Niudad.ch will Männer auf ihre neue Rolle als Vater
vorbereiten.
Vatercrashkurse, Tests und Checklisten – die neue Plattform
Niudad.ch soll werdenden Vätern dabei helfen, sich auf ihre neue Rolle
vorzubereiten. Wie der Dachverband der Schweizer Männer- und
Vaterorganisationen Männer.ch in einer Mitteilung schreibt, starte der
Schweizer Durchschnittsmann bislang mit wenig Wissen, Vorbildern und Vernetzung
ins Abenteuer Vaterschaft– so auch Metin (36). .
‚Für werdende Väter gibt es kaum Angebote und Ressourcen‘
Er wurde letztes Jahr Vater von Zwillingen. ‚Die ersten
Wochen waren sehr anspruchsvoll.‘ Vor der Geburt seiner Söhne habe er sich
nicht vorstellen können, was es brauche, um ein engagierter Vater zu sein, und was
man bei der Kindererziehung alles beachten müsse. ‚Für werdende Väter gibt es
kaum Angebote und Ressourcen. Alles, was ich damals gefunden habe, war zu
Finanzen und Versicherungen, nicht zum Vatersein selbst.‘ Wie er sagt, wusste
er während der Schwangerschaft seiner Partnerin nicht, wohin mit seinen Fragen.
‚Ich habe in meinem näheren Umfeld nicht viele Freundinnen und Freunde, die
Eltern sind.‘ Einige Informationen habe er sich online zusammengesucht.
‚Viele haben Mühe damit, über ihre Ängste und Fragen zu
sprechen‘
‚Es ist heute immer noch so, dass sich Frauen viel stärker
aufs Elternsein vorbereiten als Männer‘, sagt Thomas Neumeyer, Leiter
Kommunikation von Männer.ch. Regelmäßige Arztbesuche und Beratungen der
werdenden Mutter seien Gründe dafür. Zudem sei ein Großteil der zur Verfügung
stehenden Literatur zu Kind und Geburt auf Frauen ausgerichtet.
Jungen Männern fehle es hingegen oftmals an Gelegenheiten,
sich über die zukünftige Rolle auszutauschen. ‚Auch haben viele Männer Mühe
damit, über ihre Ängste und Fragen zu sprechen.‘ Diese würden vielfach einfach
totgeschwiegen. ‚Das muss sich ändern.‘
Mit der Plattform Niudad.ch wollen Neumeyer und sein Team
deshalb den Austausch unter neuen Vätern aktiv fördern und ihnen in Kursen und
Beratungen die Möglichkeit geben, von den Erfahrungen anderer zu
profitieren.
Bei einer Geburt stehen die werdende Mutter und das Kind im Zentrum
des Geschehens. Das ist unbestritten. Ebenso unzweifelhaft ist jedoch,
dass zu diesem Zeitpunkt, vor und in den ersten Wochen nach der Geburt,
die Weichen für die zukünftige Arbeitsteilung in der Familie gestellt
werden.
Die überwiegende Mehrheit der jungen Männer und Frauen wünschen sich
eine partnerschaftliche Aufteilung von bezahlter Erwerbs- und nicht
bezahlter Familienarbeit. In der Realität passiert aber das Gegenteil.
Die werdenden Eltern kommen als fortschrittliches Paar in die
Geburtsklinik und verlassen den Kreißsaal mit einer Rollenaufteilung,
die eher der ihrer Großeltern ähnelt als den eigenen Vorstellungen.
Hans-Georg Nelles zeigt in diesem Beitrag auf, was das mit den Strukturen der Geburtshilfe zu tun haben könnte.
Gute Vorbereitung wäre angebracht
Die Entscheidung Vater zu werden, ist heute in den meisten Fällen
eine bewusste, auch wenn der Zeitpunkt nicht genau festgelegt werden
kann und von vielen Männern und Frauen weit in die 30er Jahre
hinausgeschoben wird, das heißt Mütter und Väter mit einer
Hochschulausbildung erst im Alter von 35 Jahren Eltern werden.
Berufliche Entwicklung und materielle Absicherung sind wichtig und die
‚richtige‘ Partner*in muss ja auch noch gefunden werden.
In Anbetracht dieser Vorlaufzeit ist es verwunderlich, dass der
Vorbereitung auf das Vaterwerden und -sein so wenig Bedeutung zugemessen
wird. Sobald eine Frau schwanger wird, greift ein engmaschiges Netz von
Schutzvorschriften im beruflichen Umfeld und Angebote zur
Geburtsvorbereitung sind selbstverständlich und werden von Krankenkassen
finanziert.
Bei den werdenden Vätern sucht Mann vergleichbares vergeblich. Viele
Arbeitgebende erfahren erst bei der Änderung von steuerlichen Eckdaten,
dass jemand Vater geworden ist und da Kinder zunehmend außerhalb einer
Ehe geboren werden noch nicht einmal dadurch.
Auch die Angebote für Väter, sich auf die Geburt ihres Kindes
vorzubereiten, sind eher die Ausnahme. Gewiss, Mann kann gemeinsam mit
seiner Partner*in zum ‚Hechelkurs‘ gehen und erhält wertvolle Infos zu
medizinischen Abläufen und dem Geburtsgeschehen, aber die eigenen
Gedanken und Befürchtungen zur Sprache bringen und sich mit anderen
Vätern auszutauschen ist in diesem Rahmen nicht möglich.
In dem Beitrag ‚Was bringen Geburtsvorbereitungskurse für Männer‘[ii]
werden bundesweit 18 Angebote gelistet. Selbst wenn sich die Angebote
in den vergangenen 6 Jahren verdreifacht hätten, wären es immer noch
Ausnahmeerscheinungen. (Werdende) Väter brauchen ein flächendeckendes
Angebot, das von Krankenkassen finanziert wird.
He for She?
Auf der Grundlage internationaler Forschungsergebnisse, die die
Zusammenhänge zwischen dem Verhalten, den Erfahrungen, Einstellungen und
Merkmalen von werdenden und neuen Vätern und der Gesundheit und
Wohlbefinden von Mutter und Kind aufzeigen, hat die
Weltgesundheits-organisation (WHO) eine der zehn Empfehlungen zu
Maßnahmen der Gesundheitsförderung von Müttern und Neugeborenen zur
Einbeziehung von Vätern formuliert.[iii]
Die WHO empfiehlt, die Beteiligung von Männern während der
Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt zu fördern, um die
Selbstsorge von Frauen und die häuslichen Pflegepraktiken für Frauen und
Neugeborene zu verbessern, den Einsatz qualifizierter Vorsorge für
Frauen und Neugeborene während der Schwangerschaft, der Entbindung sowie
in der postnatalen Periode zu erleichtern.
Das ist gut und wichtig, beschreibt die Rolle der Väter und ihre
Kompetenzen insbesondere mit Blick auf die Vater-Kind-Bindung aber nur
unzureichend.
Da fehlt doch einer
‚Mutter, Kind und Hebamme bzw. Ärzt*in‘ mit dieser Triade wird das
Geburtsgeschehen beschrieben. Das die werdende Mutter und das Kind im
Mittelpunkt der Betrachtung und des Geburtsgeschehens stehen, ist
selbstverständlich, aber ohne den Vater ist das System unvollständig.
Diese ‚Ausgrenzung‘ setzt sich vielfach in der nachgeburtlichen Betreuung fort:
„Deutlich wird, dass Familienhebammen weniger Familie im Sinne der
Konzeption, sondern vielmehr spezifische Formen von Mutterschaft
herstellen, die sich als „Mother in the Making“ also als unfertige
Mutterschaften beschreiben lassen und die durch die Familienhebamme in
ihrer Mutterwerdung unterstützt werden. Familie wird so zu einer
weiblichen Sorgebeziehung, die sich sowohl über Mutterschaft als auch
über Großmutterschaft nachzeichnen lässt: Familienhebammen werden zu
Mütterhebammen.“[iv]
Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, wenn Paare, die
mit der Vorstellung einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung in den
Kreißsaal gehen, diesen mit traditionellen Rollenzuschreibungen wieder
verlassen.
