In einer neuen Studie der Universität Cambridge (Vereinigtes Königreich) wurden Väter, die sich hauptsächlich um das Kind kümmern, mit Müttern, die sich hauptsächlich um das Kind kümmern, und mit Doppelverdiener-Paaren aus Mutter und Vater verglichen. Die Forscher fanden keine statistisch signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Qualität der Elternschaft, Depressionen, Ängste, Stress, das Gefühl der sozialen Unterstützung, die Qualität der Ehe, Konflikte mit dem Kind oder das Verhalten des Kindes selbst.
„Die vorliegende Studie stellt die Annahme in Frage, dass
Frauen für die primäre Kinderbetreuung besser geeignet sind als Männer …
Väter und Mütter sind in der primären Betreuungsrolle gleichermaßen
kompetent.“
Auf der Grundlage dieses Ergebnisses empfehlen die
Forscher:innen: „Die hohe Qualität der Elternschaft, die von den Vätern in der
Hauptbetreuungsrolle gezeigt wird, legt nahe, dass mehr Väter ermutigt werden
sollten, sich in der Kindererziehung zu engagieren. Um dies zu erreichen,
müssen politische Maßnahmen, die dies erleichtern, wie geteilter Elternurlaub
und flexible Arbeit, einschließlich mehr Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten,
sowohl von den Regierungen als auch von einzelnen Unternehmen umfassend
gefördert werden.“
Frühere Forschungen zu Vätern, die die Hauptpflege
übernehmen, konzentrierten sich häufig auf schwule Väter, die durch Adoption
oder Leihmutterschaft Eltern wurden. In diesen Studien wurde auch festgestellt,
dass die Anpassung der Kinder positiv war. Die vorliegende Studie erweitert die
Untersuchungen auf heterosexuelle Elternpaare.
An der Studie, die zwischen 2017 und 2019 im Vereinigten
Königreich durchgeführt wurde, nahmen 41 Väter als Hauptbezugspersonen, 45
Mütter als Hauptbezugspersonen und 41 Doppelverdienerpaare (sowohl Mutter als
auch Vater) teil. Die Mütter und Väter waren seit mindestens sechs Monaten die
Hauptbetreuer ihrer Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren. Ihr:e Partner:in war
der bzw. die Hauptverdiener:in; einige Hauptbetreuer (Väter mehr als Mütter)
waren auch teilzeitbeschäftigt oder arbeiteten flexibel von zu Hause aus,
verbrachten aber mehr Zeit mit der Betreuung als mit der Arbeit.
In den Doppelverdiener-Familien waren beide Elternteile
erwerbstätig und viele arbeiteten Vollzeit. Die Familien waren überwiegend
weiß, hatten ein hohes Bildungsniveau und keine ernsthaften finanziellen
Schwierigkeiten.
Anhand von Fragebögen und Interviews bewerteten die Forscher
mit zuvor getesteten Messinstrumenten Depressionen, Ängste, Stress, soziale
Unterstützung, die Qualität der Ehe, die Beziehung zwischen den Eltern, die
Akzeptanz/Ablehnung des Kindes durch die Eltern, die Qualität der Elternschaft
und das Verhalten der Kinder. Bei der Bewertung des Verhaltens der Kinder
füllten die Vorschul- oder Schullehrer der Kinder ebenfalls einen Fragebogen
aus.
Diese Studie bestätigt zahlreiche frühere
Forschungsergebnisse, die zeigen, dass das Erziehungsverhalten von Vätern und
Müttern ähnlich ist und dass sie einen ähnlichen Einfluss auf die Entwicklung
der Kinder haben. Väter, die als Hauptbezugspersonen fungieren, beschreiben
ihre Rolle in der Regel so, dass sie eine enge Bindung zu ihrem Kind aufbauen.
Gunter, du hast bei der Fachtagung der LAG Väterarbeit in NRW im November die Dialogrunde und den Workshop im Themenfeld ‚Geburt & Gesundheit‘ moderiert. Eine der dort formulierten Visionen lautet ‚Angebote und Maßnahmen sichtbarer machen und auf die Bedürfnisse von Vätern ausrichten‘ Warum können die bisherigen Angebote zur Geburtsvorbereitung nicht einfach auf die Väter übertragen werden?
Die Bedürfnisse von werdenden Vätern unterscheiden sich
meiner Meinung nach grundlegend von denen der werdenden Mütter. Der
Lebensübergang ins „Mutter-Sein“ ist für sie ganzheitlich erlebbar durch die körperlichen,
aber auch seelischen Veränderungen der Schwangerschaft. Die Geburt steht
deshalb verständlicherweise im Vordergrund. Für Männer bleit diese Zeit jedoch ein
größtenteils nur im Kopf stattfindendes Erlebnis. Männer werden erst bei Geburt
Vater.
