Wenn ein Paar mit Kindern sich trennt ist dies eine enorme
Herausforderung zur Neuorganisation für alle Familienmitglieder. In der Regel
fehlen den Eltern Erfahrungen wie sie ihre Kinder dabei am besten begleiten
können, meist sind sie akut und lange danach damit beschäftigt, ihre eigene
Situation neu einzurichten.
Auch wenn in den letzten Jahren immer mehr Eltern für ihre
Kinder eine gute Regelung suchen und dabei Rat und Hilfe suchen, erleben immer
noch zu viele Kinder unsichere und schlimmstenfalls hochstreitende
Eltern.
Der Familienkongress des Väteraufbruch für Kinder beschäftigt
sich deshalb nach einer Bestandsaufnahme der Lage von Trennungskindern und
ihren Familien mit Konzepten, wie Familien vor, während und nach einer Trennung
unterstützt und wie sie das für sich und ihre Kinder geeignete Betreuungsmodell
finden können.
Der Familienkongress findet von Freitag, den 24. November, 19:00 Uhr bis Sonntag, 26. November, 15:00 Uhr, im Stephanstift, in 30625 Hannover statt.
Referent:innen
Dr. Stefan Rücker, Leitung Forschungsgruppe PETRA u.a.
Prof. Dr. Nina Weimann-Sandig, Professur für Soziologie und Empirische Sozialforschung, EFS Dresden
RA Sabine Hufschmidt, Mediatorin/Anwältin
n.n.
Themen
Von der Bindungsfürsorge bis Eltern-Kind-Entfremdung – wie Erziehungsverhalten getrennter Eltern auf Kinder wirkt (Dr. Stefan Rücker, Leitung Forschungsgruppe PETRA u.a)
Kinder brauchen beide Eltern (Prof. Dr. Nina Weimann-Sandig, Professur für Soziologie und Empirische Sozialforschung, EFS Dresden)
Chancen der Familienmediation – auch bei hochstrittigen Trennungseltern? (RA Sabine Hufschmidt, Mediatorin/Anwältin)
Mutter, Mutter Kind – Regenbogenfamilien und mögliche Eltern-Kind-Beziehungen mit anschließender Diskussion (Film am Vorabend)
Teilnahmebeitrag
In den Kosten ist auch die Verpflegung Mittag-, Kaffee und
Abendessen enthalten.
80,00 € Mitglieder und Kooperationsvereinbarungen mit anderen Verbänden
60,00 € Studierende
110,00 € sonstige Teilnehmende bei Anmeldung bis zum 31.10.2023
140,00 € ab dem 01.11.2023 (soweit noch Plätze verfügbar)
Nähere Informationen zum Programm werden auf der Kongress-Seite veröffentlicht und fortlaufend aktualisiert. Dort ist ab sofort auch eine Voranmeldung möglich.
Um herauszufinden, wie Kinder mit getrennten Eltern gut
aufwachsen können hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend im Jahr 2015 die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ in Auftrag gegeben.
Zu einer
Veröffentlichung der Studienergebnisse kam es bislang nicht. Auf Nachfrage
teilte die Bundesregierung im Dezember 2020 mit, dass die abschließenden
Arbeiten an der Studie noch immer ausgeführt würden. Nach dem Tod des Studienleiters Herrn Prof. Dr.
Petermann sei die Forschungsdirektorin des Deutschen Jugendinstituts, Frau
Prof. Dr. Walper, zur Auswertung und Finalisierung der Studie hinzugezogen
worden. Auch die mit der Corona-Pandemie verbundenen Einschränkungen hätten zu
weiteren Verzögerungen geführt, sodass eine Veröffentlichung erst im Jahr 2021
möglich sei.
Aus dem
Jahresbericht 2019 der mit der Studie beauftragten Forschungsgruppe Petra geht
hervor, dass entgegen den Erwartungen weiterhin an der Studie „Kindeswohl und
Umgangsrecht“ gearbeitet werden musste, weil es „Modifikationswünsche“ des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend umzusetzen galt.
Zudem wurde bekannt, dass das Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend im Verlauf der Studie Vorgaben änderte, obwohl das
Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz in einer Stellungnahme
eine Verfahrensänderung als nicht erforderlich erachtete. Damit ein Kind an der
Studie teilnehmen durfte, mussten fortan beide Eltern der Befragung des Kindes
zustimmen. Zu Beginn der Studie reichte noch die Zustimmung eines Elternteils
aus.
