… Die Tatsache, dass die Mutter ihrem Kind am Anfang seines
Lebens körperlich näher ist als der Vater, vermindert dessen Fähigkeiten bei
der Betreuung und Versorgung seiner Kinder nicht. In Stresssituationen gilt der
‚hinreichend gute‘ Vater nach der Mutter als wichtigste Bindungsperson für das
Kind und gibt dem Kind ebenfalls das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit.
Die Bindungssicherheit, die Kinder an ihre Väter entwickelt
haben. Ist recht stabil. Eine Längsschnittstudie an 112 Vätern und ihren
Kindern, die im Alter von 13 Monaten und 3 Jahren untersucht worden waren,
zeigte nicht nur eine hohe Stabilität über diesen Zeitraum, sondern auch, dass
die Bindungssicherheit der Kinder mit einer langfristigen Zunahme der
väterlichen Feinfühligkeit verbunden war – sicher Kinder sind also eine gute
Entwicklungschance für Väter!
Inge Seiffge-Krenke, Väter, Männer und kindliche Entwicklung, Mainz 2015, S.15
In der dritten Ausgabe der monatlichen Webinar-Reihe begrüßt
das Team von „Following Young Father’s Further“ Dr. Aniela Wenham und Judith
Cork, um ihre Forschungen mit jungen Müttern zu diskutieren.
„Es geht nicht darum, ein Teenager zu sein, es geht um die
Mutterschaft.” Das „Problem” der jungen Mutterschaft neu formulieren.
Judith Cork (Koordinatorin des Programms für junge Eltern,
Romsey Mill) ist seit mehr als 20 Jahren in der Jugendarbeit tätig und arbeitet
seit 2009 in Romsey Mill, insbesondere mit jungen Eltern. Romsey Mill arbeitet
sowohl mit jungen Müttern als auch mit jungen Vätern und bietet ein breites
Spektrum an Unterstützung in Einzel- und Gruppensettings. Romsey Mill ist auch
vom Cambridgeshire County Council beauftragt, die Unterstützung für junge
Eltern in der gesamten Grafschaft zu koordinieren. Inspiriert durch ihre
Unterstützungsarbeit führte Judiths Wunsch, Veränderungen für Familien auf
systemischer oder gesellschaftlicher Ebene herbeizuführen, dazu, dass sie ein
Teilzeitstudium der Gemeindepsychologie an der Universität Brighton
absolvierte.
Die Präsentation gibt Einblicke in ein Forschungsprojekt, das
untersucht, wie junge Mütter in der heutigen englischen Gesellschaft
konstruiert sind. Mithilfe der kreativen Methode des Photovoice wurden von
ehemaligen jungen Müttern aufgenommene Fotos mit Bildunterschriften erstellt,
die in Online-Fokusgruppen mit Hebammen und jungen Müttern diskutiert und
anschließend in einer öffentlichen Online-Ausstellung mit einer begleitenden
qualitativen Umfrage gezeigt wurden.
Die Ergebnisse der Studie stellen negative Stereotypen über junge Mütter in Frage, und in dieser Präsentation wird argumentiert, dass defizitorientierte Diskurse über „problematische” junge Mütter durch einen neuen Diskurs ersetzt werden sollten, der junge Mütter als Mütter identifiziert, die eher Empathie und Verständnis als Kritik und Sanktionen verdienen.
Die Ruhrfestspielstadt Recklinghausen mit rund 120.000
Einwohner*innen ist das Zentrum für Handel, Dienstleistung, Bildung und Kultur
des Kreises Recklinghausen zwischen dem Ruhrgebiet und dem Münsterland, mit
besten Verkehrsanbindungen, Wohn-, Erholungs- und Bildungsmöglichkeiten sowie
einer in weiten Teilen erhaltenen Altstadt. Sie bietet ihren Bürger*innen u.a.
eine Vielzahl von Weiterbildungseinrichtungen und attraktiven kulturellen
Angeboten.
Im Bereich des Stabes Gleichstellung von Frauen und Männern
und der Innerbetrieblichen Beschwerdestelle nach AGG ist zum frühestmöglichen
Zeitpunkt
eine Stelle Sachbearbeitung im Bereich
„Gleichstellung mit dem Schwerpunkt Männerbelange
und Vielfältiges Leben“
zu besetzen.
Es handelt sich um eine unbefristete Vollzeitstelle nach
Entgeltgruppe 10 TVöD bzw. Besoldungsgruppe A 11 LBesG NRW vorbehaltlich einer
abschließenden Stellenbewertung.
Auf Grund der besonderen Aufgabenschwerpunkte und der
sensiblen Beratungsinhalte soll diese Stelle mit einem Mann besetzt werden.
Das Gleichstellungsbüro nimmt vielfältige Aufgaben rund um
das Thema Gleichstellung von Frau und Mann in der Verwaltung und in der Stadt
wahr. Professionelle Gleichstellungsarbeit besteht hierbei darin,
tradierte Rollenzuweisungen für die verschiedenen Geschlechter zu hinterfragen.
Insbesondere der Abbau von Geschlechterstereotypen, die
Gewinnung von Männern für untypische Berufsfelder und eine partnerschaftliche
Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind zentrale Aufgaben.
Künftig sollen nunmehr verstärkt auch Männer in die
Wahrnehmung und in den Fokus der Gleichstellungspolitik gerückt werden.
Ihr Aufgabenbereich
Das Aufgabengebiet umfasst im Wesentlichen
Unterstützung
der Dienststelle und Mitwirkung bei der Ausführung des
Landesgleichstellungsgesetzes
Information,
Beratung und Unterstützung von Mitarbeitenden der Stadtverwaltung
Recklinghausen sowie der Einwohnenden der Stadt Recklinghausen
Zusammenarbeit
mit allen Fachbereichen und Gremien sowie mit Vereinen und Organisationen
aus der Zivilgesellschaft
Identifizierung
von themenspezifischen Handlungsbedarfen, Strategie- und Konzepterstellung
vorrangig für Männer.
