeit
in Hessen (MISEV) gegründet und führt regelmäßig Austauschtreffen und
Workshops durch. Die Arbeit des Fachkreises orientiert sich an den
Aufgabenfeldern und Bedarfen der Teilnehmenden, ermöglicht gegenseitige
Unterstützung und bezieht Erkenntnisse aktueller Väterforschung mit ein.
Als erster Schritt wurde 2019 eine hessenweite Befragung von
Einrichtungen und Expert*innen der Väterarbeit durchgeführt, um einen
Einblick in bereits bestehende Angebote der Väterarbeit, deren
Herausforderungen und Erfolgsfaktoren zu gewinnen.
Bei dem Werkstattgespräch am 5. Mai wird Alexander Stathopoulos vom
Verband binatinaler Familien in Frankfurt über die Erfahrungen des
Arbeitskreises berichten und wir werden gemeinsam überlegen, wie wir
diese für die Väterarbeit in NRW nutzen können.
Hier können Sie sich zu dem Online Werkstattgespräch anmelden:
… dies sagt Collien Ulmen-Fernandes deren zweiteilige Doku
zum Thema „Rabenväter oder Superdads“ auf ZDFneo und der Mediathek zu
sehen ist. Darin berichten unter anderem fünf Väter aus ihrem sehr
unterschiedlichen Alltag. Außerdem kommen Expert*innen zu Wort, um
einzuordnen, wo wir aktuell in der Väterforschung stehen und was sich
ändern sollte.
In dem Interview äußert Ulmen-Fernandes weiter: „Wenn man anfängt
sich mit diesem Thema zu beschäftigen, dann merkt man wie enorm wichtig
die Väterforschung ist. Ich selbst setze mich ja schon seit Jahren für
Gleichberechtigungsthemen ein und war, als die Redaktion das Thema
angefragt hat, nicht vor Begeisterung vom Stuhl gefallen. Ich hatte ja
das weibliche Pendant dazu schon gemacht. In der Recherche zum Thema und
in der Auseinandersetzung mit der Väterforschung habe ich dann gemerkt,
wie wichtig das Thema eigentlich ist“
Die Mitglieder der LAG haben diese Überzeugung ja schon lange und wir
hoffen, dass diese Dokumentation den Rückenwind für unsere Arbeit
verstärken wird.
Migrationssensible Väterarbeit
Ist das Schwerpunktthema der LAG im m März und April. Im Gespräch
mit Prof. Uslucan haben wir auf das Projekt ‚Interkulturelle
Väterarbeit in NRW (IVA)‘ zurückgeschaut und beleuchtet, was auch im
Hinblick auf die aktuelle Fluchtbewegung aus der Ukraine von Bedeutung
sein wird. „Ein Aspekt war auch die soziale Vernetzung. Dass sie erkannt
haben: ‚Es ist wichtig, auch mit andern Vätern ins Gespräch zu kommen‘,
weil ‚Es sind nicht nur meine Sorgen, sondern es sind Sorgen auch
anderer Väter.‘ Und durch diese Väterarbeit auch eine Art von
Vernetzung, was letztlich auch Solidarpotenziale aufbauen hilft und dazu
führt, dass man auch entlastet ist, weil man merkt, das ist nicht nur
etwas, was einen selbst betrifft.“
In dem Werkstattgespräch am 7. April wird Alexander Stathopoulos vom
Verband binationaler Familien in Frankfurt über Erfahrungen des
Arbeitskreises Migrationssensibler Väterarbeit (MiseV) in Hessen
berichten und Erfolgskriterien skizzieren.
Rückblick
Beim ersten Werkstattgespräch dieses Jahres ging es um die
Väterpolitik. Eine Zusammenfassung des Gesprächs und den Link zum
Download des Vortrags finden Sie hier.
Der 29. Februar ist der Equal Care Day. An diesem Tag, den es nur
alle vier Jahre gibt, wird auf die weitgehend unsichtbare Fürsorge
Arbeit aufmerksam gemacht. Die LAG Väterarbeit ist ja unter anderem
angetreten, Vätern mehr Engagement in Familie zu ermöglichen und das
heißt auch mehr Zeit für fürsorgliches Verhalten und die Übernahme von
Care Arbeiten.
Dazu haben wir auch den diesjährigen Equal Care Day genutzt. Im
Gespräch mit Nantke Garrelts hatte Hans-Georg Nelles am Gelegenheit im
Tagesspiegel die Position der LAG darzulegen. Einen Tag zuvor hat
Patricia Cammarata die Perspektive der Frauen dargelegt. Am 28. Februar
gab es noch einmal einen zusammenfassenden Beitrag.
Ausblick
Am 15. Mai finden in NRW die Landtagswahlen statt und auch auf
Landesebene gilt es Weichen für mehr väterliches Engagement zu stellen.
Dazu werden wir Ihre Erwartungen zusammenfassen, Fragen an die Parteien
stellen und mit verantwortlichen Politiker*innen ins Gespräch kommen.
Im Sommer wird die LAG ‚Väter und Kinder als Opfer von Gewalt‘
thematisieren. Dazu wird es ebenfalls ein Werkstattgespräch in Präsenz,
Interviews mit Expert*innen und verschiedene Fachbeiträge geben.
5. April 2022, 2. Online Member Meeting der LAG Väterarbeit
7. April 2022, 15:30 bis 17 Uhr, Online Werkstattgespräch ‚Migrationssensible Väterarbeit‘
Migrationssensible Väterarbeit ist wichtig für die Zukunft unserer
Gesellschaft. In Großstädten wie Köln oder Frankfurt haben weit mehr als
50 Prozent der schulpflichtigen Kinder einen sogenannten
Migrationshintergrund. Die Väter dieser Kinder können einen bedeutsamen
Beitrag zu ihrem guten Aufwachsen und Bildungserfolg leisten.
Bei dem Werkstattgespräch am 7. April wird Alexander Stathopoulos vom
Verband binationaler Familien in Frankfurt über die Erfahrungen des
Arbeitskreises berichten und wir werden gemeinsam überlegen, wie wir
diese für die Väterarbeit in NRW nutzen können.
Migrationssensible Väterarbeit ist wichtig für die Zukunft
unserer Gesellschaft. In Großstädten wie Köln oder Frankfurt haben weit mehr
als 50 Prozent der schulpflichtigen Kinder einen sogenannten Migrationshintergrund.
Die Väter dieser Kinder können einen bedeutsamen Beitrag zu ihrem guten
Aufwachsen und Bildungserfolg leisten.
Väter mit Migrationsgeschichte sind jedoch in öffentlichen
Debatten und im Alltagsleben häufig Vorurteilen, negativen Zuschreibungen und
Verallgemeinerungen ausgesetzt. Die Vielfalt ihres Lebensalltags und ihre
Potenziale, insbesondere im Hinblick auf Vaterschaft, werden genauso wenig
wahrgenommen wie ihre individuellen Ressourcen und Anpassungsleistungen. Eher
selten werden sie in Angeboten adressiert oder mitgedacht.
