dafür setzt sich Christian Meyn Schwarze seit über 20 Jahren ein und macht Väter Vorschläge, welche Bücher sich dafür eignen. Seine Papa-Lese-Liste ist eine Institution. Gestern kam, wie in den vergangenen Jahren auch die über die Feiertage aktualisierte Liste mit den von ihm und seinem Team rezensierten Kinderbüchern.
Beim Öffnen der Mail wird schnell klar, dass es in diesem Januar aber anders ist als sonst. Es ist die letzte Papa-Lese-Liste. Christian schreibt dazu:
„das junge Jahr ist erst ein paar Tage alt und schon
gehen wir zum Alltag mit seinen Herausforderungen über. Ich habe die Zeit
zwischen den Jahren genutzt, um die sogenannte „Papa-Liste“ zu
aktualisieren: welche Titel über aktive Papas gibt es neu, welche über Opas –
welche kommen in den nächsten Monaten heraus.
Das Ergebnis füge ich als Anlage bei, in blau die Titel, die
ich seit der 2023er-Liste neu aufgenommen habe, in grün die Titel, die
demnächst erscheinen sollen.
Besonders gerne weise ich auf zwei Titel auf der Seite 12
hin: „Alles über Väter“ – ich bin gespannt, ob da alle meine Vätertypen
auftauchen, die ich der Papa-Liste vorstelle. Und dann der Titel „Papa liest
vor“ – das Leitmotiv meiner Arbeit, denn mit dieser Papa-Liste möchte ich
den Vätern Lese- und Vorlesestoff anbieten. …
Und wer nun die Anlage genau liest erkennt, dass das
meine „letzte“ Liste ist. Über zwanzig Jahre habe ich mit einem
literarischen Kompetenzteam mehrere hundert Titel gelesen und bewertet. Nun
möchte ich in meinem 71. Lebensjahr andere Herausforderungen annehmen: ich bin
nach der Corona-Pandemie wieder mit meinem Mitmachzirkus unterwegs, lese in
Bibliotheken vor, spiele in Kindertagesstätten mit Vätern und Kindern und nutze
meine Zeit für „Leihenkel-Kinder“, um meiner eigenen Familie dann in ein
paar Jahren Zertifikate als „Opa“ vorlegen zu können.
So ist es also „Papa-Liste, die Letzte“ und bringt
mich zum Nachdenken über „das letzte Mal“: wann habe ich zuletzt einen
Handstand gemacht, wann hat die Waage zum letzten Mal eine niedrigere Zahl
gezeigt, wann habe ich zum letzten Mal eine Bergwanderung gemacht, einen
Sonnenaufgang gesehen. …
Ihr und
Euer Christian“
Christian ist also nicht aus der Welt, auch der Mitmachzirkus ist schon lange Tradition, die Papa-Lese-Liste werden, so denke ich, viele vermissen. Insbesondere die Großväter und ‚Opas‘, die Zeit und Muße haben, ihren Enkeln und Enkelinnen vorzulesen.
Der Titel des Buchs von Fabian Soethof ist eine klare
Ansage. Es ist wirklich Zeit, Familie gleichberechtigt zu leben. Die Fragen und
Zweifel, die in dem Zusammenhang auftauchen drehen sich eher um das Wollen und
Dürfen.
Klar wollen Väter und Mütter raus aus den traditionellen
Mustern, Erwartungen und Klischeefallen, das Vater- und Elternsein anders
gestalten als die eigenen Eltern. Das ist eine große Chance, aber auch eine
Herausforderung, die nicht nur aus unpassenden strukturellen Rahmenbedingungen
besteht.
Fabian Soethof begleitet seine Leser*innen bei den
anstrengenden und verunsichernden Prozessen, Gewohntes in Frage zu stellen und
eigene Vorstellungen von Mann- und Vatersein auf den Prüfstand zu stellen.
Gleichzeitig inspiriert und ermutigt er Väter und Mütter, miteinander neue Wege
zu gehen.
Fabian Soethof, 1981 am Niederrhein geboren, schloss ein
Studium als Kulturwirt und Kulturjournalist in Duisburg und Berlin ab und
schreibt u.a. für den Tagesspiegel, Mens Health Dad und Süddeutsche Zeitung. Seit
2016 leitet die Online-Redaktion des Musikexpress. Mit www.newkidandtheblog.de
war er einer der ersten bloggenden Väter. Soethof lebt mit Frau und zwei Söhnen
in Berlin.
1. Ergänzen Sie bitte den Satz ‚Vater werden ist …‘
…nicht schwer. Vater sein dagegen sehr. Entschuldigt bitte
die (wahre) Floskel zu Beginn. Versuche mich mit solchen Allgemeinplätzen auf
der Lesung zurückzuhalten!
2. Welche Eigenschaften fallen ihnen beim Wort ‚Vater‘ ein?
Kümmernd. Verantwortungsvoll. Zerrissen.
3. Was sollte Mann beim Vater werden unbedingt beachten?
Mann sollte diese neue Lebensaufgabe – denn nicht anderes
ist Vatersein, ganz unpathetisch – und dadurch die eigenen Kinder und deren
Mutter ernstnehmen und die eigenen Bedürfnisse zwar nicht vergessen, aber nicht
an erste Stelle setzen.
4. Was würde Ihrer Meinung nach Vätern in Zukunft das Vater
sein erleichtern?