Initiierung
und Begleitung von Projekten und Aktionen im Bereich männerorientierter
Gleichstellungsarbeit und LSBTIQ*
Netzwerk-
und Öffentlichkeitsarbeit
Beratung
und Weitervermittlung zu Fachstellen (Lotsenfunktion)
Unsere Anforderungen
Wir suchen eine engagierte Persönlichkeit mit einem
abgeschlossenen (Fach-)Hochschulstudium (Diplom oder Bachelor) der Fachrichtung
Soziale Arbeit, Sozialwissenschaften, Sozialpädagogik oder alternativ mit der
Befähigung für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst
Kommunalverwaltung, das heißt Laufbahnprüfung g.D. Laufbahngruppe 2.1 oder
abgeschlossener Verwaltungs- / Angestelltenlehrgang II und nachgewiesener
Berufserfahrung in einem für die Aufgabenwahrnehmung einschlägigen
Aufgabenbereich.
Ein hohes Interesse an neuen Entwicklungen und
Fragestellungen im Rahmen der Gleichstellungspolitik, insbesondere im
Themenschwerpunkt „Männerarbeit“, sowie Akzeptanz und Sensibilität gegenüber
vielfältigen Lebensentwürfen wird vorausgesetzt.
Darüber hinaus sollten Sie Einfühlungsvermögen, Leistungs-
und Reflexionsbereitschaft und ein hohes Maß an Kreativität mitbringen.
Die Stelle ist teilbar, sofern Bewerber*innen zu einer
flexiblen Arbeitszeitgestaltung bereit sind und ein dienstlich erforderlicher
Abstimmungsbedarf eingehalten wird.
Eine flexible Arbeitszeitgestaltung kann – orientiert an den
dienstlichen Erfordernissen – vereinbart werden. Dazu gehört z. B. die
Begleitung von Veranstaltungen oder Terminen außerhalb der üblichen
Arbeitszeit, gelegentlich auch an Wochenenden und in den Abendstunden.
Die Stadtverwaltung Recklinghausen fördert in vielfältiger
Hinsicht aktiv die Gleichstellung der Mitarbeiter*innen. Wir begrüßen daher
Bewerbungen von Personen ausdrücklich unabhängig von Behinderung, kultureller
und sozialer Herkunft, Alter, Religion, Weltanschauung oder sexueller
Identität. Gern gesehen sind Bewerbungen von interessierten schwerbehinderten
Personen.
Fragen zum Aufgabenbereich beantwortet in der
Gleichstellungsstelle Frau Steuer, Gleichstellungsbeauftragte, Tel.
02361/50-1193
Fragen zum Verfahren beantwortet im Fachbereich Personal,
Organisation, IT und Betriebliches Gesundheitsmanagement Frau Molitor,
Sachgebietsleitung Personalentwicklung / -marketing, Tel. 02361/50-1306
Ihre aussagefähige Bewerbung reichen Sie bitte bis zum 4.
Januar 2023 ausschließlich online über unser Bewerbungsportal www.interamt.de
ein.
‚Vatersein‘ lautet der Titel des dritten Buchs von Tillmann
Prüfer, dessen Kolumne ‚Prüfers Töchter‘ seit vier Jahren wöchentlich im
ZEITmagazin zu lesen ist. Im Untertitel heißt es dann appellativ ‚Warum wir
mehr denn je neue Väter brauchen‘. Also noch ein weiteres Buch, dass Vätern den
Widerspruch zwischen Wollen und Handeln aufzeigt?
Die Antwort lautet Ja und Nein. Prüfer nimmt die Messlatte ‚Bedeutung der Väter
für die Entwicklung ihrer Kinder‘ und konfrontiert die Leser*innen mit den
daraus folgenden Ansprüchen und der oft lauen Performance von Vätern. Auf der
anderen Seite beleuchtet er aber auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen,
Erwartungen und Zuschreibungen an Väter und die damit verbundenen Ambivalenzen,
die noch allzu oft zugunsten des Ernährer Mannes aufgelöst werden. Dabei
bleiben die Ansprüche ans gute Vatersein, auf jeden Fall besser als der eigene
Vater, auf der Strecke.
Authentisch wirken die von Tillmann Prüfer formulierten
Ansprüche vor allem dadurch, dass er in einem Erzählstrang seine eigene
Auseinandersetzung mit dem Vater werden und sein reflektiert. Dazu gehört auch
das Scheitern der ersten Beziehung. In einem Doppelinterview in der aktuellen
Ausgabe des STERN, mit ihm und seinem Vater, äußert dieser auf die erste Frage,
„Herr Prüfer, ist Ihr Sohn Tillmann ein guter Vater?“ „Er gibt sich die größte
Mühe, und ich denke, er macht es sehr gut.“
Dazu, was einen guten Vater ausmacht, schreibt der Sohn an verschiedenen
Stellen seines knapp 200 Seiten umfassenden Buches, aber zunächst einmal ein
kurzer Blick in das Werk.
Im ersten Abschnitt skizziert der Autor die Entstehung und
Geschichte der existierenden Väterbilder und wirbt dafür, den Feminismus als Chance
für Väter zu betrachten, denn die patriarchale Gesellschaft bringe keineswegs
allen Männern in gleicher Weise Vorteile. Es gehe nicht darum von außen auf
sich zu blicken, in Wettbewerb mit anderen zu treten, um im Benchmarking gut
dazustehen und dieses Konkurrenzdenken auf das Vatersein zu übertragen. „Es
gibt nur eine Person auf der Welt, die einem beibringen kann, wie gutes
Vatersein geht: das eigene Kind.“ Auf der anderen Seite ist die Rolle, „die man
als Vater für sein Kind spielt, die wichtigste, die man je im Leben spielen
wird.“ Und ein Vater der einfühlsam und interessiert ist, hilft seinen Kindern
am meisten.
Im zweiten Abschnitt beschreibt Prüfer die Hindernisse, die
einem glücklichen Vatersein im Weg stehen. Da sind zunächst einmal die
Widersprüche und Ambivalenzen zwischen den Sphären Beruf und Familie, die auf
den ersten Blick dazu (ver-)führen, es keinem Recht machen zu können. „Es
scheint klar, dass man etwas anderes machen möchte als früher, machen muss.