Ihre Perspektiven und Potentiale können zum Wohl ihrer
Kinder viel stärker einbezogen und genutzt werden. Vor diesem Hintergrund haben
sich das Hessische Ministerium für Soziales und Integration und der Verband binationaler
Familien und Partnerschaften, iaf e.V. im Rahmen eines Integrationsvertrages
unter anderem das Ziel gesetzt, gemeinsam einen Beitrag zur Entwicklung einer
migrationssensiblen, diversitätsbewussten Väterarbeit in Hessen zu leisten.
In Hessen hat sich deswegen 2020 der Fachkreis
migrationssensibler Väterarbeit in Hessen (MISEV) gegründet und führt
regelmäßig Austauschtreffen und Workshops durch. Die Arbeit des Fachkreises
orientiert sich an den Aufgabenfeldern und Bedarfen der Teilnehmenden, ermöglicht
gegenseitige Unterstützung und bezieht Erkenntnisse aktueller Väterforschung
mit ein.
Als erster Schritt wurde 2019 eine hessenweite Befragung von
Einrichtungen und Expert*innen der Väterarbeit durchgeführt, um einen Einblick
in bereits bestehende Angebote der Väterarbeit, deren Herausforderungen und
Erfolgsfaktoren zu gewinnen.
Bei dem Werkstattgespräch am 7. April wird Alexander Stathopoulos vom Verband binatinaler Familien in Frankfurt über die Erfahrungen des Arbeitskreises berichten und wir werden gemeinsam überlegen, wie wir diese für die Väterarbeit in NRW nutzen können.
Hier können Sie sich zu der Veranstaltung anmelden:
Beim Werkstattgespräch der LAG-Väterarbeit am 24. Februar ging es um aktuelle politische Weichenstellungen für Väter: Unterhalts- und Umgangsregelungen, Abstammungsrecht, Vaterschaftsfreistellung, Vereinbarkeit und partnerschaftliche Arbeitsteilung … Die Liste der erforderlichen Reformen im Familienrecht ist lang.
Der Vorsitzende Hans-Georg Nelles, hat auf der Grundlage der Ergebnisse der Fachtagung im November die Vorhaben der neuen Bundesregierung dahingehend überprüft, welche Weichen für mehr väterliches Engagement bereits gestellt, welche geplant und wo noch Umleitungen eingerichtet sind.
Bevor er auf die im
Koalitionsvertrag beschriebenen und teilweise von den zuständigen Minister*innen
bereits angekündigten Vorhaben einging, skizierte er die Handlungsfelder einer
ganzheitlichen Väterpolitik, die sich nicht auf einzelne Lebensabschnitte
beschränken dürfen, auch wenn diese, wie die zum Beispiel Geburt(svorbereitung)
oder Elternzeit, zentrale Bedeutung haben.
Vor dem Hintergrund der drei
Säulen, die der Familienpolitik zugrunde liegen, Geld, Zeit und Infrastruktur, geht
vor allem darum, Vätern in allen Lebensabschnitten mehr Zeit mit der Familie
und für die Übernahme von Care-Arbeiten zu ermöglichen.
‚Mehr Fortschritt wagen‘ lautet
der Titel des Koalitionsvertrags und in zwei Abschnitten geht es um für Väter
relevante Politikfelder. ‚Zeit für Familie‘ ist das erste überschrieben und an
erster Stelle steht „Wir werden Familien dabei unterstützen, wenn sie Zeit für
Erziehung und Pflege brauchen und dabei Erwerbs- und Sorgearbeit
partnerschaftlich aufteilen wollen.“ Das klingt gut, die beschriebenen Vorhaben
beziehen sich in erster Linie auf Elternzeit und Elterngeld, also die ersten
drei Lebensjahre eines Kindes. Die von der ehemaligen Familienministerin
Manuela Schwesig 2015 vorgeschlagene ‚Familienarbeitszeit‘, also die
Möglichkeit für Väter und Mütter nach der Elternzeit Arbeitszeiten
partnerschaftlich zu reduzieren, ist nicht auf der To Do Liste.
Die von der LAG-V unterstützte
Forderung nach der Einführung einer Vaterschaftsfreistellung unmittelbar nach
der Geburt, ist jedoch dabei und wurde bereits von der Ministerin in Interviews
angekündigt.
Der Abschnitt ‚Familienrecht‘
ist mit dem Leitgedanken „Wir werden das Familienrecht modernisieren.“ überschrieben
und insbesondere die Punkte
Wir werden die partnerschaftliche Betreuung der
Kinder nach der Trennung fördern, indem wir die umgangs- und
betreuungsbedingten Mehrbelastungen im Sozial- und Steuerrecht besser
berücksichtigen.
Wir wollen allen Familien eine am Kindeswohl
orientierte partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder auch nach
Trennung und Scheidung der Eltern ermöglichen und die dafür erforderlichen
Bedingungen schaffen.
Wir wollen im Unterhaltsrecht die
Betreuungsanteile vor und nach der Scheidung besser berücksichtigen, ohne das
Existenzminimum des Kindes zu gefährden.
wecken die Erwartung, dass der
Reformstau der letzten 8 Jahre endlich aufgehoben wird.
Der zuständige Minister
Buschmann hat als erste Maßnahme, die er umsetzen möchte, die Änderung der
Rechtslage für lesbische Mütter angekündigt. Hier gilt es aus Väterperspektive
darauf zu achten, dass das Recht der Kinder auf Kenntnis der Abstammung und der
Beziehung zu ihren leiblichen Vätern beachtet wird.
Nach einer kurzen Diskussion
über die bundespolitischen Vorhaben ging es im Hinblick auf die am 15. Mai in
NRW stattfindenden Landtagswahlen um väterpolitische Anliegen und Forderungen
hierzulande.
Vor dem Hintergrund, dass
insbesondere im ländlichen Raum kaum Angebote für Väter existieren und
abgesehen von einigen Leuchttürmen wie ‚Väter in Köln‘ auch in größeren
Kommunen diese Arbeit überwiegend ehrenamtlich gestemmt wird, ist die Forderung
nach finanziellen Mitteln für die Väterarbeit gut nachvollziehbar.
Es geht, so waren sich die
Teilnehmenden einig, um eine Strukturbildung für Väterarbeit in NRW, die ohne
zusätzliche finanzielle Ausstattung nicht erreicht werden kann. Dass
Handlungsbedarfe auch in den bereits existierenden Strukturen ‚Familienbildung‘
und Familienberatung‘ bestehen, hat die von der Landesregierung beauftragte
Evaluation der familienpolitischen Leistungen ja bereits offengelegt.