Eine gute Vorbereitung auf diese Situation und der Austausch unter
Väter kann dazu beitragen, die Wirkungen dieser ‚Ernährerfalle‘ zu
minimieren.
Weder Assistent noch Beifahrer
In dem 2016 auf 136 Seiten ausformuliertem ‚Nationalen Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘[v]
wird die Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt.
Unter anderem heißt es dort ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen
dazu ermutigt werden, sich von Anfang an in der Babyversorgung zu
engagieren und einen eigenen positiven Stil im Umgang mit dem
Neugeborenen zu finden‘.
Obwohl also Alles dafürspricht, (werdende) Väter rechtzeitig
einzubeziehen und als aktive Subjekte im Geburtsgeschehen zu betrachten,
werden sie hierzulande häufig immer noch als ‚Assistenten‘ oder
‚Beifahrer‘ betrachtet.
Die Rolle, die sie während der Geburt wahrnehmen können, ist für ihre
Partnerin da zu sein, den neuen Lebensabschnitt gemeinsam zu beginnen
und von Anfang an als Vater präsent zu sein. Dabei erleben sie sich
vielfach in einer völlig ungewohnten Situation: Sie haben keine
Kontrolle über das Geschehen und die Mächtigkeit der Gefühle führt sie
vielfach nicht nur emotional an ihre Grenzen, sondern manchmal sogar
darüber hinaus. Das Vertrauen in die Kompetenzen des geburtshilflichen
Teams und ihr Wissen um die natürlichen Abläufe sind in diesen Momenten
gute Stützen.
Außerdem unterstützen Väter, auch wenn sie nicht aktiv werden, ihre
Frauen bei der Geburt und haben eine wichtige ‚Bodyguard‘ Funktion im
Hinblick auf Gewalt und Respektlosigkeit.
Bedeutung zuschreiben und erfahrbar machen
Väter sind wichtig, und zwar von Anfang an. Und zwar von dem Moment
an, an dem ein Paar Eltern werden möchte. Die partnerschaftliche
Zuwendung der Väter während der Schwangerschaft einerseits und die
Zuschreibung väterlicher Bedeutung und Kompetenzen andererseits, lange
vor der Geburt, sind mitentscheidend für väterliches Engagement.
Wenn Väter diese Bedeutung dann während der Geburt und unmittelbar
danach gerade auch im Kontakt mit ihrem Kind erfahren können, sind
weitere wichtige Weichenstellungen erfolgt.
Wie Väter auf diese Situation vorbereitet werden können und welche
Rolle die verschiedenen Professionen dabei spielen, ist schon 2014 in
einer von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
veröffentlichten Broschüre[vi] benannt worden.
Ein entscheidender Faktor dabei ist die Haltung des geburtshilflichen
Teams gegenüber der Rolle sowie der aktiven Einbeziehung von Vätern.
Ihre gute Vorbereitung auf die Geburt kommt auch der werdenden Mutter
zugute. Studien zeigen, dass Väter, die ihre Rolle während der Geburt
kennen und verstehen, was dort geschieht, selbst besser vor übermäßigem
Stress geschützt sind und seltener Gefahr laufen, den Ablauf der Geburt
negativ zu beeinflussen. Das gilt insbesondere in den Momenten, in dem
es mal nicht „nach Plan läuft“, was aber auch völlig normal ist.
… und zum Schluss noch passende Rahmenbedingungen
Als Vision und Wunsch abschließend formuliert: um werdenden und
gewordenen Väter und Müttern die Verwirklichung ihres Wunsches nach
einer gleichberechtigten Aufgabenteilung zu ermöglichen braucht es,
neben den äußeren, passenden Rahmenbedingungen wie der
Vaterschaftsfreistellung[vii],
ein Angebot sich vor und nach der Geburt mit den oben genannten Themen
auseinanderzusetzen. Und zwar an den Orten und zu den Anlässen, die
Väter und Mütter sowieso gemeinsam oder getrennt aufsuchen und nutzen.
Die Geburtsvorbereitung gehört in jedem Fall dazu. Es braucht aber neben
den Hebammen weitere (männliche) Akteure und Angebote für Väter, vor
allem für die Zeit nach der Geburt.
Damit dies Wirklichkeit werden kann, kommt es aber auch darauf an,
(werdende) Väter so zu empowern, dass sie ihre Bedürfnisse artikulieren
und entsprechende Angebote einfordern.
Bericht zum Werkstattgespräch der LAG-Väterarbeit am 26. Oktober
Das in einem Strategiepapier des ‚Runden Tischs Eltern
werden‘ zur guten Geburt gefordert wird, Mutter und Kind als rechtliche Subjekte
in der Geburtshilfe zu betrachten, zeigt auf, dass dort einiges schiefläuft.
In seinem Impuls ‚Väter in der Geburtshilfe – systemische Perspektiven‘
zeigte Hans-Georg Nelles einige der ‚Krisensymptome‘ auf: Schließung von ‚unrentablen‘
Kreißsälen, fehlende Hebammen und werdende Väter, die während der Pandemie die
Geburt auf den Gängen der Krankenhäuser oder im kalten Auto begleiten mussten.
Dies sind in seinen Augen aber nur Symptome der eigentlichen Krise, die seiner
Auffassung darin besteht, dass Väter im Geburtshilfesystem nicht als Subjekte betrachtet
und vielfach noch nicht einmal in den Blick genommen werden. So erleben
92%
der Väter nehmen an Vorsorgeuntersuchungen teil, aber 61% berichten, dass
ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden ist
Väter
haben keinen formalen Status bei der Geburtsvorbereitung, selbst ihr Name
wird nicht erfasst. Lediglich 16 % der Väter werden während der Geburt
nach ihrem Befinden gefragt.
Wenn
‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden und deutlich gemacht
wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung von Vätern bei der
Nachsorge von ca. 20% auf bis zu 70%
Ergebnisse der Väterforschung zeigen auch, dass Väter, die
bei der Geburt dabei sind, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, ihre Kinder
häufiger wickeln, ihre Kinder öfter am Körper tragen, häufiger mit ihrem Kind
an der frischen Luft unterwegs sind sowie sicherer im Umgang mit dem Kind sind
und mehr Spaß daran haben. Dieses Engagement profitiert auch die Partnerschaft.
In dem Beitrag ging der Referent auch auf gute Beispiele ein,
Studien des Fatherhoodinstitute aus Großbritannien und die Initiative Erzählcafé,
die einen Kostenlosen Flyer für Väter entwickelt hat.
Um Veränderungen im System Geburtshilfe zu bewirken sind
jedoch weitere Initiativen und politische Maßnahmen erforderlich. Eine
bundesweite Befragung von Hebammen zu ihren Erfahrungen mit Vätern bei der
Geburtsvorbereitung und unter der Geburt könnten dem Thema Aufmerksamkeit
verleihen. Auch bei der momentan laufenden Umstellung der Hebammenausbildung
könnte darauf hingewirkt werden, das gesamte System werdende Familie in den
Blick zu nehmen und die Rolle der Hebammen bei der (Te-) Konstruktion
traditioneller Rollenbilder zu reflektieren. Im politischen Raum geht es vor
diesem Hintergrund vor allem darum:
Die Bedeutung von Hebammen für das Paar im
Übergang in die Elternschaft mit den psychosozialen Aspekten bei der
akademischen Ausbildung angemessen zu berücksichtigen
Fortbildungsangebote, Informationskampagnen durchzuführen
sowie die Zusammenarbeit mit Hebammenverbänden zu intensivieren, um das Thema
zu etablieren und auch den Nutzen zu kommunizieren, der der Hebammenarbeit
durch die Einbeziehung der Väter zugutekommt.