Doch die Orientierung fällt schwer. Es gibt so viele Ansprüche an den sogenannten
neuen Vater, dass es unmöglich ist, allem gerecht zu werden.“ Zumal es Vätern
immer noch an Vorbildern mangelt.
Den Vätern gut zuzureden, mehr Interesse für die Kinder zu
zeigen und ihre Wünsche, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen einfach zu
verwirklichen, genügt nach Ansicht von Prüfer nicht. Dazu braucht es „eine
Anstrengung beider Partner – und der ganzen Gesellschaft.“ Zu wissen, dass die
Rollenzuschreibung guter Vater = guter Ernährer nichts ist, was schon immer so
war ist hilfreich. „Wir sind es geworden. Und genauso können wir auch etwas
Neues werden. Wenn wir es denn wagen.“ Dazu ermutigt Prüfer Väter, auch in Gesprächen
über sein Buch wie hier zum Beispiel in der ZDF Sendung ‚Hier und heute‘: „…
reden Sie mal mit anderen Männern darüber. Männer reden mit anderen Männern
kaum über diese Themen, das ist Ihnen irgendwie … da fühlen sie sich schwach,
da sind sie unsicher. Sie reden über Alles andere, aber nicht über die Dinge,
die sie auch seelisch verletzen und bedrücken oder unsicher machen und ich
glaube, wenn sich Väter nur einigermaßen so vernetzt hätten, wie das Frauen
schon lange machen und sich Hilfe holen, dann würde sich viel ändern.“
Im Buch bietet er Vätern im dritten Teil einen ‚Werkzeugkasten
für den modernen Vater an‘. Darin befinden sich 12 Werkzeuge und ein ‚Universalschlüssel‘.
Die einzelnen Werkzeuge reichen von ‚Mach dir einen Plan‘, ‚Lerne vom Kind‘
über ‚Trau dich zu fühlen‘ bis hin zu ‚Mach Fehler und steh dazu!‘ und ‚Beschütz
dein Kind und lass es los‘.
Zu jedem Werkzeug gibt es ausführliche Anwendungsbeschreibungen,
die durch wissenschaftliche Anmerkungen und Zitate unterlegt sind. Beim ‚Werkzeug
9: Rede und hör zu‘ erfährt man, dass Kinder neue Wörter eher von Vätern lernen
als von Müttern. Da Väter weniger Zeit mit Kindern verbringen, müssten sie erst
einmal lernen, sich mit den Kindern zu verständigen. Auf dem Weg dahin lernen
auch Kinder eine Menge.
Das Universalwerkzeug beinhaltet die Aufforderung an Väter ‚Mach was!‘, „denn
die Vatererfahrung findet nicht nur durch Wörter statt, sondern vor Allem durch
Taten. Taten kann man fühlen, hören, riechen, sehen.“
Im vierten und letzten Teil des Buches zeichnet Prüfer
anhand der Entwicklungsstufen einer jeden Vaterschaft ‚Jeder Vater fängt ganz klein
an: Kleinkindpapa‘ bis zum leeren Nest ‚Tschüss Alter! Wenn die Kinder ihre
Väter nicht mehr so sehr brauchen‘ die Möglichkeiten auf, als Vater
mitzuwachsen.
„All diese Konfrontationen, die kleinen Katastrophen, die ständigen
Herausforderungen und Niederlagen, im Wechsel mit minimalen Erfolgen, die
machen etwas mit Vätern. Wer Vater wird, der verändert sich.“
Eingestreut in diesen Lebensreigen ist das Kapitel ‚Kein
neuer Vater ohne eine neue Mutter‘. Seine These: Es wird „keinen neuen Vater
geben, wenn die Partnerin ihm keinen Raum gibt, diese Rolle auszufüllen. Der
Autor setzt sich mit dem Phänomen des ‚Maternal Gatekeeping‘ auseinander und
geht dabei auch auf den Shitstorm ein, den der Spiegel-Beitrag ‚Papa kann das
schon alleine! Was moderne Väter hinkriegen – wenn Mütter sie lassen‘ im Sommer
2021 ausgelöst hat. In der Spiegelrezension schreibt Tobias Becker dazu „Prüfer gelingt das
Kunststück, über sogenanntes Maternal Gatekeeping zu schreiben, ohne die
Väter aus der Pflicht zu entlassen“ und macht deutlich, dass er immer noch
nicht verstehen will, das mit der Beschreibung von ‚Maternal Gatekeeping‘ keine
Schuldzuschreibungen verbunden sind, sondern Verhaltensweisen in einem
komplexen System analysiert werden.
Im allerletzten Kapitel spricht Tillmann Prüfer noch einmal eine
Ermutigung aus ‚Trau dich Papa!‘ und weist darauf hin, dass die
gesellschaftliche Wahrnehmung der Vaterrolle offensichtlich problematischer ist
als die tatsächlich empfundene Nähe von Kindern zu ihren Vätern. „Wahrscheinlich
haben wir heute die besten und um ihre Kinder am meisten besorgten Väter, die
es jemals in der Geschichte westlicher Länder gegeben hat.“ Aber das ist vor
allem auch eine Frage der (Selbst-)Wahrnehmung. „Wenn ich jemand sein kann, an
den die Kinder glauben, obwohl ihnen gerade der Glaube an etwas fehlt. Dann
werde ich ein guter Vater sein“ lautet der vorletzte Satz in dem Buch. Ich
denke, es reicht, wie Heinz Walter vor 15 Jahren in dem Sammelband ‚Vater wer
bist du?‘ beschrieben hat, ein ‚hinreichend guter Vater‘ zu sein. Aber das
entscheiden ja die Kinder und die haben andere Maßstäbe als die Väter selber
und das Feuilleton.
Ich kann den Band von Tillmann Prüfer, jedem empfehlen, der sich mit den Herausforderungen mit denen Väter und Mütter, die es anders mache möchten als es bislang ‚normal‘ ist, konfrontiert sind, auseinandersetzen möchten. Sie werden dabei en passant auch mit spannenden Erkenntnisse der Väterforschung belohnt.
im Oktober hat die LAG-Väterarbeit in NRW eine Kurzumfrage mit 5 Fragen zur Bedeutung von Vätern in der Geburtshilfe gestartet. Die erste Frage lautete:
Welche Bedeutung haben Väter Ihrer Meinung nach bei der Geburt?
