Im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt skizziert Birte Kruse-Gobrecht, die neue Gleichstellungsbeauftragte von Stormarn, zukünftige Aufgaben und Entwicklungen.
‚Kruse-Gobrecht: … Wir haben heute andere Themen als noch vor 20 oder 30 Jahren. Ich muss heute nicht mehr so feministisch sein wie meine Vorgängerinnen. Aber ohne die Anfangsarbeit und ohne deren Intensität wären wir nicht da, wo wir heute sind.
Abendblatt: Wie steht’s aktuell um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern?
Kruse-Gobrecht: Es gibt nach wie vor viele Bereiche, in denen es für Frauen schwieriger ist als für Männer. Aber gerade vor dem Hintergrund von Elterngeld, Elternzeit und einer damit verbundenen neuen Aufgabenverteilung in vielen Familien wird es für die neuen Männer in unserer Generation schwieriger. Ich habe Studien gelesen, denen zufolge immer mehr Männer sagen, sie wollen mehr Familienzeiten, sie wollen stärker an der Erziehung beteiligt sein. Erste Erfahrungsberichte zeigen, dass das auch für Männer das Karriere-Aus bedeuten kann.
Abendblatt: Haben Sie schon von solchen Fällen gehört?
Kruse-Gobrecht: Ja, aber es war noch keiner bei mir. Wir erleben für die Männer eine eher rückläufige Entwicklung. Die Frauendiskriminierung färbt ein Stück weit auf die männliche Welt ab. In anderen europäischen Ländern hat es eine ganz andere Selbstverständlichkeit, dass Beruf und Familie miteinander vereinbar sind. …
Abendblatt: … Sie gehen davon aus, dass bald auch Männer Ihre Hilfe benötigen.
Kruse-Gobrecht: Ja. In der ganzen Zeit hat man die Männer nicht mitgenommen. Warum haben wir keine Männer in den sozialen und pflegerischen Einrichtungen oder in den Grundschulen? Da wird in den jetzt heranwachsenden Generationen Handlungsbedarf bestehen. Ich glaube, dass sich da für Männer ganz neue Chancen auftun. Und ich will gleichermaßen Ansprechpartnerin für die Männer zu sein.
Abendblatt: Wie wollen Sie die Wirtschaft davon überzeugen, dass Mütter und Väter nach der Familienzeit bessere Chancen haben?
Kruse-Gobrecht: Familienfreundlichkeit und Gesundheitsmanagement sind Wettbewerbsvorteile. Es ist belegt, dass Menschen, die selber Wertschätzung erfahren, für ein Unternehmen sehr viel effektiver arbeiten. Man geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt infolge der Wirtschaftskrise um sieben Prozent zurückgeht. Zum Vergleich: Psychische Belastungen, Stress, Depressionen und Burn-out-Syndrom senken das Bruttoinlandsprodukt um fünf Prozent. Aber das Jahr für Jahr. Ich möchte die Firmen davon überzeugen, dass sie von zufriedenen Mitarbeitern letztlich betriebswirtschaftlichen Nutzen haben, weil sie Personalkosten sparen, weil sie mehr Umsatz machen, weil ihre Mitarbeiter durch ihre Außenwirkung die beste Werbung sind. …
Abendblatt: Ist die Wirtschaftskrise denn der richtige Zeitpunkt für Veränderungen?
Kruse-Gobrecht: Gerade die Krise können wir als Umbruch begreifen, um den Standort neu aufzustellen. Typisch deutsch ist dieser sture Maßnahmenkatalog: Befristete werden nicht entfristet, Neueinstellungen werden gestoppt, Kurzarbeit. Stattdessen müssen wir gucken, wie man die Krise als Chance nutzen kann. Dann relativieren sich die Zahlen: Fünf Prozent Ausfall durch psychische Erkrankungen Jahr für Jahr gegen sieben Prozent Ausfall durch die Krise. …’
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