Aufgabe der LAG Väterarbeit wird es sein, auch nach den Wahlen im Mai bestehende Gesprächskanäle und Vernetzungen weiter auszubauen und gemeinsam mit den anderen Playern im Feld die Bedeutung fürsorgliches Väterarbeit, gerade auch für die nachhaltige Veränderung von tradierten Rollenbildern und eine geschlechtergerechte Gesellschaft, hervorzuheben.
Mehr
als zwei Drittel aller jungen Männer und Frauen wünschen sich eine
partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit, wenn sie
denn einmal Väter und Mütter sind. Wünsche und Wirklichkeiten klaffen
aber nach wie vor auseinander, auch wenn es auf den ersten Blick
‚gerecht‘ aussieht.
Die Summe von bezahlter und unbezahlter Arbeit an Wochentagen ist bei
Männern und Frauen mit circa 11 Stunden in etwa gleich. Aber bezahlte
und unbezahlte Arbeit ist zwischen Männern und Frauen ungleich
aufgeteilt. Dies zeigt die alle 10 Jahre durchgeführte
Zeitverwendungserhebung ebenso wie Studien, die im Kontext der Pandemie
durchgeführt worden.
In einer aktuellen Studie[i]
heißt es dazu, „Betrachtet man die gegenwärtige Studienlage zu
innerfamilialer Arbeitsteilung und Geschlechterungleichheit, zeigt sich …
ein heterogenes und widersprüchliches Bild“ und weiter „Innerfamiliale
Arbeitsteilung lässt sich zunächst direkt auf der Mikroebene verorten,
bei den Paaren und in Familien. Für die Untersuchung der Arrangements
gilt es aber, die innerfamiliale Mikroebene in ihrer Verwobenheit mit
dem mobilen Arbeiten im Kontext von Arbeitsorganisationen auf der
Mesoebene und den Makrostrukturen des Wohlfahrtsstaates sowie
gesellschaftlichen Norm(alitäts)annahmen, wie
geschlechterdifferenzierende Zuschreibungen von Betreuungsverantwortung,
zu betrachten. … Aushandlungen kommt als Modus für Erzeugung, Erhalt
und Veränderung sozialer Ordnung eine zentrale Bedeutung zu.“
Als Fazit bilanzieren die Autor*innen ‚paradoxe Gleichzeitigkeiten‘.
„Wir folgern aus unseren Analysen, dass die Diskussion um innerfamiliale
Arrangements und ihre Entwicklungen während der CoronaKrise
differenziert geführt werden muss: Weder haben wir es ausschließlich mit
einer Retraditionalisierung noch mit einer Modernisierung zu tun,
sondern vielmehr werden bereits bestehende Geschlechterungleichheiten
sichtbar und teilweise verschärft – bei gleichzeitig vorhandenem
Modernisierungsstreben.“
Was das für die Aushandlungen in den Partnerschaften bedeutet und
welchen Beitrag Familienbildung leisten kann um diese Prozesse zu
unterstützen, war das Thema einer Dialogrunde und eines Workshops bei
der Fachtagung der LAG Väterarbeit im vergangenen November.
In ihrem Impuls wies auch Barbara Streidl, Autorin der Streitschrift
‚Lasst Väter Vater sein‘, auf die Ambivalenzen hin: Einerseits
erleichtere das Homeoffice die Vereinbarkeit von Beruf und Familie,
bringe aber andererseits auch die Figur der wartenden Mutter zurück, auf
der die deutsche Sozialpolitik beruhe. Familie, Partnerschaft,
Erwerbstätigkeit, Haushalt, Selfcare und … die Erwartung ist, dass alles
gleichzeitig ‚erledigt‘ werde. Aber der Tag hat nun Mal ‚nur‘ 24
Stunden.
Als Vision wurde eine gesellschaftliche Aufwertung der Carearbeit
formuliert, die sich auch so äußern kann: „Da will ich ja eigentlich zum
Laternenumzug“, sagt der Oberstaatsanwalt, als es um eine Veranstaltung
am Abend des 10. Novembers ging. Die Veranstaltung begann um halb acht,
da ist der Umzug vorbei und er kommt knapp zur Veranstaltung.“
Es geht also darum, dem alltäglichen Vatersein Raum und Zeit zu
gestatten, das ist in erster Linie eine Frage der Haltung. Im Hinblick
auf die in den Partnerschaften notwendigen Aushandlungen geht es auch um
Einstellungen, aber vor allem um Kompetenzen und deren Zuschreibungen
auf Väter und Mütter. Einem klassisches Feld der Familienbildung.
Wie diese in NRW aufgestellt ist und wo Entwicklungspotenziale sind, hat die im vergangenen Jahr vorgelegte Evaluation[ii]
der familienpolitischen Leistungen gezeigt. Dort steht unter anderem,
es „wird deutlich, dass Väter 2019 am häufigsten Angebote in
Beratungseinrichtungen in Anspruch nahmen, … der Anteil der männlichen
Teilnehmer in der Familienbildung [hat sich] im Verhältnis zur
Bestandsaufnahme von 2006 kaum verändert hat. [er verharrt] auf dem
niedrigen Niveau von 16 bis 17 Prozent. An anderer Stelle ist zu lesen,
dass sich „Väter nicht durch die klassischen auf Reflexivität und Dialog
angelegten Kursgruppen angesprochen fühlen und entweder
Outdoor-Aktivitäten oder etwas Technisches bzw. Handwerkliches
bräuchten. Zudem wird die Teilnahme von Vätern/Männern überwiegend
abends oder an Wochenenden verzeichnet.“
Diese und weitere Ergebnisse der Evaluationsstudie griff auch Jürgen
Haas in seinem Impuls zu Beginn des Workshops auf und wies auf einen
weiteren ‚Mangel‘ hin, den geringen Anteil von männlichen Mitarbeitenden
in der Familienbildung.
Wer mehr Väter in der Familienbildung möchte, muss sich so sein
Fazit, als Entscheidungsträger und Anbieter, auch mit diesen
Herausforderungen auseinandersetzen. „Prognos hat in der aktuellen
Studie zu den familienbezogenen Leistungen in NRW auf fünf
Handlungsfelder hingewiesen, die meines Erachtens auch für die
Familienbildung Relevanz haben: Bekanntheit, Vernetzung,
Digitalisierung, Angebotsformate und das Personal.
Als Ergebnis des Workshops wurden drei zentrale Weichenstellungen formuliert:
für die Neuausrichtung der Angebote im Bereich der
Familienbildungsarbeit braucht es einen langen Atem. Projekte sind oft
sehr kurzfristig angelegt. Dadurch kann man das Vertrauen und die
Kontinuität der Väterbeteiligung nicht sicherstellen
eine Erhöhung der Anteile des pädagogischen männlichen Personals in
der Familienbildung und auch die der freiberuflichen Honorarkräfte kann
durch eine bessere finanzielle Ausstattung erreicht werden
die Fachkräfte müssen in die Lage versetzt werden, Väter
gendersensibel in den Blick zu nehmen und anzusprechen. Dazu braucht es
passende Qualifizierungsangebote.
