im Oktober hat die LAG-Väterarbeit in NRW eine Kurzumfrage mit 5 Fragen zur Bedeutung von Vätern in der Geburtshilfe gestartet. Die erste Frage lautete:
Welche Bedeutung haben Väter Ihrer Meinung nach bei der Geburt?
Wichtig bzw. sehr wichtig antworteten 93%. Spannend ist bei dieser Frage der Blick auf die Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Von den 98 Antwortenden haben sich 65 dem männlichen und 30 dem weiblichen Geschlecht zugeordnet. Drei haben keine Angaben gemacht.
Während die Einschätzung, sie haben gar keine oder eine geringe
Bedeutung gleichermaßen selten geäußert wird sind prozentual mehr Frauen
der Überzeugung, dass werdende Väter bei der Geburt unabkömmlich sind
als Männer. Eine große Mehrheit von 63% bzw. 73% schätzen ihre Rolle bei
der Geburt aber als wichtig ein.
Frage 2: Kennen Sie Angebote für Väter sich auf die Geburt bzw. aufs Vaterwerden vorzubereiten?
Im Durchschnitt kennen 58% der Antwortenden Angebote zur
Geburtsvorbereitung für Väter. Während aber lediglich 52% der Väter
entsprechende Angebote bekannt sind, äußern über 73% der Frauen diese
Angebote zu kennen.
Bei der Frage, welche Angebote bekannt sind, nennen 6 der 34 Männer
väterspezifische Angebote, bei den Frauen äußern drei, diese Angebote zu
nennen. Alle anderen Nennungen beziehen sich auf die Teilnahme an den
Kursen der Hebammen bzw. Paarkurse. …
Schlussfolgerungen für die Arbeit der LAG-Väterarbeit
Väter ‚spielen‘ bei der Geburt eine bedeutsame Rolle, vor, während
und unmittelbar nach der Geburt werden Weichen für väterliches
Engagement und eine partnerschaftliche Arbeitsteilung gestellt.
In diesem Kontext sind passende Angebote für Väter sind ein
unbedingtes Muss und die gemeinsame Vorbereitung im Rahmen eines
Hebammenkurses kann diese nicht ersetzen.
Im Rahmen dieser Angebote, die es bislang nur vereinzelt, vor allem
in städtischen Ballungszentren gibt, brauchen Väter Möglichkeiten, sich
mit anderen (werdenden) Vätern auszutauschen, alleine und gemeinsam mit
ihren Kindern, sich als bedeutsam für die Entwicklung ihrer Kinder zu
erleben und diese Bedeutung auch gesellschaftlich zugeschrieben zu
bekommen.
Für die Schaffung der konkreten Angebote braucht es politischen Gestaltungswillen und die entsprechenden Mittel. Die allgemeine Anerkennung der Bedeutung von Vätern für die Entwicklung von Kindern ist vor allem eine Frage der Haltung. Sie einzunehmen erleichtert die Gestaltung der passenden Rahmenbedingungen, di nicht nur den Vätern, sondern auch den Kindern und den Partnerschaften zugutekommen.
Bericht zum Werkstattgespräch der LAG-Väterarbeit am 26. Oktober
Das in einem Strategiepapier des ‚Runden Tischs Eltern
werden‘ zur guten Geburt gefordert wird, Mutter und Kind als rechtliche Subjekte
in der Geburtshilfe zu betrachten, zeigt auf, dass dort einiges schiefläuft.
In seinem Impuls ‚Väter in der Geburtshilfe – systemische Perspektiven‘
zeigte Hans-Georg Nelles einige der ‚Krisensymptome‘ auf: Schließung von ‚unrentablen‘
Kreißsälen, fehlende Hebammen und werdende Väter, die während der Pandemie die
Geburt auf den Gängen der Krankenhäuser oder im kalten Auto begleiten mussten.
Dies sind in seinen Augen aber nur Symptome der eigentlichen Krise, die seiner
Auffassung darin besteht, dass Väter im Geburtshilfesystem nicht als Subjekte betrachtet
und vielfach noch nicht einmal in den Blick genommen werden. So erleben
92%
der Väter nehmen an Vorsorgeuntersuchungen teil, aber 61% berichten, dass
ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden ist
Väter
haben keinen formalen Status bei der Geburtsvorbereitung, selbst ihr Name
wird nicht erfasst. Lediglich 16 % der Väter werden während der Geburt
nach ihrem Befinden gefragt.
Wenn
‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden und deutlich gemacht
wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung von Vätern bei der
Nachsorge von ca. 20% auf bis zu 70%
Ergebnisse der Väterforschung zeigen auch, dass Väter, die
bei der Geburt dabei sind, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, ihre Kinder
häufiger wickeln, ihre Kinder öfter am Körper tragen, häufiger mit ihrem Kind
an der frischen Luft unterwegs sind sowie sicherer im Umgang mit dem Kind sind
und mehr Spaß daran haben. Dieses Engagement profitiert auch die Partnerschaft.
In dem Beitrag ging der Referent auch auf gute Beispiele ein,
Studien des Fatherhoodinstitute aus Großbritannien und die Initiative Erzählcafé,
die einen Kostenlosen Flyer für Väter entwickelt hat.
Um Veränderungen im System Geburtshilfe zu bewirken sind
jedoch weitere Initiativen und politische Maßnahmen erforderlich. Eine
bundesweite Befragung von Hebammen zu ihren Erfahrungen mit Vätern bei der
Geburtsvorbereitung und unter der Geburt könnten dem Thema Aufmerksamkeit
verleihen. Auch bei der momentan laufenden Umstellung der Hebammenausbildung
könnte darauf hingewirkt werden, das gesamte System werdende Familie in den
Blick zu nehmen und die Rolle der Hebammen bei der (Te-) Konstruktion
traditioneller Rollenbilder zu reflektieren. Im politischen Raum geht es vor
diesem Hintergrund vor allem darum:
Die Bedeutung von Hebammen für das Paar im
Übergang in die Elternschaft mit den psychosozialen Aspekten bei der
akademischen Ausbildung angemessen zu berücksichtigen
Fortbildungsangebote, Informationskampagnen durchzuführen
sowie die Zusammenarbeit mit Hebammenverbänden zu intensivieren, um das Thema
zu etablieren und auch den Nutzen zu kommunizieren, der der Hebammenarbeit
durch die Einbeziehung der Väter zugutekommt.
Neben der Sensibilisierung im Rahmen von Aus-
und Fortbildung muss diese Aufgabe der Hebammen vom Gesetzgeber und den
Krankenkassen ausdrücklich zugeschrieben und honoriert werden.
Damit dies Wirklichkeit werden kann kommt es darauf an, (werdende)
Väter so zu empowern, dass sie ihre Bedürfnisse artikulieren und entsprechende
Angebote einfordern.
Die Teilnehmenden des Werkstattgesprächs, die allesamt
beruflich mit der Beratung und Begleitung von Vätern und Müttern rund um die
Geburt befasst sind, tauschten sich im anschließenden Gespräch über ihre
Erfahrungen mit der ‚Missachtung‘ von Vätern aus. Ein trauriges Resümee: die
traumatisierenden Erfahrungen von Vätern unter der Geburt haben signifikant
zugenommen, während es so gut wie keine Angebote für Väter gibt. Vielfach ist die
Diagnose ‚postnatale Depression‘ bei Vätern selbst beim Fachpersonal nicht
bekannt.
