Der Titel des Buchs von Fabian Soethof ist eine klare
Ansage. Es ist wirklich Zeit, Familie gleichberechtigt zu leben. Die Fragen und
Zweifel, die in dem Zusammenhang auftauchen drehen sich eher um das Wollen und
Dürfen.
Klar wollen Väter und Mütter raus aus den traditionellen
Mustern, Erwartungen und Klischeefallen, das Vater- und Elternsein anders
gestalten als die eigenen Eltern. Das ist eine große Chance, aber auch eine
Herausforderung, die nicht nur aus unpassenden strukturellen Rahmenbedingungen
besteht.
Fabian Soethof begleitet seine Leser*innen bei den
anstrengenden und verunsichernden Prozessen, Gewohntes in Frage zu stellen und
eigene Vorstellungen von Mann- und Vatersein auf den Prüfstand zu stellen.
Gleichzeitig inspiriert und ermutigt er Väter und Mütter, miteinander neue Wege
zu gehen.
Fabian Soethof, 1981 am Niederrhein geboren, schloss ein
Studium als Kulturwirt und Kulturjournalist in Duisburg und Berlin ab und
schreibt u.a. für den Tagesspiegel, Mens Health Dad und Süddeutsche Zeitung. Seit
2016 leitet die Online-Redaktion des Musikexpress. Mit www.newkidandtheblog.de
war er einer der ersten bloggenden Väter. Soethof lebt mit Frau und zwei Söhnen
in Berlin.
Fotografien von Martin Moog mit Texten und Impulsen zur
Vielfalt von Vätern in NRW
Das Selbstverständnis von Vätern sowie die Zuschreibungen
und Erwartungen an sie sind seit Jahrzehnten im Wandel. Väter wollen gute Väter
sein, von Anfang an für ihre Kinder da sein, ihre Entwicklung aktiv begleiten,
es besser machen als ihre eigenen, vielfach abwesenden Väter.
Im Alltag fällt es ihnen, auch aufgrund von unpassenden Rahmenbedingungen, schwer,
diese Vorstellungen zu leben.
Martin Moog, Fotograf aus Frankfurt, der seit knapp 20
Jahren als ‚Tagesvater‘ arbeitet, hat Väter mit ihren Kindern und Männer, die
in verschiedenen Situationen für Kinder Verantwortung übernommen haben,
porträtiert. Seine Fotografien zeichnen ein Bild davon, wie ‚engagierte
Vaterschaft‘ aussehen kann und welche Zufriedenheit Männer und Kinder in dieser
Zweisamkeit ausstrahlen.
Konfrontiert und ergänzt werden die Fotografien mit Wünschen
von Vätern sowie Zahlen und Fakten zu den vielfältigen Lebenswirklichkeiten von
Vätern in NRW.
Ausstellungseröffnung
Dienstag, 16. Mai, 19 Uhr
Tillmann Prüfer, Autor des Buchs ‚Vatersein, Warum wir mehr
denn je neue Väter brauchen‘ und der Zeit Kolumne ‚Prüfers Töchter‘ wird im
Gespräch mit dem Vorsitzenden der LAG-Väterarbeit darlegen, warum Feminismus
eine große Chance für Väter ist, auch ihr Schweigen zu brechen und aus dem
aktuellen Buch lesen.
Ausstellungszeitraum
Dienstag, 16. Mai bis Mittwoch, 14. Juni, Freiraum im KAP1
Eine Ausstellung der Landesarbeitsgemeinschaft Väterarbeit in NRW im Rahmen der ‚Tage der Familie‘ des Ministeriums für Kinder, Jugendliche, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes NRW.
In der Generation der heutigen Großväter lag die Kindererziehung
vielfach noch in den Händen der Frauen. Für die Väter von damals heißt
das aber nicht, dass sie sich heute als Großvater wieder in die Ränge
verweisen lassen. Der Altersforscher Eckart Hammer hat vor fünf Jahren
ein Buch über Großväter geschrieben. Im INterview mit der Süddeutschen
Zeitung hat er seinerzeit erklärt, warum ein Opa, der sich in die
Betreuung der Enkel einbringt, nicht nur den Kindern nützt, sondern auch
sich selbst etwas Gutes tut.
„Herr Professor Hammer, wenn es um Großeltern geht, ist häufig nur von der Oma die Rede. Warum kommen die Opas seltener vor?
Großväter hatten mal eine Konjunktur Anfang des 19. Jahrhunderts. Da
galten sie als gütige Ratgeber, alte Weise im Lehnstuhl. Dann wurde
dieses Bild allmählich verdrängt von der guten Großmutter. Der Mann
geriet in den Hintergrund, als der distanzierte, strenge Großvater, den
man nicht anfassen kann.
Warum verändert sich das jetzt?
Das hat auch mit der Entwicklung der Bevölkerung zu tun. Großväter
haben heute so viel Zeit mit ihren Enkeln wie zu keiner Zeit zuvor. 1890
haben zwei Drittel aller Kinder keine Großeltern erlebt. Heute liegt
das Durchschnittsalter, um Großvater zu werden, bei 56. Zugleich gehen
viele Arbeitnehmer früher in den Ruhestand. Und beeinflusst durch die
1968er-Jahre haben sie häufig auch den gleichen Anspruch, für ihre Enkel
da zu sein, wie die Großmutter. Opas wollen Gleichberechtigung.
Diesen Anspruch durchzusetzen, ist aber manchmal gar nicht so
einfach. Häufig steht die Großmutter immer noch im Mittelpunkt, wenn es
um die Versorgung der Enkel geht.
Das stimmt. Es geht darum, von Anfang an mitzumachen und nicht erst
zu warten, bis die Kinder Fußball spielen können. Männer können auch
wickeln. Das sollten sie selbstbewusst formulieren und vor allem
durchhalten. Wenn das Baby dann mal einen Mucks macht, darf man es eben
nicht gleich in die Arme der Großmutter oder Mutter geben, sondern kann
sagen: Nee, das mache ich jetzt. Was manchmal auch hilft, sind separate
Tage für Oma und Opa. So kann jedes Großelternteil seine eigene
Beziehung zum Kind aufbauen.
Wie bereitet man sich auf die Rolle als Großvater vor?
Es ist gut, vorher darüber nachzudenken: Wie viel möchte ich tun?
Möchte ich regelmäßig auf mein Enkelkind aufpassen? Außerdem sollte man
noch in der Schwangerschaft mit den künftigen Eltern besprechen, welche
Erwartungen sie haben. Die künftigen Großeltern dürfen auch ehrlich
sagen, dass man lieber nur einen Tag pro Woche oder nur ab und an
aufpassen möchte. Ich rate auch, daran zu denken, dass die aktive
Großelternrolle nur eine Durchgangsphase ist. Wer nichts mehr macht
außer Opa zu sein, steht am Ende möglicherweise mit leeren Händen da,
weil die Enkel größer werden und nicht mehr so viel kommen.
