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5 Väter-Fragen an Jürgen Haas

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 25. Oktober 2023

Jürgen Haas ist seit vielen Jahren als Koordinator der Väterkindagentur im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen in der Familienbildung tätig. Ihm ist Vernetzungsarbeit und die Kooperation mit andern für die Belange von Vätern und Kindern sehr wichtig. Als Supervisor, Gestalttherapeut und wissenschaftlicher Referent hat er zahlreiche Zugänge zur Männer- und Väterarbeit und ist selbst leidenschaftlich gerne Vater und Großvater von zwei Töchtern und einem Enkelkind.

Ergänzen Sie bitte den Satz ‚Vater werden ist …‘

… eine wunderbare Herausforderung und ein nachhaltiges Erlebnis.

Welche Eigenschaften fallen ihnen beim Wort ‚Vater‘ ein?

liebevoll, zugewandt, emphatisch, beständig, verlässlich, verantwortungsvoll, Raum gebend, partnerschaftlich, kooperativ

Was sollte Mann beim Vater werden unbedingt beachten?

Nach meiner nun fast 30 jährigen Erfahrung ist es wichtig immer mit dem eigenen Kind empathisch und nachhaltig in Kontakt zu bleiben und dies auch in sogenannten schwierigen Zeiten. Für mich beginnt diese Nähe und die von Verantwortung und Liebe getragene Verbundenheit vor der Geburt und gilt ein Leben lang, durch alle Lebensabschnitte und -phasen meines Kindes, bzw. meiner Kinder. Dieser Kontakt setzt gemeinsame Zeit voraus, für die es wichtig ist zu kämpfen, um konsequent Zeiträume und Zeitfenster zu sichern. Ich finde es wichtig elterliche Verantwortung gemeinsam zu tragen und trotz der Diversität mit Blick auf Einstellungen und Ansichten gemeinsame Wege zu suchen. Diese Grundhaltung sollte ggf. auch über die Partnerschaft hinaus (Stichwort: Trennung) Gültigkeit haben.

Was würde Ihrer Meinung nach Vätern in Zukunft das Vater sein erleichtern?

Die Anerkennung von Care-Aufgaben als wichtigen gesellschaftlichen und nachhaltigen Beitrag und als elementare Voraussetzung für eine partnerschaftliche Aufteilung von Erziehungsverantwortung. In Konsequenz bedeutet dies für mich die Festschreibung und Umsetzung von politischen Maßnahmen und Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zur finanziellen Absicherung von Familien.

An welches Erlebnis mit Ihrem Vater erinnern Sie sich am liebsten?

Mein Vater war Küchenmeister und hat leidenschaftlich gerne gekocht. An jedem Sonntag hatte ich die Gelegenheit ihm beim Kochen zuzuschauen und ihn dabei zu unterstützen. Es hat mich sehr beeindruckt, wie er mit Gewürzen „jonglieren“ und Geschmacksnuancen komponieren konnte. Das er mich daran teilhaben ließ und mir die Dinge liebevoll und mit viel Geduld erklärte, hat bei mir Spuren und wunderschöne Erinnerungsbilder hinterlassen, an denen ich gerne meine Kindern in Geschichten und Erzählungen teilhaben lasse.

Quelle

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Die Vollzeitnorm von 40 Stunden nimmt Vätern die Zeit in der Familie

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 25. September 2023

Interview mit Teresa Bücker

In deinem Buch beschreibst du, dass viele Kinder ihre Väter als abwesend wahrnehmen, immer noch. Was hindert denn die Väter daran, präsenter zu sein in ihren Familien?

Mich hat das erst mal überrascht, dass Kinder immer noch sagen, dass ihre Mütter viel präsenter sind als die Väter, weil wir davon ausgehen, dass sich in Familien sehr viel getan hat. Und was Väter wirklich daran hindert, sich mehr zu beteiligen, sind die langen Arbeitszeiten. Das zeigen alle Studien, alle Analysen ganz klar, dass die Vollzeitnorm von 40 Stunden Vätern die Zeit in der Familie nimmt. Dann kommen oft noch Pendelwege dazu. Väter haben oft Arbeitsorte, die länger entfernt sind. Und das ist im Alltag dann ganz wenig Zeit. Also, Arbeitszeit ist eine der großen Stellschrauben und Vätern sollte eben bewusst sein, die Kinder nehmen. Das war heute immer noch. Ja.

Was können denn Väter gewinnen, wenn sie mehr Carearbeiten in den Familien übernehmen?