Take Aways für Väter
Es ist gut, dass Sie sich vornehmen, sich alle anfallenden Aufgaben
in der Familie ‚gerecht‘ aufzuteilen. Damit dies Vorhaben auch gelingt,
ist es hilfreich, sich mit ihrer Partnerin darüber auszutauschen welche
Erwartungen sie als Vater und Mutter an sich und den jeweils anderen
haben.
Im nächsten Schritt geht es dann darum, wer was zu welchem Zeitpunkt
macht: Elternzeit nimmt, Kinder und Haushalt betreut oder das Geld für
die Finanzierung des Projekt Familie verdient. Lassen Sie sich bei
diesen ‚Verhandlungen‘ nicht vorschnell durch die Verlockungen des
vermeintlich leichteren Wegs, eine*r geht Geld verdienen und eine*r
bleibt zu Hause über den Tisch ziehen. Auch wenn Sie vorhaben, beim
nächsten Kind alles anders zu machen führt diese gutgemeinte ‚temporäre
Teilretraditionalisierung‘ geradewegs in alte Rollenmuster und engt ihre
Spielräume und Wünsche, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen und
dafür ggf. auch Arbeitszeiten zu reduzieren extrem ein
Fangen Sie mit diesen Aushandlungsprozessen frühzeitig an, am besten
genau dann, wenn Sie über die Umsetzung ihrer Kinderwünsche sprechen.
Eine ‚Arbeitshilfe‘ dazu finden Sie hier oder auch auf dieser Webseite.
Denkanstöße für Beschäftigte in der Familienbildung und Familienzentren
Es ist gut, wenn Sie in Zukunft Väter verstärkt in die
Familienbildungsarbeit ihrer Einrichtung einbinden möchten. Beziehen Sie
bei der Planung der Angebote am besten Väter mit ein.
Planen Sie diese Angebote möglichst niedrigschwellig und zun den
Zeiten, in der die Väter auch daran teilnehmen können: nach Feierabend,
am besten Freitagnachmittag oder Samstagvormittag
Kommunizieren Sie die Angebote so, dass Väter diese auch im Internet finden können.
Bei allen Fragen, die Sie zu diesem Thema haben steht Ihnen die Geschäftsstelle der LAG-Väterarbeit gerne beratend zur Seite.
[i]
Almut Peukert, Miriam Beblo, Laura Lüth und Katharina Zimmermann;
Erwerbs- und Familienarbeit im Homeoffice? Innerfamiliale Arbeitsteilung
in der Corona-Krise auf dem Prüfstand; in Sozialer Fortschritt, 71
(2022), S.29ff
… und Väter gestehen sich häufig eine Krise erst dann ein, wenn sie alleine absolut nicht mehr weiter wissen. Das war schon vor Corona eine ‚Binsenwahrheit‘ und die Pandemie hat auch an dieser Stelle offengelegt, was eh nicht mehr zu verbergen war.
„Väter können permanent in Krisen sein. Die Vereinbarkeit von etwas, was nicht vereinbar ist, kann zu Ernüchterung und Überforderung führen“, führt Vonnoh in seinem Impuls aus, und weiter, „wir haben eine Vorstellung davon, was okay ist und was nicht. Gleichzeitig nehmen wir uns nicht die Zeit, zu hinterfragen, was dahintersteckt. Wir müssen schauen, wie ein typischer Alltag von einem Vater aussieht. Wir meinen, wir haben keine Wahlmöglichkeiten. Aber wenn es mir selber nicht gut geht, funktioniere ich bestenfalls nur und es kommt bei den Kindern nichts wirklich an, sie fühlen sich nicht gehalten und sicher.“
Viele Väter ahnten nicht, welche Potenziale in ihnen stecken. Als Männer haben sie gelernt, Wünsche und Gefühle zu unterdrücken. Es fällt ihnen daher auch schwer, sich in die Partnerin oder die Kinder hineinzuversetzen. Ein Zugang zu den Emotionen ist aber wichtig, um echte Beziehungen zur Partnerin und sichere Bindungen zu den Kindern aufzubauen. Viele Männer haben auch Probleme damit, der Zeit mit den Kindern einen eigenen Wert zuzuschreiben, auch wenn man nur gemeinsam ‚abhängt‘. Es habe aber einen unschätzbaren Wert, sich als Vater ein paar Wochen, Monate oder vielleicht auch Jahre rauszunehmen, um die Kinder bestmöglich zu begleiten. Es muss für Männer spürbar werden, welche Bedeutung es hat, für die Kinder da zu sein.
Vor diesem Hintergrund hat Corona und die mehrfach verhängten Lockdowns, die unfreiwillige Kurzarbeit, das HomeOffice und Homeschooling mit den Kindern alleine zu Hause für viele Väter auf der individuellen Ebene neue Erfahrungen mit sich gebracht und kann auf der gesellschaftlichen als wirkmächtiges soziales ‚Experiment‘ betrachtet und ausgewertet werden. Es lohnt sich, an dieser Stelle genauer hinzuschauen und die Konsequenzen der Lockdowns für väterliches Engagement zu betrachten
Die umfangreichste Untersuchung dazu hat das Fatherhood Institute[i] aus London mit der Studie „Lockdown Fathers: The untold story”[ii] vorgelegt. Die Studie basiert auf einer landesweit repräsentativen Stichprobe von rund 2 000 Vätern, die im Frühjahr 2020 während des Lockdowns im Vereinigten Königreich befragt wurden. Sie zeigte, dass Väter aus Paarfamilien aller sozioökonomischen gesellschaftlichen Gruppen:
mehr Zeit mit ihren Kindern verbrachten (78 %),
mehr Zeit als üblich für die häusliche Erziehung und die Unterstützung bei den Hausaufgaben aufwandten (68 %),
sich nach dieser Erfahrung besser gerüstet fühlten, um das Lernen und die Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen (57 %; selbst unter benachteiligten Vätern lag der Anteil bei 50 %),
sowie 59 % mehr Zeit für Putzen, Wäsche waschen und Kochen aufbrachten. Und das, obwohl 27 % weiterhin Vollzeit außer Haus Erwerbsarbeit nachgingen und 86 % derjenigen, die während der Schließung noch arbeiteten, 30 und mehr Stunden pro Woche erwerbstätig arbeiteten. [iii]
Auch in anderen wichtigen Bereichen berichteten die Väter von überwiegend positiven Erfahrungen. Hinsichtlich der Anstiegs von „Väterkompetenzen“ berichteten 65 % von einer besseren Vater-Kind-Beziehung nach dem Lockdown im Frühjahr 2020 (73 % der Väter, die Vollzeit zu Hause sind). 48 % fühlten sich nach dem Lockdown in ihrer Elternrolle als kompetenter, nur 8 % fühlten sich weniger kompetent. 42 % fühlten sich besser in der Lage, Ruhe zu bewahren und ihre Wut auf ihre Kinder zu kontrollieren. Eine kleine, aber signifikante Minderheit (14 %) war dazu weniger in der Lage.