Sich um Enkel zu kümmern, ist ja auch anstrengend. Warum soll man sich das überhaupt antun?
Für viele Männer ist es der zentrale Ruhestandssinn. Sie haben da
noch einmal etwas, das sie zutiefst beglückt. Nämlich dass da ein
kleiner Mensch ist, für den man ganz wichtig ist. Der Sozialpsychiater
Klaus Dörner hat einmal gesagt: „Jeder Mensch braucht seine Tagesdosis
an Bedeutung für andere.“ Gerade für Männer, die die Erziehung der
eigenen Kinder ihren Frauen überlassen haben, ist es zudem eine große
Chance. Sie können noch einmal Dinge erleben, wie auf dem Boden zu
liegen, mit einer Eisenbahn zu spielen oder mit Sandkastenförmchen zu
backen. Eben alles, was man nur mit Kindern erleben kann und darf, es
aber aus anderen Gründen versäumt hat.
Das klingt, als sei Opasein gut für die Gesundheit.
Unbedingt. Es gibt die vier „L“, die nachweislich dafür sorgen, dass
man im Alter länger gesund und fit bleibt: Das Lernen, also zum Beispiel
neugierig zu bleiben wie ein Kind. Das Laufen, also die Bewegung, für
die Enkel ebenfalls sorgen, weil sie uns auf Trab halten. Das dritte „L“
ist die Liebe, damit sind soziale Beziehungen gemeint: Gut eingebundene
Menschen leben nachweislich länger. Und das vierte „L“ steht für das
Lachen. Spaß zu haben mit den Kindern und ihnen den Spielraum zu geben,
den ein strenger Vater erst mal noch etwas Mühe hat, zu gewähren.
Und nützt es auch den Enkeln, wenn sich der Großvater aktiv einbringt, oder ist das egal – Hauptsache, Großeltern sind da?
Nein. Großväter sind ganz wichtige Partner für die Kinder – gerade in einer so frauendominierten Erziehungswelt. Die Kindergärten und Schulen sind ja zum Beispiel überwiegend weibliches Terrain. Und es ist auch immer noch so, dass die Väter häufig mehr arbeiten als die Mütter. Männliche Bezugspersonen sind aber als zweiter Pol sehr wichtig für Kinder.“
… es gibt eine neue Papa-Lese-Liste von Christian Meyn-Schwarze
„Keiner erzählt die Gutenachtgeschichte so lebendig wie Großvater. Es
lag an seiner Stimme, eine Stimme, die die Kinder noch lange hörten.
Kaum hat er an diesem Abend die Gutenachtgeschichte für seinen Enkel
angefangen, kommen die Tiere aus der Geschichte eins nach dem anderen
ins Zimmer gesaust und versammeln sich ums Bett. Leider schläft der
Großvater mitten im Erzählen erschöpft ein. Leise macht sich der Junge
mit dem Reh, dem Hirschen, dem Hasen, dem Wildschwein und dem
Eichhörnchen auf, um die Geschichte der Jägerin zu einem guten Ende zu
bringen. Opa und Enkel im kleinen Haus am Waldrand und die Tiere des
Waldes …“
Dies ist nur eine von mehr als 300 Kurzrezensionen, mit der Christian Meyn-Schwarze seit über 20 Jahren in seiner ‚Papa-Lese-Liste‘
Kinderbücher für und über Väter in allen Lebenslagen vorstellt und
Väter ermutigt, mit ihren Kindern zu lesen und ihnen vorzulesen.
Und da Christian jetzt im ‚Opa-Alter‘ ist, nimmt der Anteil der
‚Opa-Bücher‘ zu. Denn Großväter können mit ihrer Zeit und ihrer
Lebenserfahrung wichtige fördernde und fordernde Bezugspersonen –
besonders für Jungs – werden. Allein 6 neue Titel sind in dieser Rubrik
dazugekommen.
Die Liste ist sicherlich nicht vollständig und subjektiv, die
Bewertung der Bücher und anderer Medien zum Teil sehr persönlich aber in
jedem Fall eine optimale Möglichkeit, sich über Kinderbücher zu
informieren.
Und da gute Kinderbücher in vielen Fällen schnell vergriffen sind, empfiehlt er, bei Neuerscheinungen schnell zuzugreifen und für diejenigen, die leer ausgehen hält er einen besonderen Service bereit: er hat alle Bücher der Leseliste gesammelt und man kann sie bei ihm ausleihen.
‚Vatersein‘ lautet der Titel des dritten Buchs von Tillmann
Prüfer, dessen Kolumne ‚Prüfers Töchter‘ seit vier Jahren wöchentlich im
ZEITmagazin zu lesen ist. Im Untertitel heißt es dann appellativ ‚Warum wir
mehr denn je neue Väter brauchen‘. Also noch ein weiteres Buch, dass Vätern den
Widerspruch zwischen Wollen und Handeln aufzeigt?
Die Antwort lautet Ja und Nein. Prüfer nimmt die Messlatte ‚Bedeutung der Väter
für die Entwicklung ihrer Kinder‘ und konfrontiert die Leser*innen mit den
daraus folgenden Ansprüchen und der oft lauen Performance von Vätern. Auf der
anderen Seite beleuchtet er aber auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen,
Erwartungen und Zuschreibungen an Väter und die damit verbundenen Ambivalenzen,
die noch allzu oft zugunsten des Ernährer Mannes aufgelöst werden. Dabei
bleiben die Ansprüche ans gute Vatersein, auf jeden Fall besser als der eigene
Vater, auf der Strecke.
Authentisch wirken die von Tillmann Prüfer formulierten
Ansprüche vor allem dadurch, dass er in einem Erzählstrang seine eigene
Auseinandersetzung mit dem Vater werden und sein reflektiert. Dazu gehört auch
das Scheitern der ersten Beziehung. In einem Doppelinterview in der aktuellen
Ausgabe des STERN, mit ihm und seinem Vater, äußert dieser auf die erste Frage,
„Herr Prüfer, ist Ihr Sohn Tillmann ein guter Vater?“ „Er gibt sich die größte
Mühe, und ich denke, er macht es sehr gut.“
Dazu, was einen guten Vater ausmacht, schreibt der Sohn an verschiedenen
Stellen seines knapp 200 Seiten umfassenden Buches, aber zunächst einmal ein
kurzer Blick in das Werk.
