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… sie kommt, sie kommt nicht, sie kommt doch: die Vaterschaftsfreistellung

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 13. Januar 2023

Eine 14-tägige Vater- bzw. Partner*schaftsfreistellung ist Bestandteil der 2019 verabschiedeten Vereinbarkeitsrichtlinie der EU, stand bei allen Ampelparteien in den Wahlprogrammen und ist Bestandteil des Koalitionsvertrags. Das in der EU-Richtlinie verbindlich festgelegte Datum für die Umsetzung war August 2022. Dies hat die Bundesfamilienministerin Lisa Paus verstreichen lassen. Ende November erklärte sie: Die zweiwöchige Freistellung nach der Geburt komme nicht mehr in diesem Jahr, aber 2024. Die wirtschaftliche Lage sei derzeit schwierig, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen. „Deshalb möchte ich dieses wichtige Vorhaben im nächsten Jahr aufs Gleis setzen.“

Anfang Januar ist zu lesen, die Familienministerin rechne mit Blick auf die Einführung einer zweiwöchigen, bezahlten Väterauszeit mit Akzeptanz aufseiten der Arbeitgeber. „Ich gehe davon aus, dass die Partnerfreistellung von den Unternehmen angenommen wird“, sagte Paus der Deutschen Presse-Agentur. Die Unternehmen würden sich jetzt schon „große Gedanken“ um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf machen – gerade auch „in einer Zeit des Fachkräftemangels.“

Diese Erwartung hat sie auch vor dem Hintergrund einer vom BMFSJ in Auftrag gegebenen und kurz vor Weihnachten veröffentlichten Studie geäußert. Dort heißt es unter anderem: Für Väter ist eine gelingende Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein sehr wichtiges Anliegen. Deutlich wird das durch die Bereitschaft der Väter, ihre Arbeitsstelle zu wechseln. Rund 450.000 Väter in Deutschland haben schon einmal den Arbeitgeber zugunsten einer besseren Vereinbarkeit gewechselt. Und mehr als 1,7 Millionen Väter denken darüber häufig oder zumindest manchmal nach. Diese hohe Wechselbereitschaft ist gerade in den aktuellen Zeiten des Fachkräftemangels ein großes Unternehmensrisiko.

Da müssten doch eigentlich bei Unternehmen die Alarmglocken läuten und die Vaterschaftsfreistellung, schon vorab auf freiwilliger Basis als Instrument zur Steigerung der Arbeitgeber*attraktivität, ein Mittel der Wahl sein. Aber denkste …

Quasi als Antwort auf die Äußerungen der Ministerin gegenüber dpa veröffentlicht die FAZ einen Kommentar von Heike Göbel in dem sie das Engagement von Vätern als ‚Freizeit‘ diffamiert. „Paus beruft sich auf eine EU-Vorgabe, doch diese würde Deutschland mit seinen ohnehin reichlichen Urlaubs- und Freistellungsregeln so wieder mal übererfüllen. Die Kritik der Wirtschaft perlt an Paus ab. Sie gehe davon aus, dass die „Partnerfreistellung von den Unternehmen angenommen werde“, ließ sie jetzt wissen. Zynischer geht es kaum.

Und wer gedacht hat, diese Missachtung von Vätern und Müttern lasse sich nicht steigern wird von Anke Heinrich eines Besseren belehrt. In ihrem Beitrag für ‚Markt und Mittelstand‘ schreibt sie drei Tage später: „Stellen Sie sich vor, man gibt der Bundesfamilienministerin eine Aufgabe: Deutschlands Betrieben acht Millionen Arbeitstage im Wert von 1,8 Milliarden Euro zu stehlen, Jahr für Jahr. Und zwar ohne, dass es irgendetwas bringt. Im Gegenteil, es soll sogar mehr Schaden als Nutzen anrichten als nutzen. Das klingt schwierig? Nicht für Lisa Paus. Wer wie die Grüne 22 Semester studiert hat, um danach direkt Berufspolitikerin zu werden, dem fällt das schon etwas ein: Jeder Vater soll nach der Geburt zwei Wochen Extra-Urlaub bekommen – natürlich bezahlt vom Unternehmen.“

Sie verpackt ihre menschenverachtende Polemik geschickt in Fragen, die zweite lautet: „Helfen die Väterwochen der Gesellschaft, familienfreundlicher zu werden? In der Antwort wird jetzt gegen Väter ‚gekeilt‘: „Nein, denn wenn ein Vater keine zehn Urlaubstage mehr übrig hat für die Phase nach der Geburt seines Kindes, wird er auch mit zehn zusätzlichen Tagen wohl eher eine Kegeltour zum Ballermann unternehmen, als seiner Frau zu helfen.“

Unternehmen und ihre vermeintlichen Helfer*innen, die auf einem derartigen Niveau polemisieren ist eigentlich nicht zu helfen. Norbert Walter, der ehemalige ‚Chefvolkswirt’ der Deutschen Bank, hat dazu beim ersten Netzwerktreffen des Unternehmensnetzwerks ‚Erfolgsfaktor Familie’ am 1. April 2008 in seiner Keynote zum Thema nachhaltige Familienpolitik in Unternehmen unter anderem angeregt, nicht ständig im Gegenwind zu arbeiten und zu predigen, sondern den Unternehmen, die der Überzeugung sind, Familienfreundlichkeit rechne sich nicht einen glücklichen Untergang zu wünschen. ‚Wir brauchen ja schließlich auch Verlierer im Wettbewerb’. Das gilt heute mehr als vor 15 Jahren.