Hinsichtlich des Verständnisses für die Kinder gaben 51 % an, ihre Kinder besser zu verstehen, und 64 % fühlten sich ihnen nach dem Lockdown emotional näher. Fast alle anderen berichteten von keiner Veränderung. Nur 2 bis 3 % berichteten von einer Verschlechterung.
Bezüglich der mentalen Gesundheit, dem sog. „Mental Health“, zeigte sich folgendes Bild. Väter, die von einer besseren Vater-Kind-Beziehung berichteten, äußerten mit größerer Wahrscheinlichkeit auch ein besseren psychischen Wohlbefinden. Die meisten gaben an, dass sich ihr eigenes Wohlbefinden (und das ihrer Partnerin) während der Abriegelung verbessert (20 %) oder nicht verändert hat (40 %). Eine Verschlechterung wurde von 40 % berichtet. Dies steht in Verbindung mit befürchteten oder tatsächlichen Arbeitsplatz- und Einkommensverlusten.
Diese Väter benötigen passende und niedrigschwellige Beratungsangebote, und zwar eine Beratung, so Eberhard Schäfer, „die ihrem Anliegen gerecht wird. Das heißt, bei dem Berater oder bei der Beraterin muss ein Verständnis dafür da sein, dass dieser Mann oder dieser Vater in einer Krise ist. Und dass er entsprechend eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner braucht, der zuhören kann und will. Der ein offenes Ohr hat. Der verständnisbereit ist. Und der schnell aus seiner professionellen Haltung heraus einordnen kann, um was es dem Vater geht und für was er jetzt welche Art von Rat oder Unterstützung oder Gespräch braucht.“
Das klingt banal, in der Realität finden Väter derartige Angebote nicht immer.
Take Aways für Väter
holen Sie sich rechtzeitig Unterstützung und nehmen Beratung in Anspruch. Je länger sie damit warten, umso langwieriger wird der Lösungsweg.
zu einer Beziehungskrise gehören immer zwei Seiten und bei einem Streit vor Gericht gibt es in der Regel mehrere Verlierer. Nehmen Sie gerade in Konfliktsituationen außergerichtliche, mediative Angebote in Anspruch und behalten ihre Verantwortung als Vater für Ihr Kind/ Ihre Kinder im Blick
spezifische Beratungsangebote können Sie in Ihrer Region unter maennerberatungsnetz.de finden
in NRW finden Sie auf der Webseite echte-maenner-reden.de ausgebildete Männerberater, die Sie in den unterschiedlichen Krisensituationen, auch als Opfer von Gewalt beraten
Anregungen für Familien – Beratungsstellen
überprüfen Sie, inwieweit sich Ihr öffentlicher Auftritt, Webseite, Flyer, etc. auch ausdrücklich an Männer und Väter richtet und die Angebote niedrigschwellig zugänglich sind
sind die Mitarbeitenden darauf vorbereitet, Väter in Krisensituationen spezifisch zu beraten?
können Sie ratsuchenden Männern und Vätern die Auswahl eine Beraters bzw. einer Beraterin ermöglichen?
beziehen Sie bei einer Trennungsberatung den jeweiligen Partner bzw. die Partnerin mit ein?
[iii] Burgess, A. & Goldman, R. (2021) Lockdown Fathers: the untold story (executive summary). Contemporary Fathers in the UK series. London: Fatherhood Institute; S. 3f
In dieser
Aussage eines Vaters kommt die ganze Ambivalenz zum Ausdruck, die Männer
im Kontext einer Geburt erleben. Und genau in diesen Ambivalenzen und
Dissonanzen stecken nach Ansicht von Philip Krüger die größten Chancen
für Veränderungen. Für eine Realisierung des von vielen jungen Vätern
und Müttern geäußerten Wunsches, sich Erwerbs- und Familienarbeit
partnerschaftlich aufzuteilen. Aber damit aus diesen Absichtserklärungen
reale Veränderungen werden, braucht es Unterstützung, unter anderem
spezifische Angebote zur Geburtsvorbereitung für Väter.
Die Zuschreibung von väterlichen Kompetenzen und ihre Beziehung zu
dem ungeborenen Kind haben einen großen Einfluss darauf, in welchem Maße
sie sich an der Erziehung des Kindes beteiligen und Ressourcen für
seine gelingende Entwicklung zur Verfügung stellen.
In der Phase vor und unmittelbar nach der Geburt werden die Weichen
dafür gestellt, ob das gewünschte Lebenskonzept Wirklichkeit werden kann
oder die Partnerschaftszufriedenheit darunter leidet, dass sich Vater
und Mutter in jeweils unterschiedlichen Sphären voneinander entfremden.
Viele Väter wollen die Entwicklung ihrer Kinder von Anfang an aktiv
begleiten und mitgestalten.
„Ich habe dann nur den Schwangerschaftstest gesehen, den sie mir
gezeigt hat, und das war dann erst mal so ein eine Explosion der Gefühle
im Kopf, also von Freude, Glück, aber natürlich auch Respekt und Sorge.
Alles was einem, glaube ich so als Vater auch in den nächsten Jahren so
durch den Kopf geht, war denn auch einfach da“.
Bei der Geburt selbst dabei sein zu können, ist für Männer die
Möglichkeit, das Vaterwerden, das sich bislang als ‚Kopfgeburt‘
abgespielt hat, unmittelbar zu erleben und eine Beziehung zu ihrem Kind
aufbauen zu können. „Es war unglaublich, atemberaubend, erstaunlich und
erschreckend, die erste Person zu sein, die meine Tochter sah, und
Augenkontakt mit ihr herzustellen, als sie herauskam. Ich habe ein Foto,
etwa drei Minuten nach ihrer Geburt, auf dem ich sie im Arm halte und
wir uns gegenseitig anstarren, und es sieht aus, als würde sie mir die
Zunge herausstrecken.“
Corona hat auch in der Geburtshilfe wie unter einem Brennglas
offengelegt, dass Väter dort noch nicht die Bedeutung haben, die ihnen
zusteht. Zehntausende Männer konnten wegen der Corona-Regeln in den
vergangenen Monaten die Geburt ihres Kindes nicht miterleben. In manchen
Kliniken dürfen Väter den gesamten Verlauf der Geburt begleiten, in
anderen ruft sie das Personal erst zur Endphase der Geburt in den
Kreißsaal – wenn die Presswehen beginnen oder der Muttermund um einige
Zentimeter geöffnet ist. Zu Vorsorgeterminen, zum Ultraschall durften
Väter häufig ebenfalls nicht mitkommen. „Also ich hätte das sehr gerne
gemacht, aber es war uns jetzt leider aufgrund der Situation in der
Klinik oder, so wie es die Frauenarztpraxis, in der sie behandelt wird,
händelt, die ganze Pandemie, war es mir leider nicht möglich, an den
Terminen teilzunehmen.“
Um hier nachhaltige Veränderungen zu erreichen, könnten Veränderungen
bei der Ausbildung von Hebammen und Sozialpädogog:innen bzw.