Im ersten Abschnitt skizziert der Autor die Entstehung und
Geschichte der existierenden Väterbilder und wirbt dafür, den Feminismus als Chance
für Väter zu betrachten, denn die patriarchale Gesellschaft bringe keineswegs
allen Männern in gleicher Weise Vorteile. Es gehe nicht darum von außen auf
sich zu blicken, in Wettbewerb mit anderen zu treten, um im Benchmarking gut
dazustehen und dieses Konkurrenzdenken auf das Vatersein zu übertragen. „Es
gibt nur eine Person auf der Welt, die einem beibringen kann, wie gutes
Vatersein geht: das eigene Kind.“ Auf der anderen Seite ist die Rolle, „die man
als Vater für sein Kind spielt, die wichtigste, die man je im Leben spielen
wird.“ Und ein Vater der einfühlsam und interessiert ist, hilft seinen Kindern
am meisten.
Im zweiten Abschnitt beschreibt Prüfer die Hindernisse, die
einem glücklichen Vatersein im Weg stehen. Da sind zunächst einmal die
Widersprüche und Ambivalenzen zwischen den Sphären Beruf und Familie, die auf
den ersten Blick dazu (ver-)führen, es keinem Recht machen zu können. „Es
scheint klar, dass man etwas anderes machen möchte als früher, machen muss.
Doch die Orientierung fällt schwer. Es gibt so viele Ansprüche an den sogenannten
neuen Vater, dass es unmöglich ist, allem gerecht zu werden.“ Zumal es Vätern
immer noch an Vorbildern mangelt.
Den Vätern gut zuzureden, mehr Interesse für die Kinder zu
zeigen und ihre Wünsche, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen einfach zu
verwirklichen, genügt nach Ansicht von Prüfer nicht. Dazu braucht es „eine
Anstrengung beider Partner – und der ganzen Gesellschaft.“ Zu wissen, dass die
Rollenzuschreibung guter Vater = guter Ernährer nichts ist, was schon immer so
war ist hilfreich. „Wir sind es geworden. Und genauso können wir auch etwas
Neues werden. Wenn wir es denn wagen.“ Dazu ermutigt Prüfer Väter, auch in Gesprächen
über sein Buch wie hier zum Beispiel in der ZDF Sendung ‚Hier und heute‘: „…
reden Sie mal mit anderen Männern darüber. Männer reden mit anderen Männern
kaum über diese Themen, das ist Ihnen irgendwie … da fühlen sie sich schwach,
da sind sie unsicher. Sie reden über Alles andere, aber nicht über die Dinge,
die sie auch seelisch verletzen und bedrücken oder unsicher machen und ich
glaube, wenn sich Väter nur einigermaßen so vernetzt hätten, wie das Frauen
schon lange machen und sich Hilfe holen, dann würde sich viel ändern.“
Im Buch bietet er Vätern im dritten Teil einen ‚Werkzeugkasten
für den modernen Vater an‘. Darin befinden sich 12 Werkzeuge und ein ‚Universalschlüssel‘.
Die einzelnen Werkzeuge reichen von ‚Mach dir einen Plan‘, ‚Lerne vom Kind‘
über ‚Trau dich zu fühlen‘ bis hin zu ‚Mach Fehler und steh dazu!‘ und ‚Beschütz
dein Kind und lass es los‘.
Zu jedem Werkzeug gibt es ausführliche Anwendungsbeschreibungen,
die durch wissenschaftliche Anmerkungen und Zitate unterlegt sind. Beim ‚Werkzeug
9: Rede und hör zu‘ erfährt man, dass Kinder neue Wörter eher von Vätern lernen
als von Müttern. Da Väter weniger Zeit mit Kindern verbringen, müssten sie erst
einmal lernen, sich mit den Kindern zu verständigen. Auf dem Weg dahin lernen
auch Kinder eine Menge.
Das Universalwerkzeug beinhaltet die Aufforderung an Väter ‚Mach was!‘, „denn
die Vatererfahrung findet nicht nur durch Wörter statt, sondern vor Allem durch
Taten. Taten kann man fühlen, hören, riechen, sehen.“
Im vierten und letzten Teil des Buches zeichnet Prüfer
anhand der Entwicklungsstufen einer jeden Vaterschaft ‚Jeder Vater fängt ganz klein
an: Kleinkindpapa‘ bis zum leeren Nest ‚Tschüss Alter! Wenn die Kinder ihre
Väter nicht mehr so sehr brauchen‘ die Möglichkeiten auf, als Vater
mitzuwachsen.
„All diese Konfrontationen, die kleinen Katastrophen, die ständigen
Herausforderungen und Niederlagen, im Wechsel mit minimalen Erfolgen, die
machen etwas mit Vätern. Wer Vater wird, der verändert sich.“
Eingestreut in diesen Lebensreigen ist das Kapitel ‚Kein
neuer Vater ohne eine neue Mutter‘. Seine These: Es wird „keinen neuen Vater
geben, wenn die Partnerin ihm keinen Raum gibt, diese Rolle auszufüllen. Der
Autor setzt sich mit dem Phänomen des ‚Maternal Gatekeeping‘ auseinander und
geht dabei auch auf den Shitstorm ein, den der Spiegel-Beitrag ‚Papa kann das
schon alleine! Was moderne Väter hinkriegen – wenn Mütter sie lassen‘ im Sommer
2021 ausgelöst hat. In der Spiegelrezension schreibt Tobias Becker dazu „Prüfer gelingt das
Kunststück, über sogenanntes Maternal Gatekeeping zu schreiben, ohne die
Väter aus der Pflicht zu entlassen“ und macht deutlich, dass er immer noch
nicht verstehen will, das mit der Beschreibung von ‚Maternal Gatekeeping‘ keine
Schuldzuschreibungen verbunden sind, sondern Verhaltensweisen in einem
komplexen System analysiert werden.
Im allerletzten Kapitel spricht Tillmann Prüfer noch einmal eine
Ermutigung aus ‚Trau dich Papa!‘ und weist darauf hin, dass die
gesellschaftliche Wahrnehmung der Vaterrolle offensichtlich problematischer ist
als die tatsächlich empfundene Nähe von Kindern zu ihren Vätern. „Wahrscheinlich
haben wir heute die besten und um ihre Kinder am meisten besorgten Väter, die
es jemals in der Geschichte westlicher Länder gegeben hat.“ Aber das ist vor
allem auch eine Frage der (Selbst-)Wahrnehmung. „Wenn ich jemand sein kann, an
den die Kinder glauben, obwohl ihnen gerade der Glaube an etwas fehlt. Dann
werde ich ein guter Vater sein“ lautet der vorletzte Satz in dem Buch. Ich
denke, es reicht, wie Heinz Walter vor 15 Jahren in dem Sammelband ‚Vater wer
bist du?‘ beschrieben hat, ein ‚hinreichend guter Vater‘ zu sein. Aber das
entscheiden ja die Kinder und die haben andere Maßstäbe als die Väter selber
und das Feuilleton.