Väter brauchen mehr gesellschaftliche und wirtschaftliche
Akzeptanz, so selbstverständlich und mit allem was dazugehört Vater sein zu
dürfen (und zu sollen), wie Mütter Mütter sein dürfen (und sollen). Gut, mehr
Elterngeld oder gleich ein bedingungsloses Grundeinkommen würden auch nicht
schaden!
5. An welches Erlebnis mit Ihrem Vater erinnern Sie sich am
liebsten?
Als ich als 16-Jähriger mit ihm und seiner Partnerin an der holländischen Nordsee Urlaub machte, durfte ich für ihn seine Zigaretten drehen (nicht rauchen!). Und in der lokalen Rock-Taverne, in der ich andere Teenager kennenlernte, kam er mit zwei Freunden dazu und ich habe mich für den Alten geschämt – da war er 33 ;-). Zugegeben: Klingt jetzt nicht nach Lieblingserinnerung oder Bilderbuchmoment. Aber allzu viele Erinnerungen an Erlebnisse mit ihm allein habe ich nicht. Vermutlich, weil immer auch Verwandtschaft mit dabei war, und ich ihn nur an Wochenenden und in den Ferien sah.
Tillmann Prüfer
ist Vater von vier Töchtern und lebt mit seiner Familie in Berlin. Er
ist Autor des Buchs ‚Vatersein, Warum wir mehr denn je neue Väter
brauchen‘ und der Zeit Kolumne ‚Prüfers Töchter‘. Bei der Eröffnung
derAusstellung ‚kinder machen Väter – Väterbilder im Wandel‘ am 16. Mai,
um 19 Uhr, im KAP1 in Düsseldorf, wird im Gespräch mit dem Vorsitzenden
der LAG-Väterarbeit darlegen, warum Feminismus eine große Chance für
Väter ist, auch ihr Schweigen zu brechen und aus dem aktuellen Buch
lesen.
Ergänzen Sie bitte den Satz ‚Vater werden ist …‘
das Größte, was man im Leben erleben kann, besser wird es dann nicht mehr.
Welche Eigenschaften fallen ihnen beim Wort ‚Vater‘ ein?
Ein Vater soll der sein, der seinen Kindern Zuversicht vorlebt, der
zeigt, dass das Leben mit allem was es bietet, bewältigbar und
spannend ist. Er soll trösten können und nahbar sein – und er soll
vermitteln das dort immer jemand ist, auf den man sich verlassen kann.
Kurz: Er soll da sein (all das kann eine Mutter übrigens genauso gut).
Was sollte Mann beim Vater werden unbedingt beachten?
Man soll sich gut darauf vorbereiten, genau wie man sich auf alle
andere wichtige im Leben vorbereitet. Am besten zusammen mit der
Partnerin.
Was würde Ihrer Meinung nach Vätern in Zukunft das Vater sein erleichtern?
Wenn Sie von der Idee befreit werden, dass ein guter Familienvater auch immer ein Vollzeit-Familienernährer sein muss.
An welches Erlebnis mit Ihrem Vater erinnern Sie sich am liebsten?
Als er mir sehr überzeugend davon berichtet hat, dass er als Pirat in der Karibik gearbeitet hatte, bevor er wegen des Kinder seinen Job gewechselt hatte.
… es gibt eine neue Papa-Lese-Liste von Christian Meyn-Schwarze
„Keiner erzählt die Gutenachtgeschichte so lebendig wie Großvater. Es
lag an seiner Stimme, eine Stimme, die die Kinder noch lange hörten.
Kaum hat er an diesem Abend die Gutenachtgeschichte für seinen Enkel
angefangen, kommen die Tiere aus der Geschichte eins nach dem anderen
ins Zimmer gesaust und versammeln sich ums Bett. Leider schläft der
Großvater mitten im Erzählen erschöpft ein. Leise macht sich der Junge
mit dem Reh, dem Hirschen, dem Hasen, dem Wildschwein und dem
Eichhörnchen auf, um die Geschichte der Jägerin zu einem guten Ende zu
bringen. Opa und Enkel im kleinen Haus am Waldrand und die Tiere des
Waldes …“
Dies ist nur eine von mehr als 300 Kurzrezensionen, mit der Christian Meyn-Schwarze seit über 20 Jahren in seiner ‚Papa-Lese-Liste‘
Kinderbücher für und über Väter in allen Lebenslagen vorstellt und
Väter ermutigt, mit ihren Kindern zu lesen und ihnen vorzulesen.
Und da Christian jetzt im ‚Opa-Alter‘ ist, nimmt der Anteil der
‚Opa-Bücher‘ zu. Denn Großväter können mit ihrer Zeit und ihrer
Lebenserfahrung wichtige fördernde und fordernde Bezugspersonen –
besonders für Jungs – werden. Allein 6 neue Titel sind in dieser Rubrik
dazugekommen.
Die Liste ist sicherlich nicht vollständig und subjektiv, die
Bewertung der Bücher und anderer Medien zum Teil sehr persönlich aber in
jedem Fall eine optimale Möglichkeit, sich über Kinderbücher zu
informieren.
Und da gute Kinderbücher in vielen Fällen schnell vergriffen sind, empfiehlt er, bei Neuerscheinungen schnell zuzugreifen und für diejenigen, die leer ausgehen hält er einen besonderen Service bereit: er hat alle Bücher der Leseliste gesammelt und man kann sie bei ihm ausleihen.
‚Vatersein‘ lautet der Titel des dritten Buchs von Tillmann
Prüfer, dessen Kolumne ‚Prüfers Töchter‘ seit vier Jahren wöchentlich im
ZEITmagazin zu lesen ist. Im Untertitel heißt es dann appellativ ‚Warum wir
mehr denn je neue Väter brauchen‘. Also noch ein weiteres Buch, dass Vätern den
Widerspruch zwischen Wollen und Handeln aufzeigt?
