Als Tim die weiterführende Schule mit 17 ohne Abschluss
verlassen musste, bricht für Andreas Seltmann eine Welt zusammen. Nach heftigem
Hadern mit der Situation packte ihn eine folgenreiche Idee: Eine Vater-Sohn-Auszeit,
in Neuseeland.
Vater und Sohn gemeinsam über 3700 km 30 Tage lang 24
Stunden am Tag. Zusammen stellen sie sich als Team den Herausforderungen des
Unterwegsseins. Offen und neugierig lassen sie sich auf Begegnungen und
überraschende Wendungen ein. Wie von selbst ergeben sich Gespräche über das
Leben und den Tod, über Familiengeheimnisse, über die Liebe und
Männerfreundschaften, über Väter und Söhne.
In berührend persönlichen Briefen an die Familie und an
Freunde, fiktive und verstorbene Personen, reflektiert Andreas Erlebtes,
Erkenntnisse und Gefühle und hinterfragt seine Verantwortung als Vater. Den
ersten Brief schreibt er aus dem Flieger an seine Frau:
„Ich habe dir nie erzählt, dass der Augenblick, als unser
Sohn zur Welt kam, mein Verhältnis zu meinem Vater komplett verändert hat. In
dem Moment, als Tim auf die Welt gekommen war, habe ich von einer Sekunde auf
die andere tief in mir gespürt, dass nun sein Leben ganz eng mit meinem Leben
verwoben sein wird. Ich habe mit einem Mal meinen Vater in einem anderen Licht
gesehen. Mir wurde klar, welche Verantwortung er angenommen hatte. Mit einer
ungeheuren Klarheit spürte ich, dass von nun an nichts mehr so ist, wie es
vorher war.“
Neuseeland ist derzeit wegen Corona nicht erreichbar, dieses
Buch ist für die Vater-Sohn Wanderung durch den Harz oder das Sauerland aber genauso
gut geeignet. Für die ersten Schritte reicht ein verlängertes Wochenende.
Andreas Seltmann, NeuseeSOHNland, Wie aus 30 Tagen Auszeit
unsere allerbeste Vater-Sohn-Zeit wurde, Verlag Sorriso GmbH, 26,90 €
Das Papahandbuch von Robert Richter und Eberhard Schäfer
begleitet werdende und gewordene Väter seit 15 Jahren in den neuen
Lebensabschnitt in einer Familie zu Dritt und der Erfahrungsschatz der beiden
Autoren ist heute genauso wertvoll wie in der ersten Auflage
Sie ermutigen Väter von Anfang an dabei zu sein und sich
gemeinsam mit ihrer Partnerin vorzubereiten. Dazu geben die Beiden den
werdenden Vätern in zahlreichen Checklisten wertvolle Hinweise und bereiten sie
auch darauf vor, dass es anders kommen kann als geplant.
Worauf es für Väter im Kreißsaal ankommt und warum sie wichtig sind, beschreibt
der wohl erfahrenste Gynäkologe in Deutschland, Prof. Abou Dakn im Gespräch mit
den Autoren: ‘Insbesondere die, ein ‘Ruhepol’ für die Frau zu werden. Männer,
die ihre Frau in ihrer Autonomie bestärken – das heißt, sie einfach nr positiv
unterstützen -, helfen, das Geburtserlebnis zu verbessern und weniger Interventionen
notwendig zu machen.’
Die 18 Euro für das Handbuch sind in jedem Fall eine
lohnende Investition für den Start ins Familienleben, die ich jedem nur
wärmstens empfehlen kann
Christian Meyn-Schwarze hat die letzten Wochen genutzt, um die Papa-Liste, eine seit 19 Jahren erscheinende Liste mit Büchern, in denen Väter eine Rolle spielen, auf den neuesten Stand zu bringen. Einer seiner Empfehlungen ist „Mein Papa – der Alleskönner“ aus dem Schaltzeit Verlag von S. Barroux
„Das ist jetzt ganz nachhaltig: Reparieren statt wegwerfen,
selber basteln statt kaufen – in der eigenen Werkstatt etwas Kreatives basteln
– vielleicht sogar ein Rennauto für die Tochter. Früher hatten die Männer einen
Hobbykeller mit tausenden von Sachen und ganz viel Werkzeug. Und manches Kind
hat den Hobbyraum geerbt.