Ein weiterer Schwerpunkt des Gesprächs war die Frage,
inwieweit es sinnvoll ist im Rahmen der Geburtsvorbereitung Risiken zu
thematisieren. Ja, das ist wichtig, es geht dabei nicht darum, die (Vor-)
Freude auf die Geburt zu trüben, sondern das Paar in die Lage zu versetzen, zum
Beispiel im Fall einer ungeplanten Sectio handlungsfähig zu sein und im
Gespräch zu bleiben.
Stefanie Schmid-Altringer, die Initiatorin der Erzählcafés fasste
die Aufgaben der Väter, nicht nur in solchen Situationen, folgendermaßen
zusammen:
Sie unterstützen die Mutter bei der Geburt
Sie haben eine Bodyguard Funktion im Hinblick
auf Gewalt und Respektlosigkeit
Sie achten auf sich selbst (Selbstfürsorge)
Sie sind als Patient auch rechtliches Subjekt im
System
Ein Ergebnis des Gesprächs ist, eine Umfrage unter Vätern
und Expert*innen durchzuführen und zu erfragen, was Väter im Kontext dieses
existenziellen Lebensereignisses brauchen.
Vater werden und sein verändert alles. Diese an sich
triviale Aussage verweist auf die Großartigkeit des Ereignisses einer Geburt
und die Komplexität der Wirkungen, die sie auslöst. Sie zeigt aber auch auf die
Fülle der Möglichkeiten auf, die Hebammen und andere haben, werdende Väter und
Mütter auf diesem Weg zu begleiten und sie auf das dieses Ereignis und die
folgenden Jahrzehnte vorzubereiten. Mehr als 90 Prozent der werdenden Väter
sind bei der Geburt ihres Kindes dabei und eine gute Vorbereitung wirkt sich
nicht nur auf den Geburtsverlauf positiv aus.
Wenn Männer Väter werden, wollen sie nicht nur beruflich
weiterhin erfolgreich, sondern gleichermaßen auch gute Väter sein. Das bedeutet
in erster Linie, Zeit haben, für die Kinder da zu sein, präsent zu sein, ihre
Entwicklung zu begleiten und zu fördern, ihnen die besten Möglichkeiten für
einen guten Schulabschluss zu verschaffen sowie möglichst viele Risiken des
Alltags von ihnen fernzuhalten. Also ein durch und durch fürsorglicher Vater zu
sein.
Im Hinblick auf die Partnerschaft und die Partnerin steht
der Anspruch, sich anfallende Aufgaben partnerschaftlich aufzuteilen und nicht
in traditionelle Rollenmuster zurückzufallen, im Raum. Eltern werden, Partner
bleiben. Die große Herausforderung bei der Umsetzung dieser Ansprüche ist, dass
Väter (und Mütter) kaum auf erprobte Muster und Rollenmodelle zurückgreifen
können und sich einen eigenen Weg suchen müssen. Es ist zwar inzwischen viel zu
diesem Thema geschrieben worden, aber verwirklichen müssen Mann und Frau ihren
Traum von einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung, einer geteilten
Verantwortung für die Kinder und genügend Gelegenheiten für die Pflege der
Paarbeziehung schon selber.
Erfahrungen und Studienergebnisse (BMFSFJ, 2011) zeigen,
dass die gewählten Lebensmodelle vielfach nicht Ergebnis zielgerichteter
Aushandlungsprozesse sind, sondern Paare vor dem Hintergrund vermeintlich
rationaler Gründe nach der Geburt dort ‚hineingeschliddert‘ sind und Väter sich
mehr oder weniger freiwillig auf die traditionelle Rolle des Ernährers und
Assistenten in der Familie einlassen.
Was Väter brauchen, sind passende Erwartungshaltungen,
Rahmenbedingungen und Wertschätzungsstrukturen. Es kommt vor allem darauf an,
dass es völlig normal sein wird, beruflichen Erfolg und fürsorgliches Verhalten
in Familie und anderswo nicht mehr als Gegensätze zu denken, sondern als
gegenseitige Ergänzung und Bereicherung.
In dem Zeitraum zwischen der Entscheidung Vater und Mutter
werden zu wollen und der Geburt, der in den meisten Fällen länger als die 280
Tage der Schwangerschaft umfasst, werden nicht nur Pläne geschmiedet und das
‚Nest‘ hergerichtet, sondern die Weichen dafür gestellt, ob die Vorstellungen
sich Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich aufzuteilen gelingen können oder
nicht.
Auf die Vorbereitung kommt es an
Auf der Grundlage internationaler Forschungsergebnisse, die
die Zusammenhänge zwischen dem Verhalten, den Erfahrungen, Einstellungen und
Merkmalen von werdenden und neuen Vätern und der Gesundheit und Wohlbefinden
von Mutter und Kind aufzeigen, hat die Weltgesundheits-organisation (WHO) eine
der zehn Empfehlungen zu Maßnahmen der Gesundheitsförderung von Müttern und
Neugeborenen zur Einbeziehung von Vätern formuliert.
Die WHO empfiehlt, die Beteiligung von Männern während der Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt zu fördern, um die Selbstsorge von Frauen und die häuslichen Pflegepraktiken für Frauen und Neugeborene zu verbessern, den Einsatz qualifizierter Vorsorge für Frauen und Neugeborene während der Schwangerschaft, der Entbindung sowie in der postnatalen Periode zu erleichtern, und die Einrichtung für Geburtshilfe rechtzeitig zu nutzen falls es Komplikationen bei den Neugeborenen gibt.
Neben dieser auf die
Gesundheit von Mutter und Kind bezogenen Perspektive, die für sich genommen
schon Grund genug ist, Väter während der Schwangerschaft, bei der
Geburtsvorbereitung, der Geburt und der Zeit danach aktiv einzubeziehen, gibt
es weitere, ebenfalls wissenschaftlich gut belegte Gründe, dies zu tun.
Die Gesundheit der
Väter und ihre Beziehung zu dem ungeborenen Kind haben einen großen Einfluss
darauf, in welchem Maße sie sich an der Erziehung des Kindes beteiligen und
Ressourcen für seine gelingende Entwicklung zur Verfügung stellen.
In dem 2016 auf 136
Seiten ausformuliertem ‚Nationalen Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘ wird die
Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt. Unter anderem heißt
es dort ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich
von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven
Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden‘.
Ansprüche und
Wirklichkeiten
Obwohl also Alles
dafürspricht, (werdende) Väter rechtzeitig einzubeziehen und als aktive
Subjekte im Geburtsgeschehen zu betrachten, werden sie hierzulande häufig immer
noch als ‚Beifahrer‘ (BZgA 2011) betrachtet. In Großbritannien, wo bereits 2006
im Nationalen Gesundheitssystem ein Paradigmenwechsel zugunsten der
Einbeziehung von Vätern stattgefunden hat, zeigen gerade veröffentlichte
Befragungsergebnisse, dass dieser empfohlene Wandel auch dort noch längst nicht
überall praktiziert wird. (Thorpe, 2018)
92% der Väter nehmen an den Vorsorgeuntersuchungen teil,
aber 61% berichten, dass ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt
angesprochen worden ist
Väter haben keinen formalen Status bei der
Geburtsvorbereitung, selbst ihr Name wird nicht erfasst. Lediglich 16 %
der Väter werden während der Geburt nach ihrem Befinden gefragt.