Die Antwort lautet Ja und Nein. Prüfer nimmt die Messlatte ‚Bedeutung der Väter
für die Entwicklung ihrer Kinder‘ und konfrontiert die Leser*innen mit den
daraus folgenden Ansprüchen und der oft lauen Performance von Vätern. Auf der
anderen Seite beleuchtet er aber auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen,
Erwartungen und Zuschreibungen an Väter und die damit verbundenen Ambivalenzen,
die noch allzu oft zugunsten des Ernährer Mannes aufgelöst werden. Dabei
bleiben die Ansprüche ans gute Vatersein, auf jeden Fall besser als der eigene
Vater, auf der Strecke.
Authentisch wirken die von Tillmann Prüfer formulierten
Ansprüche vor allem dadurch, dass er in einem Erzählstrang seine eigene
Auseinandersetzung mit dem Vater werden und sein reflektiert. Dazu gehört auch
das Scheitern der ersten Beziehung. In einem Doppelinterview in der aktuellen
Ausgabe des STERN, mit ihm und seinem Vater, äußert dieser auf die erste Frage,
„Herr Prüfer, ist Ihr Sohn Tillmann ein guter Vater?“ „Er gibt sich die größte
Mühe, und ich denke, er macht es sehr gut.“
Dazu, was einen guten Vater ausmacht, schreibt der Sohn an verschiedenen
Stellen seines knapp 200 Seiten umfassenden Buches, aber zunächst einmal ein
kurzer Blick in das Werk.
Im ersten Abschnitt skizziert der Autor die Entstehung und
Geschichte der existierenden Väterbilder und wirbt dafür, den Feminismus als Chance
für Väter zu betrachten, denn die patriarchale Gesellschaft bringe keineswegs
allen Männern in gleicher Weise Vorteile. Es gehe nicht darum von außen auf
sich zu blicken, in Wettbewerb mit anderen zu treten, um im Benchmarking gut
dazustehen und dieses Konkurrenzdenken auf das Vatersein zu übertragen. „Es
gibt nur eine Person auf der Welt, die einem beibringen kann, wie gutes
Vatersein geht: das eigene Kind.“ Auf der anderen Seite ist die Rolle, „die man
als Vater für sein Kind spielt, die wichtigste, die man je im Leben spielen
wird.“ Und ein Vater der einfühlsam und interessiert ist, hilft seinen Kindern
am meisten.
Im zweiten Abschnitt beschreibt Prüfer die Hindernisse, die
einem glücklichen Vatersein im Weg stehen. Da sind zunächst einmal die
Widersprüche und Ambivalenzen zwischen den Sphären Beruf und Familie, die auf
den ersten Blick dazu (ver-)führen, es keinem Recht machen zu können. „Es
scheint klar, dass man etwas anderes machen möchte als früher, machen muss.
Doch die Orientierung fällt schwer. Es gibt so viele Ansprüche an den sogenannten
neuen Vater, dass es unmöglich ist, allem gerecht zu werden.“ Zumal es Vätern
immer noch an Vorbildern mangelt.
Den Vätern gut zuzureden, mehr Interesse für die Kinder zu
zeigen und ihre Wünsche, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen einfach zu
verwirklichen, genügt nach Ansicht von Prüfer nicht. Dazu braucht es „eine
Anstrengung beider Partner – und der ganzen Gesellschaft.“ Zu wissen, dass die
Rollenzuschreibung guter Vater = guter Ernährer nichts ist, was schon immer so
war ist hilfreich. „Wir sind es geworden. Und genauso können wir auch etwas
Neues werden. Wenn wir es denn wagen.“ Dazu ermutigt Prüfer Väter, auch in Gesprächen
über sein Buch wie hier zum Beispiel in der ZDF Sendung ‚Hier und heute‘: „…
reden Sie mal mit anderen Männern darüber. Männer reden mit anderen Männern
kaum über diese Themen, das ist Ihnen irgendwie … da fühlen sie sich schwach,
da sind sie unsicher. Sie reden über Alles andere, aber nicht über die Dinge,
die sie auch seelisch verletzen und bedrücken oder unsicher machen und ich
glaube, wenn sich Väter nur einigermaßen so vernetzt hätten, wie das Frauen
schon lange machen und sich Hilfe holen, dann würde sich viel ändern.“
Im Buch bietet er Vätern im dritten Teil einen ‚Werkzeugkasten
für den modernen Vater an‘. Darin befinden sich 12 Werkzeuge und ein ‚Universalschlüssel‘.
Die einzelnen Werkzeuge reichen von ‚Mach dir einen Plan‘, ‚Lerne vom Kind‘
über ‚Trau dich zu fühlen‘ bis hin zu ‚Mach Fehler und steh dazu!‘ und ‚Beschütz
dein Kind und lass es los‘.
Zu jedem Werkzeug gibt es ausführliche Anwendungsbeschreibungen,
die durch wissenschaftliche Anmerkungen und Zitate unterlegt sind. Beim ‚Werkzeug
9: Rede und hör zu‘ erfährt man, dass Kinder neue Wörter eher von Vätern lernen
als von Müttern. Da Väter weniger Zeit mit Kindern verbringen, müssten sie erst
einmal lernen, sich mit den Kindern zu verständigen. Auf dem Weg dahin lernen
auch Kinder eine Menge.