Auch wurde die Studie anfangs von einem wissenschaftlichen
Beirat begleitet, der insgesamt viermal getagt haben soll. Die letzte
Beiratssitzung fand bereits im April 2017 und somit vor Abschluss der Studie statt.
Mitgliedern des Beirates zufolge wurden bereits am 30. April 2019 dem
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine „weit
entwickelte Fassung der Studie“ übergeben. Die Frage, was abgegeben wurde,
beschäftigte auch das Verwaltungsgericht Berlin. Laut den Rechtsanwälten der
Auftraggeberin entsprechen die vorgelegten Unterlagen noch keinen
wissenschaftlichen und fachlichen Standards.
Zuletzt wurde bekannt, dass der Bundesbeauftragte für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit die weitere Auswertung der Studie
aufgrund von erheblichen datenschutzrechtlichen Bedenken untersagt hat. In dem
entsprechenden Bescheid vom Februar 2021 werden die Einwilligungen der
Studienteilnehmer bemängelt. Bereits im Frühjahr 2017 soll der
Bundesbeauftragte gegenüber dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend erstmals entsprechende Bedenken ge-äußert haben. Laut
Bundesministerium stünden die Behörden seither im Austausch, um offene Fragen
und Beanstandungen zur Studie zu klären. Das Bundesministerium prüft derzeit
die Kritik und ob die Untersagungsverfügung einer verwaltungsgerichtlichen
Überprüfung unterzogen werden soll.
Das ist ein kurzer Abriss der ‚offiziellen Lesart‘ des
Schicksals der „Petra Studie“, soweit es aus Anfragen der Parteien im Bundestag
nachzuvollziehen ist. Auf der Internetseite www.fragdenstaat.de
ist dazu zu lesen: „Die Ergebnisse liegen schon lange vor und wurden bisher
nicht veröffentlicht. Die Studie wurde mit Steuergeldern finanziert und die
Öffentlichkeit hat ein Recht auf die Ergebnisse. Der Hinweis des Ministeriums
auf „laufende Gerichtsverfahren“ erschien damals schon vorgeschoben und
lässt sich nach weiteren Monaten des Abwartens nicht mehr aufrecht erhalten.“
In einem Spiegel Beitrag vom 11. Februar 2022 wird über die
Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts vom August 2021 berichtet: „Familienministerium
muss Studie zu Trennungskindern herausgeben“
„Die Studie entspricht absolut den wissenschaftlichen
Gütekriterien, das bestätigen uns auch unabhängige Fachleute. Wir haben die
Vorgaben des Ministeriums, wie besprochen, umgesetzt“, wird Stefan Rücker, Leiter
der Forschungsgruppe Petra dort zitiert.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin legte das
Familienministerium Berufung ein: Es ist nicht der Auffassung, dass es einen
Anspruch auf Zugang zu Entwurfsfassungen gibt. Eine Sprecherin des Ministeriums
teilte jetzt mit, die Studie solle fertiggestellt werden. Die neue
Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) messe ihr eine „hohe Bedeutung“ zu.
Da inzwischen weitere zwei Jahre vergangen sind ist davon
auszugehen, dass den politisch Verantwortlichen im Familienministerium, und
seit der Vergabe im Jahr 2015 sind es sechs Ministerinnen: Schwesig, Barley, Giffey,
Lambrecht, Spiegel und Paus, die Ergebnisse der Studie nicht passen und die wichtigste
Zielsetzungen der „PETRA-Studie“, eine empirische Grundlage dafür zu schaffen,
Umgangsregelungen nach einer Trennung der Eltern stärker am Wohl und an den
Bedürfnissen von Kindern anzupassen und Belastungen zu vermindern, nicht zu den
prioritären Zielen gehört. Das erklärt auch, warum wichtige Reformvorhaben im
Familienrecht seit Jahren nicht in die Wege geleitet werden.
Zum Schluss eine kurze Anekdote: der Autor dieses Beitrags war in seiner Eigenschaft als Mitglied im Vorstand des Bundesforum Männer im Juni 2014 bei einem Gespräch im Familienausschuss des Bundestages. Der damalige Vorsitzende Paul Lehrieder nahm bei seiner Begrüßung das gerade erschienene Buch von Frau Sünderhauf: „Wechselmodell: Psychologie-Recht-Praxis; Abwechselnde Kinderbetreuung durch Eltern nach Trennung und Scheidung“ in die Hand und erklärte sinngemäß: Mit dem Thema werden wir uns jetzt auch befassen, aber bevor wir etwas entscheiden, wird es dazu erst einmal eine Studie geben.