Bei den meisten Angeboten der Geburtsvorbereitung liegt der
Fokus deshalb überwiegend auf der Frau und der Geburt. Vätern ist auch wichtig,
wie sie sich bei der Geburt verhalten sollen und wie sie am besten ihre Frauen unterstützen
können. Aber wie sie sich als Mann auf das „Vater-Sein“ vorbereiten können,
nimmt wenig Platz ein, obwohl es zu den einschneidendsten Veränderungen im
Leben eines Mannes gehört. Deshalb ist ihnen ein ehrlicher Austausch unter Männern
wichtig, um mehr Sicherheit in diese Zeit des Wandels zu bekommen und
Vorbereitungen für die Zeit danach zu treffen.
Zu welchem Zeitpunkt und wie können werdende Väter
angesprochen und erreicht werden?
Wir Männer spielen erst seit ein paar Jahrzenten eine Rolle
bei der Geburt und so ist das Bewusstsein, sich aktiv darauf vorzubereiten,
noch nicht sehr verbreitet. Es wächst parallel zum Bauchumfang der Frau. Deshalb
sollten Väter so früh wie möglich und von unterschiedlichen Seiten von
Angeboten erfahren. Die eine Seite sind die Frauenärzte und Hebammen, die beim
Erstkontakt oder beim Besuch in den Geburtskliniken von Angeboten berichten
könnten. Eine andere Seite sind Arbeitgeber, denn sie haben einen großen Nutzen
davon, wenn sich werdende Väter auf ihre Vaterrolle vorbereiten. Sie sollten ihre
Angestellten dazu animieren und/oder sich finanziell beteiligen Angebote für
Väter zu belegen oder selbst welche anbieten. Die Weichen für die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf und für eine gleichberechtigte Rollenverteilung werden
vor der Geburt gestellt. Und wir können die werdenden Väter über andere Väter
erreichen. Es fehlt immer noch an sicheren Räumen für einen Austausch.
Was muss sich an den Rahmenbedingungen verändern, damit
werdende Väter gut in ihre neue Rolle hineinkommen?
Der Vorschlag der neuen Familienministerin Frau Spiegel,
Vätern zwei Wochen bezahlten Urlaub zu ermöglichen, geht in die richtige
Richtung. Väter spielen in den heutigen Familien eine viel größere Rolle, als
nur der „Ernährer“ zu sein. Väter haben heute ein anderes Rollenverständnis, sie
wollen bei der Erziehung der Kinder gleichberechtigt Verantwortung übernehmen,
kümmern sich bei der täglich anfallenden Care-Arbeit, bieten ihren Kindern verlässliche
Beziehungen an. Und für diese Rolle sollten sie viel mehr in den Blick genommen
und unterstütz werden. Durch eine (auch monetär unterstützte) Vorbereitung auf
die Vaterrolle vor der Geburt, durch eine längere Elternzeit um gemeinsam als
Familie anzukommen, aber auch durch flexiblere Arbeitszeitmodelle. Viele Väter
befürchten leider immer noch einen Karriereknick, wenn sie länger in Elternzeit
gehen oder Teilzeit arbeiten und das leider nicht unbegründet. Dabei gibt es
fantastische Teilzeitmodelle wie Jobsharing, was auch Müttern sehr zugutekommen
würde. Beim heutigen Fachkräftemangel, aber auch durch hohe
Lebenserhaltungskosten, müssen wir die Familie viel mehr in den Fokus nehmen
und das von Anfang an. Unser Sozialstaat, aber auch Unternehmen könnten dabei
einen wichtigen Beitrag leisten.
Welche Veränderungsbedarfe siehst du bei der Ausbildung von
Hebammen und Sozialpädogog*innen bzw. -arbeiter*innen?
Das Rollenverständnis hat sich bei so vielen Männern zum
Positiven gewandelt, aber die Rahmenbedingungen haben sind leider nicht
dementsprechend mit verändert. Die Bedürfnisse und Sichtweisen von Vätern
sollten viel mehr mitgedacht und berücksichtigt werden. Dies sollte in der
Ausbildung von Sozialpädagog*innen und Hebammen eine größere Rolle spielen.
Beide Berufsgruppen sind eine so große Stütze, besonders am Anfang einer
Familie, aber auch später in den Ambulanten Hilfen, wenn es mal zu
Schwierigkeiten kommt. Vielen Vätern fehlt es an Rollenvorbildern und deshalb
ist eine Unterstützung durch diese Berufsgruppen so wichtig.
Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten drei Elemente
einer Geburtsvorbereitung, die Männer und Frauen auf eine partnerschaftliche
Aufteilung von Erwerbs- und Fürsorge vorbereitet?
Ich nutze gerne das Bild eines „Familienunternehmens“. Das
ist vielleicht ein wenig unromantisch, aber die Sichtweise hat sich als sehr
hilfreich herausgestellt, um alte Rollenmuster zu durchbrechen.