Neben der Sensibilisierung im Rahmen von Aus-
und Fortbildung muss diese Aufgabe der Hebammen vom Gesetzgeber und den
Krankenkassen ausdrücklich zugeschrieben und honoriert werden.
Damit dies Wirklichkeit werden kann kommt es darauf an, (werdende)
Väter so zu empowern, dass sie ihre Bedürfnisse artikulieren und entsprechende
Angebote einfordern.
Die Teilnehmenden des Werkstattgesprächs, die allesamt
beruflich mit der Beratung und Begleitung von Vätern und Müttern rund um die
Geburt befasst sind, tauschten sich im anschließenden Gespräch über ihre
Erfahrungen mit der ‚Missachtung‘ von Vätern aus. Ein trauriges Resümee: die
traumatisierenden Erfahrungen von Vätern unter der Geburt haben signifikant
zugenommen, während es so gut wie keine Angebote für Väter gibt. Vielfach ist die
Diagnose ‚postnatale Depression‘ bei Vätern selbst beim Fachpersonal nicht
bekannt.
Ein weiterer Schwerpunkt des Gesprächs war die Frage,
inwieweit es sinnvoll ist im Rahmen der Geburtsvorbereitung Risiken zu
thematisieren. Ja, das ist wichtig, es geht dabei nicht darum, die (Vor-)
Freude auf die Geburt zu trüben, sondern das Paar in die Lage zu versetzen, zum
Beispiel im Fall einer ungeplanten Sectio handlungsfähig zu sein und im
Gespräch zu bleiben.
Stefanie Schmid-Altringer, die Initiatorin der Erzählcafés fasste
die Aufgaben der Väter, nicht nur in solchen Situationen, folgendermaßen
zusammen:
Sie unterstützen die Mutter bei der Geburt
Sie haben eine Bodyguard Funktion im Hinblick
auf Gewalt und Respektlosigkeit
Sie achten auf sich selbst (Selbstfürsorge)
Sie sind als Patient auch rechtliches Subjekt im
System
Ein Ergebnis des Gesprächs ist, eine Umfrage unter Vätern
und Expert*innen durchzuführen und zu erfragen, was Väter im Kontext dieses
existenziellen Lebensereignisses brauchen.
Vater werden und sein verändert alles. Diese an sich
triviale Aussage verweist auf die Großartigkeit des Ereignisses einer Geburt
und die Komplexität der Wirkungen, die sie auslöst. Sie zeigt aber auch auf die
Fülle der Möglichkeiten auf, die Hebammen und andere haben, werdende Väter und
Mütter auf diesem Weg zu begleiten und sie auf das dieses Ereignis und die
folgenden Jahrzehnte vorzubereiten. Mehr als 90 Prozent der werdenden Väter
sind bei der Geburt ihres Kindes dabei und eine gute Vorbereitung wirkt sich
nicht nur auf den Geburtsverlauf positiv aus.
Wenn Männer Väter werden, wollen sie nicht nur beruflich
weiterhin erfolgreich, sondern gleichermaßen auch gute Väter sein. Das bedeutet
in erster Linie, Zeit haben, für die Kinder da zu sein, präsent zu sein, ihre
Entwicklung zu begleiten und zu fördern, ihnen die besten Möglichkeiten für
einen guten Schulabschluss zu verschaffen sowie möglichst viele Risiken des
Alltags von ihnen fernzuhalten. Also ein durch und durch fürsorglicher Vater zu
sein.
Im Hinblick auf die Partnerschaft und die Partnerin steht
der Anspruch, sich anfallende Aufgaben partnerschaftlich aufzuteilen und nicht
in traditionelle Rollenmuster zurückzufallen, im Raum. Eltern werden, Partner
bleiben. Die große Herausforderung bei der Umsetzung dieser Ansprüche ist, dass
Väter (und Mütter) kaum auf erprobte Muster und Rollenmodelle zurückgreifen
können und sich einen eigenen Weg suchen müssen. Es ist zwar inzwischen viel zu
diesem Thema geschrieben worden, aber verwirklichen müssen Mann und Frau ihren
Traum von einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung, einer geteilten
Verantwortung für die Kinder und genügend Gelegenheiten für die Pflege der
Paarbeziehung schon selber.
Erfahrungen und Studienergebnisse (BMFSFJ, 2011) zeigen,
dass die gewählten Lebensmodelle vielfach nicht Ergebnis zielgerichteter
Aushandlungsprozesse sind, sondern Paare vor dem Hintergrund vermeintlich
rationaler Gründe nach der Geburt dort ‚hineingeschliddert‘ sind und Väter sich
mehr oder weniger freiwillig auf die traditionelle Rolle des Ernährers und
Assistenten in der Familie einlassen.
Was Väter brauchen, sind passende Erwartungshaltungen,
Rahmenbedingungen und Wertschätzungsstrukturen. Es kommt vor allem darauf an,
dass es völlig normal sein wird, beruflichen Erfolg und fürsorgliches Verhalten
in Familie und anderswo nicht mehr als Gegensätze zu denken, sondern als
gegenseitige Ergänzung und Bereicherung.
In dem Zeitraum zwischen der Entscheidung Vater und Mutter
werden zu wollen und der Geburt, der in den meisten Fällen länger als die 280
Tage der Schwangerschaft umfasst, werden nicht nur Pläne geschmiedet und das
‚Nest‘ hergerichtet, sondern die Weichen dafür gestellt, ob die Vorstellungen
sich Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich aufzuteilen gelingen können oder
nicht.
Auf die Vorbereitung kommt es an
Auf der Grundlage internationaler Forschungsergebnisse, die
die Zusammenhänge zwischen dem Verhalten, den Erfahrungen, Einstellungen und
Merkmalen von werdenden und neuen Vätern und der Gesundheit und Wohlbefinden
von Mutter und Kind aufzeigen, hat die Weltgesundheits-organisation (WHO) eine
der zehn Empfehlungen zu Maßnahmen der Gesundheitsförderung von Müttern und
Neugeborenen zur Einbeziehung von Vätern formuliert.
Die WHO empfiehlt, die Beteiligung von Männern während der Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt zu fördern, um die Selbstsorge von Frauen und die häuslichen Pflegepraktiken für Frauen und Neugeborene zu verbessern, den Einsatz qualifizierter Vorsorge für Frauen und Neugeborene während der Schwangerschaft, der Entbindung sowie in der postnatalen Periode zu erleichtern, und die Einrichtung für Geburtshilfe rechtzeitig zu nutzen falls es Komplikationen bei den Neugeborenen gibt.
Neben dieser auf die
Gesundheit von Mutter und Kind bezogenen Perspektive, die für sich genommen
schon Grund genug ist, Väter während der Schwangerschaft, bei der
Geburtsvorbereitung, der Geburt und der Zeit danach aktiv einzubeziehen, gibt
es weitere, ebenfalls wissenschaftlich gut belegte Gründe, dies zu tun.
Die Gesundheit der
Väter und ihre Beziehung zu dem ungeborenen Kind haben einen großen Einfluss
darauf, in welchem Maße sie sich an der Erziehung des Kindes beteiligen und
Ressourcen für seine gelingende Entwicklung zur Verfügung stellen.
In dem 2016 auf 136
Seiten ausformuliertem ‚Nationalen Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘ wird die
Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt. Unter anderem heißt
es dort ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich
von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven
Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden‘.