Ich kann den Band von Tillmann Prüfer, jedem empfehlen, der sich mit den Herausforderungen mit denen Väter und Mütter, die es anders mache möchten als es bislang ‚normal‘ ist, konfrontiert sind, auseinandersetzen möchten. Sie werden dabei en passant auch mit spannenden Erkenntnisse der Väterforschung belohnt.
Marius Kronsberger hat einen schonungslos ehrlichen Bericht
über seine 365 Tage Elternzeit mit den Zwillingen Franz und Isa geschrieben. Unter
der Überschrift ‚Von einem der heimging um bei seinen Kindern zu sein‘
schildert er, was ein Jahr Elternzeit mit ihm als Papa gemacht haben und fasst
im letzten Teil des Buches, am Ende der Elternzeit, seine Erfahrungen zusammen
und ermutigt zukünftige Papas, ebenfalls möglichst lange und alleine Elternzeit
zu machen.
Aber der Reihe nach. Ein beschissener Anfang, Franz kotzt,
er hat Magen Darm und … die erste Woche zieht sich bis zum ‚ockerfarbenen
Freitag‘. Kronsberger führt während seiner Elternzeit Tagebuch und zitiert beschissene
und freudige Erlebnisse. Dabei fasst er seine Erlebnisse in den unterschiedlichen
Phasen der Elternzeit thematisch zusammen und verdichtet diese.
Zum Beispiel ‚Das Denken der Anderen‘: „Die Leute gucken. Sie
gucken mich an und die Kinder. Es gibt unterschiedliche Reaktionen. Oft
bekommen wir ein Lächeln geschenkt, insbesondere von älteren Frauen. Männer,
vor allem jüngere, grinsen manchmal doof.“ Diese Blicke und die Gespräche, die
sich manchmal daraus entwickeln spiegeln den Blick auf einen Vater in
Elternzeit in einer deutschen Kleinstadt wider. „Im Kern meinen es die meisten
Menschen ja gut mit uns, selbst wenn sie über mein Geschlecht verwundert sind.“
Das alles erlebt der Autor im Jahr 2020, vierzehn Jahre nach
der Einführung des Elterngeldes können sich manche Menschen sich immer noch
nicht vorstellen, dass ein Vater das freiwillig macht. Aber damit kann der
Autor nach einer Weile gut umgehen. Was ihn, und alle anderen Mütter und Väter
aus den Socken haut, sind die Meldungen vom Freitag, den 13. März 2020: Für
Montag wird der erste Lockdown verbunden mit der Schließung der Kitas und
Schulen und der Sperrung der Spielplätze verhängt.
„Ich habe keine Ahnung, wie ich die nächsten fünf Wochen mit
drei Kindern zu Hause und ohne Aktivitätsangebote überstehen soll. Das wird
echt hart.“ Ja das war hart und Kronsberger beschönigt nichts. „Die globale
Kris ist vermutlich noch lange nicht beendet. Meine aber zum Glück schon. Ich
bin wieder zu Kräften gekommen, bin nicht mehr so dünnhäutig. Am Ende gehe ich
gestärkt und mit dem Wissen um eine Grenzerfahrung aus dieser Zeit.“
Die Erfahrungen führen zu einem Perspektivwechsel, den der
Autor nicht nur möglichst vielen Vätern, sondern auch vielen Führungskräften an
Herz legt. Sie würden mit den Anliegen ihrer Mitarbeitenden anders umgehen,
wenn sie einmal selbst verantwortlich mit diesen vermeintlichen Lappalien umgehen
müssten.
Dieser Perspektivwechsel hat einen Preis, auch das spricht
Kronsberger ehrlich an. Er hat sich am Ende der Elternzeit dafür entschieden,
nicht in Vollzeit in den Job zurückzukehren. Die Erfahrungen der Elternzeit
haben ihm geholfen, den gesellschaftlichen Druck der Arbeitswelt abzustreifen. „Die
Angst um den Job war eine der größten Hürden.“ Aber, „die Nähe zu meinen
Kindern und die Zeit mit ihnen sind mir mehr wert als ein großer
Karriereschritt.“
Die Erfahrungen sind aber auch für Arbeitgebende attraktiv:
Er sei mit viel mehr Wassern gewaschen als vorher und die Persönlichkeit ist in
vielen Facetten gereift. So beschreibt er fast bescheiden den Zuwachs an sozialen
Kompetenzen, die Mann, und natürlich auch Frau im täglichen Umgang mit Kindern erwirbt
und weiter entwickelt.
Vor diesem Hintergrund ist das ‚Sendungsbewusstsein‘ mit dem
er andere (werdende) Väter ermutigen möchte, diese Erfahrungen auch zu machen
nur zu verständlich.
„Nimm richtige Elternzeit, weil: sie dich verändern wird, du
eine völlig neue Perspektive auf das Leben kennenlernen wirst, deine Grenze
zwischen wichtig und unwichtig verschoben wird, diese Zeit eine riesige Chance
ist (und zwar für dich) und du danach eine enge Beziehung zu deinen Kindern
hast, die du anders nicht erreichen kannst!“
Um den Vätern ihre Entscheidung zu erleichtern, fasst er am
Ende seine Erkenntnisse in ‚10 Soft Skills‘ zusammen. Der Hinweis mit dem
Gefrierschrank stammt aus dem siebten: „Löse Probleme erst, wenn du sie hast.“
Das können Väter getrost auch auf ihre Sorgen bezüglich der
Reaktion ihres Arbeitgebenden auf den Wunsch länger als zwei Monate in
Elternzeit gehen zu wollen, beziehen. Freudensprünge werde in der Regel ausbleiben,
aber das Gespräch wird sich schnell um die Frage drehen, wie eine gute Lösung
für die Zeit der Abwesenheit gefunden werden kann.
Das Buch von Marius Kronsberger liefert ansonsten alle Argumente,
die ein Vater braucht, sich für diesen Schritt zu entscheiden und gemeinsam mit
der Partnerin auszuhandeln, wer, wann was in welchem Umfang macht. Eine gleichmäßige
Aufteilung von Erwerbs- und Carearbeit führt, das soll nicht verschwiegen
werden, auch zu einer Steigerung der Partnerschaftsqualität.
Das knapp 150seitige Buch von Marius Kronsberger ist in meinen Augen ein ‚must read‘ für werdende Väter und jede und jeder, der sich fragt, was er einem solchen schenken kann, ist mit 14,90 € dabei.
Die digitale und kulturelle Transformation eines Geschäftsbereichs starten und umsetzen, dabei eine inspirierende und motivierende Führungskraft sein, eine Partnerschaft auf Augenhöhe führen und über allem ein aktiver Vater die beiden Söhne sein.