In diesem großformatigen und großartigen Bilderbuch geht es
also um einen Papa, der mit seiner Tochter ein Geheimnis hat: Die Hütte hinten
im Garten ist eine „Geheimwerkstatt“ und die Erzählerin darf ihrem Papa helfen,
reicht Schrauben und Muttern, Bohrer und Dübel, Zangen und Schlüssel an. Papas
Schätze sind in Dosen und Schachteln gesammelt. Und jedes Werkzeug hat seinen
Platz, an der Wand sind die Umrisse zu erkennen und wir suchen auf der Werkbank
den Fuchsschwanz und die Bohrwinde mit Kugellager.
Das ist einfach großartig erzählt, wie eine alte
Handwerkskunst im eigenen Hobbyraum an die Tochter weitergegeben wird. Und ein
lobenswertes Beispiel, dass Kuckucksuhren oder Fernseher repariert werden
können. Die wachsende Zahl der Repair-Einrichtungen zeigt, dass „reparieren
statt wegwerfen“ voll im Trend liegt. Und wenn Kinder lernen, wie ein Loch im Fahrradreifen
geflickt werden kann, dann können sie später auch die Welt verändern. Auf dem
letzten Bild sehen wir ein Foto von Opas altem Werkzeugkoffer – der Papa und
seine Tochter setzen also eine Familientradition fort.
Dieser Alleskönner-Papa ist einfach ein Bilderbuch-Papa und
motiviert alle Väter, ihren Kindern den Umgang mit Hammer und Säge zu zeigen.
Ich bin begeistert und vergebe fünf goldene Schrauben.
… setzen sich Kim Kindermann und Wiebke Porombka im Gespräch
mit Frank Meyer in der Sendung Lesart auseinander.
Ratgeber für Väter gibt es inzwischen viele – was sie
gemeinsam haben, beschreibt Kim Kindermann aus unserer Sachbuchredaktion. Auch
neue Romane stellen die Beziehung zum Vater in den Mittelpunkt:
Literaturredakteurin Wiebke Porombka mit Empfehlungen.
Wie werde ich ein guter Vater? Was ist ein guter Vater? In
mehr als 70 Titeln sei dieses Thema allein in den zurückliegenden anderthalb
Jahren verhandelt worden, sagt die Sachbuchredakteurin des Deutschlandfunks
Kultur Kim Kindermann – darunter auch in etlichen Kolumnen-Büchern, in denen
Männer über ihren chaotischen Alltag mit Kindern schreiben.
In den Romanen hingegen geht der Blick zurück, stellt unsere
Literaturredakteurin Wiebke Porombka fest. Autoren wie Matthias Brandt in
„Blackbird“ und Frank Witzel in „Inniger Schiffbruch“ schreiben über Väter, mit
denen sie in den 1960er und -70er Jahren aufwuchsen.
„Das sind nicht mehr die Nazi-Väter, mit denen sich die
Protagonisten auseinandersetzen. Das sind aber trotzdem Väter, die durch den
Zweiten Weltkrieg Traumatisierungen erlitten haben“, sagt Porombka.
Es seien die „anwesenden abwesenden Väter“ – Väter, die
schweigen oder nur mit einer starren Hülle an Verhaltensweisen durch den Alltag
kommen. Und denen auch mal die Hand ausruscht.
In Bov Bjergs Roman „Serpentinen“ bringt sich
der Vater um. Nora Gantenbrinks „Dad“ ist ein Hippie-Vater. Auch er
ist abwesend, er vergisst seine Tochter regelrecht.
Im Sachbuchbereich dominiere hingegen ein positiver Umgang mit den Anforderungen an den „modernen Vater“, betont Kindermann. Auch Väter hätten heute Angst davor, plötzlich Kinder zu haben. Sie würden sich dem aber stellen und damit auseinandersetzen – nicht zuletzt, weil die Gesellschaft und die Frauen, respektive Mütter, dies einforderten.