Als Erstes ist es wichtig zu wissen, was jeder an Geschichte
für die Gründung mitbringt: Zum Beispiel was für eine Vater- bzw. Mutterrolle
wurde mir vorgelebt? Welche Gesprächs- und Konfliktkultur hat mich geprägt? Die
Biografie beider Eltern sollte in der Vorbereitung eine wichtige Rolle spielen,
denn unser eigenes „inneres Kind“ beeinflusst die Erziehung und das
Selbstverständnis der neuen Familie.
Als Zweites geht es um die „strategische Ausrichtig“, eine
Art Zukunftsplanung. Was sind meine Wünsche und Vorstellungen an mich und die
Familie UND an meine Karriere. Eine Leitfrage, die ich werdenden Eltern gerne mitgebe,
ist: Was soll euer Kind in 25Jahren über euch erzählen? Sind diese
Vorstellungen kompatibel mit denen meiner Partnerin?
Daraus ergibt und wächst das „operationale Geschäft“. Welche
alltäglichen Aufgaben stehen an und wer übernimmt sie? Was brauchen wir an
Struktur, damit sich alle wohlfühlen? Wer möchte/muss wieviel Arbeiten? Was
kann ich heute schon für ein sicheres Fundament tun?
Sein Angebot umfasst Wochenendkurse für werdende Väter in
der Natur und wird momentan um wöchentliche Präsenz- und Onlineseminare
erweitert. Ich biete zur Vorbereitung auf das „Abenteuer Familienunternehmen“ und
in Familienkrisen Einzel- und Paarberatung an.
Seine jahrelange Erfahrung hat gezeigt, dass für die Zukunft
moderne „Arbeitszeitmodelle“ für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer
wichtiger werden. Deshalb absolviere ich eine Fortbildung zum Tandem-Coach, um
das Thema „Jobsharing“ voranzubringen.
In
GOOD ENOUGH PARENTS nimmt der Regisseur Domenik Schuster seine eigene
Vaterschaft als Anlass, um sich mit alten Mythen und Erziehungsweisheiten
auseinander zu setzen, die ihn im Leben mit seinen Kindern begleiten.
Denn auf die Frage: „Was brauchen Kinder?“ hat jede Elterngeneration ihre eigenen Antworten gefunden. Welche davon sind es wert, sie zu behalten? Und von welchen müssen wir uns dringend verabschieden? Die Geschichte unserer Glaubenssätze darüber, was Kinder stark macht, ist auch eine Geschichte der Gewalt gegen Kinder. „Du sollst dein Kind nicht verwöhnen!“, „So wird dein Kind doch nie selbstständig!“ und „Man muss ein Baby doch auch mal schreien lassen!“ – diese Sätze sind keine Lappalien.
Die
Bindungstheorie zeigt ganz deutlich, dass Nähe ein Grundbedürfnis unserer
Kinder ist – und der Entzug selbiger gefährlich. Doch genau das passiert immer
noch. Sowohl im Elternhaus – als auch in Einrichtungen, die strukturell nach
aktuellen Studien zum Großteil nicht in der Lage sind, Kinder bedürfnisgerecht
zu betreuen und sich zunehmend auf kognitive Frühforderung fokussieren – schon
bei den jüngsten. Man sagt, es brauche ein Dorf, um ein Kind großzuziehen. Wie
wollen wir dieses Dorf gestalten?
Man sagt, es brauche ein Dorf, um ein Kind großzuziehen. Wie wollen wir dieses Dorf gestalten?
… aber die Last
trugen und tragen die Familien, ist Birk Grüling überzeugt: Wenn die
Betreuung wegbricht, springen die Eltern ein. Das ist erstmal gut und
richtig. Allerdings brauchen sie dafür Unterstützung – Corona-
Krankentage, mehr Kindergeld, etc. Und im Moment wird die Last der
Pandemie ohne Schutz in Schulen und Kita wieder auf die Eltern und
Kinder abgewälzt.
Die Zahlen sehen auf den ersten Blick gut aus, sowohl bei Vätern und
Müttern hat die Carearbeit mit 2,6 bzw. 3,1 Stunden täglich zugenommen.
Bei Familien mit traditioneller Rollenverteilung hat sich weniger
verändert als bei denen, die auch schon vor der Pandemie versucht haben,
Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich aufzuteilen.
Corona wirkt auch an dieser Stelle wie ein Brennglas: Es gibt keinen
Rückschritt, sondern eher die Erkenntnis, dass wir auch vorher nicht
weit genug waren. Damit sich dauerhaft etwas verändert ist es notwendig,
dass
Unternehmen und Politik den Wert von Familienarbeit und
Gleichberechtigung erkennen und Kinderbetreuung, Elternzeit und aktive
Vaterschaft fördern
Väter ihre ‚Privilegien‘ als Bezugspersonen dauerhaft verteidigen und ihre Erwerbsarbeitszeiten reduzieren
Eltern laut und unbequem werden und stärker für ihre Rechte kämpfen
Eine der Visionen die in der Dialogrunde formuliert wurde lautet:
‚Familienarbeit aus der Tabuzone holen‘. Was damit gemeint ist erläutert
Holger Strenz, Moderator de Nachmittags: „Im gesellschaftlichen Kontext
gehen wir vom Idealbild der heilen Familie aus, ein Ort von Liebe und
Geborgenheit. Treten Probleme und Herausforderungen auf, werden diese
schnell individualisiert und stehen in Verantwortung der Eltern. … Nicht
zuletzt gehört Familien- und Care-Arbeit nach wie vor zu den
unentgeltlichen Leistungen, die für eine Gesellschaft zwar unabdingbar
sind, aber eben nicht finanziert und entsprechend anerkannt werden.