Bericht vom Werkstattgespräch mit Thomas Wendland zum Thema
‚Väterarbeit im Strafvollzug‘
Schon im Kontext von Familienbildung sind Angebote für Väter
noch nicht ‚normal‘ in dem Sinne, dass Väter in dem Maße angesprochen und
erreicht werden, wie es ihrer Bedeutung für die Entwicklung von Kindern
entspricht. Diejenigen, die sich in der LAG-Väterarbeit zusammengeschlossen
haben tun sich mit dem Begriff ebenfalls schwer, aber einen besseren gibt es
bislang nicht.
Umso spannender war der Impuls von Thomas Wendland, der seit
17 Jahren mit Vätern in dem Kontext von Inhaftierung arbeitet. Er selbst
bezeichnet seine Tätigkeit als ‚Crossover‘ Tätigkeit, das heißt Jugendhilfe und
Straffälligenhilfe sind miteinander verknüpft „ein Unterfangen, das durchaus
manche Hürden mit sich brachte“. Das Angebot ‚Freiräume‘ arbeitet
NRW-weiteinzigartig in der Brückenfunktion von freier Straffälligenhilfe zur
Kinder-Jugend- und Familienhilfe und ist Teil des Arbeitsbereichs Straffälligenhilfe.
Hintergrund der Arbeit ist, das vielfach übersehen wird,
dass Kinder und Familien der Straffälligen indirekt auch Opfer sind bzw.
werden. Langfristige Folgen des Fehlens eines Elternteils können später
auftretende psychische Erkrankungen und Störungen bei der Entwicklung eines
eigenen Elternkonzepts sein.
In einem Bericht an den Deutschen Bundestag durch das
Institut für Menschenrechte wurde 2017 gefordert, gezielte Angebote für Kinder
von Inhaftierten zu machen, sich mit anderen betroffenen Kindern auszutauschen
und mit dem inhaftierten Elternteil in einen Beziehungskontakt treten zu
können. Diesen Anspruch löst ‚Freiräume‘ ein und gibt dem inhaftierten
Elternteil die Möglichkeit, ihre Verantwortung praktisch auszuüben und
erfolgreich wahrzunehmen.
Die Angebote reichen von Beginn der Strafverfolgung über die
Inhaftierung bis hin zur Reintegration und schließen das gesamte Familiensystem
ein. Im geschlossen Strafvollzug in Bielefeld Brackwede gibt es derzeit
folgende Angebote für Väter.
Bild1
Das Projekt ‚Kinderbesuchsweg‘ ist gemeinsam mit den
Bediensteten der JVA durchgeführt worden, die den Weg der Kinder hin zum
Besuchsraum kindgerecht gestaltet haben. Die Paarberatung kann bei Bedarf auch
ohne Anwesenheit eines Beamten in Form eines „normalen Beratungssettings unter
8 Augen durchgeführt werden“. Auch das ist ein Ergebnis der jahrelangen
Kooperation und des Standings des Trägers.
Für die Teilnahme an der Vater-Kind-Gruppe gibt es eine
Reihe von formalen Voraussetzungen, kritisch kann es aber insbesondere dann
werden, wenn die Mutter keinen Kontakt zum Vater mehr haben will und die Frage
im Raum steht, ob sie es den Kindern ermöglichen möchte, den Kontakt zu ihrem
Vater aufrecht zu erhalten. Auch hier bietet ‚Freiräume‘ Beratung an.
Die Ergebnisse einer internationalen Studie zu dem Thema aus
dem Jahr 2012, bei der die Auswirkungen der Inhaftierung eines Elternteils auf
die Kinder untersucht wurden, spricht die eindeutige Empfehlung aus: um diese
negativen Folgen zu vermeiden oder zu lindern ist ein direkter, physischer und
interaktiver Eltern-Kind-Kontakt erforderlich.
Bild2
Die Themen der 14 tägigen Vätergruppe im geschlossenen
Vollzug, an der 6 bis 10 Väter teilnehmen, leiten sich aus den Haftbedingungen
und den eingeschränkten Möglichkeiten des Vaterseins ab:
Vatersein in einer totalen Institution
Spannungsverhältnis Vaterschaft – Täterschaft
Wie sag ich’s meinem Kinde?