Die vielen Informationen über den Coronavirus und die Covid19-Erkrankungen belasten nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder. Sie sind von den vielen Expertenmeinungen und anderen Medieninformationen ziemlich überfordert. Eltern, Erzieher*innen und Lehrer*innen sind gefordert, Kindern die Ängste zu nehmen und Informationen altersgerecht aufzubereiten. Eine echte Herausforderung!
Da kommt das Kinderbuch „Coronavirus – Ein Buch für Kinder“
gerade recht, das der englische Verlag Nosy Crow entwickelt hat und vom Beltz&Gelberg Verlag übersetzt wurde. Die tollen
Illustrationen stammen von Axel Scheffler, vielen sicher als der
Grüffelo-Schöpfer bekannt.
Beltz & Gelberg schreibt über das Projekt: „Das
Coronavirus hat auch den Alltag von Kindern durcheinandergewirbelt und
vieles auf den Kopf gestellt. Doch was ist das neuartige Coronavirus
eigentlich? Was passiert, wenn jemand an Covid19 erkrankt? Und wie kann ich
mich und meine Familie vor einer Ansteckung schützen? Diese Fragen
interessieren Kinder genauso wie Erwachsene. Der englische Verlag Nosy Crow hat
zusammen mit Prof. Graham Medley von der London School of Hygiene &
Tropical Medicine sowie Lehrer*innen und Kinderpsycholog*innen ein
Informationsbuch für Kinder entwickelt, das genau diese Fragen beantwortet. In
verständlichen Texten – und mit vielen Illustrationen von Axel Scheffler –
erklärt es Kindern ab 5 Jahren alles rund um das Virus und seine Folgen.“
Das Buch wird von allen Beteiligten kostenfrei zum Download als PDF zur Verfügung gestellt, damit möglichst viele Menschen Zugang dazu erhalten.
Radikal zu sein bzw. vorzugehen bedeutet, an die Wurzel der
Dinge zu gehen, gründlich und vollständig, ohne Kompromisse auch rücksichtslos
und mit einer gewissen Härte. Das zweite Buch von Verena Brunschweiger ‚Die
Childfree Rebellion‘ hat den Untertitel ‚Warum >zu radikal< gerade
radikal genug ist. Die Autorin bezeichnet sich als ‚Ökofeministin‘ und in der
Entscheidung für ein kinderfreies Leben sieht sie den konsequentesten Schutz
zur Erhaltung der natürlichen Lebensbedingungen. Mit dem im Untertitel
formulierten Anspruch wird aus meiner Perspektive schon vom Titelblatt her
deutlich, dass sie über das Ziel hinausschießt bzw. ihrem Anspruch Menschen
davon zu überzeugen, Verantwortung für die Zukunft unseres Planeten zu
übernehmen, nicht ganz gerecht wird.
Widersprüchlichkeiten, Ambivalenzen sind menschlich, gehören
meines Erachtens ebenso wie Freude und Genuss auf der einen und Schmerz und Leid
auf der anderen Seite zum Leben dazu. „Ich möchte, dass heutige Schülerinnen
und Schüler auch in gut zwanzig Jahren, wenn sie so alt sind wie ich jetzt (39),
noch ein schönes Leben haben.“ schreibt Brunschweiger. Ich denke da etwas
weiter. Als Vater von drei erwachsenen Kindern und zwei Enkelkindern, möchte
ich, dass dies auch noch in 60 Jahren möglich ist.
Ihr Konzept hat Brunschweiger in ihrem ersten Werk ‚Kinderfrei
statt kinderlos‘ beschrieben und in der Childfree Rebellion geht es zunächst um
die Reaktionen, die sie auf ihr erstes Buch erfahren hat. Diese beschreibt sie
mit ‚Komplexe Frontverläufe‘. Da ist zunächst ihre Arbeitgeberin, das ‚Bayerische
Staatsministerium für Unterricht und Kultus‘ die sie zu einem ‚Tribunal‘
einbestellt hat. „Ein nicht existententes dafür zu bedauern, dass es in diese Welt
hineingeboren werden könnte – eine Grenzüberschreitung.“
Das sind die Künsterler*innen am Theater in Regensburg, die ,
mitbringen „was für eine offene, demokratisch verfasste Gesellschaft
unabdingbar ist: die Möglichkeit, Widersprüche auszuhalten … sich progressiven
und >umstürzlerischen< Ideen auszusetzen, sich davon berühren zu lassen,
ohne sofort in Abwehr und Panik auszubrechen. Und da sind auf der anderen Seite
die AFDler, Klimaleugner, Maskulisten und Antifeministen, denen sie und ihre
Forderung nach Kinderfreiheit ein „Dorn im Auge“ ist.