Nicht zuletzt sehen wir im Umgang mit Familien während der Pandemie,
dass zwar Trostpflaster verabreicht werden, wie einmalige Zahlungen,
aber dass wir viel mehr über Wirtschaft und Finanzen berichten, als dass
die herausfordernde Familien- und Sorgearbeit in den Mittelpunkt
gerückt werden.“
Damit alle anfallenden Aufgaben und Arbeiten in Familie
gleichberechtigt aufgeteilt werden, ist es erforderlich, Männer und
werdende Väter nicht nur als gleichberechtigte Subjekte von Anfang an
einzubeziehen sondern ihnen auch die entsprechenden Kompetenzen
zuzuschreiben. Dieser Prozess beginnt schon bei der frühkindlichen
Bildung:
„Wenn wir {…] etwas ändern wollen, dann müssen wir an individuellen
Einstellungen etwas verändern und bei den frühen Sozialisationsinstanzen
starten. Kinder müssen erleben können, dass Väter im Alltag anwesend
sind und sich ebenso um Kinder kümmern, wie sie ihre bezahlte Arbeit
meistern. So braucht es in allen Lebensbereichen männliche Vorbilder,
die ein gleichberechtigtes Leben ohne Rollenzuschreibungen anstreben
oder bereits realisiert haben. Und hierfür braucht es Männer und Väter
die dies auch leben wollen, also davon überzeugt sind, dass dies für sie
und für die nachfolgende Generation ein guter Weg ist, Gesellschaft zu
gestalten.“ so Strenz.
Damit die Vision Wirklichkeit werden kann, kommt es darauf,
Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Männer nicht mit dem ‚Stempel‘
eines Familienernährers aufwachsen und sich als hauptverantwortlich für
die finanzielle Absicherung der Familie erleben. Jungen und (werdenden)
Vätern brauchen Ermutigung, sich auszuprobieren, den Bereich von
Sorgearbeit zu entdecken und sich auch dort zu engagieren.
Take Aways für Väter (und Mütter)
nehmen sie sich auch in ‚Pandemiezeiten‘ Raum und Zeit für Partnerschaft
tauschen Sie sich regelmäßig über ihre Erwartungen und (Un-)Zufriedenheit aus
thematisieren Sie ihre Familiensituation am Arbeitsplatz
nehmen Sie rechtzeitig Unterstützung und Beratungsangebote in Anspruch
Anregungen für Kita’s und Familienzentren
thematisieren Sie schon in den Familienzentren geschlechtsspezifische Arbeitsteilung
überprüfen sie, welche Haltungen und Vorstellungen in Ihrem Team zu dem Thema vorhanden sind
ermutigen Sie Väter mehr Verantwortung bei der Sorgearbeit zu übernehmen
Hinweise für Gleichstellungsstellen
betrachten Sie Männer und Väter als handelnde Subjekte, die gleichermaßen Gleichberechtigung wollen und auch davon profitieren
weisen Sie bei Ihren Angeboten auf die Bedeutung von Männern und Vätern für die Erreichung der Geschlechtergerechtigkeit hin
unterstützen Sie Männer und Väter dabei, ihre Haltungen zu
hinterfragen und gemeinsam mit ihren Partner:innen neue Modelle
auszuhandeln
Holger, du hast bei der Fachtagung der LAG Väterarbeit in
NRW im November die Dialogrunde und den Workshop im Themenfeld
‚Gleichberechtigung und Beteiligung‘ moderiert. Eine der Visionen die in der Dialogrunde
formuliert wurde lautet: ‚Familienarbeit aus der Tabuzone holen‘. Was ist damit
gemeint?
Im gesellschaftlichen Kontext gehen wir vom Idealbild der
heilen Familie aus, ein Ort von Liebe und Geborgenheit. Treten Probleme und
Herausforderungen auf, werden diese schnell individualisiert und stehen in
Verantwortung der Eltern. Dann gibt es Aussagen wie: „Die Eltern sind
überfordert sie sollen sich doch Hilfe holen.“ Im unternehmerischen Kontext
soll Familienarbeit idealerweise funktionieren und nicht den Arbeitsprozess
stören.