Wenn ‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden
und deutlich gemacht wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung
von Vätern bei der Nachsorge von ca. 20% auf bis zu 70%
Ein Blick hinter die Kulissen
Zu der Thematik liegen vor allem Praxis- und
Forschungsberichte aus dem angelsächsischen Raum vor. Auf der Website www.familyincluded.com werden diese seit 2015 systematisch
ausgewertet, thematisch gelistet und zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist
nach der Erklärung der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2013, in der erklärt
wurde, dass die Zusammenarbeit mit den Vätern eine globale Priorität für die
Gesundheitsversorgung von Müttern haben sollte, und vor dem Hintergrund, dass
es weder Pläne noch Ressourcen gab, um dies umzusetzen, entstanden. Als
Haupthindernisse für die tatsächliche Einbeziehung von Vätern werden dort
folgende Punkte identifiziert:
Das erste Problem ist die Professionalisierung und die
Perspektive auf die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen. Häufig wird diese
Gesundheitsversorgung als eine Angelegenheit betrachtet, die sich nur zwischen
dem Gesundheitspersonal und der „Patientin”, in diesem Fall der
Schwangeren abspielt.
Das zweite Problem ist die Sorge um die Gleichberechtigung
der Geschlechter. Fast alle Familien umfassen Männer, und sie haben oft mehr
vor allem finanzielle Ressourcen. Wenn man sie in die Pflege einbezieht, so
wird befürchtet, könnte dies dazu führen, dass die Autonomie der Frauen
eingeschränkt wird und die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Familien
nicht in Frage gestellt werden. Diese Aussage spiegelt die Tatsache wider, dass
zahlreiche Forschungsprojekte in Ländern mit noch ausgeprägteren patriarchalen
Strukturen durchgeführt werden.
Hierzulande geht es vor allem darum, Väter für eine
Beteiligung in Familie und an den in der Familie zu erledigenden Arbeiten zu
gewinnen und zwar von Anfang an. Für den deutschsprachigen Raum liegen zwei
Untersuchungen vor, die die von ‚Family Included‘ identifizierten Hindernisse
bestätigen.
Marion Müller und Nicole Zilien (2016) verifizieren in ihrem
Forschungsprojekt die Ausgangsthese, „dass die heutigen
Geburtsvorbereitungskurse durch ihre Ausgestaltung Geschlechterdifferenzen
hervorheben, diese weiterhin mit geschlechterdifferenzierenden Zuschreibungen
häuslicher Arbeit koppeln und durch eine wissenschaftlich gestützte
Naturalisierung legitimieren. Geburtsvorbereitungskurse bahnen demnach bereits
in der pränatalen Phase eine geschlechterdifferenzierende Arbeitsteilung an und
lassen sich deshalb als Institutionen der Retraditionalisierung
interpretieren.“
Lisa Maria Groß (2017) kommt in ihrer Arbeit ‚Väter als
Adressaten in Frühen Hilfen? Über die Konstruktion von Väterlichkeit im
professionellen Handeln von Familienhebammen‘ zu dem Ergebnis, „In Interviews mit Familienhebammen und ethnographischen
Beobachtungsprotokollen von Hausbesuchen zeigt sich allerdings eine Mütterorientierung
im professionellen Handeln von Familienhebammen, die zu einer sekundären
Adressierung der Väter hinsichtlich innerfamilialer Sorgetätigkeiten bis hin
zur Exklusion väterlicher Fürsorge aus dem Binnenraum der Familie
führt.“
Die Vorbereitung des geburtshilflichen Teams auf die
Väter
Wie Väter auf die Geburt vorbereitet werden können und
welche Rolle die verschiedenen Professionen dabei spielen, hat schon 2014 das,
in einer von der Bundeszentrale für gesundheitliche veröffentlichten Broschüre,
Ergebnis einer multiprofessionellen Arbeitsgruppe deutlich gemacht. (BZgA 2014)
Ein entscheidender Faktor dabei ist die Haltung gegenüber
der Rolle sowie der aktiven Einbeziehung von Vätern. Ihre gute Vorbereitung auf
die Geburt kommt auch der werdenden Mutter zugute. Studien zeigen, dass Väter,
die ihre Rolle während der Geburt kennen und verstehen, was dort geschieht,
selbst besser vor übermäßigem Stress geschützt sind und seltener Gefahr laufen,
den Ablauf der Geburt negativ zu beeinflussen. Das gilt insbesondere in den
Momenten, in dem es mal nicht „nach Plan läuft“, was aber auch völlig normal
ist. (Schäfer, Abu Dakn 2008)
Die Rolle, die sie während der Geburt wahrnehmen können, für
ihre Partnerin da zu sein, den neuen Lebensabschnitt gemeinsam zu beginnen und
von Anfang an als Vater präsent zu sein. Dabei erleben sie sich vielfach in
einer völlig ungewohnten Situation: Sie haben keine Kontrolle über das
Geschehen und die Mächtigkeit der Gefühle führt sie vielfach nicht nur
emotional an ihre Grenzen, sondern manchmal sogar darüber hinaus. Das Vertrauen
in die Kompetenzen des geburtshilflichen Teams und ihr Wissen um die
natürlichen Abläufe sind in diesen Momenten gute Stützen.
Dieses Vertrauen kann im Vorfeld der Geburt durch
verschiedene Angebote zur Geburtsvorbereitung in den Geburtskliniken und den
Kursen der Hebammen bzw. der Familienbildung gebildet werden. Dabei geht es
verständlicherweise vorrangig um die biologischen Abläufe der Geburt und die
Vorbereitung der Mütter darauf, um ihre Bedürfnisse, Ängste und Sorgen.
Darüber hinaus sind aber zwei weitere Ebenen der
Vorbereitung auf die Geburt und vor allem die Zeit danach für Väter von großer
Bedeutung. Die gemeinsamen Planungen der werdenden Eltern für die Zeit zu Dritt
und der Austausch des werdenden Vaters mit anderen Männern.
Einbeziehung von Vätern nutzt partnerschaftlicher
Aufgabenteilung
Die Entscheidung Eltern werden zu wollen, ist heute eine
bewusste, auch wenn eine exakte Planung nicht garantiert ist. Im Rahmen dieses
Prozesses können Fragen der beruflichen Weiterentwicklung, der familiären
Arbeitsteilung und auch die Vorstellungen zu den Rollen als Mutter und Vater sowie
die Erfahrungen und Prägungen in der eigenen Herkunftsfamilie thematisiert
werden. In ihrem Papa Handbuch beschreiben die Autoren eine Fülle von
praktischen Möglichkeiten dazu. (Richter, Schäfer 2020)
Darüber hinaus gibt es eine Fülle an ‚Väterthemen und fragen‘,
die am besten bearbeitet werden können, wenn Väter unter sich sind und diese
Phase auch von einem erfahrenen Mann und Vater betreut wird:
Welche Wünsche und Befürchtungen habe ich für
die Geburt?
Will ich bei der Geburt dabei sein? Was will ich
sehen, was nicht?