Änderungen bei Ernährung, Mobilität und Wohnen reichen ihrer
Ansicht nicht aus, das Klima zu retten. Dazu ist nur der individuelle Beitrag
der Kinderfreiheit in der Lage. „Welche Ängste sorgen dafür, dass die Augen
diesbezüglich verschlossen bleiben? Welche Grenze wird überschritten, wenn man
diesen Zusammenhang benennt? Geht es um die Sorge, andere Leute zu bevormunden?
Fakt ist, dass Menschen ihr Leben letztlich immer nach den eigenen Wünschen
ausrichten.“
Diese Debatte zu befeuern, Grenzen zu überschreiten und
Männer und Frauen zu bewegen, sich auch mit diesem provozierenden Thema
auseinanderzusetzen ist radikal im besten Sinne des Wortes. Den Kinderwunsch
hingegen, insbesondere wenn er nicht in Erfüllung geht als „zutiefst
egoistischen, narzisstischen“ zu bezeichnen, ist für mich zutiefst
rücksichtslos.
Als Feministin setzt sich Brunschweiger selbstverständlich
für das reproduktive Selbstbestimmungsrecht von Frauen ein und weist zurecht
auf den antifeministischen Backlash hin, der Frauen auf die Rolle als Mutter am
heimischen Herd reduzieren möchte. Sie fragt auch zurecht danach, wie
kinderfreie Männer angesehen werden und ob sich diese auch rechtfertigen
müssten.
Am Ende des Buches widmet sie Männern, mit und ohne Kindern
ein ganzes Kapitel, in dem die Autorin auf der Basis ich kenne da jemanden und
ein Vater aus der Klasse sich sehr oberflächlich mit dem Ringen der letzte drei
Vätergenerationen, ihrer Bedeutung als Vater gerecht zu werden, auseinandersetzt.
Familiengründung ist häufig mit einer (Re-) Traditionalisierung verbunden, aber
werdende Väter (und Mütter) haben dazu genauso wenig Lust drauf wie ihre kinderfreien
Pendants.
An dieser Stelle auch Conell und Bourdieu zu zitieren ist
klug, die strukturellen Rahmenbedingungen und die vermeintlichen Zwänge sowie
die alltäglichen Zuschreibungen und Erwartungen sind mindestens ebenso
bedeutend. Auch Väter wollen übrigens interessante Gespräche mit ihrer
Partnerin führen und ja, einige Männer bleiben im ungeliebten Job, weil sie der
ihnen zugeschriebenen finanziellen Verantwortung gerecht werden wollen bzw.
müssen. Und nein, Männer ohne Kinder verkürzen ihre Arbeitszeit häufiger als
Väter. … Ich beschäftige mich seit 25 Jahren hauptberuflich mit Vätern, ihren
Wünschen sowie den politischen und gesellschaftlichen Regelungen und
Rahmenbedingungen die es ihnen ermöglichen bzw. verhindern, diese zu
realisieren.
Und zuletzt noch eine Anmerkung aus der eigen
Familienhistorie. Meine Mutter hatte zwei Schwestern, die beide das kinderfreie
Leben genossen haben. Eine war auch Lehrerin in einer anderen bayerischen
Großstadt. Wenn Corona Geschichte ist würde ich die beiden gerne ins Gespräch
bringen.
‚Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr …‘
dichtete Wilhelm Busch vor 150 Jahren. Zumindest der zweite Teil des Satzes
gilt bis heute und die Schwierigkeiten haben sich noch erhöht. Vater sein
reicht nicht mehr aus. Die allermeisten Männer die heute Vater werden nehmen
sich vor, ein guter Vater zu sein, es besser zu machen als sie es selbst erlebt
haben. Aber wie geht das, ein guter Vater zu sein, wenn es an erlebten
Vorbildern mangelt. Und, ist überhaupt ausgemacht, was ein Vater ist. Ist er
sowas wie ein Mupa? Eine Kopie der Mutter, oder zumindest ihr guter Assistent?