Distanz erschwert kindgerechten Umgang
Emotionales Dabeisein – Entwicklung des Kindes
Rollenbild als Vater verändert sich
Die Effekte der Angebote ist durchweg positiv, unter anderem
steht bei der Entlassungsvorbereitung ein größeres Helfernetzwerk zur Verfügung
und der Häftling hat Perspektiven für die Zeit nach der Haft. Illustriert wurde
der Impuls durch Video- und Audiosequenzen mit Stimmen von Vätern und Kindern,
die berichten, was sie während der Besuche erleben und was die Väterarbeit im
Strafvollzug ihnen bringt.
In dem folgenden Gespräch ging es dann unter anderem um die
Frage, welche Möglichkeiten inhaftierte Väter haben, einen Kontakt zu und einen
Umgang mit ihren Kindern durchzusetzen, wenn die Mütter diesen nicht wollen:
den sicherlich schwierigen Weg über die Jugendämter. Durch welche Angebote
Angehörige unterstützt werden können, während die Kinder in der Vater-Kind -Gruppe
teilnehmen. Viele haben eine längere Anreise und die JVA’s liegen außerhalb
dicht besiedelter Räume.
Zu den Erfolgskriterien der Arbeit äußerte Thomas Wendland
unter anderem, einen langen Atem, die Ansprache und Einbeziehung der
Bediensteten, aus der Kinder gehören nicht in eine JVA Haltung hat sich seiner
Meinung nach eine echte Willkommenskultur entwickelt, sowie die Tatsache dass
es eine Kooperation zwischen einer JVA und einem externen Träger ist, der
Kompetenzen zu (fast) allen nachgefragten Themen zur Verfügung hat.
Take away für die Väterarbeit
Die systemische Herangehensweise
Den Vätern Verantwortung geben
In einem schwierigen Umfeld für die Anliegen von
Vätern einstehen und werben
Argumente aus der Wissenschaft zu Hilfe nehmen
Literaturhinweise
Jens Borchert, Für eine Familienorientierung im
Strafvollzug, Grundlagen, Praxisansätze, Konzeptentwicklung; Freiburg 2018
Thomas Engelhardt, Monika Osberghaus; Im
Gefängnis, Ein Kinderbuch über das Leben hinter Gittern; Leipzig 2018
Fast eineinhalb Jahre hat eine Arbeitsgruppe von acht
Familienrechtler_innen aus Wissenschaft, Justiz und Anwaltschaft im Auftrag des
Justizministeriums darüber beraten, wie das zuletzt 1998 umfassend geänderte
Sorge- und Umgangsrecht modernen Betreuungsmodellen und geänderten
Lebenswirklichkeiten vieler Familie angepasst werden kann.
Das Ergebnis waren 50 Thesen
und Empfehlungen, die eine grundlegende Reform des geltenden
Kindschaftsrechts bedeuten würden. Manche von ihnen bergen politisches Konfliktpotential.
Eines der Ergebnisse.
Die elterliche Sorge sollte den rechtlichen Eltern eines
Kindes von Anfang an gemeinsam zustehen. Auch unverheiratete Väter, deren
Vaterschaft rechtlich anerkannt ist, sollen künftig mit Geburt des Kindes wie
die Mutter automatisch sorgeberechtigt sein. Bislang bedurfte es hierfür einer
gemeinsamen Sorgeerklärung beider Eltern. Weigerte sich die Mutter, mit dem
Vater das Sorgerecht zu teilen, musste der Vater dann den Weg übers
Familiengericht gehen.
Jetzt wird deutlich, dass es diese Regelung nicht geben
wird. Warum Bundesjustizministerin Lambrecht in einem Interview trotzdem davon
sprach, mit ihrem Vorschlag werde das gemeinsame Sorgerecht von nicht
verheirateten Eltern „erleichtert“, erschließt sich Rechtsanwältin Eva
Becker, Mitglied der Arbeitsgruppe und Vorsitzende des Geschäftsführenden
Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein,
nicht.
„Auch weiterhin wird es Hürden für unverheiratete Väter
geben, das gemeinsame Sorgerecht zu erlangen. Es ist bedauerlich, dass die Ministerin
nicht der Auffassung der Arbeitsgruppe gefolgt ist. Kinder haben von Geburt an
den Anspruch auf zwei sorgeberechtigte Eltern“. Die Anwältin hatte den
Automatismus beim Sorgerecht mit Etablierung der rechtlichen Elternschaft
seinerzeit als „Leitbild einer geplanten Reform“ bezeichnet. Der Vorschlag
war in der Arbeitsgruppe im BMJV ohne Gegenstimme angenommen worden.