Das Universalwerkzeug beinhaltet die Aufforderung an Väter ‚Mach was!‘, „denn
die Vatererfahrung findet nicht nur durch Wörter statt, sondern vor Allem durch
Taten. Taten kann man fühlen, hören, riechen, sehen.“
Im vierten und letzten Teil des Buches zeichnet Prüfer
anhand der Entwicklungsstufen einer jeden Vaterschaft ‚Jeder Vater fängt ganz klein
an: Kleinkindpapa‘ bis zum leeren Nest ‚Tschüss Alter! Wenn die Kinder ihre
Väter nicht mehr so sehr brauchen‘ die Möglichkeiten auf, als Vater
mitzuwachsen.
„All diese Konfrontationen, die kleinen Katastrophen, die ständigen
Herausforderungen und Niederlagen, im Wechsel mit minimalen Erfolgen, die
machen etwas mit Vätern. Wer Vater wird, der verändert sich.“
Eingestreut in diesen Lebensreigen ist das Kapitel ‚Kein
neuer Vater ohne eine neue Mutter‘. Seine These: Es wird „keinen neuen Vater
geben, wenn die Partnerin ihm keinen Raum gibt, diese Rolle auszufüllen. Der
Autor setzt sich mit dem Phänomen des ‚Maternal Gatekeeping‘ auseinander und
geht dabei auch auf den Shitstorm ein, den der Spiegel-Beitrag ‚Papa kann das
schon alleine! Was moderne Väter hinkriegen – wenn Mütter sie lassen‘ im Sommer
2021 ausgelöst hat. In der Spiegelrezension schreibt Tobias Becker dazu „Prüfer gelingt das
Kunststück, über sogenanntes Maternal Gatekeeping zu schreiben, ohne die
Väter aus der Pflicht zu entlassen“ und macht deutlich, dass er immer noch
nicht verstehen will, das mit der Beschreibung von ‚Maternal Gatekeeping‘ keine
Schuldzuschreibungen verbunden sind, sondern Verhaltensweisen in einem
komplexen System analysiert werden.
Im allerletzten Kapitel spricht Tillmann Prüfer noch einmal eine
Ermutigung aus ‚Trau dich Papa!‘ und weist darauf hin, dass die
gesellschaftliche Wahrnehmung der Vaterrolle offensichtlich problematischer ist
als die tatsächlich empfundene Nähe von Kindern zu ihren Vätern. „Wahrscheinlich
haben wir heute die besten und um ihre Kinder am meisten besorgten Väter, die
es jemals in der Geschichte westlicher Länder gegeben hat.“ Aber das ist vor
allem auch eine Frage der (Selbst-)Wahrnehmung. „Wenn ich jemand sein kann, an
den die Kinder glauben, obwohl ihnen gerade der Glaube an etwas fehlt. Dann
werde ich ein guter Vater sein“ lautet der vorletzte Satz in dem Buch. Ich
denke, es reicht, wie Heinz Walter vor 15 Jahren in dem Sammelband ‚Vater wer
bist du?‘ beschrieben hat, ein ‚hinreichend guter Vater‘ zu sein. Aber das
entscheiden ja die Kinder und die haben andere Maßstäbe als die Väter selber
und das Feuilleton.
Ich kann den Band von Tillmann Prüfer, jedem empfehlen, der sich mit den Herausforderungen mit denen Väter und Mütter, die es anders mache möchten als es bislang ‚normal‘ ist, konfrontiert sind, auseinandersetzen möchten. Sie werden dabei en passant auch mit spannenden Erkenntnisse der Väterforschung belohnt.
Marius Kronsberger hat einen schonungslos ehrlichen Bericht
über seine 365 Tage Elternzeit mit den Zwillingen Franz und Isa geschrieben. Unter
der Überschrift ‚Von einem der heimging um bei seinen Kindern zu sein‘
schildert er, was ein Jahr Elternzeit mit ihm als Papa gemacht haben und fasst
im letzten Teil des Buches, am Ende der Elternzeit, seine Erfahrungen zusammen
und ermutigt zukünftige Papas, ebenfalls möglichst lange und alleine Elternzeit
zu machen.
Aber der Reihe nach. Ein beschissener Anfang, Franz kotzt,
er hat Magen Darm und … die erste Woche zieht sich bis zum ‚ockerfarbenen
Freitag‘. Kronsberger führt während seiner Elternzeit Tagebuch und zitiert beschissene
und freudige Erlebnisse. Dabei fasst er seine Erlebnisse in den unterschiedlichen
Phasen der Elternzeit thematisch zusammen und verdichtet diese.
Zum Beispiel ‚Das Denken der Anderen‘: „Die Leute gucken. Sie
gucken mich an und die Kinder. Es gibt unterschiedliche Reaktionen. Oft
bekommen wir ein Lächeln geschenkt, insbesondere von älteren Frauen. Männer,
vor allem jüngere, grinsen manchmal doof.“ Diese Blicke und die Gespräche, die
sich manchmal daraus entwickeln spiegeln den Blick auf einen Vater in
Elternzeit in einer deutschen Kleinstadt wider. „Im Kern meinen es die meisten
Menschen ja gut mit uns, selbst wenn sie über mein Geschlecht verwundert sind.“
Das alles erlebt der Autor im Jahr 2020, vierzehn Jahre nach
der Einführung des Elterngeldes können sich manche Menschen sich immer noch
nicht vorstellen, dass ein Vater das freiwillig macht. Aber damit kann der
Autor nach einer Weile gut umgehen. Was ihn, und alle anderen Mütter und Väter
aus den Socken haut, sind die Meldungen vom Freitag, den 13. März 2020: Für
Montag wird der erste Lockdown verbunden mit der Schließung der Kitas und
Schulen und der Sperrung der Spielplätze verhängt.