Es gibt inzwischen zahlreiche Väterratgeber und Erfahrungsberichte von Vätern,
die Elternzeit gemacht haben und davon berichten, vor welchen Herausforderungen
junge Väter und Mütter stehen, die sich aus alten Rollenvorstellungen
emanzipieren wollen und dabei über einen Rollentausch
Björn Vedder bearbeitet in seinem Buch ‚Väter der Zukunft‘ das
Thema völlig anders, in Form eines philosophischen Essays. Er ist von Beruf
Philosoph, Publizist und Kurator im Europäischen Künstlerhaus Oberbayern.
Außerdem ist er selbst Vater von zwei Töchtern und hat selber von den
Erfahrungen zwei grundverschiedener Väter profitieren können.
Mit seinem 150seitigen Essay möchte er Väter aus dem
Schatten des eigenen abwesenden Vaters befreien. Dazu braucht es eine
Beschreibung, wie und was Väter heute sein können und zwar ‚jenseits von
Überkommenen Männlichkeitsvorstellungen, patriarchalen Familienmodellen oder
der Idee einer geschlechtslosen Elternschaft‘. Um es vorwegzunehmen, diesen
Anspruch löst er auch tatsächlich ein und es lohnt sich wirklich, das Buch
Seite für Seite zu lesen, es regelmäßig zur Seite zu legen und die Thesen,
Geschichten und Berichte aus eigenen Erfahrungen, die Vedder virtuos verknüpft,
wirken zu lassen.
Er betrachtet das, was er herleitet, als einen Vorschlag an
Männer, sich von der tradierten Rolle des Patriarchen zu emanzipieren, ohne
einfach die Mutterrolle zu kopieren. Eine angemessene Beschreibung der
Vaterrolle unterstützt sie dabei. Kinder brauchen, das zeigt die
Bindungsforschung, zwei verschiedene, sich ergänzende Bezugspersonen. Eine mit
der sie eine symbiotische Beziehung pflegen und eine andere, die diese
Beziehung nach außen, zur Gesellschaft, zur Welt hin öffnet. Letztere Aufgabe
nehmen die wahr, die üblicherweise ‚Vater‘ genannt werden.
Nach dieser kurzen Beschreibung des Selbstverständlichen
wird es schnell grundsätzlich. Eine Erziehung, die auf der Logik des
Kapitalismus, des Wachstums basiere bereite Kinder nicht darauf vor mit
zukünftigen Herausforderungen des Lebens vor. Das Leben sei keine Goldmine, die
es auszubeuten gelte. Es sei elementar auch mit Verlusten umgehen zu können
gerade weil die Logik des Kapitalismus derartige Erfahrungen ausschließe. An
dieser Stelle komme dem Vater eine zentrale Bedeutung zu: Vedder schlägt vor, ‚dass
sich in der Figur des Vaters ein Ort für diese Erfahrungen findet, … dass es
eine Aufgabe der Väter ist, den Umgang mit Verlust und Verzicht wieder in unser
Leben zu integrieren. Ebendas macht sie zu Vätern der Zukunft.‘
Damit dies gelingen kann, benötigen Väter eine Bedeutung in
der Erziehung der Kinder. Wie diese Rolle auf der ‚familiären Bühne‘ aussehen und
wie sie wahrgenommen werden kann beschreibt der Autor in den folgenden
Abschnitten. Ein roter Faden dabei ist Aspekt der Selbstbeschränkung und des
Verzichts. Er wendet sich explizit gegen eine ‚Eventisierung des Familienlebens‘:
‚Der einzige Ausweg daraus wäre freilich, in das Leben zurückzukehren. Eine
Grenze zu ziehen. Den Sprung in die Beschränkung zu wagen. Sich für das eine
Wirkliche gegenüber den vielen Möglichkeiten zu entscheiden. Entweder oder zu
sagen und zu leben.‘
Es ist Aufgabe des Vaters sich für das gute Leben anstelle
eines schönen Lebens zu entscheiden, nur dann werde er der Bedeutung des Kindes
als eigenständigen Subjektes gerecht. ‚Es ist ein Wesen, das nicht nur eine
Bedeutung für mich hat, sondern für das es selbst Bedeutung gibt.‘ Dieser