In seinem Buch ‚Working Dad, Vereinbarkeit von Familie und
Karriere leben‘ beschreibt Roman Gaida ehrlich und authentisch seinen Weg, den
er gegangen ist, um das alles hinzubekommen aber auch seine Ängste und Zweifel,
mit denen er sich an entscheidenden Abzweigungen auseinandergesetzt hat.
Die Erfahrungen, die er dabei gemacht hat beschreibt er
ausführlich und lässt den Leser und natürlich auch die Leserinnen daran teilhaben.
Am Ende fast jedes der 45 Kapitel gibt es ‚Tools‘. Hacks‘ oder Checklisten, die
den Abschnitt zusammenfassen und leicht anwendbare Werkzeuge darstellen.
Am Anfang steht diese Erkenntnis „Was einem auch niemand sagt,
ist, wie es einen Mann verändert, wenn er Vater wird. Natürlich nehmen wir uns
vor, ein guter Vater zu sein. Ein Vater, der da ist, sich um die Familie
kümmert und trotzdem weiter an seiner Karriere schraubt. Aber die Realität
sieht ganz anders aus.“
Wichtig ist es, dass jeder Vater für sich entscheidet, was für ihn
Sinn macht oder besser noch die Leidenschaft brennt. Und „vor allem für uns
Väter ist es an der Zeit, Karriere neu zu definieren – weg von
gesellschaftlichen Normen und vermeintlichen Selbstverständlichkeiten hin zu
individuellen Lebensmodellen“.
Und dies ist ja in einer Partnerschaft nicht nur eine Karriere,
eine berufliche Entwicklung. Es geht darum, in einem kurzen Lebensabschnitt,
der Rushhour des Lebens, die Beziehung zur Partnerin, die Bindung zu den
Kindern und die Verantwortung im Job in einen guten Rhythmus zu bekommen. Karriere
ist nämlich auch, und das steht nicht im Buch, wenn die Beziehung hält.
Für die Beziehung zu den Kindern braucht vor allem Zeit, „die Entscheidung
fällt auf dem Spielplatz“ zitiert der Autor Björn Süffke. Wichtig sei die emotionale Präsenz als Vater,
„die wir nur in allen Facetten des täglichen Lebens bieten
können. … Unsere Gefühle, die
schönen und eben auch die nicht so schönen, unsere Ängste, Freuden, Trauer – und ja, auch wenn wir mal nicht
mehr weiterwissen – machen uns zu einem Menschen.“
Dafür müssen Entscheidungen getroffen werden und die haben
Konsequenzen bzw. einen Preis. Eine Entscheidung, die jeder werdende Vater für
sich und gemeinsam mit seiner Partnerin treffen muss, und zwar rechtzeitig, ist
die Inanspruchnahme der Elternzeit und die Verteilung von bezahlter Erwerbs-
und unbezahlter Familienarbeit, die faire Aufteilung von Financial und Mental
Load
„Wenn wir erst miteinander darüber sprechen, wer sich nun zu Hause
um alles kümmern soll, wenn das Baby schon da ist, dann sind Chaos und eine
Beziehungskrise vorprogrammiert. Mama bleibt zu Hause, und Papa geht zur
Arbeit. In einigen Fällen mag das beide auf Dauer glücklich machen, aber in
vielen Fällen eben nicht. Weder Väter noch Mütter wollen sich heute in die
Schublade der alten Geschlechterrolle quetschen lassen, um stillschweigend
Vorgelebtes zu wiederholen. Mütter möchten völlig zu Recht ihre ebenfalls
mühsam aufgebaute Karriere nicht ganz begraben. Väter wollen nicht das
Gewohnheitsrecht der F rauen auf die Kindererziehung akzeptieren. Neue Väter
brauchen auch neue Mütter. Kommunikation und Abstimmung bereits vor dem ersten
Kind kann helfen, nicht in diese Vereinbarkeitsfalle zu tappen.“
Das ist auch seit über 25 Jahren ein Grundsatz meiner
Beratungsarbeit in dem Feld. Diese Fragen müssen auf Augenhöhe verhandelt
werden, wenn beide im Job sind.
Und was die Elternzeit angeht, braucht es auch 15 Jahre nach ihrer
Einführung in Deutschland noch viel Ermutigung. Gaida hat sie nach der Geburt
seiner beiden Söhne nicht in Anspruch genommen.
„Nicht weil mich mein neuer Arbeitgeber davon abgehalten hätte
oder die Signale dafür negativ waren, sondern schlichtweg, weil ich Angst
hatte, es könnte alles, was ich mir bis dahin aufgebaut hatte, zerstören. Seit
meiner Zeit an der Maschine in Schichtarbeit hatte ich so viel investiert, um
im Management zu landen. Das wollte ich jetzt nicht leichtfertig verspielen.“
Mit dieser Angst Mit der Angst, stehe er jedoch nicht allein da und
führt eine Befragung der Soziolog:innen Thordis Reimer und Mechthild Oechsle aus dem Jahr 2017 an, nach der 45%
der Väter befürchten, das eine
Elternzeit sich negativ auf ihre berufliche Entwicklung auswirken könnte.
Das dem
nicht so ist hat ein Jahr zuvor Mareike Bünning, wissenschaftliche
Mitarbeiterin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), in
einer Studie herausgefunden. Wenn Väter Elternzeit nehmen, wirkt sich das nicht
negativ auf die Entwicklung ihrer Löhne aus. Wählen Väter dagegen Teilzeit, um
Beruf und Familie besser zu verbinden und mehr Zeit für ihre Kinder zu haben,
müssen sie mit Lohneinbußen und Karrierenachteilen rechnen. Schon 2015
berichtet das Forschungsinstitut Sowitra in einer Studie: „Langfristige
berufliche Nachteile für die Elterngeldväter sind laut der Studie kaum
nachweisbar. Mit vorübergehenden Beeinträchtigungen sei allerdings durchaus zu
rechnen. Jeder zehnte Befragte berichtet von temporären Auswirkungen auf den
Karriereverlauf, wobei die Gefahr mit der Dauer der Elterngeldnutzung ansteigt.“
Roman Gaida thematisiert diese Ambivalenzen jedoch auch und
reflektiert seine Verantwortung als Führungskraft an dieser Stelle: „#1 Zu
erfahren, dass man Vater wird, ist der schönste Moment im Leben eines Mannes.
Denk daran, wenn der nächste Mitarbeiter zu dir kommt und dir freudig davon
erzählt, dass er Vater wird.“
In den weiteren drei Teilen geht es dann um die Themen ‚Familienfreundlichkeit:
Win-Win für Unternehmen und Leadership‘, ‚Familie‘ und ‚Me-Time‘, in denen der
Autor sein Füllhorn an Fragen, Erfahrungen und Tipps ausschüttet. Einer der
letzten, meines Erachtens aber sehr wichtigen im Abschnitt ‚Vergesst euch nicht
als Paar‘ lautet „Nur wenn beide
glücklich sind und sowohl berufliche als auch private
Bedürfnisse befriedigt werden,
ist Vereinbarkeit möglich.“
Das Buch ist am 14. September beim Campus Verlag erschienen, hat 224 Seiten und kostet 24 €.