Nach meiner Auffassung ist nicht der ‚Automatismus‘ das Leitbild,
sondern die Rechte des Kindes auf die Sorge durch Vater und Mutter und die
Bedeutung von Vätern für die Entwicklung ihrer Kinder. Die Missachtung des einstimmigen
Votums der Arbeitsgruppe ist ein Skandal ebenso wie die Behauptung der
Ministerin, das Vorhaben orientiere sich am ‚Kindeswohl‘.
Aufgrund der Coronakrise wird das öffentliche Leben stark
eingeschränkt und es gilt die dringende Empfehlung, soziale Kontakte möglichst
zu vermeiden. Für Kinder fühlt sich die Zeit bereits jetzt wie eine Ewigkeit
an. Daher sollte klar sein: Die Rechtsordnung verbietet den Umgang des Kindes
mit beiden Elternteilen nicht, sondern sorgt für eine kindeswohlgerechte
Regelung des Umgangs.
1. Was bedeutet die Coronakrise für Umgang und Sorge mit
Kindern, wenn die Eltern getrennt leben?
Zunächst einmal: Die Coronakrise ändert nichts daran, dass
minderjährige Kinder auf ihre Eltern angewiesen sind, um eine Persönlichkeit zu
entwickeln. Der regelmäßige Umgang eines Kindes mit jedem Elternteil gehört
deshalb in der Regel zum Wohl des Kindes. Das Kind hat daher ein Recht auf Umgang
mit jedem Elternteil, das der andere Elternteil nicht ablehnen kann. Der Umgang
kann in Ausnahmefällen für das Kind schädlich sein. Das beurteilt im Einzelfall
das Familiengericht. Das Familiengericht kann den Umgang regeln, einschränken
oder ausschließen, wenn dafür die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
2. Was bedeutet die Empfehlung, soziale Kontakte zu
vermeiden, für den Umgang?
Die Empfehlung, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden,
bezieht sich nicht auf die Kernfamilie, auch wenn die Eltern nach einer
Trennung in zwei getrennten Haushalten leben. Kinder sollen selbstverständlich
auch weiterhin sozialen Kontakt zum anderen Elternteil behalten. Hinzu kommt:
Gibt es eine Umgangsregelung oder eine gerichtliche Entscheidung zum Umgang,
gilt sie trotz der Coronakrise weiter. Bei der Frage, wie man die persönliche
Begegnung zwischen Eltern und Kind in Zeiten der Coronakrise am besten
organisiert, dürfte eine Rolle spielen, wie das Kind zum anderen Elternteil
gelangt und ob es auf dem Weg zu ihm mit weiteren Personen in Kontakt kommen
würde bzw. wie sich das vermeiden ließe.
3. Wie kann eine Umgangsregelung oder eine gerichtliche
Entscheidung an die aktuelle Situation angepasst werden?
Ergibt sich Bedarf für eine Änderung der Umgangsregelung,
sind alle Beteiligten aufgerufen, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Der
Weg zum Familiengericht ist weiterhin möglich, wenn eine solche Lösung
scheitert. Das gilt auch für die Frage, ob das Kind von einem Elternteil zum
anderen Elternteil wechseln soll.
4. Was gilt, wenn eine Umgangsregelung krisenbedingt
nicht eingehalten wird?
Befindet sich das Kind bei einem Elternteil und tritt
vorübergehend ein Umstand ein, der dem Wechsel des Kindes zum anderen
Elternteil entgegensteht, so muss darin im Einzelfall nicht zwangsläufig eine
schuldhafte Verletzung der Umgangsregelung zu sehen sein. Ein Ordnungsgeld
wegen Umgangsverweigerung kann dann nicht verhängt werden. Der Elternteil, der
von der Umgangsregelung abweicht, muss aber in einem Ordnungsgeldverfahren darlegen,
dass er die Zuwiderhandlung gegen die Vereinbarung nicht zu vertreten hat.
5. Welche Umstände können eine Änderung der
Umgangsregelung notwendig machen?
Nicht jeder Umstand steht einem Wechsel des Kindes zum
anderen Elternteil entgegen.