Perspektivwechsel auf die Unverfügbarkeit seiner Kinder ist gleichzeitig der
Wechsel ‚vom ästhetischen Standpunkt auf den ethischen, vom schönen Leben in
das gute Leben.‘
In diesem guten Leben gilt es, Entscheidungen zu treffen und
nicht einfach nach Gusto alles zu tun oder zu lassen. Um diese Freiheit,
entscheiden zu können wie ich mich den Dingen, die mir begegnen gegenüber
verhalte, ausüben zu können ist es aber wichtig so wie der Sänger das ganze
Lied vor Augen hat, als Vater das ganze Leben in den Blick zu nehmen, also zum
Tode vorzulaufen. ‚Zum Tode vorzulaufen heißt also, das eigene Leben in den
Griff zu bekommen, es zu leben und nicht nur zu erleben, es zu singen.‘
Was es konkret bedeuten kann, das ‚väterliche Sein zum Tode‘
einzusetzen um den Herausforderungen der Zukunft angemessen begegnen zu können,
verdeutlicht Vedder am Beispiel des Klimawandels. Mit dem Bild des von
Aristoteles skizzierten Hausvaters beschreibt er worauf es ankommt: es geht ‚weniger
um den Erwerb als um die Pflege der Dinge, weniger um ihren Konsum als um ihren
Erhalt. … Die Reflexion unseres Konsums in Bezug darauf, was er mit uns macht,
ist eine Möglichkeit für Väter, unser Wirtschaften zu verändern.
Das aus der Möglichkeit im Zuge der Corona-Pandemie so
schnell eine wirkliche Herausforderung, nicht nur für Väter geworden ist, hat
Vedder nicht ahnen können. Alle Eventgelegenheiten sind geschlossen, soziale
Kontakte außerhalb der Kernfamilie weitestgehend eingeschränkt und Krankheit
und Tod kommen via Bildschirm und soziale Medien in jedes Haus und Verzicht und
Verlust sind zum Alltag geworden. Die noch existierenden patriarchalen
Strukturen sind genauso ratlos wie die ansonsten so lautstarken Populisten. Sie
versuchen zwar noch mit haarsträubenden und erlogenen Geschichten Einfluss zu
nehmen, werden aber im weiteren Verlauf der Krise verstummen. Sie haben im
wahrsten Sinne des Wortes Nichts zu sagen.
Worauf es ankommt und diese Rolle kommt in den Familien den
Vätern zu, vom Ende der Krise her, im Rahmen einer Regnose, zurückblickend mögliche,
positive und mutmachende Szenarien zu beschreiben. Was das Klima angeht die
Tatsache, dass in diesem Jahr weltweit der CO² Ausstoß sinken wird. Die Bilder
aus Italien mit auf den Balkonen singenden Menschen und den neuen Solidargemeinschaften
die überall entstanden sind. All das sind Geschichten, die Väter erzählen
können, wenn sie mit ihren Kindern am Fluss des Lebens sitzen.
Der philosophische Essay von Björn Vedder ist absolut
empfehlenswert, weil er gerade heute, in dem alte Gewissheiten und Ordnungen
ins Wanken geraten, Männern eine Möglichkeit bietet für ihr Vatersein einen (Nach-)
Denkraum zu öffnen und vielleicht erstmalig Sicherheit in ihrer Rolle als Vater
zu gewinnen. Für diejenigen, die auch im Krimi zuerst das Ende lesen, das kurze
Resümee von Vedder findet sich im einseitigen 8. Kapitel.
wollte Tanya Neufeld mit ihrem vierten Buch ‚Mütter aus Deutschland‘ schaffen. Neufeld ist Schauspielerin, Autorin und Mutter. Unter dem Pseudonym Lucie Marshall publizierte sie drei Bücher und war als Kolumnistin unter anderem für die taz. die tageszeitung und das Frauenmagazin FREUNDIN tätig. Ihr Blog Lucie Marshall gilt als „Sex and the City für Mütter”. Seit April dieses Jahres ist Tanya Neufeldt Tandem-Geschäftsführerin der Social Moms GmbH, einem sozialen Netzwerk für Mütter.