„Ich habe keine Ahnung, wie ich die nächsten fünf Wochen mit
drei Kindern zu Hause und ohne Aktivitätsangebote überstehen soll. Das wird
echt hart.“ Ja das war hart und Kronsberger beschönigt nichts. „Die globale
Kris ist vermutlich noch lange nicht beendet. Meine aber zum Glück schon. Ich
bin wieder zu Kräften gekommen, bin nicht mehr so dünnhäutig. Am Ende gehe ich
gestärkt und mit dem Wissen um eine Grenzerfahrung aus dieser Zeit.“
Die Erfahrungen führen zu einem Perspektivwechsel, den der
Autor nicht nur möglichst vielen Vätern, sondern auch vielen Führungskräften an
Herz legt. Sie würden mit den Anliegen ihrer Mitarbeitenden anders umgehen,
wenn sie einmal selbst verantwortlich mit diesen vermeintlichen Lappalien umgehen
müssten.
Dieser Perspektivwechsel hat einen Preis, auch das spricht
Kronsberger ehrlich an. Er hat sich am Ende der Elternzeit dafür entschieden,
nicht in Vollzeit in den Job zurückzukehren. Die Erfahrungen der Elternzeit
haben ihm geholfen, den gesellschaftlichen Druck der Arbeitswelt abzustreifen. „Die
Angst um den Job war eine der größten Hürden.“ Aber, „die Nähe zu meinen
Kindern und die Zeit mit ihnen sind mir mehr wert als ein großer
Karriereschritt.“
Die Erfahrungen sind aber auch für Arbeitgebende attraktiv:
Er sei mit viel mehr Wassern gewaschen als vorher und die Persönlichkeit ist in
vielen Facetten gereift. So beschreibt er fast bescheiden den Zuwachs an sozialen
Kompetenzen, die Mann, und natürlich auch Frau im täglichen Umgang mit Kindern erwirbt
und weiter entwickelt.
Vor diesem Hintergrund ist das ‚Sendungsbewusstsein‘ mit dem
er andere (werdende) Väter ermutigen möchte, diese Erfahrungen auch zu machen
nur zu verständlich.
„Nimm richtige Elternzeit, weil: sie dich verändern wird, du
eine völlig neue Perspektive auf das Leben kennenlernen wirst, deine Grenze
zwischen wichtig und unwichtig verschoben wird, diese Zeit eine riesige Chance
ist (und zwar für dich) und du danach eine enge Beziehung zu deinen Kindern
hast, die du anders nicht erreichen kannst!“
Um den Vätern ihre Entscheidung zu erleichtern, fasst er am
Ende seine Erkenntnisse in ‚10 Soft Skills‘ zusammen. Der Hinweis mit dem
Gefrierschrank stammt aus dem siebten: „Löse Probleme erst, wenn du sie hast.“
Das können Väter getrost auch auf ihre Sorgen bezüglich der
Reaktion ihres Arbeitgebenden auf den Wunsch länger als zwei Monate in
Elternzeit gehen zu wollen, beziehen. Freudensprünge werde in der Regel ausbleiben,
aber das Gespräch wird sich schnell um die Frage drehen, wie eine gute Lösung
für die Zeit der Abwesenheit gefunden werden kann.
Das Buch von Marius Kronsberger liefert ansonsten alle Argumente,
die ein Vater braucht, sich für diesen Schritt zu entscheiden und gemeinsam mit
der Partnerin auszuhandeln, wer, wann was in welchem Umfang macht. Eine gleichmäßige
Aufteilung von Erwerbs- und Carearbeit führt, das soll nicht verschwiegen
werden, auch zu einer Steigerung der Partnerschaftsqualität.
Das knapp 150seitige Buch von Marius Kronsberger ist in meinen Augen ein ‚must read‘ für werdende Väter und jede und jeder, der sich fragt, was er einem solchen schenken kann, ist mit 14,90 € dabei.
… lautet der Titel des
Erstlingswerks von Fabian Soethof, das am 21. März im Kösel Verlag erscheinen
wird. Programmatisch heißt es im Untertitel „Es ist Zeit, Familie endlich
gleichberechtigt zu leben“. Dem kann ich uneingeschränkt zustimmen. Gedanklich
ergänzt sich der Titel bei mir um das Wort ‚lernen‘ und beim Untertitel denke
ich daran, was meine Kollegen und ich in den vergangenen 25 Jahren bewegt und
erreicht haben, um Rahmenbedingungen so zu beeinflussen, dass dies Vätern und
Müttern gleichermaßen gelingt. Aber dazu später mehr.
In dem umfangreichen Vorwort
beschreibt der Autor die Ausgangslage aus seiner Sicht und sieht seine
Generation als diejenige, die erstmals aus der Ernährerrolle ausbrechen „soll
und will“. Im Gegensatz zu „Früher“ wo Rollen klar zugeordnet waren, wollen
Väter heute nicht mehr abwesend sein und Mütter am Erwerbsleben teilhaben. Das
Spannungsfeld liegt zwischen den zugeschriebenen Erwartungen und den eigenen
Wünschen. „Die Aufgaben waren klar verteilt. Frauen und Männer taten vielleicht
nicht das, was sie wollten. Aber das, was von ihnen erwartet wurde.“ Und dann
kommt ein für mein Verständnis des ganzen Buches entscheidender Satz: „Diese
Zeiten sind leider nur teilweise vorbei.“
Vor diesem Hintergrund ist ein „Plädoyer
für eine private, gesellschaftliche und politische Veränderung von Familie,
Arbeit, Vereinbarkeit und Rollenbildern.“ legitim und die Einladung an Väter, „ihre Rolle
zu reflektieren, kritisch
zu hinterfragen und sich infolgedessen auch von überholten Erwartungshaltungen zu befreien,“
gut nachvollziehbar.
