Die deutsche Familienpolitik ist weitgehend wirkungslos
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Montag 4. Februar 2013
In einem Zwischenbericht zur Regierungsstudie „Gesamtevaluation ehe- und familienbezogener Leistungen“ wird der deutschen Familienpolitik nach Informationen des SPIEGEL- ein miserables Zeugnis ausgestellt. Manche der teilweise milliardenteuren Maßnahmen seien „wenig effektiv“, andere „ziemlich unwirksam“ oder gar kontraproduktiv.
In einem ersten Schritt hatte die Forschungsgruppe vier Ziele definiert, an denen sich Familienpolitik orientieren könne: die wirtschaftliche Stabilität von Familien, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Förderung von Kindern und schließlich die Steigerung der Geburtenrate. Anschließend hat sie überprüften, wie sich die einzelnen familienpolitischen Leistungen mit den Vorgaben vertragen.
Vor dem Hintergrund dieser Ziele erweise sich etwa das Kindergeld als „wenig effektiv“. Das Ehegattensplitting sei „ziemlich unwirksam“. Und die beitragsfreie Mitversicherung vom Ehepartner in der gesetzlichen Krankenversicherung nennen die Gutachter sogar „besonders unwirksam“.
Das Splitting erhöhe die Gefahr von Altersarmut, insbesondere für Frauen. Für die Väter hingegen bedeute das Steuerprinzip eine finanzielle Entlastung, die aber auch nicht unbedingt dem Familienwohl diene: „In der Folge steigt das Arbeitsvolumen von Vätern, so dass diese möglicherweise weniger Zeit für Familienarbeit haben.“
Zwar gebe es auch positive Effekte, doch diese ließen sich auch „mit geringeren unerwünschten Nebenwirkungen erreichen“. Der Zwischenbericht ist das Ergebnis eines gemeinsamen Forschungsprojekts des Finanz- und des Familienministeriums.
Bei ihrer Untersuchung haben die Gutachter erstmals versucht, auch die langfristigen Folgen der Förderinstrumente und die Wechselwirkungen mit dem Steuer- und Sozialsystem zu berücksichtigen. Die tatsächlichen Kosten etwa einer Kindergelderhöhung liegen demnach „in etwa beim Doppelten der nominalen direkten Kosten“.
Weil die Mütter weniger arbeiten, entgingen „dem Staat Steuereinnahmen sowie Einnahmen der Sozialversicherung“. Am besten schneiden laut den Experten Investitionen in Betreuungsplätze ab. Danach fließen von den staatlichen Ausgaben im Krippen- und Kindergartenbereich bis zu 48 % an den Staat zurück. Und bei Investitionen in Ganztagsschulen finanziert sich der Aufwand sogar zu 66 bis 99 % selbst.
Ursprünglich sollte der Bericht noch in dieser Legislaturperiode vorgelegt werden. Inzwischen gilt eine Veröffentlichung des Papiers noch vor der Bundestagswahl als unsicher. Die Ergebnisse gehören aber sofort auf den Tisch, um gerade in Zeiten knapper Kassen (Familien-) Politik wirksam gestalten zu können und sich widersprechende (Fehl-) Anreize beseitigen zu können.