Deutsche Mütter klagen weniger, aber die Unsicherheiten nehmen zu
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Donnerstag 9. Dezember 2010
Ich habe zwar an dieser Stelle schon über die Studie „Die deutsche Angst vorm Kinderkriegen“ von Milupa und rheingold berichtet, die Familiencommunity urbia zeigt in einem aktuellen Bericht Konsequenzen und Maßnahmen auf, die Müttern und Väter dabei unterstützen könnten, sich selbst aus den Fesseln der überbordenden Erwartungen zu befreien.
‚… Dass Mütter in Deutschland heute weniger Grund zum Jammern haben, mag ein Stück weit damit zusammenhängen, dass sich immer mehr Väter dazu durchringen, zumindest einen Teil der Familienverantwortung zu übernehmen. Doch vor allem wagen sie heute nicht mehr laut zu klagen, selbst wenn ihnen danach zumute ist. Denn das vorherrschende Idealbild einer modernen Mutter sieht eine entspannte Frau vor, die souverän mit Kind, Beruf und Partnerschaft jongliert. …
Mütter von heute wünschen sich Vorbilder und Fürsprecher, die ihre Situation in der Öffentlichkeit darstellen und für Verständnis werben, doch anstatt in anderen Müttern gefühlsmäßig Gleichgesinnte zu sehen und sich mit ihnen zu verbünden, zicken sie gegen jede Mutter, die ein anderes Rollenbild oder ein anderes Lebensmodell gewählt hat als sie selbst: Vollzeitmamas gegen berufstätige Mütter, Ökomütter gegen „Es darf auch mal was Ungesundes sein“-Mütter, Spätgebärende gegen junge Mütter, Prenzlauer-Berg-Mütter gegen Provinzmütter.
Fragt man die Frauen, was ihnen in dieser verfahrenen Situation helfen könnte, antworten sie: Mehr Kinderstühle in Restaurants, mehr öffentliche Wickeltische und schönere Spielplätze. Bessere Kinderbetreuung, einfachere Wiedereinstiegsmöglichkeiten in den Job, bessere Teilzeitregelungen …
Doch all diese – durchaus sinnvollen – Forderungen treffen nicht den Kern der Sache. … Das Fazit ihrer Studie lautet deshalb: Entlastungsangebote, familienfreundliche Personalpolitik und Co. sind enorm wichtig und unterstützenswert, doch sie können ihre volle Wirkung nicht entfalten, bevor sich nicht das Selbstverständnis der deutschen Mütter geändert hat. Das Mütterideal in unserer Gesellschaft gehört auf den Prüfstand. Und dabei ist der Mut zum Unperfektsein ein wichtiger Punkt.
Ein möglicher erster Schritt wären Werbekampagnen, in denen die Protagonistinnen Alltagspannen mit Humor und Charme zu nehmen wüssten. Denn der Einfluss der Unternehmen, in diesem Fall insbesondere Hersteller von Kinder- und Familienprodukten, auf die Rollenbilder und Lebensmodelle in unserer Gesellschaft, sei mindestens genauso groß wie die Botschaften und Initiativen der Politik. „Wir müssen den Frauen zeigen, dass Gelassenheit nicht gleich das Risiko birgt, dass die Familie verwahrlost“, so die Leiterin der Studie, Nicole Hanisch. „Wenn ich mal aus der Haut fahre und mein Kind anschreie, wird es sicher nicht automatisch zum Drogenabhängigen werden.“ …
Diese Kampagnen werden umso wirkungsvoller sein, je mehr sie in den Blick nehmen, das die Aufgaben in der Familie partnerschaftlich geteilt werden können, und zwar nicht nur die Hausarbeit sondern auch die Erwerbsarbeit. Das würde Mütter und Väter entlasten.
Montag 14. Februar 2011 um 12:31
Wie wahr!
Ich nehme als Mutter von zwei Kindern derzeit zwei gesellschaftliche Strömungen zur Mutterrolle wahr. Zwei Strömungen, die gegensätzlicher kaum sein könnten und die jeweils wenig Raum für individuelle Wege „irgendwo dazwischen“ lassen: Übermutter vs. Karrieremutter.
Dazu kommt, dass Mütter sich wirklich untereinander bekriegen im Wettstreit darüber, wer die „beste Mutter“ ist. Ich führe diesen Wettstreit einerseits auf die gesellschaftliche Verunsicherung der Mütter zurück („Wie SOLL ich sein, um eine gute Mutter zu sein?“) und zum anderen auf die Tatsache, dass Mütter das Muttersein in Deutschland als einen großen Teil ihrer Existenz sehen („Ist mein Kind wohlerzogen und gut in der Schule, ist das mein Verdienst“ vs. „Wird mein ein drogenabhängiger Schulabrecher, habe ich als Mutter versagt“).
Solange die Mütter diese enorme Last tragen (oder meinen, dass sie sie alleine zu tragen hätten), solange ist an Entspannung nicht zu denken, weder beim persönlichen Muttergefühl noch beim gesellschaftlichen Bild der Mutter im Allgemeinen.
Entlastet die Mütter!
Nehmt ihnen das Gefühl, für alles, was mit ihren Kindern geschieht oder was irgendwann einmal aus ihnen werden wird, alleine verantwortlich zu sein.
Gebt den Müttern stattdessen das Gefühl, dass sie diese Last der Verantwortung GUTEN GEWISSENS abgeben können und schafft die Rahmenbedingungen dafür, dass sie dann auch wirklich loslassen KANN (welche Mütter würde ihr 10 monatiges Baby guten Gewissens in eine Krippe geben, in der 15 Säuglinge um die Wetter brüllen während die einzige Betreuerin gerade einem anderen Baby die windeln wechselt ???!!!)
Macht auf den enormen persönlichen Spielraum aufmerksam, den es zu respektieren gilt, egal ob die Mutter viele Jahre bei ihren Kindern bleibt oder früh wieder arbeiten geht.
Dann kommt alles andere von allein!
Das ist meine feste Überzeugung als Mutter, die ihre Kinder SEHR lange gestillt hat, sie jahrelang im Familienbett schlafen lässt, und trotzdem früh in die Krippe gab und Spaß an ihrem Job hat.