Interview mit Fabian Soethof, Autor des Buchs ‚Väter können das auch!
Der Titel deines am 21. März erscheinenden Buches lautet
‚Väter können das auch!‘ Was können Väter und was können sie unter
welchen Umständen lernen?
Außer mit der Brust zu stillen und Babys zu gebären – wobei auch das
nur auf biologische Männer zutrifft – können sie alles, was Frauen auch
können und sich schon viel zu lange viel zu oft allein darum kümmern:
Care-Arbeit, Mental-Load-Übernahme, in Elternzeit und Teilzeit gehen,
Karriere-„Rückschritte“ in Kauf nehmen, anwesend, aktiv und eine echte
Bezugsperson sein. Viele glauben nur, es nicht zu können oder zu dürfen.
Weil ihnen in ihrer Sozialisation seit Jahrzehnten nichts anderes
erzählt wird. Und weil sie oft nicht gelassen werden: von der
Gesellschaft, der Wirtschaft, der Politik – und von sich selbst.
‚Es ist Zeit, Familie endlich gleichberechtigt zu leben‘
steht ebenfalls auf der Titelseite. In der Ausgangslage schreibst du
dazu: ‚ich möchte mit dem Buch ein Plädoyer für eine ‚private,
gesellschaftliche und politische Veränderung von Familie, Arbeit,
Vereinbarkeit und Rollenbildern‘ bieten‘. Was sind die drei wichtigsten
Punkte deines Plädoyers und vor allem, wie sieht der Weg der Veränderung
aus?
Die drei wichtigsten Punkte auf dem Weg hin zu mehr Gleichberechtigung lauten vielleicht:
Privilegien, patriarchale Strukturen, Rollenbilder und
Ungerechtigkeiten erkennen: Nur wer weiß, wie vergleichsweise gut er
oder sie es hat, kann dafür sorgen, dass es anderen auch mal besser
geht.
Es gibt kein Wissens-, sondern ein Handlungsdefizit: Fast alles, was
in meinem Buch steht, ist seit Jahren bekannt. Theoretisch steht
Gleichberechtigung also nichts mehr im Wege – praktisch unter anderem
das, was ich auf die erste Frage hin antwortete.
Das Private ist politisch (und umgekehrt): Nur wer
Gleichberechtigung selbstverständlich in der Familie und von dort hinaus
vorlebt, kann zu einem Rollenwandel beitragen. Und nur, wer von Politik
und Wirtschaft dabei hinreichend unterstützt wird, kann sein
Privatleben ändern.
In dem Buch sprichst du auch eine Einladung an Väter aus, ihr
Verhalten und ihre Haltungen zu reflektieren. Was macht es für Väter
attraktiv, sich weniger der Erwerbs- und mehr der Carearbeit zuzuwenden?
Zuallererst ist es der Satz: Niemand wird auf dem Sterbebett bereuen,
zu wenig gearbeitet und seine Kinder nur am Wochenende gesehen zu
haben. Das sage ich wohlwissend, dass gerade geringverdienende
Einverdienerhaushalte oft auf jeden Cent angewiesen sind. Eine gute
Bindung zu seinen Kindern erscheint mir aber nicht nur für Väter
attraktiv. Kinder profitieren von mehreren engen und wichtigen
Bezugspersonen und „modernen“ Vorbildern. Und die Gesellschaft
profitiert von einem Rollenwandel: Frauen landen als (potentielle)
Mütter nicht länger auf dem beruflichen Abstellgleis. Väter tragen den
Financial Load nicht länger allein. Und die nächste Generation lernt,
dass auch Männer den Haushalt schmeißen und Frauen jeden Job machen
können, den sie wollen.
In dem Buch kommen eine Reihe Väterexpert*innen und
Feminist*innen zu Wort. Ein Paradigma aus der feministischen Sphäre
lautet ‚Don’t fix the women – fix the system‘. Auf die Väter bezogen
lautet die Frage also: Welche strukturellen Rahmenbedingungen im
‚System‘ müssen thematisiert und ggf. verändert werden?
Sprechen wir von Arbeitnehmer*innen, so müssen Männer eher gestern
als morgen für Arbeitgeber*innen das gleiche „Risiko“ darstellen, wegen
bevorstehendem Nachwuchs länger als nur zwei Wochen auszufallen. Damit
Frauen zumindest auf dem Arbeitsmarkt nicht länger derart benachteiligt
werden. Wir kommen u.a. durch längere Elternzeiten bei Vätern, mehr
Männer in Teilzeit und notfalls finanzielle Anreize dahin. Folgen davon
könnten eine Verkleinerung des Gender Care Gaps und des Gender Pay Gaps
sein, eine positive Kettenreaktion würde in Gang gesetzt. Erst dann wäre
auch keine Quote mehr nötig.
In dem Interview mit Uwe von dem Software Unternehmen SAP
sagt dieser: ‚Es gibt die X- oder Y- Strategie. Gehe ich davon aus, dass
alle Mitarbeiter*innen schlecht sind … oder davon, dass sie alle
eigenmotivierte Individuen sind, die ich nur bei Bedarf unterstützen
muss?‘ Könnte der Titel deines Buch dementsprechend auch ‚Väter wollen
das!‘ lauten?
Naja. Viele Väter wollen „das“ ja nicht, zumindest nicht wirklich.
Sonst würden nicht nur rund 30 Prozent aller Väter Elternzeit in
Anspruch nehmen, sondern mindestens 60 Prozent. Viele behaupten, dass
sie wollen, aber der Chef es ihnen schwer mache und die Familie ja auch
auf „sein“ Geld angewiesen sei, oft stecken nur eine
Anstrengungsvermeidung oder andere Prioritäten dahinter. Ein
Teufelskreis: Mit den Argumenten und der Aufteilung bleiben wir als
Familien und als Gesellschaft in puncto Gleichberechtigung noch lange da
stecken, wo wir jetzt stehen: auf scheinbar gutem Weg, aber noch längst
nicht so weit, wie wir sein könnten. Die Parität des neuen Kabinetts
und der Koalitionsvertrag gehen übrigens mit überraschend gutem Beispiel
voran. Darin lautet ein hehres Ziel: „Die Gleichstellung von Frauen und
Männern muss in diesem Jahrzehnt erreicht werden“. Mark their words!