Schlaflose Nächte bei zahnenden Kindern, Erkrankungen, neue
Lebensabschnitte oder auch die Zeit der Pubertät sind jedoch ganz normale
Familienthemen, die in der Regel viel Kraft und elterliche Aufmerksamkeit
benötigen. Konkret geht es darum, dass Kolleginnen nicht ausgegrenzt und
belächelt werden, wenn sie aufgrund von Aufgaben mit und für die Kinder eher
gehen müssen oder die familiären Themen über berufliche Aufgaben stellen.
Ebenso sind Themen wie Allein- bzw. Getrennterziehende oder
Trennung keine, mit denen man im Arbeitsalltag oder auch im Freundeskreis
punkten kann, wenn Familie und Familienarbeit zur besonderen Herausforderung
wird. Unsere Gesellschaft verweist lieber an individuelle
Unterstützungsangebote, als dass strukturelle Veränderungen angedacht und auf
den Weg gebracht werden.
Nicht zuletzt gehört Familien- und Care-Arbeit nach wie vor
zu den unentgeltlichen Leistungen, die für eine Gesellschaft zwar unabdingbar
sind, aber eben nicht finanziert und entsprechend anerkannt werden. Nicht
zuletzt sehen wir im Umgang mit Familien während der Pandemie, dass zwar
Trostpflaster verabreicht werden, wie einmalige Zahlungen, aber dass wir viel
mehr über Wirtschaft und Finanzen berichten, als dass die herausfordernde
Familien- und Sorgearbeit in den Mittelpunkt gerückt werden. Ebenso ist das
Lohngefälle ein Ausdruck dafür, welchen Wert Sorgearbeit in unserer
Gesellschaft hat und wie selbstverständlich sie in diesem Lohngefälle gegenüber
produzierendem Gewerbe gehalten wird.
Warum ist es wichtig, Männer und Väter von Anfang an als
Akteure im Gleichstellungsprozess zu adressieren und einzubeziehen?
Weil Gleichstellung nur im Miteinander und im für einander
Einstehen gelingen kann. Equal Pay und Equal Care sind Aufgaben, die längerfristig
Müttern wie Vätern zugutekommen. Rollenklischees entwickeln sich, sobald wir
auf die Welt kommen und prägen unsere Gesellschaft nachhaltig. Wenn wir daran
etwas ändern wollen, dann müssen wir an individuellen Einstellungen etwas
verändern und bei den frühen Sozialisationsinstanzen starten. Kinder müssen
erleben können, dass Väter im Alltag anwesend sind und sich ebenso um Kinder
kümmern, wie sie ihre bezahlte Arbeit meistern. So braucht es in allen
Lebensbereichen männliche Vorbilder, die ein gleichberechtigtes Leben ohne
Rollenzuschreibungen anstreben oder bereits realisiert haben. Und hierfür
braucht es Männer und Väter die dies auch leben wollen, also davon überzeugt
sind, dass dies für sie und für die nachfolgende Generation ein guter Weg ist,
Gesellschaft zu gestalten. Oft erleben heute Männer Gleichstellung als
Beschneidung von Möglichkeiten, als Zurechtweisen und defizitär. Dabei gilt es
das Augenmerk darauf zu legen, was Männer und Väter von diesem Prozess ganz
individuell und im Zusammenleben mit Frauen und Müttern davon haben.
Welche Vorteile bringt das für Väter und die Beziehung zu
ihren Kindern?
Es bringt Stabilität für die Beziehung, wenn Väter nicht nur
im Spaßbereich erlebt werden, sondern auch zeigen dass sie im Carebereich fit
sind. Viele Väter, die Elternzeit genommen haben, berichten davon, dass sie
später eine gute Beziehung zu ihren Kindern haben. Zum einen ist dies natürlich
in der Begleitung im Aufwachsen der Kinder eine wichtige Ressource. Aber ich
denke zudem ist es eine wichtige Energiequelle für Väter selbst, wenn sie am
Werden ihrer Kinder beteiligt sind und durch Beziehung zu ihnen gestärkt und
getragen werden. Nicht zuletzt verhindert es soziale Isolation, insbesondere in
Krisen & Konfliktsituationen.
Welche Stolpersteine und Widerstände gilt es dabei
unbedingt zu beachten?
Väter sind, wenn es um Familien- und Carearbeit geht, in
einem für sie noch relativ neuen Lebensbereich unterwegs. Es fehlt an
Erfahrungen und Angeboten. Häufig bekommen sie direkt oder durch die Blume
gesagt, dass die Mütter hier die bessere Arbeit leisten. Als Beispiel sei ein
Vater genannt, der in der Familienberatung bei der Umgangsgestaltung danach
gefragt wurde, ob er für seine Kinder sorgen könne. Dieser Vater hatte ein Jahr
Elternzeit genommen. Als er die Frage bejahte, kam die nächste Rückfrage, was
er denn für seine Kinder koche? Diese subtilen Kontrollfragen sind verunsichern
Väter zusätzlich und zeigen ein fehlendes Zutrauen. Väter brauchen jedoch
offene und vertrauensvolle Rahmenbedingungen, um sich noch mehr in den Care-
und Sorgebereich einzubringen.