Ansprüche und
Wirklichkeiten
Obwohl also Alles
dafürspricht, (werdende) Väter rechtzeitig einzubeziehen und als aktive
Subjekte im Geburtsgeschehen zu betrachten, werden sie hierzulande häufig immer
noch als ‚Beifahrer‘ (BZgA 2011) betrachtet. In Großbritannien, wo bereits 2006
im Nationalen Gesundheitssystem ein Paradigmenwechsel zugunsten der
Einbeziehung von Vätern stattgefunden hat, zeigen gerade veröffentlichte
Befragungsergebnisse, dass dieser empfohlene Wandel auch dort noch längst nicht
überall praktiziert wird. (Thorpe, 2018)
92% der Väter nehmen an den Vorsorgeuntersuchungen teil,
aber 61% berichten, dass ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt
angesprochen worden ist
Väter haben keinen formalen Status bei der
Geburtsvorbereitung, selbst ihr Name wird nicht erfasst. Lediglich 16 %
der Väter werden während der Geburt nach ihrem Befinden gefragt.
Wenn ‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden
und deutlich gemacht wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung
von Vätern bei der Nachsorge von ca. 20% auf bis zu 70%
Ein Blick hinter die Kulissen
Zu der Thematik liegen vor allem Praxis- und
Forschungsberichte aus dem angelsächsischen Raum vor. Auf der Website www.familyincluded.com werden diese seit 2015 systematisch
ausgewertet, thematisch gelistet und zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist
nach der Erklärung der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2013, in der erklärt
wurde, dass die Zusammenarbeit mit den Vätern eine globale Priorität für die
Gesundheitsversorgung von Müttern haben sollte, und vor dem Hintergrund, dass
es weder Pläne noch Ressourcen gab, um dies umzusetzen, entstanden. Als
Haupthindernisse für die tatsächliche Einbeziehung von Vätern werden dort
folgende Punkte identifiziert:
Das erste Problem ist die Professionalisierung und die
Perspektive auf die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen. Häufig wird diese
Gesundheitsversorgung als eine Angelegenheit betrachtet, die sich nur zwischen
dem Gesundheitspersonal und der „Patientin”, in diesem Fall der
Schwangeren abspielt.
Das zweite Problem ist die Sorge um die Gleichberechtigung
der Geschlechter. Fast alle Familien umfassen Männer, und sie haben oft mehr
vor allem finanzielle Ressourcen. Wenn man sie in die Pflege einbezieht, so
wird befürchtet, könnte dies dazu führen, dass die Autonomie der Frauen
eingeschränkt wird und die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Familien
nicht in Frage gestellt werden. Diese Aussage spiegelt die Tatsache wider, dass
zahlreiche Forschungsprojekte in Ländern mit noch ausgeprägteren patriarchalen
Strukturen durchgeführt werden.
Hierzulande geht es vor allem darum, Väter für eine
Beteiligung in Familie und an den in der Familie zu erledigenden Arbeiten zu
gewinnen und zwar von Anfang an. Für den deutschsprachigen Raum liegen zwei
Untersuchungen vor, die die von ‚Family Included‘ identifizierten Hindernisse
bestätigen.
Marion Müller und Nicole Zilien (2016) verifizieren in ihrem
Forschungsprojekt die Ausgangsthese, „dass die heutigen
Geburtsvorbereitungskurse durch ihre Ausgestaltung Geschlechterdifferenzen
hervorheben, diese weiterhin mit geschlechterdifferenzierenden Zuschreibungen
häuslicher Arbeit koppeln und durch eine wissenschaftlich gestützte
Naturalisierung legitimieren. Geburtsvorbereitungskurse bahnen demnach bereits
in der pränatalen Phase eine geschlechterdifferenzierende Arbeitsteilung an und
lassen sich deshalb als Institutionen der Retraditionalisierung
interpretieren.“
Lisa Maria Groß (2017) kommt in ihrer Arbeit ‚Väter als
Adressaten in Frühen Hilfen? Über die Konstruktion von Väterlichkeit im
professionellen Handeln von Familienhebammen‘ zu dem Ergebnis, „In Interviews mit Familienhebammen und ethnographischen
Beobachtungsprotokollen von Hausbesuchen zeigt sich allerdings eine Mütterorientierung
im professionellen Handeln von Familienhebammen, die zu einer sekundären
Adressierung der Väter hinsichtlich innerfamilialer Sorgetätigkeiten bis hin
zur Exklusion väterlicher Fürsorge aus dem Binnenraum der Familie
führt.“
Die Vorbereitung des geburtshilflichen Teams auf die
Väter
Wie Väter auf die Geburt vorbereitet werden können und
welche Rolle die verschiedenen Professionen dabei spielen, hat schon 2014 das,
in einer von der Bundeszentrale für gesundheitliche veröffentlichten Broschüre,
Ergebnis einer multiprofessionellen Arbeitsgruppe deutlich gemacht. (BZgA 2014)
Ein entscheidender Faktor dabei ist die Haltung gegenüber
der Rolle sowie der aktiven Einbeziehung von Vätern. Ihre gute Vorbereitung auf
die Geburt kommt auch der werdenden Mutter zugute. Studien zeigen, dass Väter,
die ihre Rolle während der Geburt kennen und verstehen, was dort geschieht,
selbst besser vor übermäßigem Stress geschützt sind und seltener Gefahr laufen,
den Ablauf der Geburt negativ zu beeinflussen. Das gilt insbesondere in den
Momenten, in dem es mal nicht „nach Plan läuft“, was aber auch völlig normal
ist. (Schäfer, Abu Dakn 2008)
Die Rolle, die sie während der Geburt wahrnehmen können, für
ihre Partnerin da zu sein, den neuen Lebensabschnitt gemeinsam zu beginnen und
von Anfang an als Vater präsent zu sein. Dabei erleben sie sich vielfach in
einer völlig ungewohnten Situation: Sie haben keine Kontrolle über das
Geschehen und die Mächtigkeit der Gefühle führt sie vielfach nicht nur
emotional an ihre Grenzen, sondern manchmal sogar darüber hinaus. Das Vertrauen
in die Kompetenzen des geburtshilflichen Teams und ihr Wissen um die
natürlichen Abläufe sind in diesen Momenten gute Stützen.
Dieses Vertrauen kann im Vorfeld der Geburt durch
verschiedene Angebote zur Geburtsvorbereitung in den Geburtskliniken und den
Kursen der Hebammen bzw. der Familienbildung gebildet werden. Dabei geht es
verständlicherweise vorrangig um die biologischen Abläufe der Geburt und die
Vorbereitung der Mütter darauf, um ihre Bedürfnisse, Ängste und Sorgen.
Darüber hinaus sind aber zwei weitere Ebenen der
Vorbereitung auf die Geburt und vor allem die Zeit danach für Väter von großer
Bedeutung. Die gemeinsamen Planungen der werdenden Eltern für die Zeit zu Dritt
und der Austausch des werdenden Vaters mit anderen Männern.
Einbeziehung von Vätern nutzt partnerschaftlicher
Aufgabenteilung
Die Entscheidung Eltern werden zu wollen, ist heute eine
bewusste, auch wenn eine exakte Planung nicht garantiert ist. Im Rahmen dieses
Prozesses können Fragen der beruflichen Weiterentwicklung, der familiären
Arbeitsteilung und auch die Vorstellungen zu den Rollen als Mutter und Vater sowie
die Erfahrungen und Prägungen in der eigenen Herkunftsfamilie thematisiert
werden. In ihrem Papa Handbuch beschreiben die Autoren eine Fülle von
praktischen Möglichkeiten dazu. (Richter, Schäfer 2020)
Darüber hinaus gibt es eine Fülle an ‚Väterthemen und fragen‘,
die am besten bearbeitet werden können, wenn Väter unter sich sind und diese
Phase auch von einem erfahrenen Mann und Vater betreut wird:
Welche Wünsche und Befürchtungen habe ich für
die Geburt?