Jeder Vater, der sich ganz viel in die Familie einbringt, erlebt das eigentlich. Also am besten mal Väter fragen, die lange in Elternzeit waren oder Teilzeit arbeiten. Das entspricht auch eigentlich den Wünschen vieler Vätern, ja, ganz aktiv Vater zu sein, viel Zeit mit den Kindern zu haben. Und diejenigen, die es erleben, die vielleicht jetzt schon in Teilzeit arbeiten, die sagen auch, sie wollen nie wieder dahin zurück, wo sie vorher waren, weil der große Wunsch von den meisten Vätern ist, eben auch eine starke emotionale Bindung an die Kinder. Vorbild sein können und das kann man nur, wenn man im Alltag präsent ist. Und Väter leiden gerade oftmals zwischen der Zerrissenheit von den beruflichen Ansprüchen und wie sie als Vater eigentlich leben wollen. Und das in Einklang zu bringen, darum geht es und dann fühlt man sich auch wohl da in der eigenen Vaterrolle.

Was können wir denn noch an den Strukturen drehen, damit wir den Vätern die Anwesenheit in den Familien erleichtern können?

Was ich empfehlen würde, ist, dass sich Paare, heterosexuelle Paare, wirklich frühzeitig damit auseinandersetzen, wie sie leben wollen und ganz, ganz offen darüber sprechen. Das findet oftmals nicht statt und dann werden wir in alte Rollen gedrängt, in denen wir eigentlich gar nicht leben wollen. Und das wirklich früh zu planen, vielleicht auch zu sagen, wir machen materielle Einschnitte, weil wir beide in Teilzeit arbeiten wollen, aber dann so Eltern sein können, wie wir es wirklich wollen, das ist ganz, ganz wichtig. Und was ich Vätern auch empfehlen würde, wäre sich untereinander zu vernetzen, zu solidarisieren und immer zu sagen, wenn ich hier in meinem Unternehmen den Weg ebne für Familienfreundlichkeit auch für Väter, dann haben ganz viele andere Väter was davon. Also diese solidarische Ebene, politisch auch etwas zu verändern, das ist ganz wichtig.

Zum Schluss, was ist dein Appell an Väter?

Traut euch, in den Familien präsent zu sein, wirklich von Anfang an. Gönnt euch die Zeit. Macht euch ganz klar, wie ihr Vater sein wollt, wie ihr Familie leben wollt. Und seid dann auch mutig, dass es etwas unbequem sein kann, dass es bedeuten kann, beruflich zu reduzieren. Aber redet auch mit anderen Vätern, wie sie es wahrgenommen haben. Redet unbedingt mit Vätern, die lange in Elternzeit waren, die jetzt Teilzeit arbeiten und macht euch gegenseitig Mut. Und traut euch eben, Pioniere zu sein. Es wird euch und eure Kinder stärken.

Das Interview hat Martina Züger am Rande des VäterSummits am 26. August geführt.

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… mir fehlt vor allem eine systemische Perspektive

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 2. September 2022

Interview mit Christoph Liel

Christoph, du hast deine Dissertation zum Thema ‚Väter und familiäre Gewalt‘ geschrieben. In der politischen Diskussion wird der Begriff ‚häusliche Gewalt‘ verwendet. Ist damit das Gleiche gemeint?

Nein, der Begriff „häusliche Gewalt“ ist mittlerweile eigentlich sehr etabliert, auch über verschiedene Bereiche hinweg. Also die soziale Arbeit oder auch die Strafverfolgung und Polizei, und beschreibt Gewalt ja eigentlich zwischen erwachsenen Menschen, die in einer Beziehung leben oder in einer intimen Partnerschaft, und ist dadurch sehr spezifisch wirklich auf diesen Bereich Partnerschaftsgewalt zugeschnitten.

Der Begriff „familiäre Gewalt“ ist dagegen ein bisschen breiter und spezifischer, auch leicht antiquierter. War für meine Dissertation aber sehr passend, weil er eigentlich so alle Formen von Gewalt, die es in Familien gibt, ja, weil er diese beschreibt. Also Gewalt zwischen den Eltern, auch Gewalt gegenüber Kindern. Und meine Dissertation beschreibt genau diese Überschneidungen von letztlich Partnerschaftsgewalt und Kindesmisshandlung.

In der Vergangenheit ist häufig ‚Väter sind Täter‘ gereimt worden. Was sind die Faktoren, die dazu beitragen, dass Männer zu Tätern und Frauen zu Täterinnen werden?