-arbeiter:innen beitragen. Dazu erklärt Gunter Beetz, der Dialogrunde
und Workshop moderiert hat und selbst seit Jahren Angebote zur
Geburtsvorbereitung für Väter durchführt:
„Das Rollenverständnis hat sich bei so vielen Männern zum Positiven
gewandelt, aber die Rahmenbedingungen haben sind leider nicht
dementsprechend mit verändert. Die Bedürfnisse und Sichtweisen von
Vätern sollten viel mehr mitgedacht und berücksichtigt werden. Dies
sollte in der Ausbildung von Sozialpädagog:innen und Hebammen eine
größere Rolle spielen. Beide Berufsgruppen sind eine so große Stütze,
besonders am Anfang einer Familie, aber auch später in den Ambulanten
Hilfen, wenn es mal zu Schwierigkeiten kommt. Vielen Vätern fehlt es an
Rollenvorbildern und deshalb ist eine Unterstützung durch diese
Berufsgruppen so wichtig.“
Dementsprechend wurden in dem Workshop unter anderem folgende Gedanken formuliert:
Sprache: partnerschaftlichere, differenziertere und flexiblere Rollenbilder kommunizieren
Finanzierung: die Möglichkeit der Präventionskurse der gesetzlichen
Krankenversicherung und die Vernetzung mit bestehenden und zukünftig zu
etablierenden emotionalen Beratungen im Sinne einer Netzwerkbildung:
Hier können Nachtreffen genutzt werden, um weiter in Kontakt zu bleiben
Väterberatung: flächendeckender anbieten, auch auf Betriebe und Behörden ausweiten
Wissenschaft: Studierende bereits im Studium mit der
Väterperspektive vertraut zu machen mit dem Schwerpunkt auf einer
gesunden Entwicklung der Kinder/Familie/ Balance
Fragen für (werdende) Väter
Was für eine Vater- bzw. Mutterrolle wurde mir vorgelebt? Welche
Gesprächs- und Konfliktkultur hat mich geprägt? Die Biografie der Eltern
spielt eine wichtige Rolle, denn dein eigenes „inneres Kind“
beeinflusst die Erziehung und das Selbstverständnis deiner neuen
Familie.
Was sind meine Wünsche und Vorstellungen an mich, die Familie und an
meine Karriere. Was soll dein Kind in 25Jahren über dich erzählen?
Stimmen deine Vorstellungen mit denen deiner Partnerin überein?
Welche alltäglichen Aufgaben stehen an und welche übernimmst du? Was
braucht ihr an Struktur, damit sich alle wohlfühlen? Wieviel möchtest
du/‘musst‘ du Arbeiten? Diese und viele weitere Fragen kannst du
zunächst für dich und dann gemeinsam mit deiner Partnerin lange vor der
Geburt beantworten. Auch wenn danach alles anders kommt als gedacht, wer
A gesagt hat kann auch B viel leichter planen.
Anregungen für Hebammen
Es ist selbstverständlich, dass bei der Geburtsvorbereitung der
Fokus auf die werdende Mutter und die Geburt gerichtet ist. Aber schon
vor der Geburt werden die Weichen dafür gestellt, ob die neuen Familien
sich anfallende Aufgaben partnerschaftlich aufteilen oder in alte
Rollenmuster zurückfallen. Auch bei diesem Entscheidungsprozess können
Sie die werdenden Eltern unterstützen.
Die Unterstützung durch Väter im Geburtsprozess hat positive
Auswirkungen auf die werdenden Mütter. Beziehen sie Väter daher von
Anfang an systematisch ein und ermöglichen ihnen sich zu beteiligen. So
können Väter ihre Partnerinnen unterstützen, eine eigene Identität als
Vater entwickeln und eine aktive Rolle in der Versorgung der Säuglinge
übernehmen.
Im Rahmen der Vorbereitung auf die Geburt haben Väter das Interesse,
sich mit anderen Vätern in einem geschützten Raum über ihre Sorgen,
Gedanken und Hoffnungen auszutauschen. Ermutigen Sie die Partner ‚Ihrer‘
Mütter, den Rahmen Ihres Kurses zu nutzen.
Gunter, du hast bei der Fachtagung der LAG Väterarbeit in NRW im November die Dialogrunde und den Workshop im Themenfeld ‚Geburt & Gesundheit‘ moderiert. Eine der dort formulierten Visionen lautet ‚Angebote und Maßnahmen sichtbarer machen und auf die Bedürfnisse von Vätern ausrichten‘ Warum können die bisherigen Angebote zur Geburtsvorbereitung nicht einfach auf die Väter übertragen werden?
Die Bedürfnisse von werdenden Vätern unterscheiden sich
meiner Meinung nach grundlegend von denen der werdenden Mütter. Der
Lebensübergang ins „Mutter-Sein“ ist für sie ganzheitlich erlebbar durch die körperlichen,
aber auch seelischen Veränderungen der Schwangerschaft. Die Geburt steht
deshalb verständlicherweise im Vordergrund. Für Männer bleit diese Zeit jedoch ein
größtenteils nur im Kopf stattfindendes Erlebnis. Männer werden erst bei Geburt
Vater.
Bei den meisten Angeboten der Geburtsvorbereitung liegt der
Fokus deshalb überwiegend auf der Frau und der Geburt. Vätern ist auch wichtig,
wie sie sich bei der Geburt verhalten sollen und wie sie am besten ihre Frauen unterstützen
können. Aber wie sie sich als Mann auf das „Vater-Sein“ vorbereiten können,
nimmt wenig Platz ein, obwohl es zu den einschneidendsten Veränderungen im
Leben eines Mannes gehört. Deshalb ist ihnen ein ehrlicher Austausch unter Männern
wichtig, um mehr Sicherheit in diese Zeit des Wandels zu bekommen und
Vorbereitungen für die Zeit danach zu treffen.
Zu welchem Zeitpunkt und wie können werdende Väter
angesprochen und erreicht werden?
Wir Männer spielen erst seit ein paar Jahrzenten eine Rolle
bei der Geburt und so ist das Bewusstsein, sich aktiv darauf vorzubereiten,
noch nicht sehr verbreitet. Es wächst parallel zum Bauchumfang der Frau. Deshalb
sollten Väter so früh wie möglich und von unterschiedlichen Seiten von
Angeboten erfahren. Die eine Seite sind die Frauenärzte und Hebammen, die beim
Erstkontakt oder beim Besuch in den Geburtskliniken von Angeboten berichten
könnten. Eine andere Seite sind Arbeitgeber, denn sie haben einen großen Nutzen
davon, wenn sich werdende Väter auf ihre Vaterrolle vorbereiten. Sie sollten ihre
Angestellten dazu animieren und/oder sich finanziell beteiligen Angebote für
Väter zu belegen oder selbst welche anbieten. Die Weichen für die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf und für eine gleichberechtigte Rollenverteilung werden
vor der Geburt gestellt. Und wir können die werdenden Väter über andere Väter
erreichen. Es fehlt immer noch an sicheren Räumen für einen Austausch.