Ihr aktuelles Buch hat die Bestsellerautorin Nicola Schmidt
gemeinsam mit ihrem Partner Klaus Althoff geschrieben und ist mit dem
Untertitel ‚Dein Weg zum Kind‘ versehen. Damit stapeln die beiden tief, erstens
beschreiben sie eine Vielzahl von Wegen und Möglichkeiten zum Vatersein und
zweitens beinhalten diese Pfade auch die gemeinsamen Schritte zum Eltern und
Familie werden, in welcher Konstellation auch immer, aber mit der Aussicht auf
eine gleichberechtigte und partnerschaftliche Aufteilung von bezahlten und
unbezahlten Aufgaben und Arbeiten.
Dass dieser Weg schon lange vor der Geburt anfängt,
schreiben die beiden schon im zweiten Absatz des Vorworts: ‚Wie gut sich alle
Beteiligten … schon vor der Geburt vorstellen können, eine Familie zu sein,
sagt viel darüber aus, wie es später sein wird. Es gilt also, die wichtigen
Informationen rechtzeitig zu haben, die Weichen frühzeitig zu stellen und
‚kluge‘ Entscheidungen zu treffen.
Und dafür liefern Schmidt und Althoff auf den folgenden 235
Seiten eine wahre Fülle an Ideen, Wissen, Anregungen und Erfahrungen in einem
inhaltlich und grafisch sehr ansprechenden Format.
Das Buch behandelt in drei Kapiteln Schwangerschaft, Geburt
und Wochenbett wobei die ersten 9 Monate in sieben Abschnitte aufgeteilt sind.
Der siebte beschäftigt sich unter der Überschrift ‚Cool bleiben‘ mit
Terminüberschreitung und Übertragung. Innerhalb dieser Anordnung gibt es
verschiedene inhaltliche Blöcke, die sich in jedem Abschnitt wiederholen: ‚Das
sollten Väter vorher wissen‘, ‚Wissenschaftscheck‘, ‚Übungen‘ und ‚So sieht es
aus‘. In letzterem beschreiben Klaus und/ oder Nicola ihre Ansichten zu den
zuvor behandelten Themen und geben persönliche Erfahrungen weiter.
Neben diesen großen Blöcken gibt es kleinere Merkposten, die
sich direkt an die werdenden Väter richten bzw. Erfahrungen und Fragen von
Vätern wiedergeben: ‚Was hättest du gern vorher gewusst?’, ‘You have a new
message‘ sind Impulse aus der Perspektive des ungeborenen Kindes. Eine ‚Not to
do Liste‘ fasst die Empfehlungen der Autor*innen prägnant zusammen sowie ‚Dein
Clan‘. In dieser Rubrik werden Ansprechpartner und Vertrauenspersonen für die
Väter und deren Bedeutung benannt.
Apropos ‚Clan‘, insbesondere Klaus Althoff betont an
verschiedenen Stellen seiner Statements immer wieder die Bedeutung einer
Vätergruppe in der sich Männer über ihre Anliegen, Ängste und Hoffnungen
austauschen können. Vor und auch nach der Geburt: ‚Was aber … ganz wichtig ist,
ist der Austausch mit anderen Vätern. Wir Männer reden oft so wenig – vor allem
wenig miteinander und über die Dinge, die uns schwerfallen und belasten.‘ Er
lädt die Männer deshalb dazu ein ‚Väterbanden‘ zu bilden.
Auch an anderen Stellen greift er auf seine Erfahrungen als
Personalentwickler zurück. Der Weg zum Vatersein ist ein Change Prozess. Beim
Eltern werden geht es, vor allem im Hinblick auf die Fragen, wer macht was, zu
welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang auch um einen Teambuildingprozess bei
dem Erfahrungen aus dem Projektmanagement genutzt werden können. Diese Begriffe
werden von beiden Autor*innen situationsbezogen und praxisnah mit Inhalten
gefüllt und im Managementtraining bewährte Methoden wie der Dialogspaziergang
auf den Alltag werdender Eltern übersetzt. Sie betonen immer wieder, wie
wichtig die Entwicklung eine geteilten Vorstellung von dem Leben zu Dritt für
eine gelingende Vater-, Mutter- und Elternschaft ist.
Neben pädagogischen und biologischen Themen werden aber auch
ganz praktische insbesondere für nicht verheiratete Väter bedeutsame Dinge
angesprochen: Es ist wichtig, rechtzeitig über eine Vaterschaftsanerkennung und
gemeinsame Sorge zu sprechen und die erforderlichen Schritte rechtzeitig in die
Wege zu leiten. Das gleiche gilt für Absprachen über Aufteilung der Elternzeit.
Entgegen der lange Zeit von der Familienpolitik propagierten 12 plus 2 Regelung
betonen Schmidt und Althoff die Bedeutung der frühen Elternzeit des Vaters und
treten auch für die ‚Vaterschaftsfreistellung unmittelbar nach der Geburt ein.
Im Kapitel Geburt weisen die beiden zum einen besonders auf
die Bedeutung einer Geburtsvorbereitung für Väter hin, diese senke das Risiko
für operative Geburtseingriffe. Wohl auch, weil Väter in der Lage sind, unter
der Geburt gegebenenfalls ihre Schutzfunktion für die Partnerin wahrzunehmen.
Zum anderen thematisieren sie das Risiko einer postpartalen Depression für
Väter. Die Zahlen aus den angelsächsischen Ländern weisen eine hohe Bandbreite
auf, wohl auch, weil Väter nicht durchgehend auf diese gesundheitliche
Belastung gescannt werden. In den deutschsprachigen Ländern wird dieses
Phänomen erst allmählich wahr- und ernst genommen. Die umfassende Behandlung
des Themas in diesem Band wird dazu sicherlich auch beitragen.
Auch wenn im letzten Abschnitt das Thema Fehlgeburt aus der
Perspektive der Väter, die mit dem Thema in der Regel alleingelassen werden,
thematisiert wird, eine ganz wichtige Botschaft steckt für mich einige Seiten
davor. Es ist die Sache mit der Performanzschere. ‚Es ist nämlich so, dass
viele Väter durchaus über die notwendigen Kompetenzen verfügen, um ihre Kinder
liebevoll zu versorgen. Das Problem ist aber oft, dass sie diese Kompetenzen
nur unzureichend nutzen. … Klafft die Performanzschere erst einmal auseinander,
ist es schwierig, sie wieder zu schließen und die väterlichen Kompetenzen im
Alltag einzusetzen.‘ Auch dass ist ein Appell, von Anfang an aktiv dabei zu
sein und durch gemeinsames Tun väterliche Kompetenzen zu entwickeln und
anzuwenden.
Das Buch von Nicola Schmidt und Klaus Althoff ist für mich
nach dem 2005 ebenfalls im Gräfe und Unzer Verlag erschienen ‚Das Papa
Handbuch‘ von Robert Richter und Eberhard Schäfer ein zweiter Meilenstein, der
den Weg der Väter zu ihren Kindern nicht nur beschreibt, sondern Väter
ermutigt, diesen Weg auch zu gehen und die Rolle im Leben ihrer Kinder zu spielen,
die diese brauchen.
