Die Angst der Frauen vorm Kinderkriegen
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Samstag 25. Dezember 2010
Eine Familie zu gründen, ist auch für viele Frauen nicht mehr selbstverständlich. Zu viel Perfektionismus ist ein Grund. Auf Initiative des Babynahrungsherstellers Milupa hat sich die Rheingold Geschäftsführerin Ines Imdahl in einer Studie schwangere Frauen sowie junge und potenzielle Mütter vorgenommen. Ein Ergebnis ist auch, dass die (potenziellen) Mütter den Vätern ihrer Kinder nicht zutrauen, die Kinder zu versorgen.
‚… Welt am Sonntag: Diese Frauen scheinen unter einem Mütter-Perfektionismus zu leiden.
Ines Imdahl: Diesen extrem hohen Perfektionismus in Fragen der Kindererziehung haben wir schon vor fünf Jahren in einer bisher unveröffentlichten Studie festgestellt.
Welt am Sonntag: Wie äußerte sich dieser Perfektionismus damals?
Ines Imdahl: Die Mütter wirkten sehr angestrengt, fast verbittert in ihren Bemühungen, das Beste für ihre Kinder zu tun. Sie wollten unbedingt alle Möglichkeiten der Frühförderung ausschöpfen, die Kinder sollten Englisch-, Kreativ- und alle möglichen anderen Kurse besuchen, am besten schon mit zwei Jahren. Die Mehrheit der Mütter nimmt ihre Kinder wie eine Art Rohdiamant wahr, der geschliffen werden muss.
Welt am Sonntag: Hat sich dieser Befund in den letzten fünf Jahren verändert?
Ines Imdahl: Eines ist gleich geblieben: Die Kinder jener gebildeten Mittelschicht werden immer noch in die oben erwähnten Kurse geschickt. Man braucht sich ja nur anzuschauen, wie sehr der Markt der Frühförderung boomt. Doch etwas hat sich verändert: Die Mütter sagen heute, dass diese Förderung ganz locker und zwanglos geschehe. Ein typischer Satz, der in den Befragungen fiel, war folgender: „Mein Kind geht zum Englisch-Kurs, aber es lernt da nur ganz spielerisch.“ Oder: „Ich will keine so angestrengte und verbissene Mutter sein.“
Welt am Sonntag: Da ist ja ein lobenswerter Vorsatz.
Ines Imdahl: Auf den ersten Blick hat es tatsächlich den Anschein, als wären diese Mütter unglaublich gelassen. Bei genauerem Nachfragen stellt man aber fest, dass mit dieser vorgetäuschten Gelassenheit der Perfektionismus in Wirklichkeit noch getoppt wird. …
Welt am Sonntag: Unsere Ausgangsfrage war, warum so viele Frauen der gebildeten Mittelschicht keine Kinder bekommen.
Ines Imdahl: Weil all das, worüber wir bis jetzt gesprochen haben, wie eine riesige Last auf den Schultern der Frauen lastet. Die Erziehung soll perfekt sein – und dabei möglichst locker und zwanglos aussehen. Diese angestrebte Entspanntheit ist für die Mütter enorm anstrengend, zumal sie damit ihre Unsicherheiten und Sorgen nur oberflächlich verdecken. Es wird aber noch verrückter: Bevor sie Kinder hatten, sagten 87 Prozent unserer Befragten, dass sie unbedingt für eine gleichberechtigte Partnerschaft wären. Aber wenn Kinder da sind, sagen das nur noch 67 Prozent.
Welt am Sonntag: Und wie ist dieser plötzliche Meinungsumschwung zu erklären?
Ines Imdahl: Dahinter steckt die Vorstellung, dass das Projekt Kind nur gelingen kann, wenn die Frau sich selbst darum kümmert. Nicht einmal den eigenen Männern trauen sie zu, die Kinder zu versorgen. „Mein Mann kann die Kinder nicht richtig anziehen“ – dieser Satz fiel nicht nur einmal. Das finde ich wirklich dramatisch.’