Erkrankt das Kind beispielsweise an einer nicht hoch infektiösen Krankheit,
kommt es für den Wechsel etwa auf die Transportfähigkeit des Kindes an.
Grundsätzlich sind beide Eltern für die Betreuung des erkrankten Kindes
zuständig, so dass der Wechsel des Kindes zum anderen
Elternteilkindeswohlgerecht sein kann.
Durch die Coronakrise sind aber einige besondere Umstände denkbar:
Ein nur allgemeines Risiko – wie die Möglichkeit, auf dem Weg in einen
Verkehrsunfall zu geraten oder sich unterwegs trotz Vorsichtsmaßnahmen zu
infizieren – dürfte nicht zur Rechtfertigung einer Abweichung von der
Umgangsregelung ausreichen. Zudem dürfte eine landesweite Ausgangs- oder
Kontaktbeschränkung, die Kontakt zur Wahrnehmung des Sorge- oder Umgangsrechts
weiterhin erlaubt, kein Hindernis darstellen.
Anders könnte dies unter anderem zu beurteilen sein, wenn das Kind im anderen
Elternhaus Kontakt zu einer positiv getesteten Person zu erwarten hat oder wenn
das Kind, ein Elternteil oder eine andere dem Haushalt eines Elternteils
angehörige Person zu einer Risikogruppe gehört.
In jedem Fall sind diese Umstände im Hinblick auf das Wohl des konkreten Kindes
im Rahmen der elterlichen Entscheidung oder im Streitfall einer gerichtlichen
Entscheidung (über die Verweigerung des Umgangs bzw. Verweigerung der
rechtzeitigen Rückkehr des Kindes) zu bewerten. Dabei ist auch das Verhalten
der beiden Elternteile – insbesondere zur Risikobegrenzung – einzubeziehen.
6. Was ist, wenn keine persönliche Begegnung mit dem
anderen Elternteil, den Großeltern oder anderen Bezugspersonen möglich ist?
Das Umgangsrecht zielt vor allem auf die Ermöglichung einer
persönlichen Begegnung. Ist eine persönliche Begegnung eines Elternteils mit
dem Kind aber nicht möglich, kann es sich ggf. anbieten, verstärkt die
Möglichkeit des Umgangs „auf Distanz“ zu nutzen. Telefon und Videoanrufe können
dazu beitragen, dass der Kontakt zum anderen Elternteil in den kommenden Wochen
aufrecht erhalten bleibt. Dasselbe gilt, wenn die Entfernung zwischen den
elterlichen Haushalten womöglich bedingt durch die Auswirkungen des Virus
schwer zu überwinden ist. Selbstverständlich sind diese Kommunikationsformen
auch eine gute Möglichkeit, damit das Kind mit seinen Großeltern und anderen
Bezugspersonen Kontakt halten kann.
Die Scheidung von Julia und Tom ist längst Geschichte. Er lebt mit neuer Partnerin und deren Kind zusammen und hat doch weiterhin liebevollen Kontakt zu seiner eigenen Tochter. Doch seine Exfrau hat die Trennung in Wahrheit nicht verwunden. Erst durch kleine Nadelstiche, dann von anwaltlicher Seite zu immer drastischeren Schritten ermuntert, zerstört sie die eigentlich liebevolle Beziehung des Vaters zu seiner Tochter. So weit, bis diese sich inständig weigert zu ihrem Vater zu gehen. Das Gericht sieht das Kindeswohl am Ende ausschließlich auf Seiten der Mutter. Hilflos muss der Vater diesem Entzug des eigenen Kindes zusehen. Ein bewegender Film, der zigtausende ähnlicher Fälle zur Grundlage hat und darum ein heimliches aber brisantes Thema unserer Gegenwart aufgreift.
Wer nicht arbeitet, hat auch kein Anrecht auf Erholung: Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Für die Berechnung der Urlaubstage müssen Arbeitgeber nur die Zeit zugrunde legen, die ein Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat. Elternzeit zählt nicht zwangsläufig dazu. Das hat das Bundesarbeitsgericht am Dienstag in Erfurt entschieden.
Die Klägerin befand sich vom 1. Januar 2013 bis zum 15. Dezember 2015 durchgehend in Elternzeit. Schließlich kündigte sie 2016 und beantragte, ihr für die dreimonatige Kündigungsfrist Urlaub zu gewähren. Dafür machte sie unter anderem die Urlaubsansprüche aus der Elternzeit geltend.