Wichtig bzw. sehr wichtig antworteten 93%. Spannend ist bei dieser Frage der Blick auf die Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Von den 98 Antwortenden haben sich 65 dem männlichen und 30 dem weiblichen Geschlecht zugeordnet. Drei haben keine Angaben gemacht.
Während die Einschätzung, sie haben gar keine oder eine geringe
Bedeutung gleichermaßen selten geäußert wird sind prozentual mehr Frauen
der Überzeugung, dass werdende Väter bei der Geburt unabkömmlich sind
als Männer. Eine große Mehrheit von 63% bzw. 73% schätzen ihre Rolle bei
der Geburt aber als wichtig ein.
Frage 2: Kennen Sie Angebote für Väter sich auf die Geburt bzw. aufs Vaterwerden vorzubereiten?
Im Durchschnitt kennen 58% der Antwortenden Angebote zur
Geburtsvorbereitung für Väter. Während aber lediglich 52% der Väter
entsprechende Angebote bekannt sind, äußern über 73% der Frauen diese
Angebote zu kennen.
Bei der Frage, welche Angebote bekannt sind, nennen 6 der 34 Männer
väterspezifische Angebote, bei den Frauen äußern drei, diese Angebote zu
nennen. Alle anderen Nennungen beziehen sich auf die Teilnahme an den
Kursen der Hebammen bzw. Paarkurse. …
Schlussfolgerungen für die Arbeit der LAG-Väterarbeit
Väter ‚spielen‘ bei der Geburt eine bedeutsame Rolle, vor, während
und unmittelbar nach der Geburt werden Weichen für väterliches
Engagement und eine partnerschaftliche Arbeitsteilung gestellt.
In diesem Kontext sind passende Angebote für Väter sind ein
unbedingtes Muss und die gemeinsame Vorbereitung im Rahmen eines
Hebammenkurses kann diese nicht ersetzen.
Im Rahmen dieser Angebote, die es bislang nur vereinzelt, vor allem
in städtischen Ballungszentren gibt, brauchen Väter Möglichkeiten, sich
mit anderen (werdenden) Vätern auszutauschen, alleine und gemeinsam mit
ihren Kindern, sich als bedeutsam für die Entwicklung ihrer Kinder zu
erleben und diese Bedeutung auch gesellschaftlich zugeschrieben zu
bekommen.
Für die Schaffung der konkreten Angebote braucht es politischen Gestaltungswillen und die entsprechenden Mittel. Die allgemeine Anerkennung der Bedeutung von Vätern für die Entwicklung von Kindern ist vor allem eine Frage der Haltung. Sie einzunehmen erleichtert die Gestaltung der passenden Rahmenbedingungen, di nicht nur den Vätern, sondern auch den Kindern und den Partnerschaften zugutekommen.
Christoph, du hast deine Dissertation zum Thema ‚Väter und
familiäre Gewalt‘ geschrieben. In der politischen Diskussion wird der Begriff
‚häusliche Gewalt‘ verwendet. Ist damit das Gleiche gemeint?
Nein, der Begriff „häusliche Gewalt“ ist mittlerweile eigentlich
sehr etabliert, auch über verschiedene Bereiche hinweg. Also die soziale Arbeit
oder auch die Strafverfolgung und Polizei, und beschreibt Gewalt ja eigentlich
zwischen erwachsenen Menschen, die in einer Beziehung leben oder in einer
intimen Partnerschaft, und ist dadurch sehr spezifisch wirklich auf diesen
Bereich Partnerschaftsgewalt zugeschnitten.
Der Begriff „familiäre Gewalt“ ist dagegen ein bisschen breiter und spezifischer, auch leicht antiquierter. War für meine Dissertation aber sehr passend, weil er eigentlich so alle Formen von Gewalt, die es in Familien gibt, ja, weil er diese beschreibt. Also Gewalt zwischen den Eltern, auch Gewalt gegenüber Kindern. Und meine Dissertation beschreibt genau diese Überschneidungen von letztlich Partnerschaftsgewalt und Kindesmisshandlung.
In der Vergangenheit ist häufig ‚Väter sind Täter‘ gereimt worden.
Was sind die Faktoren, die dazu beitragen, dass Männer zu Tätern und Frauen zu
Täterinnen werden?
Also mein Eindruck ist schon, dass es da sehr viele
Geschlechtsstereotype gibt, die so im Hintergrund eine Rolle spielen. Also dass
man bei Männern eher davon ausgeht, dass sie durchsetzungsstark sind, damit
auch zu Gewalt neigen, während Frauen eher, fürsorglicher sind und solche
Dinge. Dass das implizit so eine Rolle bei der Thematik spielt und auch bei
diesen Zuschreibungen.
Und wir wissen in der Tat auch, es gibt deutliche Anzeichen,
zumindest bei schweren Formen von Gewalt, sowohl in der Partnerschaft als auch
gegenüber Kindern, dass dort Väter häufiger die Täter sind. Das heißt aber
nicht, dass das generell so ist. Auch bei leichteren Formen, also
beispielsweise bei körperlicher Disziplinierung von Kindern, wissen wir, dass
sogar Mütter gleichermaßen oder teilweise sogar stärker aktiv sind.
Letztlich hilft uns das aber relativ wenig, weil es ja eigentlich,
mir zumindest, nicht darum geht aufzurechnen wer da jetzt irgendwie
gewalttätiger ist. Und zu den Ursachen muss man sagen, wissen wir noch gar
nicht so viel über geschlechtsspezifische Zuschreibungen. Gibt es
wahrscheinlich auch nicht.
Es gibt sehr viele Rahmenbedingungen, die in dem Bereich eine
Rolle spielen. Sogenannte Risikofaktoren, also soziale Problemlagen,
Hintergrund der Familie. Wir wissen bei Vätern aber insbesondere, dass alles
eine Rolle spielt, was dazu führt, dass Väter in der Lage sind, sich in andere
Menschen hineinzuversetzen. Also wie gut sind sie in der Lage, andere Menschen
zu verstehen? Also ihre Partnerin zu verstehen, die Kinder zu verstehen und
auch deren Situation zu verstehen. Bei Müttern gibt es, bei
Kindesmisshandlungen zumindest, Anzeichen, dass da noch stärker auch Dinge wie
Stress oder auch wie Depressionen eine Rolle spielen können. Das gilt natürlich
für beide Geschlechter, das sind so grob gesagt Punkte, die eine Rolle spielen.