Also mein Eindruck ist schon, dass es da sehr viele Geschlechtsstereotype gibt, die so im Hintergrund eine Rolle spielen. Also dass man bei Männern eher davon ausgeht, dass sie durchsetzungsstark sind, damit auch zu Gewalt neigen, während Frauen eher, fürsorglicher sind und solche Dinge. Dass das implizit so eine Rolle bei der Thematik spielt und auch bei diesen Zuschreibungen.

Und wir wissen in der Tat auch, es gibt deutliche Anzeichen, zumindest bei schweren Formen von Gewalt, sowohl in der Partnerschaft als auch gegenüber Kindern, dass dort Väter häufiger die Täter sind. Das heißt aber nicht, dass das generell so ist. Auch bei leichteren Formen, also beispielsweise bei körperlicher Disziplinierung von Kindern, wissen wir, dass sogar Mütter gleichermaßen oder teilweise sogar stärker aktiv sind.

Letztlich hilft uns das aber relativ wenig, weil es ja eigentlich, mir zumindest, nicht darum geht aufzurechnen wer da jetzt irgendwie gewalttätiger ist. Und zu den Ursachen muss man sagen, wissen wir noch gar nicht so viel über geschlechtsspezifische Zuschreibungen. Gibt es wahrscheinlich auch nicht.

Es gibt sehr viele Rahmenbedingungen, die in dem Bereich eine Rolle spielen. Sogenannte Risikofaktoren, also soziale Problemlagen, Hintergrund der Familie. Wir wissen bei Vätern aber insbesondere, dass alles eine Rolle spielt, was dazu führt, dass Väter in der Lage sind, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Also wie gut sind sie in der Lage, andere Menschen zu verstehen? Also ihre Partnerin zu verstehen, die Kinder zu verstehen und auch deren Situation zu verstehen. Bei Müttern gibt es, bei Kindesmisshandlungen zumindest, Anzeichen, dass da noch stärker auch Dinge wie Stress oder auch wie Depressionen eine Rolle spielen können. Das gilt natürlich für beide Geschlechter, das sind so grob gesagt Punkte, die eine Rolle spielen.

In einer Familie leben häufig auch Kinder, welche Zusammenhänge zwischen der Partnerschaftsgewalt und möglichen Kindesmisshandlungen gibt es?

Partnergewalt ist eigentlich, das wissen wir aus ganz vielen Studien, ein Indikator dafür, dass es auch ganz viele andere Problemlagen in der Familie gibt. Und unter anderem eben auch Kindesmisshandlungen. In der Forschung spricht man dann davon, dass es ein Mediator ist. Das heißt, sobald Partnerschaft vorliegt, erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass es Gewalt gegenüber Kindern gibt. Das lässt sich nicht generalisieren. Das gilt auch nicht für alle Bereiche. Wir wissen, dass es bei Vätern Überschneidungen in dem Bereich gibt. Und wir wissen auch, dass wir diesen ganzen Komplex eigentlich sehr viel systemischer betrachten müssen, also zwischen Vätern, Müttern und Kindern.

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Männer & Väter als Subjekte im Gleichstellungsprozess

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 18. Januar 2022

Holger, du hast bei der Fachtagung der LAG Väterarbeit in NRW im November die Dialogrunde und den Workshop im Themenfeld ‚Gleichberechtigung und Beteiligung‘ moderiert. Eine der Visionen die in der Dialogrunde formuliert wurde lautet: ‚Familienarbeit aus der Tabuzone holen‘. Was ist damit gemeint?

Im gesellschaftlichen Kontext gehen wir vom Idealbild der heilen Familie aus, ein Ort von Liebe und Geborgenheit. Treten Probleme und Herausforderungen auf, werden diese schnell individualisiert und stehen in Verantwortung der Eltern. Dann gibt es Aussagen wie: „Die Eltern sind überfordert sie sollen sich doch Hilfe holen.“ Im unternehmerischen Kontext soll Familienarbeit idealerweise funktionieren und nicht den Arbeitsprozess stören.

Schlaflose Nächte bei zahnenden Kindern, Erkrankungen, neue Lebensabschnitte oder auch die Zeit der Pubertät sind jedoch ganz normale Familienthemen, die in der Regel viel Kraft und elterliche Aufmerksamkeit benötigen. Konkret geht es darum, dass Kolleginnen nicht ausgegrenzt und belächelt werden, wenn sie aufgrund von Aufgaben mit und für die Kinder eher gehen müssen oder die familiären Themen über berufliche Aufgaben stellen.