Der nächste Satz macht mich aber stutzig: „Väter müssen keine Angst verspüren, bisher als selbstverständlich wahrgenommene Privilegien abzugeben, wie
das, sich nur um ihren Job zu kümmern.“ Das zu tun, was von mir erwartet wird, Vollzeit
in einer oder prekär in zwei oder mehr Beschäftigungsverhältnissen erwerbstätig
zu sein, ist für mich kein „Privileg“.
Das sich an der Aufteilung von bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Carearbeit
etwas ändern muss, ist unbestritten. Das machen auch die von Soethof zitierten Studien
und die Zeitverwendungserhebung oder die vom IAB regelmäßig erhobene Verteilung
von tatsächlichen und gewünschten Arbeitszeiten deutlich. Da aber Mütter und Väter
gleichermaßen in der Summe ca. 11 Stunden für Care und Erwerbsarbeiten aufwenden,
ist eine Veränderung nur systemisch zu erreichen.
„Don’t fix the women, fix the system“ lautet eine feministische Vision,
für die Google mehr als 90.000 Fundstellen liefert. Dementsprechend hätte ich
von einer Einladung an Väter, ihre Wünsche nach einer partnerschaftlichen
familialen Aufgabenteilung zu verwirklichen und vielmehr noch von einem
‚Plädoyer für Veränderung‘ erwartet, dass dieser Haltung entsprechend
Möglichkeiten erwogen, Spielräume ausgelotet und konkrete strukturelle
Veränderungen, die dies ermöglichen, benannt werden.
Aus dem was Soethof auf den nächsten gut 200 Seiten schreibt, lese ich
vor allem eine widersprüchliche Adaption dessen, was in Gesellschaft und
Politik zu langsam umgesetzt wird und einem ungeklärtem Verhältnis zu dem, was
er Vätern tatsächlich zutraut bzw. von ihnen erwartet. „Viele, glaube ich, wollen
die Rollenbilder ihrer eigenen Eltern eigentlich gar nicht
weiterführen. Allerdings sprechen sie nicht konkret darüber, treffen keine
genauen Vereinbarungen und landen schneller als gedacht in vertrauten Mustern
oder der Rolle, die gesellschaftlich von ihnen
erwartet wird. Manche trauen sich vielleicht auch gar nicht, etwas anderes einzufordern. Niemand trägt hier
irgendeine direkte, unmittelbare Schuld. Aber Veränderung beginnt mit Erkenntnis.“
Alexandra Schmidt-Wenzel hat, um
auch die individuelle Ebene zu betrachten, vor 15 Jahren mit ihrer Dissertation
dargelegt, wie aus Erfahrung Erkenntnis werden und sich daraus Verhalten
entwickeln kann. In „Wie Eltern lernen.“ einer empirisch qualitative Studien
zum innerfamilialen Kompetenzerwerb hat sie diese Prozesse analysiert und
Konsequenzen abgeleitet: „Sehen sich Väter in der Rolle des ‚guten Vaters’, so nehmen sie sich als
verantwortungsvolle Versorger wie Fürsorger im Sinne großer
Empathiebereitschaft und Beziehungsfähigkeit gegenüber dem Kind wahr. Ihre
grundlegend positive Selbsteinschätzung rekurriert jedoch auch auf einem
bestätigendem Vergleich zwischen den mütterlichen und den jeweils eigenen
Eigenschaften und Fähigkeiten, der wie zur Rückversicherung über das eigene
Können immer wieder vollzogen wird. So halten sich Väter prinzipiell für fähig,
in gleichem Maße wie die Mutter für ihr Kind sorgen zu können. Das Konzept des
empfundenen Stolzes, bei
positiven Rückmeldungen (vom Kind selbst, von der Partnerin, aber auch vom
gesellschaftlichen Umfeld) auf die väterlichen Kompetenzen untermauert diese
Besonderheit des väterlichen Selbstbildes.“
Und zur Bearbeitung des eigenen
Erlebens schreibt Schmidt-Wenzel an anderer Stelle: „In der Herkunftsfamilie
gesammelte Erfahrungen, verinnerlichte Werte, Haltungen und Rollen werden
entweder als bewusst oder auch
unbewusst gelebte Adaption in der aktuellen Familie fortgeführt oder
aber als bewusst gelebter Gegenentwurf
praktiziert. Den bewussten Haltungen gemein ist die jeweils vorangegangene
reflexive Auseinandersetzung mit der Herkunftsfamilie, auf deren Basis für das
eigene Leben, für die eigene Familie neu entschieden werden kann, welche Werte
transferiert, modifiziert oder auch gebrochen werden. Dabei existieren gelebte
Konzepte der Adaption wie des Gegenentwurfs durchaus nebeneinander und
schließen sich nicht gegenseitig aus.