Für das Projekt ‚Mütter‘ ist sie durch ganz Deutschland gereist und hat Gespräche mit 30 Müttern geführt: Mütter, die früh Kinder bekommen haben, späte Mütter, verheiratete, alleinerziehende, in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften lebende. Mütter, die Vollzeit arbeiten, Mütter, die sich entschieden haben, ihre Zeit ganz den Kindern und der Familie zu widmen, Mütter, die hadern, kämpfen, Mütter, die glücklich sind mit dem, was ist. Mütter mit den unterschiedlichsten Herkunftsgeschichten, Mütter, die ihre Kinder adoptiert haben oder selbst adoptiert wurden. Mütter mit Kindern, die besondere Unterstützung brauchen. Interessiert haben sie dabei insbesondere drei Leitfragen:
Was wünschen sich Mütter?
Was haben Mütter für Bedürfnisse?
Wie ist es, eine Mutter in Deutschland zu sein?
Das Ergebnis der Gespräche sind 30 beeindruckende Portraits von
Frauen, die deutlich machen, worauf es Ihnen ankommt bzw. angekommen ist. Da
ist z.B. Deborah, die mit 21 Mutter werden wollte und diesen Wunsch zunächst
gegen den Willen des Vaters durchzieht. „Irgendwann kam er dann von allein. …
Und eigentlich ist es jetzt genau so, wie ich es immer wollte, und er ist der
liebevollste Papa der Welt.“
Oder Jennifer, die 12 Monate nach der Geburt wie vereinbart wieder
an den Arbeitsplatz zurückkehrt und über ihren Vater sagt: „Mein Vater ist bei
uns der absolute Superopa! Meine Mutter arbeitet noch, mein Vater ist
Frührentner und schart alle Kinder und Enkelkinder um sich.“ Väter und Großväter
haben in dem 111seitigem Band, für den Mujo Kazmi sehr persönliche
Fotoportraits der Mütter gemacht hat, ihren jeweils eigenen persönlichen
Stellenwert.
Das Fazit der Autorin am Ende: „Habe ich Antworten auf die Fragen bekommen, mit denen ich meine Reise angetreten bin? Zum Teil. Vor allem hat es sich aber gezeigt, wie komplex das Thema ist, und dass es keine einfache Antwort gibt. Ein Wandel wird nur stattfinden, wenn alle bereit sind, ihn mitzugestalten und ihren Beitrag zu leisten – Gesellschaft, Politik, Arbeitgeber – und jeder Einzelne.“
Mein Resümee, Tanya Neufeld ist es gelungen das breite Spektrum von Müttern und Mütterlichkeit einzusammeln und in den kurzen Beiträgen die unterschiedlichen Leitbilder und Lebenskonzepte der Frauen authentisch darzustellen.
Die Erlöse aus dem Verkauf des auch für (werdende) Väter absolut lesenswerten Buches gehen übrigens an das Projekt Care Forward. Hier erhalten geflüchtete Frauen die Möglichkeit, Berufsorientierungskurse zu besuchen, um danach eine Ausbildung zur Altenpflegerin, Erzieherin oder Krankenschwester zu absolvieren, in der Kinderbetreuung oder als Haushaltshilfe zu arbeiten.
«Mein Vater und ich» Am Anfang war ein viel beachteter Artikel im Zürcher Tages-Anzeiger. Salome Müller erinnert sich an die Jahre mit ihrem Vater, der Hausmann war.
«Wenige Väter sind so da, wie du es warst», schreibt sie. Väter, die putzen, kochen und mit den Kindern spielen, während die Frau das Geld nach Hause bringt? In den 1990er-Jahren konnte man sie an einer Hand abzählen – erst recht auf dem Land.
Ein gutes Jahr später ist aus dem Artikel ein Büchlein geworden. «Love, Pa» versammelt 128 kurze Briefe, in denen Salome Müller noch einmal ihrem Vater nachspürt. Er starb an Krebs, als sie 23 war.