Wahrscheinlich stehen sich jedoch die Männer im
Gleichstellungsprozess am meisten selbst im Weg, wird das Thema
Gleichberechtigung mit „schwach sein“ verknüpft und innerlich abgewertet. Auf
der anderen Seite braucht es natürlich auch Mütter und Frauen, die
Veränderungen aushalten, insbesondere, wenn sie nicht nach ihren Ideen
umgesetzt werden. Wichtig ist dabei, dass ein Austausch miteinander stattfindet
und mögliche Stolpersteine gemeinsam aus dem Weg geräumt werden können.
Nicht zuletzt ist es Aufgabe der Politik, den
gesellschaftlichen Umdenkprozess zu forcieren und zu unterstützen. Väter und
Männer aktiv hierzu einzuladen und dafür strukturelle Rahmenbedingungen zu
schaffen.
Was sind deiner Meinung nach die ersten drei Schritte auf
dem Weg hin zu einer ‚echten‘ Gleichberechtigung in den Sphären Erwerbs- und
Carearbeit?
Die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Männer nicht
mit dem Gedanken des Familienernährers aufwachsen, also als hauptverantwortlich
in die Erwerbsarbeit gedrängt werden und dass Vereinbarkeit von Familie und
Beruf aktiv von Unternehmen angesprochen und Vätern Mut gemacht wird, sich
auszuprobieren, den Bereich von Sorgearbeit zu entdecken und sich selbst zu
zeigen.
Themen, wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen auf
Männer und Väter direkt zugeschnitten werden, auch wenn es dieselben Inhalte
betrifft. Solange wir in traditionellen Rollenvorstellungen verhaftet sind,
braucht es aktive und manchmal provokative Anstöße zum Umdenken.
Role-Model-Kampagnen können dabei positive Denkanstöße liefern und eine
Vielfalt aufzeigen, die ganz unterschiedliche Väter anspricht.
Frauen in den Vorstandsetagen sind dabei ebenso wichtig, wie
Väter in einer Elternzeit von sieben Monaten und mehr. Die Elternzeit- und
Elterngeldreform 2007 hat gezeigt, dass strukturelle Anreize Veränderungen
wunderbar beschleunigen können. Hier kann Politik entsprechend unterstützend
wirken.
Holger
Strenz ist Vater von 2 Töchtern, Sozialpädagoge, Systemischer Paar- und
Familientherapeut. Er ergründet, untersucht und beforscht das männliche
Geschlecht seit über 25 Jahren und versteht sich als Netzwerker, der mit
Papaseiten.de Väterarbeit in Dresden und in Sachsen einen Weg bahnt. Seit über
15 Jahren geschieht dies innerhalb der Gleichstellungsarbeit. Er ist Mitglied
der Fachgruppe Väter im Bundesforum Männer und im Väterexpertennetz Deutschland
e.V. Aktuell koordiniert er die Kampagne zur Petition „10 Tage
Vaterschaftsfreistellung* zur Geburt“.
Im Interview mit der WELT äußert
sich die neue Familienministerin Anne Spiegel zu ihren Plänen für die kommenden
vier Jahre. Auf der Agenda stehen einige der Punkte, die auch die LAG
Väterarbeit in NRW seit langem anmahnt. Dies sind zum Beispiel die
Vaterschaftsfreistellung, die Weiterentwicklung der Elternzeit und Reformen im
Unterhalts- und Umgangsrecht.
WELT: Um mehr
Partnerschaftlichkeit in der Kindererziehung zu erreichen, plant die
Ampel-Koalition einen Monat mehr Väterzeit in der Elternzeit. Ist das nicht zu
kurz gesprungen?
Spiegel: Es ist zunächst
mal ein überfälliger und guter Schritt nach vorne, dass wir die Partnermonate
um einen Monat erweitern wollen. Man kann jetzt bedauern, dass wir nicht mehr
tun. Ich tendiere zu einer anderen Sicht. Wir haben uns mit dem
Koalitionsvertrag wirklich viel vorgenommen, und ich kann es kaum erwarten,
jetzt loszulegen.
WELT: Überfällig ist auch
die Umsetzung der EU-Richtlinie für einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub nach
der Geburt. Warum kommt Deutschland damit so spät?
Spiegel: Das müssen Sie
die Vorgängerregierung fragen. Ich habe mich schon als Landesfamilienministerin
in Rheinland-Pfalz dafür eingesetzt. Die Zeit nach der Geburt ist so
entscheidend und wichtig, dass es selbstverständlich sein sollte, wenn beide
Eltern beim Baby sein können.
WELT: Kinder wachsen in
verschiedenen Familienkonstellationen auf. Vor allem Patchwork- und
Stieffamilien sind auf dem Vormarsch – ohne dass die sozialen Eltern
irgendwelche Rechte haben. Wie wollen Sie das ändern?