In einer Familie leben häufig auch Kinder, welche Zusammenhänge
zwischen der Partnerschaftsgewalt und möglichen Kindesmisshandlungen gibt es?
Partnergewalt ist eigentlich, das wissen wir aus ganz vielen Studien, ein Indikator dafür, dass es auch ganz viele andere Problemlagen in der Familie gibt. Und unter anderem eben auch Kindesmisshandlungen. In der Forschung spricht man dann davon, dass es ein Mediator ist. Das heißt, sobald Partnerschaft vorliegt, erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass es Gewalt gegenüber Kindern gibt. Das lässt sich nicht generalisieren. Das gilt auch nicht für alle Bereiche. Wir wissen, dass es bei Vätern Überschneidungen in dem Bereich gibt. Und wir wissen auch, dass wir diesen ganzen Komplex eigentlich sehr viel systemischer betrachten müssen, also zwischen Vätern, Müttern und Kindern.
„Die Annahme, Väter und Mütter im Kontext der Geburtsvorbereitung anzusprechen und dort das Anliegen ‚partnerschaftliche Aufgabenteilung‘ zu thematisieren ist richtig, da in diesem Zeitraum entscheidende Weichenstellungen vorgenommen werden. Da mehr als 90 % der Väter an der Geburt und, zumindest beim ersten Kind, auch an angebotenen Kursen zur Vorbereitung teilnehmen, sind Hebammen entscheidende ‚Player‘ auf diesem Feld. Auf der Basis freiwilliger Fortbildungen für Hebammen und mit dem Hinweis, ihnen nützliche Methoden für die Arbeit mit und die Ansprache von Vätern zur Verfügung stellen, lässt sich das Ziel nicht erreichen. Das liegt zum einen, an der von der, an den unterschiedlichsten Stellen beschriebenen Haltung der Hebammen, die Frauen und Männern traditionelle Rollen zuweisen und selbst wenn sie Angebote für Väter machen, diesen Unterstützungs- und Assistentenaufgaben zuweisen.“
Abschlussbericht des Projekts ‚Bedeutung von Vätern im Geburtsprozess’
Stellungnahmen der Parteien zu den Forderungen der LAG Väterarbeit zur Landtagswahl
Die LAG Väterarbeit hat im Vorfeld der Landtagswahl am 15 Mai fünf konkrete väterpolitische Forderungen aufgestellt und die im Landtag vertretenen Parteien darum gebeten darzulegen, inwieweit eine Stimme für Ihre Partei zu einer Umsetzung in den kommenden 5 Jahren beitragen wird.
Die fünfte Forderung lautet:
„Hinwirkung des Landes darauf, dass in den (Rahmen-) Lehrplänen für Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen und -pädagog*innen sowie Hebammen Aus- und Fortbildungsinhalte geplant werden, die diese Fachkräfte in die Lage versetzen, Väter gendersensibel in den Blick zu nehmen, anzusprechen und einzubeziehen.“
Die CDU hat dazu geantwortet:
Unsere Familienzentren sind für viele Familien erste Anlaufstelle. Wir werden daher unseren Kurs des Ausbaus, der finanziellen Stärkung und der Vernetzung mit den Angeboten der Familienförderung fortsetzen. Ein wichtiger Bestandteil für die kommenden Jahre wird dabei die Etablierung des digitalen Familienzentrums NRW sein. Das neue Kinderbildungsgesetz überwindet dabei mit 1,3 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich die strukturelle Unterfinanzierung im System der Kindertagesbetreuung in NRW. In den letzten fünf Jahren haben wir die Anzahl von Familienzentren ausgebaut und familienunterstützende Angebote zum Beispiel im Bereich der Familienbildung gestärkt. Hebammen dienen zusätzlich gerade in den ersten Wochen nach der Geburt in einem geschützten Rahmen als Ansprechpartnerinnen für alle medizinischen und psychosozialen Fragen. Sowohl für Mutter und Kind, als auch für Väter, Partner oder Geschwisterkinder stellen sie dabei eine besondere Begleitung und Unterstützung dar und können auf die individuellen Bedürfnisse in den Familien reagieren.
Die FDP hat dazu geantwortet:
In den genannten Lehrplänen sind schon bereits vielfältige Lebensmodelle und Rollenbilder berücksichtigt. Wir streben an, dass die Rolle von Vätern hierbei noch stärker in den Fokus gerückt wird und unterstützen diese Weiterentwicklung und Anpassung an die heutigen Lebensverhältnisse jenseits tradierter Rollenbilder.
Die Grünen haben dazu geantwortet:
Pädagogische Fachkräfte und Hebammen sind wichtige Ansprech- und Bezugs-personen für Familien. Deshalb ist es wichtig, die Vielfalt von Familienformen genauso in Aus-, Fort- und Weiterbildung zu integrieren, wie insgesamt gender- und diversitätssensible Ansätze zu vermitteln. Gleichermaßen ist es wichtig, Väter in ihrer Rolle zu bestärken und Geschlechter-stereotype, auch in Bezug auf Elternschaft, zu durchbrechen.
Die SPD hat dazu geantwortet:
Wir werden uns in der kommenden Wahlperiode mit den Ausbildungs-ordnungen und dem Sozialberufe-anerkennungsgesetz befassen. Die Ausweitung auf einen vatersensiblen Blick ist ein wichtiger Hinweis. Die Einbindung des Vaters in der Geburtshilfe und auch das Eingehen auf väterliche Ängste und Sorgen ist eine wichtige Ergänzung für die jungen Familien. Wir sehen, dass sich immer mehr Väter engagieren, dies muss sich nun auf die Praxis in den Einrichtungen übertragen. Väterarbeit in die Ausbildung aufzunehmen, kann dies erleichtern.