Was muss sich an den Rahmenbedingungen verändern, damit
werdende Väter gut in ihre neue Rolle hineinkommen?
Der Vorschlag der neuen Familienministerin Frau Spiegel,
Vätern zwei Wochen bezahlten Urlaub zu ermöglichen, geht in die richtige
Richtung. Väter spielen in den heutigen Familien eine viel größere Rolle, als
nur der „Ernährer“ zu sein. Väter haben heute ein anderes Rollenverständnis, sie
wollen bei der Erziehung der Kinder gleichberechtigt Verantwortung übernehmen,
kümmern sich bei der täglich anfallenden Care-Arbeit, bieten ihren Kindern verlässliche
Beziehungen an. Und für diese Rolle sollten sie viel mehr in den Blick genommen
und unterstütz werden. Durch eine (auch monetär unterstützte) Vorbereitung auf
die Vaterrolle vor der Geburt, durch eine längere Elternzeit um gemeinsam als
Familie anzukommen, aber auch durch flexiblere Arbeitszeitmodelle. Viele Väter
befürchten leider immer noch einen Karriereknick, wenn sie länger in Elternzeit
gehen oder Teilzeit arbeiten und das leider nicht unbegründet. Dabei gibt es
fantastische Teilzeitmodelle wie Jobsharing, was auch Müttern sehr zugutekommen
würde. Beim heutigen Fachkräftemangel, aber auch durch hohe
Lebenserhaltungskosten, müssen wir die Familie viel mehr in den Fokus nehmen
und das von Anfang an. Unser Sozialstaat, aber auch Unternehmen könnten dabei
einen wichtigen Beitrag leisten.
Welche Veränderungsbedarfe siehst du bei der Ausbildung von
Hebammen und Sozialpädogog*innen bzw. -arbeiter*innen?
Das Rollenverständnis hat sich bei so vielen Männern zum
Positiven gewandelt, aber die Rahmenbedingungen haben sind leider nicht
dementsprechend mit verändert. Die Bedürfnisse und Sichtweisen von Vätern
sollten viel mehr mitgedacht und berücksichtigt werden. Dies sollte in der
Ausbildung von Sozialpädagog*innen und Hebammen eine größere Rolle spielen.
Beide Berufsgruppen sind eine so große Stütze, besonders am Anfang einer
Familie, aber auch später in den Ambulanten Hilfen, wenn es mal zu
Schwierigkeiten kommt. Vielen Vätern fehlt es an Rollenvorbildern und deshalb
ist eine Unterstützung durch diese Berufsgruppen so wichtig.
Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten drei Elemente
einer Geburtsvorbereitung, die Männer und Frauen auf eine partnerschaftliche
Aufteilung von Erwerbs- und Fürsorge vorbereitet?
Ich nutze gerne das Bild eines „Familienunternehmens“. Das
ist vielleicht ein wenig unromantisch, aber die Sichtweise hat sich als sehr
hilfreich herausgestellt, um alte Rollenmuster zu durchbrechen.
Als Erstes ist es wichtig zu wissen, was jeder an Geschichte
für die Gründung mitbringt: Zum Beispiel was für eine Vater- bzw. Mutterrolle
wurde mir vorgelebt? Welche Gesprächs- und Konfliktkultur hat mich geprägt? Die
Biografie beider Eltern sollte in der Vorbereitung eine wichtige Rolle spielen,
denn unser eigenes „inneres Kind“ beeinflusst die Erziehung und das
Selbstverständnis der neuen Familie.
Als Zweites geht es um die „strategische Ausrichtig“, eine
Art Zukunftsplanung. Was sind meine Wünsche und Vorstellungen an mich und die
Familie UND an meine Karriere. Eine Leitfrage, die ich werdenden Eltern gerne mitgebe,
ist: Was soll euer Kind in 25Jahren über euch erzählen? Sind diese
Vorstellungen kompatibel mit denen meiner Partnerin?
Daraus ergibt und wächst das „operationale Geschäft“. Welche
alltäglichen Aufgaben stehen an und wer übernimmt sie? Was brauchen wir an
Struktur, damit sich alle wohlfühlen? Wer möchte/muss wieviel Arbeiten? Was
kann ich heute schon für ein sicheres Fundament tun?
Sein Angebot umfasst Wochenendkurse für werdende Väter in
der Natur und wird momentan um wöchentliche Präsenz- und Onlineseminare
erweitert. Ich biete zur Vorbereitung auf das „Abenteuer Familienunternehmen“ und
in Familienkrisen Einzel- und Paarberatung an.
Seine jahrelange Erfahrung hat gezeigt, dass für die Zukunft
moderne „Arbeitszeitmodelle“ für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer
wichtiger werden. Deshalb absolviere ich eine Fortbildung zum Tandem-Coach, um
das Thema „Jobsharing“ voranzubringen.
… aber die Last
trugen und tragen die Familien, ist Birk Grüling überzeugt: Wenn die
Betreuung wegbricht, springen die Eltern ein. Das ist erstmal gut und
richtig. Allerdings brauchen sie dafür Unterstützung – Corona-
Krankentage, mehr Kindergeld, etc. Und im Moment wird die Last der
Pandemie ohne Schutz in Schulen und Kita wieder auf die Eltern und
Kinder abgewälzt.
Die Zahlen sehen auf den ersten Blick gut aus, sowohl bei Vätern und
Müttern hat die Carearbeit mit 2,6 bzw. 3,1 Stunden täglich zugenommen.
Bei Familien mit traditioneller Rollenverteilung hat sich weniger
verändert als bei denen, die auch schon vor der Pandemie versucht haben,
Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich aufzuteilen.
Corona wirkt auch an dieser Stelle wie ein Brennglas: Es gibt keinen
Rückschritt, sondern eher die Erkenntnis, dass wir auch vorher nicht
weit genug waren. Damit sich dauerhaft etwas verändert ist es notwendig,
dass
Unternehmen und Politik den Wert von Familienarbeit und
Gleichberechtigung erkennen und Kinderbetreuung, Elternzeit und aktive
Vaterschaft fördern
Väter ihre ‚Privilegien‘ als Bezugspersonen dauerhaft verteidigen und ihre Erwerbsarbeitszeiten reduzieren
Eltern laut und unbequem werden und stärker für ihre Rechte kämpfen
Eine der Visionen die in der Dialogrunde formuliert wurde lautet:
‚Familienarbeit aus der Tabuzone holen‘. Was damit gemeint ist erläutert
Holger Strenz, Moderator de Nachmittags: „Im gesellschaftlichen Kontext
gehen wir vom Idealbild der heilen Familie aus, ein Ort von Liebe und
Geborgenheit. Treten Probleme und Herausforderungen auf, werden diese
schnell individualisiert und stehen in Verantwortung der Eltern. … Nicht
zuletzt gehört Familien- und Care-Arbeit nach wie vor zu den
unentgeltlichen Leistungen, die für eine Gesellschaft zwar unabdingbar
sind, aber eben nicht finanziert und entsprechend anerkannt werden.