Was ist mir wichtig für die erste Zeit zuhause?
Welche Bedeutung habe ich als Vater für die
Entwicklung des Kindes?
Wie kann ich meine Vaterkompetenzen entfalten?
Wie entwickelt sich das Verhältnis zu meiner
Partnerin, wenn sie auch Mutter ist?
Was ist mit dem Sex in der Schwangerschaft und
nach der Geburt?
Wie kann es gelingen, dass wir auch als Vater
und Mutter die Verantwortung für finanzielle Versorgung der Familie und die
dort anfallenden Care-Aufgaben partnerschaftlich aufteilen?
Die Möglichkeit, sich mit anderen Vätern darüber auszutauschen,
haben einen bedeutenden Einfluss auf das spätere Geburtsgeschehen. Derart
vorbereitet können Väter vom geburtshilflichen Team als unmittelbar Beteiligte
des Geschehens wahrgenommen und als Personen mit eigenen Bedürfnissen und
eigenem Erleben angesprochen und einbezogen werden.
Diese „Männerrunden“ sind teilweise schon Praxis bei der
Geburtsvorbereitung. Darüber hinaus gibt es an wenigen Orten spezielle Angebote
für werdende Väter. (Mens Health 2016)
Ergebnisse eines Praxisprojekts in NRW
Ein vom Familienministerium in NRW gefördertes Praxisprojekt
beschäftigte sich mit der Fragestellung, wie die Einbeziehung von Vätern im
Rahmen der Geburtsvorbereitung durch Hebammen gefördert werden kann. Im Zentrum
standen dabei die Entwicklung und Erprobung eines Fortbildungs-Curriculums.
(Nelles 2020)
Die Annahme, Väter und Mütter im Kontext der
Geburtsvorbereitung durch Hebammen anzusprechen und dort das Anliegen
‚partnerschaftliche Aufgabenteilung‘ zu thematisieren hat sich bestätigt, da in
diesem Zeitraum entscheidende Weichenstellungen vorgenommen werden und mehr als
90 % der Väter an der Geburt und, zumindest beim ersten Kind, auch an
angebotenen Kursen zur Vorbereitung teilnehmen.
Auf der Basis freiwilliger Fortbildungen für Hebammen lässt
sich das Ziel, partnerschaftliche Aufgabenteilung im Rahmen der
Geburtsvorbereitung zu thematisieren jedoch nicht erreichen. Das liegt zum
einen, an der von der, an den unterschiedlichsten Stellen beschriebenen Haltung
der Hebammen, Frauen und Männern traditionelle Rollen zuweisen und selbst wenn
sie Angebote für Väter machen, diesen Unterstützungs- und Assistentenaufgaben
zuweisen.
Auf der anderen Seite sind es strukturelle Rahmenbedingungen
wie Personalschlüssel in Kliniken und der Blick der dort arbeitenden Gynäkologen
auf die Hebammen sowie die schlechte Bezahlung von letzteren. Dazu kommt die
Akademisierung der Hebammenausbildung und die Umsetzung der entsprechenden
Verordnungen und die Sicherstellung der praktischen Ausbildungsanteile auf den
‚letzten Drücker‘.
Die Neuaufstellung der Hebammenausbildung bietet, zumindest
theoretisch, die Chance, die Themen ‚Bedeutung von Vätern‘ und ‚Aufstellung der
Akteure im System Familie‘ in den neuen Curricula zu verankern zumal es in der
Anlage 1 der ‚Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen des
Bundesministeriums für Gesundheit‘, in der die Kompetenzen von Hebammen
aufgeführt sind, ausdrücklich heißt: [ sie] ‚verfügen über Kenntnisse … über Prozesse der Familiengründung und bereiten
die schwangere Frau und ihre Familie ihrer individuellen Lebenssituation
entsprechend auf die Geburt, das Wochenbett und die Elternschaft vor …‘ (BMG
2019)
Um die Chance, die Themen im Rahmen der zu erarbeitenden
neuen Ausbildungsordnungen breiter zu verankern, wird es aber notwendig sein,
mit Unterstützung bereits im System tätigen Akteur*innen, Professor*innen mit
ausgewiesener Väterexpertise und Praktikern der Väterbildung zunächst eine
Expertise und darauf aufbauend Bausteine für die universitären Lehrpläne zu
entwickeln.
Ein anderer Ansatzpunkt die Themen in bestehenden
Geburtsvorbereitungskursen zu verankern sind die Qualitätsstandards. Die Kurse
werden, zumindest für die Frauen, von den gesetzlichen Krankenkassen
finanziert. Jede Hebamme, die derartige Kurse anbietet kann sie über die
Krankenkassen abrechnen. Diese könnten also mit entsprechenden Standards auch
Einfluss auf die Inhalte ausüben
Fazit
Als Vision und Wunsch abschließend formuliert: um werdenden
und gewordenen Vätern und Müttern die Verwirklichung ihres Wunsches nach einer
gleichberechtigten Aufgabenteilung zu ermöglichen braucht es, neben den
äußeren, passenden Rahmenbedingungen, ein Angebot sich vor und nach der Geburt
mit den oben genannten Themen auseinanderzusetzen. Und zwar an den Orten und zu
den Anlässen, die Väter und Mütter sowieso gemeinsam oder getrennt aufsuchen
und nutzen. Die Geburtsvorbereitung gehört in jedem Fall dazu. Es braucht aber
neben den Hebammen weitere (männliche) Akteure und Angebote für Väter, vor
allem für die Zeit nach der Geburt.
Im System der Geburtshilfe rumort es. Immer mehr
Geburtskliniken schließen, aus Mangel an Hebammen oder Renditegründen. Während
der Pandemie wurden Väter ganz oder teilweise bei Vorsorgeuntersuchungen und
der Geburt ausgeschlossen und auch wenn sie dabei sein dürfen, fühlen sich
Väter vielfach nicht einbezogen.
Es gibt zwar seit 2016 ein auf 136 Seiten ausformuliertes
‚Nationales Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘, aber die von vielen Seiten
erhobene Forderung nach einem ‚Geburtsgipfel‘ und der im Frühjahr gestarteten
Initiative ‚Bündnis Gute Geburt‘ verdeutlichen den tatsächlichen
Handlungsbedarf.
Dort ist die Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt, ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden.‘ Die Wirklichkeit ist von dieser bereits 2008 formulierten Vision weit entfernt, das macht auch eine anlässlich der ‚Weltstillwoche‘ veröffentlichte Befragung deutlich. Es braucht passende Rahmenbedingungen damit aus dem ‚Sollen‘ und ‚Wollen‘ tatsächliches Handeln wird.
Bei der Gestaltung von ‚passenden‘ Rahmenbedingungen gibt es
sicherlich Spielräume. Um diese auszuloten haben wir eine Kurzumfrage entworfen
und bitte Sie, sich 2 Minuten Zeit für eine Beantwortung zu nehmen.
Bei einem Werkstattgespräch am 26. Oktober werden wir die Ergebnisse präsentieren, Eckpunkte zu Veränderungen in der Geburtshilfe aus der Perspektive der Väter formulieren und diese in die aktuelle Diskussion einordnen.