Will ich bei der Geburt dabei sein? Was will ich
sehen, was nicht?
Was ist mir wichtig für die erste Zeit zuhause?
Welche Bedeutung habe ich als Vater für die
Entwicklung des Kindes?
Wie kann ich meine Vaterkompetenzen entfalten?
Wie entwickelt sich das Verhältnis zu meiner
Partnerin, wenn sie auch Mutter ist?
Was ist mit dem Sex in der Schwangerschaft und
nach der Geburt?
Wie kann es gelingen, dass wir auch als Vater
und Mutter die Verantwortung für finanzielle Versorgung der Familie und die
dort anfallenden Care-Aufgaben partnerschaftlich aufteilen?
Die Möglichkeit, sich mit anderen Vätern darüber auszutauschen,
haben einen bedeutenden Einfluss auf das spätere Geburtsgeschehen. Derart
vorbereitet können Väter vom geburtshilflichen Team als unmittelbar Beteiligte
des Geschehens wahrgenommen und als Personen mit eigenen Bedürfnissen und
eigenem Erleben angesprochen und einbezogen werden.
Diese „Männerrunden“ sind teilweise schon Praxis bei der
Geburtsvorbereitung. Darüber hinaus gibt es an wenigen Orten spezielle Angebote
für werdende Väter. (Mens Health 2016)
Ergebnisse eines Praxisprojekts in NRW
Ein vom Familienministerium in NRW gefördertes Praxisprojekt
beschäftigte sich mit der Fragestellung, wie die Einbeziehung von Vätern im
Rahmen der Geburtsvorbereitung durch Hebammen gefördert werden kann. Im Zentrum
standen dabei die Entwicklung und Erprobung eines Fortbildungs-Curriculums.
(Nelles 2020)
Die Annahme, Väter und Mütter im Kontext der
Geburtsvorbereitung durch Hebammen anzusprechen und dort das Anliegen
‚partnerschaftliche Aufgabenteilung‘ zu thematisieren hat sich bestätigt, da in
diesem Zeitraum entscheidende Weichenstellungen vorgenommen werden und mehr als
90 % der Väter an der Geburt und, zumindest beim ersten Kind, auch an
angebotenen Kursen zur Vorbereitung teilnehmen.
Auf der Basis freiwilliger Fortbildungen für Hebammen lässt
sich das Ziel, partnerschaftliche Aufgabenteilung im Rahmen der
Geburtsvorbereitung zu thematisieren jedoch nicht erreichen. Das liegt zum
einen, an der von der, an den unterschiedlichsten Stellen beschriebenen Haltung
der Hebammen, Frauen und Männern traditionelle Rollen zuweisen und selbst wenn
sie Angebote für Väter machen, diesen Unterstützungs- und Assistentenaufgaben
zuweisen.
Auf der anderen Seite sind es strukturelle Rahmenbedingungen
wie Personalschlüssel in Kliniken und der Blick der dort arbeitenden Gynäkologen
auf die Hebammen sowie die schlechte Bezahlung von letzteren. Dazu kommt die
Akademisierung der Hebammenausbildung und die Umsetzung der entsprechenden
Verordnungen und die Sicherstellung der praktischen Ausbildungsanteile auf den
‚letzten Drücker‘.
Die Neuaufstellung der Hebammenausbildung bietet, zumindest
theoretisch, die Chance, die Themen ‚Bedeutung von Vätern‘ und ‚Aufstellung der
Akteure im System Familie‘ in den neuen Curricula zu verankern zumal es in der
Anlage 1 der ‚Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen des
Bundesministeriums für Gesundheit‘, in der die Kompetenzen von Hebammen
aufgeführt sind, ausdrücklich heißt: [ sie] ‚verfügen über Kenntnisse … über Prozesse der Familiengründung und bereiten
die schwangere Frau und ihre Familie ihrer individuellen Lebenssituation
entsprechend auf die Geburt, das Wochenbett und die Elternschaft vor …‘ (BMG
2019)
Um die Chance, die Themen im Rahmen der zu erarbeitenden
neuen Ausbildungsordnungen breiter zu verankern, wird es aber notwendig sein,
mit Unterstützung bereits im System tätigen Akteur*innen, Professor*innen mit
ausgewiesener Väterexpertise und Praktikern der Väterbildung zunächst eine
Expertise und darauf aufbauend Bausteine für die universitären Lehrpläne zu
entwickeln.
Ein anderer Ansatzpunkt die Themen in bestehenden
Geburtsvorbereitungskursen zu verankern sind die Qualitätsstandards. Die Kurse
werden, zumindest für die Frauen, von den gesetzlichen Krankenkassen
finanziert. Jede Hebamme, die derartige Kurse anbietet kann sie über die
Krankenkassen abrechnen. Diese könnten also mit entsprechenden Standards auch
Einfluss auf die Inhalte ausüben
Fazit
Als Vision und Wunsch abschließend formuliert: um werdenden
und gewordenen Vätern und Müttern die Verwirklichung ihres Wunsches nach einer
gleichberechtigten Aufgabenteilung zu ermöglichen braucht es, neben den
äußeren, passenden Rahmenbedingungen, ein Angebot sich vor und nach der Geburt
mit den oben genannten Themen auseinanderzusetzen. Und zwar an den Orten und zu
den Anlässen, die Väter und Mütter sowieso gemeinsam oder getrennt aufsuchen
und nutzen. Die Geburtsvorbereitung gehört in jedem Fall dazu. Es braucht aber
neben den Hebammen weitere (männliche) Akteure und Angebote für Väter, vor
allem für die Zeit nach der Geburt.
Im System der Geburtshilfe rumort es. Immer mehr
Geburtskliniken schließen, aus Mangel an Hebammen oder Renditegründen. Während
der Pandemie wurden Väter ganz oder teilweise bei Vorsorgeuntersuchungen und
der Geburt ausgeschlossen und auch wenn sie dabei sein dürfen, fühlen sich
Väter vielfach nicht einbezogen.
Es gibt zwar seit 2016 ein auf 136 Seiten ausformuliertes
‚Nationales Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘, aber die von vielen Seiten
erhobene Forderung nach einem ‚Geburtsgipfel‘ und der im Frühjahr gestarteten
Initiative ‚Bündnis Gute Geburt‘ verdeutlichen den tatsächlichen
Handlungsbedarf.
Dort ist die Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt, ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden.‘ Die Wirklichkeit ist von dieser bereits 2008 formulierten Vision weit entfernt, das macht auch eine anlässlich der ‚Weltstillwoche‘ veröffentlichte Befragung deutlich. Es braucht passende Rahmenbedingungen damit aus dem ‚Sollen‘ und ‚Wollen‘ tatsächliches Handeln wird.
Bei der Gestaltung von ‚passenden‘ Rahmenbedingungen gibt es
sicherlich Spielräume. Um diese auszuloten haben wir eine Kurzumfrage entworfen
und bitte Sie, sich 2 Minuten Zeit für eine Beantwortung zu nehmen.
Bei einem Werkstattgespräch am 26. Oktober werden wir die Ergebnisse präsentieren, Eckpunkte zu Veränderungen in der Geburtshilfe aus der Perspektive der Väter formulieren und diese in die aktuelle Diskussion einordnen.
Du bist schon lange in der Geburtsvorbereitung für Väter tätig.
Wie war der Blick darauf, als du mit dieser Arbeit begonnen hast?