Für Väter liegt ein zentraler Gegenentwurf in dem Anspruch, ihrem Kind ein emotional wie physisch präsenter Vater zu
sein, der aus der Reflexion eigener schmerzvoller Vaterentbehrungen hervorgeht.“
Es braucht also vor allem
positive Zuschreibungen ‚Väter können das‘, Ermutigung und Unterstützung bei
den erforderlichen Reflexions- und Aushandlungsprozessen in den Paarbeziehungen
und in, wie Klaus Althoff es nennt ‚Väterbanden‘.
Aber zurück zu dem Vorhaben von
Soethof. Das Buch ist in drei Abschnitten eingeteilt. Im ersten wirft er einen „subjektiven
Blick auf unser elterliches Gestern“, im zweiten auf das Heute und abschließend
auf das Morgen. „Wo wir herkommen wir ? Wo wir stehen wir? Wo wir hingehen sollten?“
Soethof porträtiert dazu in
Vollzeit arbeitende Väter und Hausmänner, wie zum Beispiel Heiner Fischer von
vaterwelten.de. Er zitiert Mütter, die sich aktiv und öffentlich für mehr
Gleichberechtigung einsetzen. Er interview den Väterforscher Andreas Eickhorst
und stellt Literatur vor, die sich aus anderer Perspektive mit ähnlichen
Problemen beschäftigt. Dazu zitiert er „(ernüchternde) Zahlen zu Care-Arbeit
aus aktuellen Studien“. Um die Frage zu klären, wie mit Arbeitnehmer*innen, die
Eltern sind oder werden, umgegangen wird, hat er im kleinen Familienbetrieb seines
Vaters und bei SAP nachgefragt.
Am Ende zahlreicher Abschnitte
stellt der Autor Fragen, Aufgaben und biete Reflexionsanreize, die ihm während
der Recherche selbst kamen und ich mir gewünscht hätte, dass der Autor sie auch
für sich beantwortet. „Bist du dir deiner eigenen Filterblase bewusst? Wie
könntest du sie öffnen?
Er ist der Überzeugung, „nur so können Väter erkennen, welche Leistung Mütter stemmen, und dass es nicht nur Eltern, sondern auch Kindern und der Gesellschaft hilft, wenn wir hinterfragen, warum wir Familienarbeit so aufteilen, wie wir sie häufig noch aufteilen. Ich jedenfalls mache den überholten Scheiß nicht länger und um jeden Preis mit.“ Das ist eine ehrliche Aussage, ich habe aber meine Zweifel, ob die zu Beginn ausgesprochene Einladung auf diesem Niveau zu dem gewünschten Erfolg führt.
Es ist wieder Winter, eine Zeit, sich mit Büchern zu beschäftigen, selber zu lesen oder Kindern oder Erwachsenen vorzulesen. Christian Meyn Schwarze sucht seit 20 Jahren den Vater – und nun auch altersbedingt – den Großvater in der Literatur.
Einige Bücher macht er ‚lebendig‘ und gestaltet in
Büchereien die sogenannte ‚Papa-Zeit‘ – eine Mischung aus einer Lesung und
einem kleinen Erlebnis – einer Aktion oder einer Bastelei. Papas und Opas
erleben zwei intensive Stunden und dann leihen noch Bücher aus und Papa liest
zuhause vor.
Um den richtigen Vorlesestoff für Papas zu finden, verfasst er die Papa-Lese-Liste. Sie enthält lieferbare Titel, in denen ein Vater oder ein Großvater eine wichtige Rolle spielen. Manchmal auch ein anderer Mann, der für die Entwicklung eines Kindes eine bedeutsam ist.
Und damit Väter auch etwas mit ihren Kindern unternehmen,
gibt es auch eine Reihe von ‚Beschäftigungsbüchern‘ für diejenigen, die noch
Anregungen brauchen.
Damit das ganze jetzt ein bisschen bunter wird, hat er diejenigen Titel, die seit Juni 2021 neu dazu gekommen sind, blau eingefärbt. Und druckfrische Titel des Frühjahrs 2022 sind grün markiert.
Ihr aktuelles Buch hat die Bestsellerautorin Nicola Schmidt
gemeinsam mit ihrem Partner Klaus Althoff geschrieben und ist mit dem
Untertitel ‚Dein Weg zum Kind‘ versehen. Damit stapeln die beiden tief, erstens
beschreiben sie eine Vielzahl von Wegen und Möglichkeiten zum Vatersein und
zweitens beinhalten diese Pfade auch die gemeinsamen Schritte zum Eltern und
Familie werden, in welcher Konstellation auch immer, aber mit der Aussicht auf
eine gleichberechtigte und partnerschaftliche Aufteilung von bezahlten und
unbezahlten Aufgaben und Arbeiten.
Dass dieser Weg schon lange vor der Geburt anfängt,
schreiben die beiden schon im zweiten Absatz des Vorworts: ‚Wie gut sich alle
Beteiligten … schon vor der Geburt vorstellen können, eine Familie zu sein,
sagt viel darüber aus, wie es später sein wird. Es gilt also, die wichtigen
Informationen rechtzeitig zu haben, die Weichen frühzeitig zu stellen und
‚kluge‘ Entscheidungen zu treffen.
Und dafür liefern Schmidt und Althoff auf den folgenden 235
Seiten eine wahre Fülle an Ideen, Wissen, Anregungen und Erfahrungen in einem
inhaltlich und grafisch sehr ansprechenden Format.
Das Buch behandelt in drei Kapiteln Schwangerschaft, Geburt
und Wochenbett wobei die ersten 9 Monate in sieben Abschnitte aufgeteilt sind.