Ebenso sind Themen wie Allein- bzw. Getrennterziehende oder Trennung keine, mit denen man im Arbeitsalltag oder auch im Freundeskreis punkten kann, wenn Familie und Familienarbeit zur besonderen Herausforderung wird. Unsere Gesellschaft verweist lieber an individuelle Unterstützungsangebote, als dass strukturelle Veränderungen angedacht und auf den Weg gebracht werden.

Nicht zuletzt gehört Familien- und Care-Arbeit nach wie vor zu den unentgeltlichen Leistungen, die für eine Gesellschaft zwar unabdingbar sind, aber eben nicht finanziert und entsprechend anerkannt werden. Nicht zuletzt sehen wir im Umgang mit Familien während der Pandemie, dass zwar Trostpflaster verabreicht werden, wie einmalige Zahlungen, aber dass wir viel mehr über Wirtschaft und Finanzen berichten, als dass die herausfordernde Familien- und Sorgearbeit in den Mittelpunkt gerückt werden. Ebenso ist das Lohngefälle ein Ausdruck dafür, welchen Wert Sorgearbeit in unserer Gesellschaft hat und wie selbstverständlich sie in diesem Lohngefälle gegenüber produzierendem Gewerbe gehalten wird.

Warum ist es wichtig, Männer und Väter von Anfang an als Akteure im Gleichstellungsprozess zu adressieren und einzubeziehen?

Weil Gleichstellung nur im Miteinander und im für einander Einstehen gelingen kann. Equal Pay und Equal Care sind Aufgaben, die längerfristig Müttern wie Vätern zugutekommen. Rollenklischees entwickeln sich, sobald wir auf die Welt kommen und prägen unsere Gesellschaft nachhaltig. Wenn wir daran etwas ändern wollen, dann müssen wir an individuellen Einstellungen etwas verändern und bei den frühen Sozialisationsinstanzen starten. Kinder müssen erleben können, dass Väter im Alltag anwesend sind und sich ebenso um Kinder kümmern, wie sie ihre bezahlte Arbeit meistern. So braucht es in allen Lebensbereichen männliche Vorbilder, die ein gleichberechtigtes Leben ohne Rollenzuschreibungen anstreben oder bereits realisiert haben. Und hierfür braucht es Männer und Väter die dies auch leben wollen, also davon überzeugt sind, dass dies für sie und für die nachfolgende Generation ein guter Weg ist, Gesellschaft zu gestalten. Oft erleben heute Männer Gleichstellung als Beschneidung von Möglichkeiten, als Zurechtweisen und defizitär. Dabei gilt es das Augenmerk darauf zu legen, was Männer und Väter von diesem Prozess ganz individuell und im Zusammenleben mit Frauen und Müttern davon haben.

Welche Vorteile bringt das für Väter und die Beziehung zu ihren Kindern?

Es bringt Stabilität für die Beziehung, wenn Väter nicht nur im Spaßbereich erlebt werden, sondern auch zeigen dass sie im Carebereich fit sind. Viele Väter, die Elternzeit genommen haben, berichten davon, dass sie später eine gute Beziehung zu ihren Kindern haben. Zum einen ist dies natürlich in der Begleitung im Aufwachsen der Kinder eine wichtige Ressource. Aber ich denke zudem ist es eine wichtige Energiequelle für Väter selbst, wenn sie am Werden ihrer Kinder beteiligt sind und durch Beziehung zu ihnen gestärkt und getragen werden. Nicht zuletzt verhindert es soziale Isolation, insbesondere in Krisen & Konfliktsituationen.

Welche Stolpersteine und Widerstände gilt es dabei unbedingt zu beachten?

Väter sind, wenn es um Familien- und Carearbeit geht, in einem für sie noch relativ neuen Lebensbereich unterwegs. Es fehlt an Erfahrungen und Angeboten. Häufig bekommen sie direkt oder durch die Blume gesagt, dass die Mütter hier die bessere Arbeit leisten. Als Beispiel sei ein Vater genannt, der in der Familienberatung bei der Umgangsgestaltung danach gefragt wurde, ob er für seine Kinder sorgen könne. Dieser Vater hatte ein Jahr Elternzeit genommen. Als er die Frage bejahte, kam die nächste Rückfrage, was er denn für seine Kinder koche? Diese subtilen Kontrollfragen sind verunsichern Väter zusätzlich und zeigen ein fehlendes Zutrauen. Väter brauchen jedoch offene und vertrauensvolle Rahmenbedingungen, um sich noch mehr in den Care- und Sorgebereich einzubringen.