Ja, ich habe damit angefangen 2004. Also das ist jetzt
wirklich 18 Jahre her. Das heißt, die Geburtsvorbereitung ist jetzt endlich
volljährig. Wir haben damals ein Projekt gestartet, noch mit Martin Verlinden
im Sozialpädagogischen Institut. Es gab schon ein bisschen Geburtsvorbereitung
für Väter, die war unstrukturiert, noch nicht wirklich aufgearbeitet, auch
nicht evaluiert. Und salopp würde ich jetzt sagen, dass man die Väter in der
Regel davon überzeugen musste, an diesen Stunden teilzunehmen, weil die selber
wenig davon gehört hatten, und wenig Ideen hatten im Zusammenhang mit der Geburtsvorbereitung.
Die war und ist weiblich konnotiert und die Väter kamen da überhaupt nicht vor.
Die Väter konnten dann in der Regel mit dem Angebot super
viel anfangen, waren im Nachhinein sehr überrascht, fanden das toll, waren aber
sozusagen von der Erwartungshaltung mehr auf so technische Dinge eingestellt,
die eine Geburt mitbringt: wie atmen, Stellungen einnehmen, Frau unterstützen,
das war so der Fokus. Und die eigenen Themen, die eine Rolle spielten, waren
selten Gegenstand. Es waren eher die Erwartungsfragen, die wir damals an die
Väter gerichtet haben. Im Nachhinein war das Feedback aber häufig so, dass da
der Wunsch geäußert wurde, sich mehr unter Vätern zu treffen, dass der Fokus
auf die eigene Befindlichkeit während des Geburtsvorgangs als hilfreich
empfunden wurde. Also auch solche Fragen, wie: Was kann ich machen, wenn es mir
zu viel wird? Wo bleibt meine eigene Unversehrtheit? Und so weiter. Und es war
auch häufig dieser Aspekt: Wir sind ja Männer. Wir werden Väter. Wenn das Kind
auf der Welt ist, dann wird es für uns viel interessanter. Da bestand viel
Bedarf, dazu mehr Informationen zu bekommen.
Also wie baue ich eine gute Beziehung auf? Wie gehe ich mit
dem Kind um, wenn meine Frau das eigentlich viel mehr für sich vereinnahmt? Wie
regle ich das mit dem Arbeitgeber? Damals war das Elterngeld und die Novelle
des Gesetzes gerade neu, aber noch nicht so differenziert, wie wir es jetzt
haben. Also da gab es viel Beratungsbedarf in die Richtung für die Zeit nach
der Geburt. Was Väter für sich tatsächlich als Thema dann begriffen hatten. Ich
kann mich erinnern, dass ich auch bei Hebammen viel Überzeugungsarbeit leisten
musste, weil das in dem Feld damals noch nicht üblich war und manchmal sogar
auch als Angriff verstanden wurde, dass da jetzt Männer kommen und in ein
weiblich konnotiertes Feld hineinarbeiten wollen. Also das war auch immer viel
Überzeugungsarbeit, dann meinen Standpunkt zu erklären und meinen Ansatz und
den Nutzen, der natürlich ein riesengroßer Synergieeffekt ist, darzulegen.
Und ich fand es dann spannend, als dann die Familienhebamme
quasi „geboren“ wurde und sich dann auch über die frühen Hilfen, die damals eingeführt
wurden, das Thema Gewaltprävention auch auf dem Plan stand. Ich habe versucht,
da wissenschaftlich so ein bisschen mehr zu argumentieren und die
Geburtsvorbereitung auch als Gewaltprävention zu etablieren.
Ich habe versucht, den Kurs auch unter verschiedenen
Akzenten zu differenzieren: bildungsgewohnte Väter, Väter mit
Migrationshintergrund, Väter aus sozial schwächer strukturierteren Familien,
Väter in der Stadt, auf dem Land und so weiter. Das war allerdings nur bedingt
möglich, weil vor allem bildungsgewohnte Väter Zugänge zur Geburtsvorbereitung hatten.
Was hat sich seitdem verändert?
Vor allem ist es das Selbstverständnis, das sich sehr stark
verändert hat und das in zwei Richtungen. Auf der einen Seite gibt es ein
Umdenken. Die neuen Väter, die sich ja mittlerweile fragen, ob sie nicht
vielleicht auch neue Mütter bräuchten, die sind ja damals „erfunden“ und haben
sich ja auch weiterentwickelt. Nicht nur zahlenmäßig, wir wissen es von den
ganzen Untersuchungen, neben den ganzen Bekunden mehr Carearbeit machen zu
wollen, gibt es ja tatsächlich auch Väter, die dies machen. Und auf der anderen
Seite, das habe ich immer wieder festgestellt, es ist wichtig, wenn Politik
Rahmenbedingungen schafft, die Gesellschaft aufgreifen kann. Und durch die
Veränderungen des Elterngeldes in vor allem der Elternzeit ist tatsächlich das
Bedürfnis der stillen Gruppe der Väter, die sich gerne auch mehr engagieren,
getroffen wurden. Und es waren diese beiden Bewegungen, die dazu geführt haben,
dass das Thema mittlerweile selbstverständlich ist.
Mein Kurs ist im letzten Jahr auch in einem Fernsehfeature aufgenommen
worden. Und es wurde immer wieder bekräftigt, ja, das ist eine super Sache.
Warum gibt es das eigentlich so wenig?
Die Väter melden sich heute selbst an. Wir haben keinen Kurs, der auch nur einen Platz frei hätte. Es gibt einen Riesenbedarf, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, weil immer mehr verstanden wird, dass diese ganzen „weichen“ Themen wie Bindungen, Beziehungen aufbauen, Regulation, Gesundheitsprävention einfach eine große Bedeutung haben. Es gibt mittlerweile ein unübersichtliches Angebot an Büchern, Ratgebern, Podcasts und Sendungen, die Geburtsvorbereitung für Väter hat vor diesem Hintergrund an Bedeutung gewonnen und ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden, zumindest in der Stadt Was mich sehr freut.
Das ist eine zentrale Aussage in dem Strategiepapier des ‚Runden
Tisches Elternwerden‘ das im Februar letzten Jahres erstmals veröffentlicht und
im August aktualisiert wurde. Dieser Aussage können wir uneingeschränkt
zustimmen. In unseren Augen braucht es aber es aber auch einen
Paradigmenwechsel im System der Geburtshilfe.
Und zwar was die Bedeutung der Väter angeht: werdende Väter sind neben den
Hebammen und dem ärztlichen Personal wichtige Akteure im gruppendynamischen
Geschehen einer Geburt. Ihre Handlungen beeinflussen den Geburtsprozess, die
Geburt selbst wirkt nachhaltig auf sie.
Die Vorbereitung auf die Geburt und das Vatersein, die Zuschreibung und das
Erleben der eigenen Bedeutung und Selbstwirksamkeit sind prägende
Weichenstellungen für zukünftiges väterliches Engagement und die Stabilität der
Paarbeziehung.
Mit den damit zusammenhängenden Themen und Herausforderungen werden
wir uns in diesem und dem kommenden Monat beschäftigen.
Väter ansprechen und erreichen
Väter sind schwer zu erreichen und Angebote, die in Kitas und
Familienzentren gemacht werden, kommen häufig nicht zustande, weil sich zu
wenige Väter anmelden.
Auf der anderen Seite wollen Väter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und
suchen nach passenden Angeboten und Möglichkeiten sich mit anderen Vätern
auszutauschen.