Spiegel: Das ist für mich
ein absolutes Herzensthema. Es ist dringend erforderlich, dass wir die
rechtlichen Rahmenbedingungen an die gesellschaftliche Realität anpassen. In
Patchwork-Familien wird oft selbstverständlich Verantwortung füreinander
übernommen. Das muss rechtlich abgesichert werden. Wir brauchen ein kleines
Sorgerecht für „Bonuseltern“, wie ich sie gerne nenne.
Wir müssen auch endlich dafür
sorgen, dass lesbische Mütter, die zusammen ein Kind bekommen, von Anfang an
die rechtliche Anerkennung als Eltern bekommen. Und wenn der biologische Vater
zum Beispiel aus dem Freundeskreis kommt, sollte auch er die Möglichkeit
bekommen, aktiv seine Vaterrolle wahrzunehmen. …
WELT: Auch die bereits
existierenden Familienformen sind schon anfällig für Brüche. Ein Großteil der
Kinder erlebt die Trennung der Eltern – Streit um Unterhalt und Betreuung
inklusive. Was wollen Sie für diese Trennungskinder tun?
Spiegel: Vor allem wollen
wir die Trennungs- und Konfliktberatung verbessern und Eltern dabei helfen, das
für sie richtige Betreuungsmodell zu finden, zum Beispiel das Wechselmodell.
Denn auch nach einer Trennung gibt es viele Möglichkeiten, sich die Betreuung
für die Kinder partnerschaftlich aufzuteilen.
Eine Trennung ist eine
emotionale Ausnahmesituation, da kann es helfen, sich von Profis beraten zu
lassen. Idealerweise einigt man sich danach außergerichtlich auf ein Modell der
Betreuung, das dem Kindeswohl am besten entspricht. Wir wollen
Partnerschaftlichkeit und die geteilte Verantwortung für Erwerbs- und
Sorgearbeit auch in Trennungsfamilien unterstützen.
WELT: Ein solcher
Paradigmenwechsel würde große Reformen erfordern. Lässt sich das in dieser
Legislaturperiode auf die Beine stellen?
Spiegel: Das ist auf
jeden Fall der Plan. Es ist ein sehr komplexes Vorhaben, da vom Umgangsrecht
über Unterhaltsregelungen bis zum Steuer- und Melderecht viele Bereiche
tangiert sind. Aber der Wille ist da. Wir wollen das jetzt anpacken.
Hoffentlich schaffen wir es parallel, die Kinderrechte im Grundgesetz zu
verankern. Das wäre eine gute Grundlage, solche Prozesse im Sinne der Kinder zu
gestalten. …
… Vater Rene Haase bewältigt den Alltag mit seiner großen Patchworkfamilie und hat gerade eine Quarantänezeit überstanden. Gerne möchte er wieder arbeiten und seinen Kindern ein gutes Vorbild sein.
Ein ganz normaler Morgen bei Familie Haase zwischen
Weihnachten und Silvester: „Um sechs Uhr aufgestanden, dann trinke ich erstmal
meinen Kaffee. Geschirrspüler ist schon einmal fertig. Waschmaschine läuft. Wir
müssen jetzt noch Einkäufe erledigen. Mittagessen? – Da habe ich noch keinen
Plan. Dann muss ich noch zum PCR-Test“, schildert der Vater Rene Haase seinen
Start in den Tag.
Große Patchworkfamilie
Jane, Denni, Conner und Aaron sind zwischen acht und zwölf
Jahren alt und fläzen sich noch etwas verschlafen auf dem großen Sofa. Conni
ist bereits erwachsen und hat gerade die zweite Kanne Kaffee gekocht, die
anderen beiden Großen haben heute bei Freunden übernachtet. Normalerweise sei
die Patchworkfamilie zu acht, sagt Vater Haase: „Ich bin gekommen mit vieren,
da ist Conni die jüngste davon. Meine Frau kam mit dreien, da ist Leann die
mittelste. Hier wohnen tun jetzt nur noch Leann, von meiner Frau der Älteste,
der ist jetzt 20, Conni, und die vier gemeinsamen.“
Zwei Wochen Quarantäne
Seine Frau hat die Familie vor knapp zwei Jahren verlassen, seitdem ist der Vater mit den Kindern alleine. Haase ist Mitte 50. Er ist schlank und durchtrainiert, ein Kämpfertyp. Aber jetzt sieht er müde aus. Gerade erst haben alle zwei Wochen Quarantäne hinter sich, weil Denni sich auf einer Klassenfahrt mit Corona infiziert hatte: „Es ist schon anstrengend, die ganze Zeit in der Bude zu hocken“, sagt der Junge. „Wir gucken Fernsehen, aber ich habe dann noch ab und zu mal mit meinen Spielsachen gespielt.“ Weihnachten sei es dann besser geworden, weil vier der Kinder einen Computer bekommen hätten. Ohne PC seien seine Kinder zu Corona-Zeiten in der Schule chancenlos, sagt Haase. Er war früher Lkw-Fahrer und Gerüstbauer. Bis zum Sommer ging er abends, wenn die Kinder im Bett waren, noch putzen, in einem Kindergarten in der Nähe. Dann kam der Schlaganfall. …