Der siebte beschäftigt sich unter der Überschrift ‚Cool bleiben‘ mit
Terminüberschreitung und Übertragung. Innerhalb dieser Anordnung gibt es
verschiedene inhaltliche Blöcke, die sich in jedem Abschnitt wiederholen: ‚Das
sollten Väter vorher wissen‘, ‚Wissenschaftscheck‘, ‚Übungen‘ und ‚So sieht es
aus‘. In letzterem beschreiben Klaus und/ oder Nicola ihre Ansichten zu den
zuvor behandelten Themen und geben persönliche Erfahrungen weiter.
Neben diesen großen Blöcken gibt es kleinere Merkposten, die
sich direkt an die werdenden Väter richten bzw. Erfahrungen und Fragen von
Vätern wiedergeben: ‚Was hättest du gern vorher gewusst?‘, ‚You have a new
message‘ sind Impulse aus der Perspektive des ungeborenen Kindes. Eine ‚Not to
do Liste‘ fasst die Empfehlungen der Autor*innen prägnant zusammen sowie ‚Dein
Clan‘. In dieser Rubrik werden Ansprechpartner und Vertrauenspersonen für die
Väter und deren Bedeutung benannt.
Apropos ‚Clan‘, insbesondere Klaus Althoff betont an
verschiedenen Stellen seiner Statements immer wieder die Bedeutung einer
Vätergruppe in der sich Männer über ihre Anliegen, Ängste und Hoffnungen
austauschen können. Vor und auch nach der Geburt: ‚Was aber … ganz wichtig ist,
ist der Austausch mit anderen Vätern. Wir Männer reden oft so wenig – vor allem
wenig miteinander und über die Dinge, die uns schwerfallen und belasten.‘ Er
lädt die Männer deshalb dazu ein ‚Väterbanden‘ zu bilden.
Auch an anderen Stellen greift er auf seine Erfahrungen als
Personalentwickler zurück. Der Weg zum Vatersein ist ein Change Prozess. Beim
Eltern werden geht es, vor allem im Hinblick auf die Fragen, wer macht was, zu
welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang auch um einen Teambuildingprozess bei
dem Erfahrungen aus dem Projektmanagement genutzt werden können. Diese Begriffe
werden von beiden Autor*innen situationsbezogen und praxisnah mit Inhalten
gefüllt und im Managementtraining bewährte Methoden wie der Dialogspaziergang
auf den Alltag werdender Eltern übersetzt. Sie betonen immer wieder, wie
wichtig die Entwicklung eine geteilten Vorstellung von dem Leben zu Dritt für
eine gelingende Vater-, Mutter- und Elternschaft ist.
Neben pädagogischen und biologischen Themen werden aber auch
ganz praktische insbesondere für nicht verheiratete Väter bedeutsame Dinge
angesprochen: Es ist wichtig, rechtzeitig über eine Vaterschaftsanerkennung und
gemeinsame Sorge zu sprechen und die erforderlichen Schritte rechtzeitig in die
Wege zu leiten. Das gleiche gilt für Absprachen über Aufteilung der Elternzeit.
Entgegen der lange Zeit von der Familienpolitik propagierten 12 plus 2 Regelung
betonen Schmidt und Althoff die Bedeutung der frühen Elternzeit des Vaters und
treten auch für die ‚Vaterschaftsfreistellung unmittelbar nach der Geburt ein.
Im Kapitel Geburt weisen die beiden zum einen besonders auf
die Bedeutung einer Geburtsvorbereitung für Väter hin, diese senke das Risiko
für operative Geburtseingriffe. Wohl auch, weil Väter in der Lage sind, unter
der Geburt gegebenenfalls ihre Schutzfunktion für die Partnerin wahrzunehmen.
Zum anderen thematisieren sie das Risiko einer postpartalen Depression für
Väter. Die Zahlen aus den angelsächsischen Ländern weisen eine hohe Bandbreite
auf, wohl auch, weil Väter nicht durchgehend auf diese gesundheitliche
Belastung gescannt werden. In den deutschsprachigen Ländern wird dieses
Phänomen erst allmählich wahr- und ernst genommen. Die umfassende Behandlung
des Themas in diesem Band wird dazu sicherlich auch beitragen.
Auch wenn im letzten Abschnitt das Thema Fehlgeburt aus der
Perspektive der Väter, die mit dem Thema in der Regel alleingelassen werden,
thematisiert wird, eine ganz wichtige Botschaft steckt für mich einige Seiten
davor. Es ist die Sache mit der Performanzschere. ‚Es ist nämlich so, dass
viele Väter durchaus über die notwendigen Kompetenzen verfügen, um ihre Kinder
liebevoll zu versorgen. Das Problem ist aber oft, dass sie diese Kompetenzen
nur unzureichend nutzen. … Klafft die Performanzschere erst einmal auseinander,
ist es schwierig, sie wieder zu schließen und die väterlichen Kompetenzen im
Alltag einzusetzen.‘ Auch dass ist ein Appell, von Anfang an aktiv dabei zu
sein und durch gemeinsames Tun väterliche Kompetenzen zu entwickeln und
anzuwenden.
Das Buch von Nicola Schmidt und Klaus Althoff ist für mich
nach dem 2005 ebenfalls im Gräfe und Unzer Verlag erschienen ‚Das Papa
Handbuch‘ von Robert Richter und Eberhard Schäfer ein zweiter Meilenstein, der
den Weg der Väter zu ihren Kindern nicht nur beschreibt, sondern Väter
ermutigt, diesen Weg auch zu gehen und die Rolle im Leben ihrer Kinder zu spielen,
die diese brauchen.