Das ist eine zentrale Aussage in dem Strategiepapier des ‚Runden
Tisches Elternwerden‘ das im Februar letzten Jahres erstmals veröffentlicht und
im August aktualisiert wurde. Dieser Aussage können wir uneingeschränkt
zustimmen. In unseren Augen braucht es aber es aber auch einen
Paradigmenwechsel im System der Geburtshilfe.
Und zwar was die Bedeutung der Väter angeht: werdende Väter sind neben den
Hebammen und dem ärztlichen Personal wichtige Akteure im gruppendynamischen
Geschehen einer Geburt. Ihre Handlungen beeinflussen den Geburtsprozess, die
Geburt selbst wirkt nachhaltig auf sie.
Die Vorbereitung auf die Geburt und das Vatersein, die Zuschreibung und das
Erleben der eigenen Bedeutung und Selbstwirksamkeit sind prägende
Weichenstellungen für zukünftiges väterliches Engagement und die Stabilität der
Paarbeziehung.
Mit den damit zusammenhängenden Themen und Herausforderungen werden
wir uns in diesem und dem kommenden Monat beschäftigen.
Väter ansprechen und erreichen
Väter sind schwer zu erreichen und Angebote, die in Kitas und
Familienzentren gemacht werden, kommen häufig nicht zustande, weil sich zu
wenige Väter anmelden.
Auf der anderen Seite wollen Väter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und
suchen nach passenden Angeboten und Möglichkeiten sich mit anderen Vätern
auszutauschen.
Die Geschäftsstelle der LAG-Väterarbeit möchte dazu beitragen dieses Dilemma aufzulösen und bietet dazu Vorträge und Fortbildungen an, die Beschäftigten verschiedener Einrichtungen oder auch einzelnen Teams die Möglichkeit gibt, sich intensiv mit einem Thema auseinanderzusetzen und ihre Arbeit mit und die Angebote für Väter weiterzuentwickeln. Mögliche Themen sind: ‚Grundlagen der Arbeit mit Vätern‘, ‚Väter ansprechen und erreichen‘, ‚Wie ticken Väter eigentlich?‘, ‚Die Bedeutung von Vätern für die Entwicklung von Kindern‘, ‚Väter in den frühen Hilfen‘ …
Melden Sie sich einfach telefonisch oder per Mail bei uns. Die
Kontaktdaten finden Sie am Ende des Newsletters.
… mir fehlt vor allem eine systemische Perspektive
In den vergangenen beiden Monaten standen Väter und Kinder, die Opfer
von Gewalt geworden sind, im Blickpunkt.
Bei dem Werkstattgespräch am 12.
August berichtete Tobias Schiefer über die Arbeit der Männerschutzwohnungen in
Düsseldorf: Ziele des Schutzkonzepts, das mit regelmäßiger Beratung verbunden
ist, sind Schutz-, Rückzugs- und Wohnraum für einen begrenzten Zeitraum zur
Verfügung zu stellen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt ca. 3
Monate.
Im Mittelpunkt der Arbeit mit den Klienten steht deren psychische
Stabilisierung und Entlastung sowie die Stärkung der Handlungsfähigkeit und der
Selbstbestimmung. Perspektivisch geht es um die persönliche Weiterentwicklung
und Neuorientierung außerhalb der ‚Gewaltbeziehung‘ sowie die Vermittlung
weiterführender Hilfen.
In einem Interview mit Christoph Liel vom Deutschen Jugend Institut in München
äußerte er sich unter anderem zu den zukünftigen Bedarfen in diesem
Hanlungsfeld:
„Ich finde schon, dass es in Bezug auf Väter große blinde Flecken gibt, und
zwar sowohl in der Praxis wie auch in der Forschung. Und zwar im gesamten
erweiterten Kontext des Kinderschutzes. Weil Väter da häufig keine oder eine
untergeordnete Rolle spielen, obwohl sie sowohl eben als Gefährder für Kinder
auftreten können, wie auch als Unterstützer in der familiären Situation. Und da
brauchen wir sehr viel mehr Wissen.“ Die Aufzeichnung des Gesprächs können Sie hier nachlesen und
hören.
Welchen Kulturwandel brauchen Väter in der Geburtshilfe – aktuelle Eckpunkte und Perspektiven
Im System der Geburtshilfe rumort es. Immer mehr Geburtskliniken
schließen, aus Mangel an Hebammen oder Renditegründen. Während der Pandemie
wurden Väter ganz oder teilweise bei Vorsorgeuntersuchungen und der Geburt
ausgeschlossen und auch wenn sie dabei sein dürfen, fühlen sich Väter vielfach
nicht einbezogen.
Es gibt zwar seit 2016 ein auf 136 Seiten ausformuliertes ‚Nationales
Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘, aber die von vielen Seiten erhobene Forderung
nach einem ‚Geburtsgipfel‘ und der im Frühjahr gestarteten Initiative ‚Bündnis
Gute Geburt‘ verdeutlichen den tatsächlichen Handlungsbedarf.
In dem Werkstattgespräch am 26. Oktober wird Hans-Georg Nelles, der u.a.
bei der Broschüre der BZgA ‚Väter auf die Geburt vorbereiten – Informationen
und praktische Tipps für Fachkräfte‘ mitgewirkt hat, Eckpunkte einer Reform in
der Geburtshilfe aus der Perspektive der Väter präsentieren und diese in die aktuelle
Diskussion einordnen.
Zu dem Werkstattgespräch können Sie sich hier anmelden
Jeder Mann sollte mit gutem Gefühl Vaterwerden können. Deshalb unterstützt die ‚Erzählcafé-Aktion‘ Väter mit einem kostenlosen Flyer voller Fakten & Forschung. Kurz und knackig bringt dieser auf den Punkt, was Männer beim Vaterwerden wissen sollten, auch um selbst gesund zu bleiben. „Lies los Mann, damit Du gestärkt aus dem größten Abenteuer Deines Lebens hervorzugehen kannst!“
Der Flyer ‚Respekt Mann, Du wirst Vater‘ ist kostenfrei und gibt es hier zum Download!
Ausblick
Das letzte Schwerpunktthema in diesem Jahr wird im November und
Dezember ‚Väter im Strafvollzug‘ sein. Dazu planen wir interessante Einblicke,
Praxistipps und ein Werkstattgespräch, bei dem es um die praktische Arbeit mit Vätern
und deren Kindern im Justizvollzug gehen wird.
Im kommenden Jahr haben wir uns vorgenommen, uns noch intensiver mit
den einzelnen Themen auseinanderzusetzen und vor allem durch unsere Arbeit
darauf hinzuwirken, in den angesprochenen Bereichen nachhaltige Veränderungen
für Väter und aktive Vaterschaft anzustoßen und da wo möglich auch strukturell
zu verankern.
Im Themenspeicher stehen jetzt schon ‚Großväter‘ und ‚getrennt
erziehende Väter‘.
Termine
25. Oktober 2022, 15:30 bis 17 Uhr, Online Member Meeting der LAG Väterarbeit
26. Oktober 2022, 15:30 bis 17 Uhr, Werkstattgespräch Kulturwandel in
der Geburtshilfe
‚Bringing
Baby Home‘ lautet der Titel der aktuellen Studie des britischen
Fatherhoodinstituts. Dabei wurden empirische Daten über Väter und
Vaterschaft im Vereinigten Königreich im ersten Jahr nach der Geburt
untersucht. Wer sind die Väter, wie agieren sie, was beeinflusst ihr
Handeln, welche Wirkungen auf Kinder und Mütter haben sie und wie gehen
die Gesundheitsdienste mit ihnen um.