„Als offene,
tolerante Stadt und Ort der Vielfalt versteht die Stadtverwaltung
Gleichstellung als ganzheitliche zukunftsgerichtete Strategie. War
Gleichstellungsarbeit bislang überwiegend auf frauenspezifische Belange
fokussiert, sollen nunmehr verstärkt auch Männer in die Wahrnehmung und
in den Fokus der Gleichstellungspolitik gerückt, tradierte
Rollenzuweisungen für die verschiedenen Geschlechter hinterfragt, neue
Lebenskonzepte und -formen erarbeitet und unterstützt werden.“
Stellenausschreibung der Gleichstellungsstelle der Stadt Essen aus dem Jahr 2020
In Nordrhein Westfalen gibt es inzwischen in fünf Städten Ansprechpartner für die Belange von Jungen. Männern und Vätern: in Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Essen und Münster.
Stellungnahmen der Parteien zu den Forderungen der LAG Väterarbeit zur Landtagswahl
Die LAG Väterarbeit hat im Vorfeld der Landtagswahl am 15 Mai fünf
konkrete väterpolitische Forderungen aufgestellt und die im Landtag
vertretenen Parteien darum gebeten darzulegen, inwieweit eine Stimme für
Ihre Partei zu einer Umsetzung in den kommenden 5 Jahren beitragen
wird.
Die vierte Forderung lautet:
„Weiterentwicklung des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen
und Männern für das Land Nordrhein-Westfalen (LGG) in dem Sinne, dass
zunächst in allen Kreisen und Kreisfreien Städten neben den
Gleichstellungsbeauftragten auch die Stelle eines Ansprechpartners für
Väter eingerichtet und zusätzlich finanziert wird.“
Die CDU hat dazu geantwortet:
Unsere Gesellschaft ist eine, in der Menschen gleich welchen
Geschlechts die gleichen Chancen haben – überall und zu jeder Zeit.
Jeder Mensch bringt Stärken mit, die wir für ein starkes
Nordrhein-Westfalen benötigen. Dabei wollen wir auch für Männer die
Möglichkeiten stärken, sich für eine Familienzeit zu entscheiden. 2021
haben wir erstmalig in Nordrhein-Westfalen einen umfassenden „Atlas zur
Gleichstellung von Frauen und Männern in Nordrhein-Westfalen“
veröffentlicht, um wichtige Impulse zur Verbesserung der Gleichstellung
zu geben und neue Entwicklungen anzustoßen. Hauptamtliche
Gleichstellungsbeauftragte wirken dabei bereits jetzt in allen
kreisangehörigen Städten und Gemeinden mit mehr als 10 000
Einwohnerinnen und Einwohnern sowie in kreisfreien Städten und Kreisen
wesentlich mit. Dass wir uns dabei auch für die Rolle der Männer und
Väter einsetzen, zeigt sich u.a. darin, dass wir neben der Stärkung der
Unterstützungsinfrastruktur für von Gewalt betroffene Frauen erstmals in
Nordrhein-Westfalen auch eine für von Gewalt betroffene Männer
aufgebaut haben.
Die FDP hat dazu geantwortet:
Wir möchten eine neue Gleichstellungspolitik für alle gestalten.
Dort, wo Benachteiligungen vorliegen, wollen wir politisch agieren,
unabhängig davon, ob es sich um eine Benachteiligung von Frauen, Männern
oder diversen Personen handelt. Es gilt, die im Einzelfall
Benachteiligten oder Schwächeren zu schützen. Das
Landesgleichstellungsgesetz muss daher zu einem Landesdiversitätsgesetz
weiterentwickelt und den heutigen Lebensverhältnissen angepasst werden.
Im Rahmen der Neufassung werden wir klarstellen, dass unter
Gleichstellung die Gewährleistung von Gleichberechtigung für alle
Geschlechter zu verstehen ist. Das Landesdiversitätsgesetz wird deshalb
u. a. auch die Belange von Männern und Diversen aufnehmen und sie als
Bewerbende für das Amt des/ der Diversitätsbeauftragten zulassen.
Die Grünen haben dazu geantwortet:
Kern des Landesgleichstellungsgesetzes ist die Gleichstellung von
Frauen und Männern und der Abbau struktureller Hemmnisse für Frauen.
Dabei spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine wichtige
Rolle. Von einer besseren Vereinbarkeit und einer Unternehmens- bzw.
Organisationskultur, die die Vereinbarkeit von Beruf und Sorgearbeit,
also auch der Pflege von Angehörigen, in den Blick nimmt und ermöglicht,
profitieren Frauen wie Männer. In vielen Kommunen wurden die
Gleichstellungsstellen um unterschiedliche Aspekte von Diversität
erweitert. Insgesamt müssen wir auch in der öffentlichen Verwaltung
Strukturen stärken, die der Vielfalt von Lebensrealitäten, aber auch
Diskriminierungserfahrungen Rechnung trägt und diese Vielfalt
gleichzeitig als Bereicherung für Verwaltungen und Unternehmen begreift.
Der öffentlichen Verwaltung kommt dabei eine Vorbildfunktion zu.
Die SPD hat dazu geantwortet:
Die Gleichstellung von Frauen und Männern fördern wir aktiv. Wir wirken gezielt auf einen Ausgleich von Benachteiligungen hin. Für uns sind alle Menschen gleich. Deswegen setzen wir uns dafür ein, Ungleichheiten zu beseitigen. Es geht einfach besser, wenn man gemeinsam handelt. Uns ist wichtig, dass Frauen und Männer gleichstark auf allen politischen Ebenen vertreten sind. Dies werden wir auf eine gesetzliche Grundlage stellen. Wir wissen, dass Väter besondere Bedarfe in der Ansprache und Beratung haben. Die Umsetzung der Beratung vor Ort werden wir gemeinsam mit den beteiligten Akteuren beraten. Wir haben immer gesagt, Vater ist was du draus machst, wir wissen aber, dass das nicht ohne Unterstützung möglich ist.
Das Schwerpunktthema der aktuellen Hebammenzeitschrift (DHZ
3-2022) lautet ‚Elternwerden aus feministischer Sicht‘. Das es dabei auch auf ‚aktive
Vaterschaft von Anfang an‘ ankommt haben Karsten Kassner, Hans-Georg Nelles,
Holger Strenz und Carsten Vonnoh in ihrem Beitrag dargelegt.