Die Geschäftsstelle der LAG-Väterarbeit möchte dazu beitragen dieses Dilemma aufzulösen und bietet dazu Vorträge und Fortbildungen an, die Beschäftigten verschiedener Einrichtungen oder auch einzelnen Teams die Möglichkeit gibt, sich intensiv mit einem Thema auseinanderzusetzen und ihre Arbeit mit und die Angebote für Väter weiterzuentwickeln. Mögliche Themen sind: ‚Grundlagen der Arbeit mit Vätern‘, ‚Väter ansprechen und erreichen‘, ‚Wie ticken Väter eigentlich?‘, ‚Die Bedeutung von Vätern für die Entwicklung von Kindern‘, ‚Väter in den frühen Hilfen‘ …
Melden Sie sich einfach telefonisch oder per Mail bei uns. Die
Kontaktdaten finden Sie am Ende des Newsletters.
… mir fehlt vor allem eine systemische Perspektive
In den vergangenen beiden Monaten standen Väter und Kinder, die Opfer
von Gewalt geworden sind, im Blickpunkt.
Bei dem Werkstattgespräch am 12.
August berichtete Tobias Schiefer über die Arbeit der Männerschutzwohnungen in
Düsseldorf: Ziele des Schutzkonzepts, das mit regelmäßiger Beratung verbunden
ist, sind Schutz-, Rückzugs- und Wohnraum für einen begrenzten Zeitraum zur
Verfügung zu stellen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt ca. 3
Monate.
Im Mittelpunkt der Arbeit mit den Klienten steht deren psychische
Stabilisierung und Entlastung sowie die Stärkung der Handlungsfähigkeit und der
Selbstbestimmung. Perspektivisch geht es um die persönliche Weiterentwicklung
und Neuorientierung außerhalb der ‚Gewaltbeziehung‘ sowie die Vermittlung
weiterführender Hilfen.
In einem Interview mit Christoph Liel vom Deutschen Jugend Institut in München
äußerte er sich unter anderem zu den zukünftigen Bedarfen in diesem
Hanlungsfeld:
„Ich finde schon, dass es in Bezug auf Väter große blinde Flecken gibt, und
zwar sowohl in der Praxis wie auch in der Forschung. Und zwar im gesamten
erweiterten Kontext des Kinderschutzes. Weil Väter da häufig keine oder eine
untergeordnete Rolle spielen, obwohl sie sowohl eben als Gefährder für Kinder
auftreten können, wie auch als Unterstützer in der familiären Situation. Und da
brauchen wir sehr viel mehr Wissen.“ Die Aufzeichnung des Gesprächs können Sie hier nachlesen und
hören.
Welchen Kulturwandel brauchen Väter in der Geburtshilfe – aktuelle Eckpunkte und Perspektiven
Im System der Geburtshilfe rumort es. Immer mehr Geburtskliniken
schließen, aus Mangel an Hebammen oder Renditegründen. Während der Pandemie
wurden Väter ganz oder teilweise bei Vorsorgeuntersuchungen und der Geburt
ausgeschlossen und auch wenn sie dabei sein dürfen, fühlen sich Väter vielfach
nicht einbezogen.
Es gibt zwar seit 2016 ein auf 136 Seiten ausformuliertes ‚Nationales
Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘, aber die von vielen Seiten erhobene Forderung
nach einem ‚Geburtsgipfel‘ und der im Frühjahr gestarteten Initiative ‚Bündnis
Gute Geburt‘ verdeutlichen den tatsächlichen Handlungsbedarf.
In dem Werkstattgespräch am 26. Oktober wird Hans-Georg Nelles, der u.a.
bei der Broschüre der BZgA ‚Väter auf die Geburt vorbereiten – Informationen
und praktische Tipps für Fachkräfte‘ mitgewirkt hat, Eckpunkte einer Reform in
der Geburtshilfe aus der Perspektive der Väter präsentieren und diese in die aktuelle
Diskussion einordnen.
Zu dem Werkstattgespräch können Sie sich hier anmelden
Jeder Mann sollte mit gutem Gefühl Vaterwerden können. Deshalb unterstützt die ‚Erzählcafé-Aktion‘ Väter mit einem kostenlosen Flyer voller Fakten & Forschung. Kurz und knackig bringt dieser auf den Punkt, was Männer beim Vaterwerden wissen sollten, auch um selbst gesund zu bleiben. „Lies los Mann, damit Du gestärkt aus dem größten Abenteuer Deines Lebens hervorzugehen kannst!“
Der Flyer ‚Respekt Mann, Du wirst Vater‘ ist kostenfrei und gibt es hier zum Download!
Ausblick
Das letzte Schwerpunktthema in diesem Jahr wird im November und
Dezember ‚Väter im Strafvollzug‘ sein. Dazu planen wir interessante Einblicke,
Praxistipps und ein Werkstattgespräch, bei dem es um die praktische Arbeit mit Vätern
und deren Kindern im Justizvollzug gehen wird.
Im kommenden Jahr haben wir uns vorgenommen, uns noch intensiver mit
den einzelnen Themen auseinanderzusetzen und vor allem durch unsere Arbeit
darauf hinzuwirken, in den angesprochenen Bereichen nachhaltige Veränderungen
für Väter und aktive Vaterschaft anzustoßen und da wo möglich auch strukturell
zu verankern.
Im Themenspeicher stehen jetzt schon ‚Großväter‘ und ‚getrennt
erziehende Väter‘.
Termine
25. Oktober 2022, 15:30 bis 17 Uhr, Online Member Meeting der LAG Väterarbeit
26. Oktober 2022, 15:30 bis 17 Uhr, Werkstattgespräch Kulturwandel in
der Geburtshilfe
‚Bringing
Baby Home‘ lautet der Titel der aktuellen Studie des britischen
Fatherhoodinstituts. Dabei wurden empirische Daten über Väter und
Vaterschaft im Vereinigten Königreich im ersten Jahr nach der Geburt
untersucht. Wer sind die Väter, wie agieren sie, was beeinflusst ihr
Handeln, welche Wirkungen auf Kinder und Mütter haben sie und wie gehen
die Gesundheitsdienste mit ihnen um.
Was das Fatherhoodinstitut herausgefunden hat, bestätigt eine
bedauerliche Tatsache: Die Gesundheits-Systeme sind nicht darauf
ausgerichtet, neue Väter anzusprechen und zu unterstützen, obwohl es
eindeutige Beweise dafür gibt, dass ein routinierter Umgang mit ihnen in
der Perinatalperiode dringend erforderlich ist. Es gibt drei klare
Gründe, die für eine bessere Unterstützung sprechen:
Die körperliche und seelische Gesundheit der Väter hat erhebliche
Auswirkungen auf die künftige Gesundheit und das Wohlbefinden des
Kindes. Zu den negativen Folgen für das Kind, die nachweislich mit den
Eigenschaften und Verhaltensweisen der Väter zusammenhängen, gehören ein
erhöhtes Risiko für Fettleibigkeit, Atemprobleme und eine
beeinträchtigte kognitive Entwicklung.
Mütter wollen und können von einer besseren Einbindung des Vaters
profitieren, indem sie bessere Geburtsergebnisse und -erfahrungen, eine
bessere Unterstützung bei der Erholung nach der Geburt und bei der
Aufnahme und Fortsetzung des Stillens sowie ein größeres Potenzial für
eine Aufteilung der Betreuungsaufgaben erhalten
Die Perinatalperiode ist ein „goldener Moment“, um
Gesundheitsprobleme und Verhaltensweisen der Väter selbst zu erkennen
und anzugehen.
Die Studie sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse finden Sie hier.
Der Alltag von Hebammen bewegt sich an der Schwelle,
wo neues Leben entsteht und manchmal Leben vergeht.
Für Helena Bellwald sind Schwangerschaft und Geburt
etwas Natürliches, das am besten gelingt, wenn sie möglichst nicht eingreift.
Sie begleitet Eltern während der Schwangerschaft, der Hausgeburt und im
Wochenbett. Aber auch, wenn Eltern ein Kind verlieren.