Was das Fatherhoodinstitut herausgefunden hat, bestätigt eine
bedauerliche Tatsache: Die Gesundheits-Systeme sind nicht darauf
ausgerichtet, neue Väter anzusprechen und zu unterstützen, obwohl es
eindeutige Beweise dafür gibt, dass ein routinierter Umgang mit ihnen in
der Perinatalperiode dringend erforderlich ist. Es gibt drei klare
Gründe, die für eine bessere Unterstützung sprechen:
Die körperliche und seelische Gesundheit der Väter hat erhebliche
Auswirkungen auf die künftige Gesundheit und das Wohlbefinden des
Kindes. Zu den negativen Folgen für das Kind, die nachweislich mit den
Eigenschaften und Verhaltensweisen der Väter zusammenhängen, gehören ein
erhöhtes Risiko für Fettleibigkeit, Atemprobleme und eine
beeinträchtigte kognitive Entwicklung.
Mütter wollen und können von einer besseren Einbindung des Vaters
profitieren, indem sie bessere Geburtsergebnisse und -erfahrungen, eine
bessere Unterstützung bei der Erholung nach der Geburt und bei der
Aufnahme und Fortsetzung des Stillens sowie ein größeres Potenzial für
eine Aufteilung der Betreuungsaufgaben erhalten
Die Perinatalperiode ist ein „goldener Moment“, um
Gesundheitsprobleme und Verhaltensweisen der Väter selbst zu erkennen
und anzugehen.
Die Studie sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse finden Sie hier.
Der Alltag von Hebammen bewegt sich an der Schwelle,
wo neues Leben entsteht und manchmal Leben vergeht.
Für Helena Bellwald sind Schwangerschaft und Geburt
etwas Natürliches, das am besten gelingt, wenn sie möglichst nicht eingreift.
Sie begleitet Eltern während der Schwangerschaft, der Hausgeburt und im
Wochenbett. Aber auch, wenn Eltern ein Kind verlieren.
Lucia Mikeler ist Beleghebamme. Auch sie betreut Paare
von der Schwangerschaft bis zum Wochenbett und geht für die Geburt in das
Spital. Lucia ist es wichtig, dass die Frau ihre Geburt so gestalten kann, wie
sie es für richtig hält.
Jeanette Gröbli, Sara Lehner und ihr Team zeigen uns
den regen Spitalalltag, wo 97 von 100 Geburten in der Schweiz stattfinden. Sie
sehen die Frauen zum ersten Mal, wenn sie mit Wehen ins Spital kommen. Sie
begleiten sie routiniert und empathisch durch diese existenzielle Erfahrung.
Der Film gibt einen intimen Einblick in die
natürlichste Sache der Menschheit. Sie fasziniert uns bis heute, einerseits als
Wunder, andererseits als hochriskantes medizinisches Ereignis.
„Als
Vision und Wunsch abschließend formuliert: um werdenden und gewordenen
Väter und Müttern die Verwirklichung ihres Wunsches nach einer
gleichberechtigten Aufgabenteilung zu ermöglichen braucht es, neben den
äußeren, passenden Rahmenbedingungen, ein Angebot sich vor und nach der
Geburt mit den o.g. Themen auseinanderzusetzen. Und zwar an den Orten
und zu den Anlässen, die Väter und Mütter sowieso gemeinsam oder
getrennt aufsuchen und nutzen. Die Geburtsvorbereitung gehört in jedem
Fall dazu. Es braucht aber neben den Hebammen weitere (männliche)
Akteure und Angebote für Väter, vor allem für die Zeit nach der Geburt.“
Abschlussbericht des Modellprojekts ‚Bedeutung von Vätern im Geburtsprozess
Stellungnahmen der Parteien zu den Forderungen der LAG Väterarbeit zur Landtagswahl
Die LAG Väterarbeit hat im Vorfeld der Landtagswahl am 15 Mai fünf
konkrete väterpolitische Forderungen aufgestellt und die im Landtag
vertretenen Parteien darum gebeten darzulegen, inwieweit eine Stimme für
Ihre Partei zu einer Umsetzung in den kommenden 5 Jahren beitragen
wird.
Die erste Forderung lautet:
„Förderung von flächendeckenden Angeboten zur
Geburtsvorbereitung für Väter, die werdende Eltern auch dabei
unterstützen, partnerschaftlichen Rollenvorstellungen zu realisieren.“
Die CDU hat dazu geantwortet:
Familien sind die Voraussetzung für das Funktionieren unserer
Gesellschaft. Deshalb fördern wir sie um gut gerüstet für die
Schwangerschaft und die Zeit vor und nach der Geburt zu sein. Vätern
kommt bei der Schwangerschaftsvorbereitung oft eine unterstützende Rolle
zuteil. Eine gute Vorbereitung kann oft Sicherheit verschaffen. Deshalb
haben wir im Herbst 2017 die Projektgruppe „Strukturelle
Weiterentwicklung Geburtshilfe“ eingerichtet, um die geburtshilfliche
Versorgung strukturiert weiterzu-entwickeln. Ziel ist es, aktuelle
Fragen und Herausforderungen in der Geburtshilfe zu identifizieren und
ein Konzept mit konkreten Handlungsempfehlungen für eine flächendeckende
Versorgung mit qualitativ hochwertigen Geburtshilfe-leistungen für das
Land Nordrhein-Westfalen zu erarbeiten. Damit sich Familien in NRW
wohlfühlen, erhalten sie bedarfsgerechte Unterstützung, die sie für ihre
individuelle Wahl und die Realisierung ihres persönlichen Lebensmodells
benötigen.
Die FDP hat dazu geantwortet:
Eine partnerschaftliche Rollenvorstellung und -verteilung ist uns ein
wichtiges Anliegen. Wir setzen uns daher für Toleranz und Offenheit für
eine Vielfalt von Rollen- und Lebensentwürfen ein und unterstützen die
Vorhaben der Bundesregierung hierzu ausdrücklich. Generell möchten wir
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch einen flächendeckenden
Ausbau der Betreuungsangebote, insbesondere auch in Randzeiten, und der
Unterstützung von Jobsharing- und Topsharing-Modelle, stärken.
Geburtsvorbereitungskurse für Väter werden von vielen Krankenkassen als
Satzungsleistung angeboten. Aus unserer Sicht sind Satzungsleistungen
der jeweiligen Krankenkasse ein wesentlicher Baustein für den
Kassenwettbewerb. Änderungen des Katalogs von gesetzlichen Leistungen
der Krankenversicherung und grundsätzlich zulässigen Satzungsleistungen
wären auf Bundesebene zu entscheiden.
Die Grünen haben dazu geantwortet:
Auch Väter müssen auf die Geburt und die Zeit als Elternteil
angemessen vorbereitet werden. Um Familien direkt nach der Geburt zu
unterstützen und auch Väter dabei rechtlich zu stärken, hat die
Ampel-Koalition auf der Bundesebene vor, eine zweiwöchige vergütete
Freistellung des Partners bzw. der Partnerin nach der Geburt
einzuführen.