Neben einer auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen
Geburtsvorbereitung und dem Austausch mit anderen Vätern spielen passende
gesellschaftliche Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle. Dazu heißt es im
Beitrag unter anderem:
Darüber hinaus setzen familienpolitische Regelungen – aber
auch betriebliche Kontexte – den Rahmen, in dem Männer ihre Vaterschaft gestalten
können. Mit dem Elterngeld ist seit 2007 ein Weg eingeschlagen worden, der eine
»leise Revolution« nach schwedischem Vorbild einleiten sollte. Seitdem ist
einiges in Bewegung geraten, die geltende Regelung mit zwei zusätzlichen Partnermonaten
und die seit Einführung unangetastete finanzielle Ausgestaltung sind jedoch
nicht ausreichend.
Viele Arbeitgeber:innen stehen beruflichen Auszeiten von
Männern aufgrund von Sorgeverantwortung weiterhin skeptisch gegenüber. Das
zeigt aktuell auch die Diskussion um die bezahlte Vaterschaftsfreistellung nach
Geburt, also die Möglichkeit für Väter und andere zweite Elternteile, 14 Tage
nach der Geburt bei vollem Gehalt die Partnerin im Wochenbett zu unterstützen
und selbst in die neue Rolle hineinzuwachsen.
Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass es in Deutschland mit
der geplanten Einführung einer Vaterschaftsfreistellung perspektivisch eine
solche familien- und gleichstellungspolitische Leistung als gesetzlichen Anspruch
geben wird. Die Diskussionen um entsprechende Regelungen machen die
gesellschaftlichen Normen und Erwartungen an Väter und Mütter sichtbar, die es
Vätern erschweren, sich von Anfang an gleichberechtigt zu beteiligen.
Statt zu monieren, dass Väter in der Regel lediglich die
zwei zusätzlichen Partnermonate beim Elterngeld in Anspruch nehmen, bräuchte es
viele weitere mutige Schritte und strukturelle Rahmensetzungen, um Sorgearbeit gleichberechtigter
zwischen den Geschlechtern aufzuteilen. Beispielsweise eine deutliche
Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld und mehr monetäre Anreize, sich
das Elterngeld gleichmäßiger aufzuteilen, etwa durch die Einführung einer
Dynamisierung, wie im 9. Familienbericht der Bundesregierung vorgeschlagen
Darüber hinaus wäre die Einführung einer Familienarbeitszeit
ein wichtiger Schritt, um eine lebenslaufbezogene Arbeitszeitpolitik zu
etablieren, die für beide Eltern Arbeitszeitreduktion oder vollzeitnahe Teilzeit
für Phasen mit erhöhter Verantwortung für Sorgearbeit vorsieht
Darüber hinaus wäre die Einführung einer Familienarbeitszeit ein wichtiger Schritt, um eine lebenslaufbezogene Arbeitszeitpolitik zu etablieren, die für beide Eltern Arbeitszeitreduktion oder vollzeitnahe Teilzeit für Phasen mit erhöhter Verantwortung für Sorgearbeit vorsieht.
Mehr
als zwei Drittel aller jungen Männer und Frauen wünschen sich eine
partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit, wenn sie
denn einmal Väter und Mütter sind. Wünsche und Wirklichkeiten klaffen
aber nach wie vor auseinander, auch wenn es auf den ersten Blick
‚gerecht‘ aussieht.
Die Summe von bezahlter und unbezahlter Arbeit an Wochentagen ist bei
Männern und Frauen mit circa 11 Stunden in etwa gleich. Aber bezahlte
und unbezahlte Arbeit ist zwischen Männern und Frauen ungleich
aufgeteilt. Dies zeigt die alle 10 Jahre durchgeführte
Zeitverwendungserhebung ebenso wie Studien, die im Kontext der Pandemie
durchgeführt worden.
In einer aktuellen Studie[i]
heißt es dazu, „Betrachtet man die gegenwärtige Studienlage zu
innerfamilialer Arbeitsteilung und Geschlechterungleichheit, zeigt sich …
ein heterogenes und widersprüchliches Bild“ und weiter „Innerfamiliale
Arbeitsteilung lässt sich zunächst direkt auf der Mikroebene verorten,
bei den Paaren und in Familien. Für die Untersuchung der Arrangements
gilt es aber, die innerfamiliale Mikroebene in ihrer Verwobenheit mit
dem mobilen Arbeiten im Kontext von Arbeitsorganisationen auf der
Mesoebene und den Makrostrukturen des Wohlfahrtsstaates sowie
gesellschaftlichen Norm(alitäts)annahmen, wie
geschlechterdifferenzierende Zuschreibungen von Betreuungsverantwortung,
zu betrachten. … Aushandlungen kommt als Modus für Erzeugung, Erhalt
und Veränderung sozialer Ordnung eine zentrale Bedeutung zu.“
Als Fazit bilanzieren die Autor*innen ‚paradoxe Gleichzeitigkeiten‘.
„Wir folgern aus unseren Analysen, dass die Diskussion um innerfamiliale
Arrangements und ihre Entwicklungen während der CoronaKrise
differenziert geführt werden muss: Weder haben wir es ausschließlich mit
einer Retraditionalisierung noch mit einer Modernisierung zu tun,
sondern vielmehr werden bereits bestehende Geschlechterungleichheiten
sichtbar und teilweise verschärft – bei gleichzeitig vorhandenem
Modernisierungsstreben.“
Was das für die Aushandlungen in den Partnerschaften bedeutet und
welchen Beitrag Familienbildung leisten kann um diese Prozesse zu
unterstützen, war das Thema einer Dialogrunde und eines Workshops bei
der Fachtagung der LAG Väterarbeit im vergangenen November.
In ihrem Impuls wies auch Barbara Streidl, Autorin der Streitschrift
‚Lasst Väter Vater sein‘, auf die Ambivalenzen hin: Einerseits
erleichtere das Homeoffice die Vereinbarkeit von Beruf und Familie,
bringe aber andererseits auch die Figur der wartenden Mutter zurück, auf
der die deutsche Sozialpolitik beruhe. Familie, Partnerschaft,
Erwerbstätigkeit, Haushalt, Selfcare und … die Erwartung ist, dass alles
gleichzeitig ‚erledigt‘ werde. Aber der Tag hat nun Mal ‚nur‘ 24
Stunden.