Bisherige Ergebnisse der Studie fasste Frau Buschmeyer so zusammen:
Wer vorher mehr Care-Arbeit gemacht hat, macht das meist auch während der Pandemie (mit Ausnahmen)
Für Getrennt- bzw. Alleinerziehende ist die Pandemie dann besonders
herausfordernd, wenn sie kein/wenig Unterstützung durch Ex-Partner*in
oder ein größeres Netzwerk haben
Gefühl der Entschleunigung ist in der zweiten Welle der Verdichtung gewichen
Vorstellungen von Mütterlichkeit und Väterlichkeit beeinflussen die Übernahme von Care-Arbeit oder deren Auslagerung
Väterliches Engagement hat sich in der Corona-Pandemie folgendermaßen entwickelt:
Insgesamt haben (die befragten) Väter einen großen Anteil an der Care-Arbeit übernommen und ihr Engagement in der Krise erhöht
Wo Väter vorher eher abwesend waren à Mehr Engagement möglich
Wo die Väter vorher mit viel Engagement in der Familienarbeit dabei waren à In der Pandemie beibehalten
Je mehr die Väter sich einbringen (möchten) in die Care-Arbeit, desto größer die Zerrissenheit
Je größer das Netzwerk aus Betreuungspersonen, desto einfacher ist die Vereinbarkeit individuell gelöst
Wenn andere den Großteil der Betreuungsarbeit leisten, können Väter durch die neue Flexibilität mehr „unterstützen“
In der zweiten Welle hat das Engagement teilweise wieder abgenommen, die Erwerbsarbeit wird (wieder) zentraler angesehen
Auch wenn es einfacher ist, die Care-Arbeit anderen zu überlassen:
Mehr Engagement von mehr Personen ist für alle eine Erleichterung!
Handlungsempfehlungen, damit das Positive bleibt
Anerkennen, dass Sorgearbeit Arbeit ist und genauso fordert wie Erwerbsarbeit
Dienstreisen und viele Überstunden (Abendtermine) reduzieren (à Positive Aspekte der Digitalisierung nutzen)
Vorteile des Homeoffice auch für Sorgearbeit nutzen (Wäsche wäscht nebenbei, Kinder können schnell abgeholt werden etc.)
Zeit mit der Familie einplanen und gestalten (Regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten etc.)
Absprachen unter den Eltern einfordern und beibehalten
(Priorisierung der Erwerbsarbeit vielleicht nicht nur unter finanziellen
Gesichtspunkten)
Freizeittermine (der Kinder) reduzieren
Das Netzwerk möglicher Unterstützer*innen bei der Kinderbetreuung ausbauen
Dies fasst die Aussage eines Studienteilnehmers gut zusammen:
„Na ja, vielleicht reichen drei Abendtermine ja auch und die anderen
zwei Tage setzt du dich mal in den Garten und guckst den Blumen beim
Wachsen zu. Könnte ja so für die eigene Psychohygiene auch mal ganz
hilfreich sein. Also so nochmal zu gucken, was ist eigentlich wirklich
wichtig und was brauche ich eigentlich für mich?“
Vaterschaft ist im Wandel und Rollenbilder ändern sich fortlaufend.
‚Vater sein‘ heute ist anders als ‚Vater sein‘ früher. Nicht nur die
Erwartungen der Väter an ihre Rolle haben sich grundlegend geändert,
auch die gesellschaftlichen Erwartungen sind im Wandel und Elternschaft
intensiviert sich. Das Leitbild der aktiven Väter verbreitet sich immer
stärker.
Auch Corona hat die familiäre Aufgabenteilung verändert und wirkt zugleich wie ein Spiegel und ein Brennglas:
Einerseits hat die Corona-Krise zu einer Retraditionalisierung der
Elternrollen geführt: Mütter übernehmen in der Krise den Großteil der
Betreuungs- und Erziehungsaufgaben. Das haben sie auch schon vor der
Krise getan.
In 20 Prozent der Familien ist die Aufgabenteilung ungleicher
geworden. Mütter bleiben möglicherweise häufiger im Homeoffice und sind
im Unternehmen weniger sichtbar.
Andererseits hat die Corona-Krise auch Chancen geboten, traditionelle
Elternrollen zu überwinden. Die Krise wirkt wie ein Innovationslabor:
Schon jetzt ist in 20 Prozent der Familien die Aufgabenteilung
partnerschaftlicher geworden als vor der Pandemie. Gerade Väter mit
kleinem Einkommen oder niedrigem Bildungsstand verbringen mehr Zeit
mit der Kinderbetreuung.