Die SPD hat dazu geantwortet:
Wir wollen die gemeinsame und vor allem partnerschaftliche Rollenaufteilung der werdenden Eltern unterstützen. So wollen wir mit einer Familienarbeitszeit Familien ermöglichen, Arbeitszeiten zu reduzieren und dennoch nicht auf Einkommen verzichten zu müssen. Damit Familien nach der Geburt eines Kindes ausreichend Zeit zum Kennenlernen und Zusammenwachsen haben, führen wir eine Partnerfreistellung nach der Geburt ein. Um den Papierkram in den ersten Wochen des Elternseins zu reduzieren, zum Beispiel beim Elterngeld, wollen wir Familienbüros einführen, die sich um die Antragstellung in den ersten Lebenswochen kümmern und Familien auch später bei der Beantragung von Leistungen und dem Finden passender Angebote unterstützen
Vor einigen Wochen hat eine Fachzeitschrift nach meiner Einschätzung zur Vaterschaftsfreistellung gefragt. Frau Spiegel ist zwar inzwischen nicht mehr Familienministerin, aber ihre Nachfolgerin Lisa Paus hat angekündigt, an deren Inititiativen anzuknüpfen und das Thema steht für mich weiterhin oben auf der Agenda
Wie finden Sie den Vorschlag von Frau Spiegel?
Frau Spiegel greift mit ihrem Vorschlag eine Forderung auf, die wir
und andere Väterverbände schon lange erhoben haben. Die zwei Wochen
Vaterschaftsfreistellung finden sich zudem mit unterschiedlichen
Bezeichnungen in den Wahlprogrammen der drei Ampelparteien und sind auch
Gegenstand der EU Vereinbarkeitsrichtlinie, die bis zum Herbst 2022 in
geltendes Recht umgesetzt werden muss.
Inhaltlich geht es in der Zeit unmittelbar nach der Geburt darum,
sich als Familie neu aufzustellen, aus dem Paar ist eine Triade
geworden. Zu sehen, dass es die ‚geborene Mutter‘ nicht gibt und Mann es
genauso gut kann, wenn er es einfach tut. Sich dabei als Vater wirksam
zu erleben,. die Reaktionen des neugeborenen Kindes wahrzunehmen, es zu
begleiten und eine sichere Beziehung und Bindung zu ihm aufzubauen.
Dafür ist die 14tägige Lohnfortzahlung eine Investition, die sich ein
Leben lang auszahlt.
In dem Vorschlag stecken aber noch weitere Potenziale. In einer
Untersuchung, die das Beratungsunternehmen EY 2016 bei mehr als 21.000
Kund*innen in 91 Ländern durchgeführt hat, zeigte sich nämlich, dass in
Unternehmen, die Beschäftigten eine bezahlte Freistellung nach der
Geburt gewährten, der Anteil von Frauen in Führungspositionen deutlich
höher war.
Wo könnte es Herausforderungen oder Stolpersteine bei der Umsetzung geben?
Da diese Regelung von allen drei Ampelparteien gleichermaßen gewollt
ist, dürfte es an dieser Stelle keine Stolpersteine geben. Eine
Herausforderung ist sicherlich die Finanzierung. Wenn diese jedoch
analog zum Mutterschaftsgeld organisiert, also in einem Umlageverfahren
durch alle Arbeitgebenden finanziert wird, sehe ich an dieser Stelle
keine großen finanziellen Belastungen auf die durch Corona strapazierte
Staatskasse und einzelne Arbeitgebende zukommen.
Zufriedene Väter sind ein Gewinn für jeden Betrieb und die Kompetenzen
die sie durch ihr Engagement in Familie erwerben, gleichen die Kosten
für die Umlage sehr schnell wieder aus.
Sind zwei Wochen bezahlter Urlaub für das zweite Elternteil genug, um eine Bindung zum Neugeborenen aufzubauen?
Die zwei Wochen bezahlte Freistellung sind meines Erachtens kein
‚Urlaub‘ im landläufigen Sinn. Sie ermöglichen einen niedrigschwelligen
Einstieg ins Vatersein, nach der Geburt hat jeder neuer Vater die
Möglichkeit, seine Partnerin in der Zeit des Wochenbetts zu unterstützen
und eine Beziehung zu seinem Kind aufzubauen. Für eine sichere Bindung
sind zwei Wochen eine zu kurze Zeit, aber es geht um einen guten
Einstieg und die gesellschaftliche Zuschreibung ‚Mann du kannst ein
guter Vater sein und du bist bedeutsam für die Entwicklung deines
Kindes‘.
Wie viele Elterngeldmonate für Paare würden Sie sich
wünschen? Wie viel bezahlte Freistellung beider Elternteile ist Ihrer
Meinung nach nötig?
Bislang gibt es ja 14 Elterngeldmonate die nach dem Muster 12 plus 2
konstruiert sind und durch Regelungen wie ‚Elterngeld-Plus Monate‘ und
dem ‚Partnerschaftsbonus‘ auf bis zu 28 bezahlte Monate Elternzeit
ausgedehnt werden können. Die Regelungen sind ziemlich kompliziert, auch
wenn in der Corona Zeit schon einiges vereinfacht worden ist.
Ich würde mir wünschen, dass es für Väter und Mütter jeweils 8
reservierte Elterngeldmonate gibt und dass es weitere 8 bezahlte Monate
gibt, die flexibel bis zum Schuleintritt des Kindes eingesetzt werden
können. Damit würde ein klares Signal dafür gesetzt, dass Väter und
Mütter gleichermaßen für ihre Kinder verantwortlich sind und die damit
verbundenen Aufgaben und Arbeiten von Anfang an partnerschaftlich
aufgeteilt werden können.
Die weiteren acht Monate bieten den Eltern dann die Möglichkeit sich
nach Bedarf und flexibel Zeit für die Kinder zu nehmen, wenn sie
gebraucht wird. Neben dem Geld spielt die Zeit, die Väter und Mütter
einsetzen können eine große Rolle.
Dazu kommt noch die Infrastruktur, also zum Beispiel die qualitativ
hochwertigen Kinderbetreuungsangebote, die in ausreichender Zahl und mit
passenden Öffnungszeiten wohnungsnah zur Verfügung stehen.
Gibt es etwas anders, was Sie sich hinsichtlich der Elternzeit-/Elterngeldregelung wünschen würden?
Ja, ich wünsche mir, dass das Engagement von Vätern für ihre Familie
und insbesondere für ihre Beteiligung an der Erziehung ihrer Kinder
nicht als ‚Ergänzung‘ oder ‚Unterstützung‘ der Leistungen der Mütter
betrachtet werden sondern als genauso notwendig wie selbstverständlich.
Und zwar von Anfang an und nicht nach dem Motto ‚krabbeln lerne ich bei
Mama, laufen dann bei Papa‘.
Damit das Wirklichkeit werden kann, braucht es, quasi als notwendige
Bedingung, gute gesetzliche Regelungen zu Elterngeld und Elternzeit,
aber auch passende strukturelle Rahmenbedingungen wie
Arbeitszeitregelungen und Kinderbetreuungsangebote.