Als Vision wurde eine gesellschaftliche Aufwertung der Carearbeit
formuliert, die sich auch so äußern kann: „Da will ich ja eigentlich zum
Laternenumzug“, sagt der Oberstaatsanwalt, als es um eine Veranstaltung
am Abend des 10. Novembers ging. Die Veranstaltung begann um halb acht,
da ist der Umzug vorbei und er kommt knapp zur Veranstaltung.“
Es geht also darum, dem alltäglichen Vatersein Raum und Zeit zu
gestatten, das ist in erster Linie eine Frage der Haltung. Im Hinblick
auf die in den Partnerschaften notwendigen Aushandlungen geht es auch um
Einstellungen, aber vor allem um Kompetenzen und deren Zuschreibungen
auf Väter und Mütter. Einem klassisches Feld der Familienbildung.
Wie diese in NRW aufgestellt ist und wo Entwicklungspotenziale sind, hat die im vergangenen Jahr vorgelegte Evaluation[ii]
der familienpolitischen Leistungen gezeigt. Dort steht unter anderem,
es „wird deutlich, dass Väter 2019 am häufigsten Angebote in
Beratungseinrichtungen in Anspruch nahmen, … der Anteil der männlichen
Teilnehmer in der Familienbildung [hat sich] im Verhältnis zur
Bestandsaufnahme von 2006 kaum verändert hat. [er verharrt] auf dem
niedrigen Niveau von 16 bis 17 Prozent. An anderer Stelle ist zu lesen,
dass sich „Väter nicht durch die klassischen auf Reflexivität und Dialog
angelegten Kursgruppen angesprochen fühlen und entweder
Outdoor-Aktivitäten oder etwas Technisches bzw. Handwerkliches
bräuchten. Zudem wird die Teilnahme von Vätern/Männern überwiegend
abends oder an Wochenenden verzeichnet.“
Diese und weitere Ergebnisse der Evaluationsstudie griff auch Jürgen
Haas in seinem Impuls zu Beginn des Workshops auf und wies auf einen
weiteren ‚Mangel‘ hin, den geringen Anteil von männlichen Mitarbeitenden
in der Familienbildung.
Wer mehr Väter in der Familienbildung möchte, muss sich so sein
Fazit, als Entscheidungsträger und Anbieter, auch mit diesen
Herausforderungen auseinandersetzen. „Prognos hat in der aktuellen
Studie zu den familienbezogenen Leistungen in NRW auf fünf
Handlungsfelder hingewiesen, die meines Erachtens auch für die
Familienbildung Relevanz haben: Bekanntheit, Vernetzung,
Digitalisierung, Angebotsformate und das Personal.
Als Ergebnis des Workshops wurden drei zentrale Weichenstellungen formuliert:
für die Neuausrichtung der Angebote im Bereich der
Familienbildungsarbeit braucht es einen langen Atem. Projekte sind oft
sehr kurzfristig angelegt. Dadurch kann man das Vertrauen und die
Kontinuität der Väterbeteiligung nicht sicherstellen
eine Erhöhung der Anteile des pädagogischen männlichen Personals in
der Familienbildung und auch die der freiberuflichen Honorarkräfte kann
durch eine bessere finanzielle Ausstattung erreicht werden
die Fachkräfte müssen in die Lage versetzt werden, Väter
gendersensibel in den Blick zu nehmen und anzusprechen. Dazu braucht es
passende Qualifizierungsangebote.
Take Aways für Väter
Es ist gut, dass Sie sich vornehmen, sich alle anfallenden Aufgaben
in der Familie ‚gerecht‘ aufzuteilen. Damit dies Vorhaben auch gelingt,
ist es hilfreich, sich mit ihrer Partnerin darüber auszutauschen welche
Erwartungen sie als Vater und Mutter an sich und den jeweils anderen
haben.
Im nächsten Schritt geht es dann darum, wer was zu welchem Zeitpunkt
macht: Elternzeit nimmt, Kinder und Haushalt betreut oder das Geld für
die Finanzierung des Projekt Familie verdient. Lassen Sie sich bei
diesen ‚Verhandlungen‘ nicht vorschnell durch die Verlockungen des
vermeintlich leichteren Wegs, eine*r geht Geld verdienen und eine*r
bleibt zu Hause über den Tisch ziehen. Auch wenn Sie vorhaben, beim
nächsten Kind alles anders zu machen führt diese gutgemeinte ‚temporäre
Teilretraditionalisierung‘ geradewegs in alte Rollenmuster und engt ihre
Spielräume und Wünsche, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen und
dafür ggf. auch Arbeitszeiten zu reduzieren extrem ein
Fangen Sie mit diesen Aushandlungsprozessen frühzeitig an, am besten
genau dann, wenn Sie über die Umsetzung ihrer Kinderwünsche sprechen.
Eine ‚Arbeitshilfe‘ dazu finden Sie hier oder auch auf dieser Webseite.
Denkanstöße für Beschäftigte in der Familienbildung und Familienzentren
Es ist gut, wenn Sie in Zukunft Väter verstärkt in die
Familienbildungsarbeit ihrer Einrichtung einbinden möchten. Beziehen Sie
bei der Planung der Angebote am besten Väter mit ein.
Planen Sie diese Angebote möglichst niedrigschwellig und zun den
Zeiten, in der die Väter auch daran teilnehmen können: nach Feierabend,
am besten Freitagnachmittag oder Samstagvormittag
Kommunizieren Sie die Angebote so, dass Väter diese auch im Internet finden können.
Bei allen Fragen, die Sie zu diesem Thema haben steht Ihnen die Geschäftsstelle der LAG-Väterarbeit gerne beratend zur Seite.
[i]
Almut Peukert, Miriam Beblo, Laura Lüth und Katharina Zimmermann;
Erwerbs- und Familienarbeit im Homeoffice? Innerfamiliale Arbeitsteilung
in der Corona-Krise auf dem Prüfstand; in Sozialer Fortschritt, 71
(2022), S.29ff