Unternehmen müssen umdenken
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Samstag 16. Mai 2009
Familienzeit– Väterzeit – LebensArbeitszeit. Immer mehr Väter möchten bei der Erziehung ihrer Kinder mehr als eine Nebenrolle spielen. Sie bleiben für einige Zeit zu Hause beim Nachwuchs und wünschen sich flexiblere Arbeitszeiten. Doch (noch) nicht alle Unternehmen unterstützen ihre männlichen Mitarbeiter dabei.
Im Rahmen der heutigen Sendung von vivo auf 3Sat zum Thema Väter in Elternzeit wurde ich zu den möglichen Entwicklungen auf Unternehmensseite befragt.
Herr Nelles, Sie haben „Väter und Karriere“ ins Leben gerufen. Welche Ziele verfolgen Sie damit?
Für mich standen seit Beginn von „Väter & Karriere“ zwei Ziele im Vordergrund: Verantwortliche in Unternehmen dafür zu sensibilisieren, dass Väter beides wollen erfolgreich sein in Beruf und Familie. Väter sollen ermutigt werden, das umzusetzen, was sie schon lange wollen – und in Umfragen immer wieder bestätigen: Mehr Zeit für die Familie.
Warum haben Unternehmen Schwierigkeiten ihre männlichen Mitarbeiter in der Vaterrolle zu unterstützen?
Das hat viel mit traditionellen Rollenmustern und entsprechenden Unternehmenskulturen zu tun. Diese setzen eine zeitliche Verfügbarkeit der arbeitenden Männer voraus, denen die Frauen zuhause den Rücken frei halten. Leistungsbereitschaft wird in erster Linie an der Anwesenheit gemessen. Viele Vorgesetzte haben eine entsprechende Biografie und bekommen durch junge Männer, die es anders leben wollen, quasi einen Spiegel vorgehalten. Das kann verdammt weh tun, und viele sind nicht so souverän, sich einzugestehen, dass Mann auch anders glücklich sein kann.
Wie konkret überzeugen Sie diese Unternehmen?
Ein erster Schritt ist das Thema überhaupt auf die Tagesordnung zu setzen. Das ist heute, mit der neuen Elternzeitregelung, einfacher als vor fast sechs Jahren, als ich mit dieser Arbeit begonnen habe. Viele Entscheidungsträger können und wollen sich nicht vorstellen, dass heute Familie für junge Männer gleichberechtigt neben der beruflichen Entwicklung steht. Es geht also darum, Verantwortliche in Unternehmen über die Lebenskonzepte junger Männer zu informieren und Vorgesetzte zu sensibilisieren, mit den Wünschen von Vätern nach Elternzeit und reduzierten Arbeitszeiten umzugehen und diesen das nicht als Leistungsverweigerung auszulegen. Konkret geschieht das beispielsweise durch Befragungen von Beschäftigten, Workshops mit Führungskräften und Vätern und durch die Initiierung von Väternetzwerken in Betrieben.
Inwiefern profitieren Firmen von aktiven Vätern?
Unternehmen sind, und das gilt in wirtschaftlichen Krisenzeiten besonders, auf engagierte und motivierte Beschäftigte angewiesen. Dies erreiche ich als Unternehmen am ehesten, wenn ich meine Beschäftigten nicht nur als Arbeitskräfte ansehe, sondern sie als Menschen mit ihrem persönlichen Umfeld, dazu gehören Sorgen genauso wie Kompetenzen, wahrnehme und wertschätze. Insbesondere bei Männern ist der familiäre Hintergrund in der Vergangenheit ausgeblendet und als Privates abgetan worden. Das Private ist aber nicht nur politisch, sondern auch betriebswirtschaftlich. Unternehmen, die ihren Männern eine aktive Vaterschaft ermöglichen, sehen beispielsweise die Elternzeit nicht als Auszeit, sondern als eine Zeit zusätzlicher Qualifizierung (Erwerb weiterer Kompetzenzen und Sammeln neuer Erfahrung) an. Mit dieser Einstellung können Unternehmen qualifizierte Beschäftigte an sich binden und sich schließlich auf einem enger werdenden Arbeitsmarkt als innovativer und attraktiver Arbeitgeber präsentieren.
Wie würden Sie unentschlossene Väter motivieren sich neben ihrem Job mehr Zeit für die Familie zu nehmen?
Ich bin in den Unternehmen häufig gefragt worden, ob ich Väter überreden wolle in die Elternzeit zu gehen. Meine Antwort war immer, „ich brauche niemanden zu überreden. Schon seit über 20 Jahren äußern fast 70 Prozent der Väter den Wunsch mehr Zeit für die Familie zu haben und die Hälfte kann sich auch vorstellen, Elternzeit zu nehmen.“ Es geht meiner Erfahrung nach vor allem darum, Väter zu ermutigen, dass zu tun was sie eigentlich wollen. Sie darin zu unterstützen, ihre Ängste und Unsicherheiten zu überwinden, indem das Thema in den Unternehmen auf die Tagesordnung kommt und die Haltung des erst erst einmal Abwartens überwunden wird. Dann kann auch offen über die Rahmenbedingungen und Hindernisse gesprochen und daran gegangen werden, diese zu beseitigen.
Ihre Prognose für die Zukunft: Werden Unternehmen familien- und auch väterfreundlicher ?
Ich benutze an dieser Stelle lieber den Begriff väterbewusst. Unternehmen haben spezifische Interessen und zu deren Verwirklichung brauchen sie engagierte und motivierte Beschäftigte. Die Betriebe, die die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten kennen und wertschätzen und die Rahmenbedingungen so setzen, dass diese berücksichtigt werden können, beispielsweise durch eine Biografie – orientierte Arbeitszeit, werden auch in Zukunft qualifizierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an sich binden und die Krise nicht nur überstehen, sondern danach richtig durchstarten. Ich sehe also optimistisch in die Zukunft. Je mehr Väter ihre Anliegen am Arbeitsplatz äußern oder schon im Vorstellungsgespräch nach den Bedingungen aktiver Vaterschaft fragen, desto mehr Unternehmen werden sich darauf einstellen