Wahrscheinlich stehen sich jedoch die Männer im Gleichstellungsprozess am meisten selbst im Weg, wird das Thema Gleichberechtigung mit „schwach sein“ verknüpft und innerlich abgewertet. Auf der anderen Seite braucht es natürlich auch Mütter und Frauen, die Veränderungen aushalten, insbesondere, wenn sie nicht nach ihren Ideen umgesetzt werden. Wichtig ist dabei, dass ein Austausch miteinander stattfindet und mögliche Stolpersteine gemeinsam aus dem Weg geräumt werden können.

Nicht zuletzt ist es Aufgabe der Politik, den gesellschaftlichen Umdenkprozess zu forcieren und zu unterstützen. Väter und Männer aktiv hierzu einzuladen und dafür strukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen.

Was sind deiner Meinung nach die ersten drei Schritte auf dem Weg hin zu einer ‚echten‘ Gleichberechtigung in den Sphären Erwerbs- und Carearbeit?

Die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Männer nicht mit dem Gedanken des Familienernährers aufwachsen, also als hauptverantwortlich in die Erwerbsarbeit gedrängt werden und dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf aktiv von Unternehmen angesprochen und Vätern Mut gemacht wird, sich auszuprobieren, den Bereich von Sorgearbeit zu entdecken und sich selbst zu zeigen.

Themen, wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen auf Männer und Väter direkt zugeschnitten werden, auch wenn es dieselben Inhalte betrifft. Solange wir in traditionellen Rollenvorstellungen verhaftet sind, braucht es aktive und manchmal provokative Anstöße zum Umdenken. Role-Model-Kampagnen können dabei positive Denkanstöße liefern und eine Vielfalt aufzeigen, die ganz unterschiedliche Väter anspricht.

Frauen in den Vorstandsetagen sind dabei ebenso wichtig, wie Väter in einer Elternzeit von sieben Monaten und mehr. Die Elternzeit- und Elterngeldreform 2007 hat gezeigt, dass strukturelle Anreize Veränderungen wunderbar beschleunigen können. Hier kann Politik entsprechend unterstützend wirken.

Holger Strenz ist Vater von 2 Töchtern, Sozialpädagoge, Systemischer Paar- und Familientherapeut. Er ergründet, untersucht und beforscht das männliche Geschlecht seit über 25 Jahren und versteht sich als Netzwerker, der mit Papaseiten.de Väterarbeit in Dresden und in Sachsen einen Weg bahnt. Seit über 15 Jahren geschieht dies innerhalb der Gleichstellungsarbeit. Er ist Mitglied der Fachgruppe Väter im Bundesforum Männer und im Väterexpertennetz Deutschland e.V. Aktuell koordiniert er die Kampagne zur Petition „10 Tage Vaterschaftsfreistellung* zur Geburt“.

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Lockdown als Chance? – Drei Fragen an Hans-Georg Nelles

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 15. Oktober 2021

Die Landesarbeitsgemeinschaft Väterarbeit in NRW veranstaltet am 16. November eine Online Tagung mit der Überschrift ‚Lockdown als Chance?. Was ist damit gemeint?

Im Rückblick auf das Frühjahr 2020 und den Beginn des Jahres 2021 kommen uns zunächst die Einschränkungen und Schließungen von Schulen und Kindertagesstätten in den Sinn, die zu großen Mehrbelastungen in Familien geführt haben. Corona hat dabei wie ein Brennglas gewirkt und an vielen Stellen deutlich gemacht, was gut läuft und was nicht.
Wir wollen mit dieser Tagung noch einmal die Lupe darauf richten, was ‚gut‘ gelaufen ist, welche Erfahrungen Väter gemacht haben, die sich, zu Beginn vielleicht unfreiwillig, in Familie engagiert haben und welche Wirkungen diese Erlebnisse auf ihr Vatersein haben.
Und der Titel der Tagung hat ja noch einen zweiten Teil: ‚Weichenstellungen für mehr väterliches Engagement‘. Es wird darum gehen, Konsequenzen aus diesen ‚Learnings‘ zu ziehen und zu schauen, wo strukturelle Hindernisse beseitigt werden können um dieses Engagement auf Dauer sicher zu stellen und mehr Vätern das zu ermöglichen, was sie wollen, sich gleichermaßen in Familie und Beruf zu engagieren und in beiden Sphären erfolgreich zu sein

Was erwartet die Teilnehmenden am 16. November konkret?