Nicht zuletzt sehen wir im Umgang mit Familien während der Pandemie,
dass zwar Trostpflaster verabreicht werden, wie einmalige Zahlungen,
aber dass wir viel mehr über Wirtschaft und Finanzen berichten, als dass
die herausfordernde Familien- und Sorgearbeit in den Mittelpunkt
gerückt werden.“
Damit alle anfallenden Aufgaben und Arbeiten in Familie
gleichberechtigt aufgeteilt werden, ist es erforderlich, Männer und
werdende Väter nicht nur als gleichberechtigte Subjekte von Anfang an
einzubeziehen sondern ihnen auch die entsprechenden Kompetenzen
zuzuschreiben. Dieser Prozess beginnt schon bei der frühkindlichen
Bildung:
„Wenn wir {…] etwas ändern wollen, dann müssen wir an individuellen
Einstellungen etwas verändern und bei den frühen Sozialisationsinstanzen
starten. Kinder müssen erleben können, dass Väter im Alltag anwesend
sind und sich ebenso um Kinder kümmern, wie sie ihre bezahlte Arbeit
meistern. So braucht es in allen Lebensbereichen männliche Vorbilder,
die ein gleichberechtigtes Leben ohne Rollenzuschreibungen anstreben
oder bereits realisiert haben. Und hierfür braucht es Männer und Väter
die dies auch leben wollen, also davon überzeugt sind, dass dies für sie
und für die nachfolgende Generation ein guter Weg ist, Gesellschaft zu
gestalten.“ so Strenz.
Damit die Vision Wirklichkeit werden kann, kommt es darauf,
Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Männer nicht mit dem ‚Stempel‘
eines Familienernährers aufwachsen und sich als hauptverantwortlich für
die finanzielle Absicherung der Familie erleben. Jungen und (werdenden)
Vätern brauchen Ermutigung, sich auszuprobieren, den Bereich von
Sorgearbeit zu entdecken und sich auch dort zu engagieren.
Take Aways für Väter (und Mütter)
nehmen sie sich auch in ‚Pandemiezeiten‘ Raum und Zeit für Partnerschaft
tauschen Sie sich regelmäßig über ihre Erwartungen und (Un-)Zufriedenheit aus
thematisieren Sie ihre Familiensituation am Arbeitsplatz
nehmen Sie rechtzeitig Unterstützung und Beratungsangebote in Anspruch
Anregungen für Kita’s und Familienzentren
thematisieren Sie schon in den Familienzentren geschlechtsspezifische Arbeitsteilung
überprüfen sie, welche Haltungen und Vorstellungen in Ihrem Team zu dem Thema vorhanden sind
ermutigen Sie Väter mehr Verantwortung bei der Sorgearbeit zu übernehmen
Hinweise für Gleichstellungsstellen
betrachten Sie Männer und Väter als handelnde Subjekte, die gleichermaßen Gleichberechtigung wollen und auch davon profitieren
weisen Sie bei Ihren Angeboten auf die Bedeutung von Männern und Vätern für die Erreichung der Geschlechtergerechtigkeit hin
unterstützen Sie Männer und Väter dabei, ihre Haltungen zu
hinterfragen und gemeinsam mit ihren Partner:innen neue Modelle
auszuhandeln
Bisherige Ergebnisse der Studie fasste Frau Buschmeyer so zusammen:
Wer vorher mehr Care-Arbeit gemacht hat, macht das meist auch während der Pandemie (mit Ausnahmen)
Für Getrennt- bzw. Alleinerziehende ist die Pandemie dann besonders
herausfordernd, wenn sie kein/wenig Unterstützung durch Ex-Partner*in
oder ein größeres Netzwerk haben
Gefühl der Entschleunigung ist in der zweiten Welle der Verdichtung gewichen
Vorstellungen von Mütterlichkeit und Väterlichkeit beeinflussen die Übernahme von Care-Arbeit oder deren Auslagerung
Väterliches Engagement hat sich in der Corona-Pandemie folgendermaßen entwickelt:
Insgesamt haben (die befragten) Väter einen großen Anteil an der Care-Arbeit übernommen und ihr Engagement in der Krise erhöht
Wo Väter vorher eher abwesend waren à Mehr Engagement möglich
Wo die Väter vorher mit viel Engagement in der Familienarbeit dabei waren à In der Pandemie beibehalten
Je mehr die Väter sich einbringen (möchten) in die Care-Arbeit, desto größer die Zerrissenheit
Je größer das Netzwerk aus Betreuungspersonen, desto einfacher ist die Vereinbarkeit individuell gelöst
Wenn andere den Großteil der Betreuungsarbeit leisten, können Väter durch die neue Flexibilität mehr „unterstützen“
In der zweiten Welle hat das Engagement teilweise wieder abgenommen, die Erwerbsarbeit wird (wieder) zentraler angesehen
Auch wenn es einfacher ist, die Care-Arbeit anderen zu überlassen:
Mehr Engagement von mehr Personen ist für alle eine Erleichterung!
Handlungsempfehlungen, damit das Positive bleibt
Anerkennen, dass Sorgearbeit Arbeit ist und genauso fordert wie Erwerbsarbeit
Dienstreisen und viele Überstunden (Abendtermine) reduzieren (à Positive Aspekte der Digitalisierung nutzen)
Vorteile des Homeoffice auch für Sorgearbeit nutzen (Wäsche wäscht nebenbei, Kinder können schnell abgeholt werden etc.)
Zeit mit der Familie einplanen und gestalten (Regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten etc.)
Absprachen unter den Eltern einfordern und beibehalten
(Priorisierung der Erwerbsarbeit vielleicht nicht nur unter finanziellen
Gesichtspunkten)
Freizeittermine (der Kinder) reduzieren
Das Netzwerk möglicher Unterstützer*innen bei der Kinderbetreuung ausbauen
Dies fasst die Aussage eines Studienteilnehmers gut zusammen:
„Na ja, vielleicht reichen drei Abendtermine ja auch und die anderen
zwei Tage setzt du dich mal in den Garten und guckst den Blumen beim
Wachsen zu. Könnte ja so für die eigene Psychohygiene auch mal ganz
hilfreich sein. Also so nochmal zu gucken, was ist eigentlich wirklich
wichtig und was brauche ich eigentlich für mich?“