«Meine Briefe an dich sind ein Flüstern», heisst es da einmal. Stiller Schmerz gibt den Ton an – immer noch. Die Miniaturen sind gezeichnet von der Trauer, für die es auch heute keine Worte gibt. Manchmal. Da ist auch ein Brief ohne Worte.
Aber da sind auch die anderen: Fragmente einer Vater-Verehrung, Bruchstücke einer besonderen Biographie, die leisen Lacher der Lebenden.
Sie runden sich zu einem grossen Ganzen, das von einem zu kurzen Leben erzählt und einer lebenslangen Liebe. Ein schmales Büchlein, das man fast zu schnell verschlungen hat.
Väter werden immer häufiger von Zaungästen zu Beteiligten an der Erziehungsarbeit: Sie bereiten sich zusammen mit der Partnerin auf die Geburt des Kindes vor und sind bei den Kontrollen und auch im Kreißsaal dabei. Sie wechseln zu jeder Tag- und Nachtzeit Windeln, gehen zum Vater – Kind Turnen und drehen ihre Runden auf den Spielplätzen. Doch mit den neuen Aufgaben wächst auch der Druck auf die Väter, ihren verschiedenen Rollen gerecht zu werden, Familie und Karriere gut unter einen Hut zu bringen. Margrit Stamm stellt die neuen Herausforderungen, denen sich die Väter von heute gegenübersehen, in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang und zeigt, dass neue Väter nur Verantwortung übernehmen können, wenn die Mütter loslassen.
„… Wann ist ein Mann ein guter Vater?
Gemessen an der politischen Diskussion in der Schweiz hat man das Gefühl, ein Mann sei schon ein guter Vater, wenn er zwei Wochen Vaterschaftsurlaub nimmt. Andere sind überzeugt davon, dass Männer, die Teilzeit arbeiten, gute Väter sind. Manchmal gelten auch Männer als gute Väter, die Windeln wechseln können und am Freitagnachmittag frei nehmen.
Was sagen Sie?
Dass die Präsenzzeit überbewertet wird. Unserer Studie, auf der das Buch basiert, zeigte, dass vollzeitberufstätige Männer sehr intensive, emotionale und zugewandte Väter sein können und dass sich nicht alle Väter, die Teilzeit arbeiten, besonders intensiv in der Familie engagieren. Ein guter Vater ist, wer sich auf die Familie einlassen und eine für beide Seiten befriedigende Partnerschaft leben kann.
Wenn nicht die Quantität, sondern die Qualität der Zeit entscheidend ist, dann ist ein gesetzlich verankerter Vaterschaftsurlaub unnötig?
Der Vaterschaftsurlaub ist ein wichtiges Signal, zumal unser Staat die Bedeutung der Familie derart betont. Der Vaterschaftsurlaub würde den Männern die Möglichkeit geben, wenn sie Väter werden, beruflich innezuhalten und sich voll auf die neue Situation einzulassen. Im internationalen Vergleich ist die Schweiz ein Entwicklungsland. Dass wir überhaupt über den Vaterschaftsurlaub diskutieren müssen, ist lächerlich. In Deutschland und Österreich haben Väter und Mütter bis zu zwei Jahre Elternzeit.
In Deutschland aber nutzen die meisten Männer die Elternzeit nicht.
Stimmt. Aber der Anteil der Väter, die Elternzeit beantragen, steigt. Interessant ist die Frage, weshalb die Möglichkeit der Elternzeit bei den Männern keine Lawine an Anträgen ausgelöst hat.
Weshalb nicht?
Weil die meisten Männer als Buben immer noch so sozialisiert worden sind, dass sie später einmal eine Familie ernähren müssen. Paare sind ja nicht nur eine Liebes-, sondern auch eine Wirtschaftsgemeinschaft. Weil Frauen oft die tieferen Löhne haben als Männer, setzen viele Paare auf die Karriere des Mannes, wenn die Kinder da sind. Wenn dieser dann noch einen Chef alter Schule hat, der ihm sagt, dass der Elternurlaub seine Aufstiegschancen schmälern könnte, dann ist die Chance gross, dass der Mann auf den Urlaub verzichtet oder ihn nur sehr zurückhaltend bezieht. …“