Lucia Mikeler ist Beleghebamme. Auch sie betreut Paare
von der Schwangerschaft bis zum Wochenbett und geht für die Geburt in das
Spital. Lucia ist es wichtig, dass die Frau ihre Geburt so gestalten kann, wie
sie es für richtig hält.
Jeanette Gröbli, Sara Lehner und ihr Team zeigen uns
den regen Spitalalltag, wo 97 von 100 Geburten in der Schweiz stattfinden. Sie
sehen die Frauen zum ersten Mal, wenn sie mit Wehen ins Spital kommen. Sie
begleiten sie routiniert und empathisch durch diese existenzielle Erfahrung.
Der Film gibt einen intimen Einblick in die
natürlichste Sache der Menschheit. Sie fasziniert uns bis heute, einerseits als
Wunder, andererseits als hochriskantes medizinisches Ereignis.
Der Beitrag des
Vorsitzenden der LAG Väterarbeit in der aktuellen Ausgabe impu!se der
Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin
Niedersachsen e. V.
„Die WHO empfiehlt, die Beteiligung von Männern während der
Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt zu fördern, um die
Selbstsorge von Frauen und die häuslichen Pflegepraktiken für Frauen und
Neugeborene zu verbessern. Neben dieser auf die Gesundheit von Mutter
und Kind bezogenen Perspektive gibt es weitere gute Gründe, dies zu tun.
Die Gesundheit der Väter, die Zuschreibung von väterlichen
Kompetenzen und ihre Beziehung zu dem ungeborenen Kind haben einen
großen Einfluss darauf, in welchem Maße sie sich an der Erziehung des
Kindes beteiligen und Ressourcen für seine gelingende Entwicklung zur
Verfügung stellen.
In der Phase vor und unmittelbar nach der Geburt werden zudem die
Weichen dafür gestellt, ob das gewünschte Lebenskonzept einer
partnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit
Wirklichkeit werden kann oder die Partnerschaftszufriedenheit darunter
leidet, dass sich Vater und Mutter in jeweils unterschiedlichen Sphären
voneinander entfremden. Viele Väter haben den Wunsch, die Entwicklung
ihrer Kinder von Anfang an mitgestalten und erleben zu können.
Ansprüche und Wirklichkeiten
Erfahrungen und Studienergebnisse zeigen, dass die gewählten
Lebensmodelle häufig nicht Ergebnis zielgerichteter Aushandlungsprozesse
sind, sondern Paare vor dem Hintergrund vermeintlich rationaler Gründe
nach der Geburt dort ‚hineingeschliddert‘ sind und Väter sich mehr oder
weniger freiwillig auf die traditionelle Rolle des Ernährers und
Assistenten in der Familie einlassen.
Obwohl also alles dafür spricht, werdende Väter rechtzeitig
einzubeziehen, sie als aktive Subjekte im Geburtsgeschehen zu betrachten
und auf die neue Rolle vorzubereiten, werden sie hierzulande immer noch
als ‚Beifahrer‘ betrachtet. In Großbritannien, wo bereits 2006 im
Nationalen Gesundheitssystem ein Paradigmenwechsel zugunsten von Vätern
stattgefunden hat, zeigen kürzlich veröffentlichte Befragungsergebnisse,
dass der empfohlene Wandel auch dort noch längst nicht überall
praktiziert wird.
92 Prozent der Väter nehmen an den Vorsorgeuntersuchungen teil, aber
61 Prozent berichten, dass ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt
angesprochen worden ist.
Väter haben keinen formalen Status bei der Geburtsvorbereitung,
selbst ihr Name wird nicht erfasst. Lediglich 16 Prozent der Väter
werden während der Geburt nach ihrem Befinden gefragt.
Wenn ‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden und
deutlich gemacht wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung
von Vätern bei der Nachsorge von ca. 20 Prozent auf bis zu 70 Prozent
Das Erlebnis der Geburt
Wie Väter auf die Geburt vorbereitet werden können und welche Rolle
die verschiedenen Professionen dabei spielen, ist lange bekannt. Der
entscheidende Faktor dabei ist die Haltung gegenüber der Rolle der Väter
sowie ihrer aktiven Einbeziehung.
Angebote der Geburtsvorbereitung für Väter kommen auch werdenden
Müttern zugute. Studien zeigen, dass Väter, die ihre Rolle während der
Geburt kennen und verstehen, was dort geschieht, selbst besser vor
übermäßigem Stress geschützt sind und seltener Gefahr laufen, den Ablauf
der Geburt negativ zu beeinflussen. Das gilt insbesondere in den
Momenten, in denen es mal nicht nach Plan läuft.
Bei der Geburt selbst dabei sein zu können, ist für Männer die
einzigartige Möglichkeit, das Vaterwerden, das sich bislang als
‚Kopfgeburt‘ abgespielt hat, unmittelbar zu erleben und eine Beziehung
zu ihrem Kind aufbauen zu können. Dazu ein O-Ton: „Es war unglaublich,
atemberaubend, erstaunlich und erschreckend, die erste Person zu sein,
die meine Tochter sah, und Augenkontakt mit ihr herzustellen, als sie
herauskam. Ich habe ein Foto, etwa drei Minuten nach ihrer Geburt, auf
dem ich sie im Arm halte und wir uns gegenseitig anstarren, und es sieht
aus, als würde sie mir die Zunge herausstrecken.“
Väter müssen draußen bleiben
Corona wirkt wie ein Brennglas und hat auch in der Geburtshilfe
offengelegt, dass Väter dort noch nicht die Bedeutung haben, die ihnen
zusteht. Zehntausende Männer konnten wegen der Corona-Regeln in den
vergangenen Monaten die Geburt ihres Kindes nicht miterleben. In manchen
Kliniken dürfen Väter den gesamten Verlauf der Geburt begleiten, in
anderen ruft sie das Personal erst zur Endphase der Geburt in den
Kreißsaal – wenn die Presswehen beginnen oder der Muttermund um einige
Zentimeter geöffnet ist. Zum Teil dürfen Väter ihre Familie nur eine
Stunde am Tag auf Station besuchen, andernorts gibt es keine
Beschränkungen. Zu Vorsorgeterminen, zum Ultraschall dürfen Väter oft
ebenfalls nicht mitkommen.
„Ich durfte nur an einer Untersuchung teilnehmen. Meine Frau musste
zu allen anderen Untersuchungen und Konsultationen allein gehen. Ich
habe diese lebenswichtige Unterstützung für meine Frau und die
Entwicklung einer Bindung zu unserem kleinen Sohn völlig verpasst. Das
System ist durcheinandergeraten, und die emotionale Belastung, die wir
zahlen müssen, ist enorm …“ berichtet ein Vater.
Die Auswirkungen der Geburtserlebnisse auf die Vaterschaft
Studien zeigen, dass die Geburt und ihr Erleben für Väter und Mütter
einen wichtigen Ausgangspunkt für den Übergang zur Elternschaft
darstellen. Sie erleichtern oder erschweren den Prozess des
Vaterwerdens. Mütter mit einem negativen Geburtserlebnis geben häufiger
an, dass sie Probleme beim Stillen haben und ihre Wunden schlecht
heilen. Das Risiko, dass die Mütter und Väter nach der Geburt eine
Depression entwickeln steigt und auch die Eltern-Kind-Bindung war sechs
Monate nach Entbindung weniger sicher.
Da die Unterstützung von Vätern im Geburtsprozess positive
Auswirkungen auf die Frauen hat, muss sichergestellt werden, dass Väter
systematisch einbezogen werden und sich an Schwangerschaft, Geburt und
Kinderbetreuung beteiligen. So können sie ihre Partnerinnen
unterstützen, eine eigene Identität als Vater entwickeln und eine aktive
Rolle in der Versorgung der Säuglinge übernehmen.“