Der Arbeitgeber wies ihre Forderung ab – zu recht, wie das Bundesarbeitsgericht nun entschied. Auch die Vorinstanzen hatten den Urlaubsanspruch aus der Elternzeit bereits negiert. Der gesetzliche Urlaubsanspruch bestehe zwar grundsätzlich auch für den Zeitraum der Elternzeit, urteilten die Erfurter Richter. Er könne jedoch vom Arbeitgeber gekürzt werden, hieß es in einer Mitteilung.
Die Richter verwiesen zur Begründung auf das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Demnach kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Dafür müsse er nur eine entsprechende Erklärung abgeben, was der Arbeitgeber im vorliegenden Fall ausreichend getan habe.
Mein Kommentar zu dem Vorschlag von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), das Unterhaltsrecht zu reformieren:
Die Möglichkeit von Frauen ein eigenes Konto zu führen und ohne Erlaubnis des Ehemanns eine berufliche Tätigkeit auszuüben, … – in den vergangenen Jahrzehnten hat es zahlreiche wichtige Anpassungen des Rechts an gesellschaftliche Wirklichkeiten gegeben. Die nun von der Familienministerin angekündigte Anpassung der im BGB formulierten Betreuungs- und Barunterhaltsverpflichtungen „Einer betreut – einer zahlt“ ist längst überfällig. Viele Väter übernehmen – auch nach einer Trennung – Betreuungsaufgaben und -leistungen, die bei der Festlegung des Barunterhalts bislang unberücksichtigt bleiben. Eine Änderung haben sowohl der Familiengerichtstag als auch der Deutsche Juristentag angemahnt.
Ich begrüße es, dass die Ministerin dieses heiße Thema nun aufgreift. Es geht meiner Meinung nicht darum, jemanden besser zu stellen, sondern um einen fairen Ausgleich der erbrachten Leistungen. Auch ist dies ist kein Sparmodell: zwei Kinderzimmer nach einer Trennung kosten mehr Geld als in einer gemeinsamen Wohnung. Neue Lebenswirklichkeiten brauchen passende Rahmenbedingungen wie zum Beispiel qualitativ hochwertige und wohnortnahe Kinderbetreuungsangebote und Anreize im Steuerrecht, die eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit unterstützen – von Anfang an.
Das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen veranstaltet in Kooperation mit der Landesarbeitsgemeinschaft Väterarbeit am 16. Januar eine Fachtagung zum Doppelresidenzmodell: ‚Eltern bleiben trotz Trennung‘
Geteilte Elternschaft im Wechselmodell nach einer Trennung oder Scheidung, Kinderrechte und die Aufgabe der Staaten bei der Sicherstellung des Kindeswohls sind die zentralen Themen der 4. Internationalen Konferenz über geteilte Kinderbetreuung, die am 22. und 23. November 2018 unter der Schirmherrschaft des Generalsekretärs des Europarates stattfindet.
Aufgrund der historisch niedrigen Heiratsraten, der verhältnismäßig hohen Zahl gescheiterter Ehen und Beziehungen sowie des Wandels des Wesens und der Definition der Familie ist die Debatte über geteilte Elternschaft besonders aktuell.
Die Konferenz wird hauptsächlich vom „Internationalen Rat für die Paritätische Doppelresidenz“ (ICSP) organisiert. Dem ICSP zufolge sind allein in Frankreich rund 200 000 Kinder pro Jahr von der Scheidung ihrer Eltern betroffen, und 73 % der Kinder leben nach der Scheidung bei der Mutter und besuchen den Vater jedes zweite Wochenende. Gleichzeitig zeigen aktuelle Studien, dass bei Kindern, die nach einer Trennung abwechselnd und zu annähernd gleichen Zeitanteilen bei beiden Elternteilen leben, ein besseres Wohlbefinden und eine bessere psychische Gesundheit zu beobachten sind als bei Kindern, welche die meiste Zeit oder ausschließlich bei einem Elternteil leben.
Die Stellvertretende Generalsekretärin des Europarates, Gabriella Battani-Dragoni, erklärte in ihrer Eröffnungsrede: „Es herrscht eine offenkundige und zunehmende Übereinstimmung darüber, dass im Rahmen der Trennungs- und Scheidungsvereinbarungen die geteilte Elternschaft nach dem Wechselmodell möglichst gefördert werden sollte.“