Am Vormittag wird es zunächst zwei Beiträge geben: David Juncke von der Prognos AG wird zunächst aktuelle Zahlen und Fakten aus dem gerade veröffentlichten Väterreport vorstellen, Anne Buschmeyer vom Deutschen Jugend Institut wird diese ‚Fakten‘ mit Ergebnissen aus qualitativen Interviews mit Vätern, die sie 2020 und 21 geführt hat, ergänzen. Anschließend diskutieren die beiden gemeinsam mit einem Elternpaar, das sich schon vor der Pandemie Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich aufgeteilt haben, deren Auswirkungen auf Väter und Mütter.
Am Nachmittag geht es dann in einer ersten Runde um Ideen und Visionen für die Gestaltung von entscheidenden Lebenssituationen von Vätern. Als Impulsgeber:innen haben wir Autor:innen gewonnen, die sich intensiv mit dem jeweiligen Thema auseinandergesetzt haben.
In einer zweiten Runde geht es dann darum, aus den Ideen konkrete Weichenstellungen für mehr väterliches Engagement abzuleiten und die Schritte zu ihrer Verwirklichung zu definieren.

Welche Konsequenzen werden die Ergebnisse der Tagung haben?

Als Ergebnis der Fachtagung werden wir für die Bereiche: ‚Geburt & Gesundheit‘, ‚Bildung & Erziehung‘, ‚Recht & Beratung‘, ‚Erwerbs- & Care Arbeit‘ sowie ‚Gleichberechtigung & Beteiligung‘ konkrete Ansätze für mehr väterliches Engagement haben. Diese ermöglichen Vätern und Müttern, denjenigen die sie begleiten und beraten vor allem aber denjenigen, die Rahmenbedingungen (mit-) gestalten, vermeintliche Sachzwänge und andere Faktoren, die nicht zu den ‚erwünschten‘ Zielen führen, zu korrigieren und Weichen anders zu stellen.
Wir als Landesarbeitsgemeinschaft sind vor fünf Jahren unter anderem angetreten, Vätern Wege in die Familie zu erleichtern. Wir werden diese Ergebnisse für unsere Lobbyarbeit nutzen, im kommenden Jahr sind ja auch Landtagswahlen in NRW. Darüber hinaus werden wir die konkreten Vorschläge auch im fachlichen Austausch mit anderen Verbänden und Institutionen zur Verbesserung der Arbeit mit Vätern nutzen.

Für die Teilnahme an der Tagung werden keine Kosten erhoben, eine Anmeldung ist hier möglich:

https://eveeno.com/lag-vaetertagung-2021

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‚…die Belange von Familie sind politisch nichts wert‘

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 8. Mai 2021

Birk Grüling, Autor von ‚Eltern als Team – Ideen eines Vaters für gelebte Vereinbarkeit‘ im Gespräch mit der LAG Väterarbeit in NRW

Was war der Anlass für dich, den Ratgeber zu schreiben?

Sowohl privat als auch als Journalist habe ich mich in den letzten Jahren sehr viel mit dem Thema Vereinbarkeit auseinandergesetzt und damit auch mit der Frage, wie ich eigentlich arbeiten und wie viel Zeit ich für die Familie haben will. Ein ganz wichtiger Moment in diesem Zusammenhang war der Tod meines eigenen Vaters in der Schwangerschaft meiner Frau. Das hat mich sehr zum Grübeln gebracht. Mein Vater hat immer viel gearbeitet und wenig auf seine Gesundheit geachtet, am Ende hat er dadurch seinen Enkel verpasst. Und als Journalist habe ich das Privileg, meinen eigenen Fragen auch noch beruflich nachzugehen. So entstanden aus der privaten Suche nach meiner eigenen Vater-Rolle viele Texte und irgendwann dieses Buch. In dem Buch erzähle ich aber nicht nur von mir, sondern stelle Menschen und ihre tollen Ideen zu den ganz verschiedenen Aspekten von Vereinbarkeit vor. Ein Patent-Rezept entsteht daraus zwar nicht, aber viele spannende Impulse wie ich finde.

Zu Beginn des Buchs schreibst du „Vereinbarkeit ist nicht unmöglich“. Mir kommen da zwei Titel, vor 6 Jahren auch von Journalist:innen geschrieben, in den Kopf. Nämlich: „Geht alles gar nicht“ von Marc Brost und Heinrich Wefing und „Die Alles ist möglich-Lüge: Wieso Familie und Beruf nicht zu vereinbaren sind“ von Susanne Garsoffky und Britta Sembach. Was entgegnest du Ihnen aus heutiger Perspektive?