Damit es hinreicht, sind aber auch Haltungen erforderlich, die Vätern
von Anfang an, also schon lange vor der Geburt, Kompetenzen zuschreiben
und ihnen von Geburt an Möglichkeiten geben, diese zu erwerben und
weiterzuentwickeln.
In diesem komplexen Gebilde sind die zwei Wochen Vaterschaftsfreistellung ein ganz wichtiger Baustein.
Der Beitrag des
Vorsitzenden der LAG Väterarbeit in der aktuellen Ausgabe impu!se der
Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin
Niedersachsen e. V.
„Die WHO empfiehlt, die Beteiligung von Männern während der
Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt zu fördern, um die
Selbstsorge von Frauen und die häuslichen Pflegepraktiken für Frauen und
Neugeborene zu verbessern. Neben dieser auf die Gesundheit von Mutter
und Kind bezogenen Perspektive gibt es weitere gute Gründe, dies zu tun.
Die Gesundheit der Väter, die Zuschreibung von väterlichen
Kompetenzen und ihre Beziehung zu dem ungeborenen Kind haben einen
großen Einfluss darauf, in welchem Maße sie sich an der Erziehung des
Kindes beteiligen und Ressourcen für seine gelingende Entwicklung zur
Verfügung stellen.
In der Phase vor und unmittelbar nach der Geburt werden zudem die
Weichen dafür gestellt, ob das gewünschte Lebenskonzept einer
partnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit
Wirklichkeit werden kann oder die Partnerschaftszufriedenheit darunter
leidet, dass sich Vater und Mutter in jeweils unterschiedlichen Sphären
voneinander entfremden. Viele Väter haben den Wunsch, die Entwicklung
ihrer Kinder von Anfang an mitgestalten und erleben zu können.
Ansprüche und Wirklichkeiten
Erfahrungen und Studienergebnisse zeigen, dass die gewählten
Lebensmodelle häufig nicht Ergebnis zielgerichteter Aushandlungsprozesse
sind, sondern Paare vor dem Hintergrund vermeintlich rationaler Gründe
nach der Geburt dort ‚hineingeschliddert‘ sind und Väter sich mehr oder
weniger freiwillig auf die traditionelle Rolle des Ernährers und
Assistenten in der Familie einlassen.
Obwohl also alles dafür spricht, werdende Väter rechtzeitig
einzubeziehen, sie als aktive Subjekte im Geburtsgeschehen zu betrachten
und auf die neue Rolle vorzubereiten, werden sie hierzulande immer noch
als ‚Beifahrer‘ betrachtet. In Großbritannien, wo bereits 2006 im
Nationalen Gesundheitssystem ein Paradigmenwechsel zugunsten von Vätern
stattgefunden hat, zeigen kürzlich veröffentlichte Befragungsergebnisse,
dass der empfohlene Wandel auch dort noch längst nicht überall
praktiziert wird.
92 Prozent der Väter nehmen an den Vorsorgeuntersuchungen teil, aber
61 Prozent berichten, dass ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt
angesprochen worden ist.
Väter haben keinen formalen Status bei der Geburtsvorbereitung,
selbst ihr Name wird nicht erfasst. Lediglich 16 Prozent der Väter
werden während der Geburt nach ihrem Befinden gefragt.
Wenn ‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden und
deutlich gemacht wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung
von Vätern bei der Nachsorge von ca. 20 Prozent auf bis zu 70 Prozent
Das Erlebnis der Geburt
Wie Väter auf die Geburt vorbereitet werden können und welche Rolle
die verschiedenen Professionen dabei spielen, ist lange bekannt. Der
entscheidende Faktor dabei ist die Haltung gegenüber der Rolle der Väter
sowie ihrer aktiven Einbeziehung.
Angebote der Geburtsvorbereitung für Väter kommen auch werdenden
Müttern zugute. Studien zeigen, dass Väter, die ihre Rolle während der
Geburt kennen und verstehen, was dort geschieht, selbst besser vor
übermäßigem Stress geschützt sind und seltener Gefahr laufen, den Ablauf
der Geburt negativ zu beeinflussen. Das gilt insbesondere in den
Momenten, in denen es mal nicht nach Plan läuft.
Bei der Geburt selbst dabei sein zu können, ist für Männer die
einzigartige Möglichkeit, das Vaterwerden, das sich bislang als
‚Kopfgeburt‘ abgespielt hat, unmittelbar zu erleben und eine Beziehung
zu ihrem Kind aufbauen zu können. Dazu ein O-Ton: „Es war unglaublich,
atemberaubend, erstaunlich und erschreckend, die erste Person zu sein,
die meine Tochter sah, und Augenkontakt mit ihr herzustellen, als sie
herauskam. Ich habe ein Foto, etwa drei Minuten nach ihrer Geburt, auf
dem ich sie im Arm halte und wir uns gegenseitig anstarren, und es sieht
aus, als würde sie mir die Zunge herausstrecken.“
Väter müssen draußen bleiben
Corona wirkt wie ein Brennglas und hat auch in der Geburtshilfe
offengelegt, dass Väter dort noch nicht die Bedeutung haben, die ihnen
zusteht. Zehntausende Männer konnten wegen der Corona-Regeln in den
vergangenen Monaten die Geburt ihres Kindes nicht miterleben. In manchen
Kliniken dürfen Väter den gesamten Verlauf der Geburt begleiten, in
anderen ruft sie das Personal erst zur Endphase der Geburt in den
Kreißsaal – wenn die Presswehen beginnen oder der Muttermund um einige
Zentimeter geöffnet ist. Zum Teil dürfen Väter ihre Familie nur eine
Stunde am Tag auf Station besuchen, andernorts gibt es keine
Beschränkungen. Zu Vorsorgeterminen, zum Ultraschall dürfen Väter oft
ebenfalls nicht mitkommen.
„Ich durfte nur an einer Untersuchung teilnehmen. Meine Frau musste
zu allen anderen Untersuchungen und Konsultationen allein gehen. Ich
habe diese lebenswichtige Unterstützung für meine Frau und die
Entwicklung einer Bindung zu unserem kleinen Sohn völlig verpasst. Das
System ist durcheinandergeraten, und die emotionale Belastung, die wir
zahlen müssen, ist enorm …“ berichtet ein Vater.
Die Auswirkungen der Geburtserlebnisse auf die Vaterschaft
Studien zeigen, dass die Geburt und ihr Erleben für Väter und Mütter
einen wichtigen Ausgangspunkt für den Übergang zur Elternschaft
darstellen. Sie erleichtern oder erschweren den Prozess des
Vaterwerdens. Mütter mit einem negativen Geburtserlebnis geben häufiger
an, dass sie Probleme beim Stillen haben und ihre Wunden schlecht
heilen. Das Risiko, dass die Mütter und Väter nach der Geburt eine
Depression entwickeln steigt und auch die Eltern-Kind-Bindung war sechs
Monate nach Entbindung weniger sicher.
Da die Unterstützung von Vätern im Geburtsprozess positive
Auswirkungen auf die Frauen hat, muss sichergestellt werden, dass Väter
systematisch einbezogen werden und sich an Schwangerschaft, Geburt und
Kinderbetreuung beteiligen. So können sie ihre Partnerinnen
unterstützen, eine eigene Identität als Vater entwickeln und eine aktive
Rolle in der Versorgung der Säuglinge übernehmen.“