… lautet der Titel des #Vaeter Buchs von Benjamin Wockenfuß,
dass an diesem Freitag erscheint. Grafisch ist es ein Hingucker und auf den
zweiten Blick fällt auf, dass es eigentlich mindestens zwei Bücher sind. Am
einen Ende ist ein in sieben Kapitel gegliederter ‚Wissens-Input‘ wie es der
Autor nennt, am anderen Ende ist eine wunderbare ‚Power-Papa & Kreativ-Kid
Geschichte, die von Stefanie Messing bebildert ist. In der Mitte des Buches ein
analoges Planungstool für die ersten 22 Tage #TollerPapa.
Man kann das Buch aber auch einfach umdrehen und dann ergibt
sich eine andere Reihenfolge und eine andere Perspektive. Das gibt den Anspruch
und die Haltung von Ben, so tritt der Autor den Lesern und Leserinnen gegenüber,
ganz gut wieder. Sein Buch soll kein Fachbuch sein und die fachlichen
Erfahrungen die er weitergibt sind seine Erkenntnisse, seine Wahrheit und seine
Gefühle.
Das besondere an dem Buch ist, dass es nicht nur an
verschiedenen Stellen an fachlich fundierte Texte verweist, die per QR-Code
leicht zu erreichen sind, sondern auch in den sozialen Medien über den im Titel
formulierten Hashtag eine Community für #Vaeter eröffnet und diese zum aktiven
Austausch ihrer Erfahrungen einlädt.
Die im Untertitel vorsichtig formulierte These ‚Erziehung
ist (auch) Männersache‘ bildet, versehen mit einem Ausrufezeichen und dem
Zusatz ‚… Echt?‘ ist auch die Überschrift zum Kapitel 1. Der Autor positioniert
sich hier aber eindeutig: ‚Jeder Mann kann Erziehung!‘ „Ein Vater ist mehr als
nur ein Assistent der Mutter. Er hat eigene/ andere Fähigkeiten, die Kinder
dringend brauchen.“
So ist es, aber so einfach ist es leider nicht. Lernen tut
Mensch dass, was er tut und es gibt weder die geborene Mutter noch den
geborenen Vater. Das was einen tollen Papa, einen (hinreichend) guten Vater
ausmacht wird gelernt, indem ich es mache und von anderen abgucke. Das was Mann
macht oder besser lässt hängt vielfach von gesellschaftlichen und eigenen
Erwartungen und gegenseitigen Rollenzuschreibungen ab. Wockenfuß führt noch
weitere Faktoren an, die den Lernprozess und eine gelingende Erziehungsgestaltung
beeinflussen: Aktives Mitfühlen, Verantwortung annehmen und aushalten und trotz
Uneinigkeit ein Elternteam bleiben.
Zu allen drei Punkten bietet er dann praktische Tools an, die
dazu anleiten, sich mit seinen eigenen Positionen und Haltungen
auseinanderzusetzen und diese auch zu visualisieren. Am Ende dieses und jedem
der folgenden 6 Kapitel gibt es ein ‚Fazit to Go‘ einen Einseiter, auf dem die
wichtigsten Aussagen noch einem kurz und grafisch ansprechend zusammengefasst
werden.
Die einzelnen Abschnitte sind jeweils in sich abgeschlossen
und das Buch kann kreuz und quer gelesen und bearbeitet werden. Dazu fordert
der Autor auch explizit auf, es sei ein Arbeitsbuch und das Notieren von
Gedanken und die Verschriftlichung von Routinen erleichtere den Blick auf das
Wesentliche. Dazu bietet Wockenfuß an vielen Stellen neben den im Buch
skizzierten analogen auch digitale Werkzeuge an und stellt deren Vorzüge
heraus. Das macht er auch in Bezug auf die digitalen Medienzugänge für Kinder: „Durch
digitale Medien, wie etwas Spiele-Apps, haben Kinder die Chance, kreative Gestalter:innen
statt lineare Konsument:innen zu sein. Ein großer Schatz!“
Die im Kapitel 4 dargestellte ‚Einfachheit im Vatersein‘ und
dem Plädoyer für Langeweile aus der Kreativität erwächst getreu der Gleichung ‚Weniger
ist Mehr‘ erinnert mich an eine zentrale Aussage aus dem 2015 erschienen Buch ‚Geht
Alles gar nicht Warum wir Kinder, Liebe und Karriere nicht vereinbaren können‘
von Marc Brost und Heinrich Wefing:
„ … Auch früher gab es Erwartungen an Väter …, aber sie
waren klarer und eindeutiger, weil es auch klare und eindeutige Rollen gab. Heute
dagegen gibt es unendlich viele Erwartungen, weil es unendlich viele
Möglichkeiten gibt, … ein guter Vater zu sein, und deswegen scheint es das
Beste zu sein, einfach alle Erwartungen zu erfüllen.“
Benjamin Wockenfuß zeigt einen ‚einfachen‘ Weg auf, mit
diesen Erwartungen und Möglichkeiten umzugehen. Nicht nur zu Hause mit der
Familie, sondern auch im Beruf. Er schlägt hier einen neues Verständnis dafür
vor, wie Arbeitswelt und Vatersein zusammengehen können. „Welche Position in
meinem Selbstbild übernimmt meine Arbeit eigentlich? Wie sinnstiftend ist sie
für mich?“ Die praktischen Vorschläge an dieser Stelle sind meiner Auffassung
nach eher auf Väter mit gut abgesicherten Jobs zugeschnitten. Diejenigen die
zwei oder drei prekäre Jobs zur Absicherung des Lebensunterhalts haben, stellen
sich die Frage „Brauche ich wirklich eine Vollzeitstelle“ wohl nicht.
Eine gute Zusammenfassung formuliert der als Experte in
Kapitel 6 zitierte Organisationsberater Hendrik Epe: [es] … wird deutlich, dass
ich (m)eine Rolle als Vater … darin sehe, Ambiguitätstoleranz vorzuleben. Es
gibt nicht den einen, richtigen Weg in der Erziehung der Kinder, ebenso wenig
wie es die eine, richtige Art und Weise der Gestaltung der Arbeitswelt der
Zukunft gibt.
#TollerPapa liefert jede Menge Anregungen für Väter, diese
ambivalenten Möglichkeiten zu entdecken, eigene Positionen zu bilden und sich gemeinsam
mit den Kindern weiter zu entwickeln und der Papa zu sein, den man selber als
Kind gebraucht hätte. Das Wendebuch zum Preis von 18 € ist eine tolle
Investition sowohl für werdende als auch schon vor langer Zeit gewordene Väter.