Ich habe beide Bücher nicht gelesen und kann zu ihnen auch wenig sagen. Allerdings bin ich ein großer Fan von konstruktivem Journalismus. Also Probleme benennen und Lösungen suchen, statt einfach nur zu jammern und die Flinte in Korn zu werfen. Und ja, es gibt sehr viele Probleme – von fehlenden Betreuungsplätzen bis zu alles anderes als familienfreundlichen Arbeitsmodellen. Aber das bedeutet doch nicht, dass ich das Thema Vereinbarkeit für mich abharken und alles so mache wie unsere Eltern-Generation. Es muss doch etwas zwischen Hausmann und 60 Stunden Wochen Karrieremann geben.

Eine große Rolle spielt für dich die Vorbereitung auf das Elternsein. Du sprichst da von der Entwicklung einer „Familienvision“. Wie können sich Väter auf das Vatersein vorbereiten und auf welche „Rolemodels“ und Unterstützung können sie dabei zurückgreifen?

Ich glaube, der wichtigste Schritt ist die bewusste Auseinandersetzung mit den wichtigen Fragen der Vaterrolle. Also sehe ich mich eher als Ernährer und „Wochenendpapa“ oder will ich wirklich in Teilzeit arbeiten und kann ich mir dabei sogar vorstellen auf bestimmte Symbole zu verzichten. Ich habe das Gefühl, dass selbst vorher gleichberechtigte Paare ganz schnell in „traditionelle“ Rollenbilder abrutschen, einfach weil sie diese nie richtig hinterfragt haben. Und daraus entstehen oft Konflikte. Im Babykurs meiner Frau beschwerten sich zum Beispiel unzählige Mütter darüber, dass ihre Männer doch gar nicht so engagierte Papas waren, wie der Generation der „Neuen Väter“ gemeinhin nachgesagt wird. Und ich kann sagen: Konflikte über unausgesprochene Erwartungen klärt man lieber im Vorfeld, als völlig übermüdet und genervt mit zahnendem Baby auf dem Arm. Deshalb würde ich jedem raten, sich mit seiner zukünftigen Rolle auszusetzen und ruhig mal mit anderen Vätern und natürlich mit der eigenen Partnerin darüber zu sprechen. Und wenn ich die Rolemodels vielleicht nicht im eigenen Freundeskreis findet, kann ich sie mir im Internet suchen und mit ihnen in Kontakt treten.

Im Zusammenhang mit der Elternzeit schreibst du: „Noch nie standen die Chancen besser, mit alten Werten zu brechen, der Last des alleinigen Ernährers zu entfliehen und die eigene Vaterrolle neu und anders zu gestalten.“ Die Elternzeit gibt es ja schon seit 14 Jahren, woher rührt dein Optimismus?

Ist das wirklich optimistisch? Im Vergleich zu allen Väter-Generationen vor uns haben wir fürstliche Möglichkeiten. Gleichzeitig nutzen wir sie nicht genug und rutschen immer noch viel zu oft in Rollenbilder aus den 50er Jahren. Deshalb muss es noch mehr Druck zur Gleichberechtigung geben – zum Beispiel könnten Mütter und Väter, die gleichberechtigt in Elternzeit gehen, mehr Geld bekommen oder sogar eine „Pflicht“ zur Gleichberechtigung eingeführt werden, jedenfalls wenn man Elterngeld bekommen möchte. Ich bin also eher enttäuscht darüber, dass wir Eltern immer noch zu wenig aus den Chancen machen, bin aber froh, dass es sie überhaupt gibt – auch wenn bei ihnen durchaus Nachholbedarf besteht.

Welche Rolle spielen dabei die letzten 14 Monate mit Corona?

Corona ist ein komplexes Thema – einerseits haben wir gespürt, dass zuhause arbeiten deutlich besser funktioniert und daraus könnte eine deutlich rasantere Flexibilisierung der Arbeitswelt entstehen. Auch manche Väter haben sich nun stärker in die Care-Arbeit eingebracht und damit einen Wertewandel durchlaufen. Andererseits hat die Pandemie auch gezeigt, wie groß die Probleme in diesem Land sind – zum Beispiel, dass die Belange von Familie politisch nichts wert sind oder das auch Bildung keine so große Rolle spielte wie die Belange von Industrie und Wirtschaft. Und wir haben erlebt, dass am Ende in vielen Familien die Mütter die Last der Pandemie tragen und die Väter selbst im Homeoffice gut auf Tauchstation gehen können.  Am Ende sehe ich die Pandemie aber durchaus als Chance für Veränderungen. Jedenfalls kann man jetzt die Probleme und die Versäumnisse nicht mehr klein oder schön reden.

Ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, ist die Erwerbsarbeitszeit bzw. die „30 Stunden Woche“ als neue Vollzeit. Warum ist die Möglichkeit einer Reduzierung der Erwerbsarbeitszeit für Väter so wichtig?

Ich hole mal etwas theoretisch aus. Forscher der Oxford University kamen in einer Studie zum Schluss, dass in den USA 47 Prozent aller Arbeitsplätze in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten bedroht sind. In Deutschland sieht es ähnlich aus. Wir müssen uns also schon heute Gedanken machen, wie wir bald weniger vorhandene Arbeit besser verteilen können. Und ich halte dabei die 30 Stunden Woche für ein tolles Modell. Die Zeit reicht aus, um Arbeit zu gestalten und auch „Karriere“ zu machen. Auf der anderen Seite bleibt so deutlich mehr Platz für die Familie oder das Privatleben. Außerdem ließe sich die Arbeit besser und gerechter verteilen. Dadurch das auch sehr hochqualifizierte Mütter oft nur geringen Umfang arbeiten, geht Unternehmen viel Wissen und Knowhow verloren. Kurzum: Die 30-Stunden Woche wäre geeignet, um die „Work-Life-Balance“ zu verbessern und mehr Gleichberechtigung zu schaffen. Allerdings darf das nicht eine Akademiker-Geschichte bleiben. Auch in der Pflege oder im Einzelhandel muss eine 30 Stunden Woche so gut bezahlt sein, dass ich davon meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Und davon sind wir leider oft noch etwas entfernt.

Der Begriff des „Mental Load“ wird ja im Kontext von partnerschaftlicher Arbeitsteilung von vielen angeführt. Du schreibst in dem Abschnitt „Wir müssen über Geld reden“ von einem „Financial Load“, sind das zwei Seiten einer Medaille?

Ich glaube, 1 zu 1 übertragbar sind die beiden Dinge nicht. Aber die (fast) alleinige Last des Familienernährers ist für mich ein wichtiges Thema, über das zu wenig besprochen wird. Dieses Modell ist nämlich immens gefährlich und sehr belastend. Dem Alleinernährer darf nichts passieren, von seinem Gehalt lebt die Familie. Kommt es doch zu einem Unfall oder einer schweren Erkrankung, wird es richtig schwer für die Familie – nicht nur emotional, sondern auch finanziell. Von den negativen Auswirkungen auf die Rentenansprüche der Frau ganz zu schweigen – Kinder groß zu ziehen, ist ein großes Armutsrisiko im Alter. Deshalb müssen wir dringend auch die „Last“ der Erwerbsarbeit besser verteilen und dazu gehört auch die Überwindung des Gender Pay Gaps. Und wir Väter gewinnen dabei nur: Wir müssen weniger arbeiten, müssen uns weniger Sorgen machen, ob das Gehalt für alle wohl reicht und haben noch mehr Zeit für die Kinder. Achja, Paare, die gleichberechtigt arbeiten, haben auch noch ein deutlich höheres Familieneinkommen als Alleinernährer.

„Vereinbarkeit ist kein Sprint sondern ein Marathon“ steht auf einer der letzten Seiten deines Buchs. Was müssen Väter in jedem Fall beachten, damit sie die „Strecke“ durchhalten?

Familienleben ist hoch dynamisch. Ständig tauchen neue Herausforderungen auf. Geschwister werden geboren, Arbeitszeiten verändern sich, die Schulzeit beginnt, auch unvorhersehbare Dinge wie Krankheiten bringen alte Routinen durcheinander. Deshalb muss ich auch in Sachen Vereinbarkeit ständig nachjustieren und immer wieder neue Wege und Lösungen suchen. Denn alles was gestern noch reibungslos klappte, kann morgen schon völlig unpassend sein. Deshalb ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben und sich auch als Eltern-Team regelmäßig zu fragen, ob die vor zwei Monaten oder zwei Jahren getroffenen Entscheidungen noch heute passen oder ob gegengesteuert werden muss. Das ist glaube ich das wichtigste Rezept beim Durchhalten. Am Ende müssen einfach alle Beteiligten zufrieden sein.

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