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Kauf den Gefrierschrank erst, wenn du weißt, dass deine Kinder selbstgekochten Brei mögen

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 18. November 2022

Marius Kronsberger hat einen schonungslos ehrlichen Bericht über seine 365 Tage Elternzeit mit den Zwillingen Franz und Isa geschrieben. Unter der Überschrift ‚Von einem der heimging um bei seinen Kindern zu sein‘ schildert er, was ein Jahr Elternzeit mit ihm als Papa gemacht haben und fasst im letzten Teil des Buches, am Ende der Elternzeit, seine Erfahrungen zusammen und ermutigt zukünftige Papas, ebenfalls möglichst lange und alleine Elternzeit zu machen.

Aber der Reihe nach. Ein beschissener Anfang, Franz kotzt, er hat Magen Darm und … die erste Woche zieht sich bis zum ‚ockerfarbenen Freitag‘. Kronsberger führt während seiner Elternzeit Tagebuch und zitiert beschissene und freudige Erlebnisse. Dabei fasst er seine Erlebnisse in den unterschiedlichen Phasen der Elternzeit thematisch zusammen und verdichtet diese.

Zum Beispiel ‚Das Denken der Anderen‘: „Die Leute gucken. Sie gucken mich an und die Kinder. Es gibt unterschiedliche Reaktionen. Oft bekommen wir ein Lächeln geschenkt, insbesondere von älteren Frauen. Männer, vor allem jüngere, grinsen manchmal doof.“ Diese Blicke und die Gespräche, die sich manchmal daraus entwickeln spiegeln den Blick auf einen Vater in Elternzeit in einer deutschen Kleinstadt wider. „Im Kern meinen es die meisten Menschen ja gut mit uns, selbst wenn sie über mein Geschlecht verwundert sind.“

Das alles erlebt der Autor im Jahr 2020, vierzehn Jahre nach der Einführung des Elterngeldes können sich manche Menschen sich immer noch nicht vorstellen, dass ein Vater das freiwillig macht. Aber damit kann der Autor nach einer Weile gut umgehen. Was ihn, und alle anderen Mütter und Väter aus den Socken haut, sind die Meldungen vom Freitag, den 13. März 2020: Für Montag wird der erste Lockdown verbunden mit der Schließung der Kitas und Schulen und der Sperrung der Spielplätze verhängt.

„Ich habe keine Ahnung, wie ich die nächsten fünf Wochen mit drei Kindern zu Hause und ohne Aktivitätsangebote überstehen soll. Das wird echt hart.“ Ja das war hart und Kronsberger beschönigt nichts. „Die globale Kris ist vermutlich noch lange nicht beendet. Meine aber zum Glück schon. Ich bin wieder zu Kräften gekommen, bin nicht mehr so dünnhäutig. Am Ende gehe ich gestärkt und mit dem Wissen um eine Grenzerfahrung aus dieser Zeit.“

Die Erfahrungen führen zu einem Perspektivwechsel, den der Autor nicht nur möglichst vielen Vätern, sondern auch vielen Führungskräften an Herz legt. Sie würden mit den Anliegen ihrer Mitarbeitenden anders umgehen, wenn sie einmal selbst verantwortlich mit diesen vermeintlichen Lappalien umgehen müssten.

Dieser Perspektivwechsel hat einen Preis, auch das spricht Kronsberger ehrlich an. Er hat sich am Ende der Elternzeit dafür entschieden, nicht in Vollzeit in den Job zurückzukehren. Die Erfahrungen der Elternzeit haben ihm geholfen, den gesellschaftlichen Druck der Arbeitswelt abzustreifen. „Die Angst um den Job war eine der größten Hürden.“ Aber, „die Nähe zu meinen Kindern und die Zeit mit ihnen sind mir mehr wert als ein großer Karriereschritt.“

Die Erfahrungen sind aber auch für Arbeitgebende attraktiv: Er sei mit viel mehr Wassern gewaschen als vorher und die Persönlichkeit ist in vielen Facetten gereift. So beschreibt er fast bescheiden den Zuwachs an sozialen Kompetenzen, die Mann, und natürlich auch Frau im täglichen Umgang mit Kindern erwirbt und weiter entwickelt.

Vor diesem Hintergrund ist das ‚Sendungsbewusstsein‘ mit dem er andere (werdende) Väter ermutigen möchte, diese Erfahrungen auch zu machen nur zu verständlich.

„Nimm richtige Elternzeit, weil: sie dich verändern wird, du eine völlig neue Perspektive auf das Leben kennenlernen wirst, deine Grenze zwischen wichtig und unwichtig verschoben wird, diese Zeit eine riesige Chance ist (und zwar für dich) und du danach eine enge Beziehung zu deinen Kindern hast, die du anders nicht erreichen kannst!“

Um den Vätern ihre Entscheidung zu erleichtern, fasst er am Ende seine Erkenntnisse in ‚10 Soft Skills‘ zusammen. Der Hinweis mit dem Gefrierschrank stammt aus dem siebten: „Löse Probleme erst, wenn du sie hast.“

Das können Väter getrost auch auf ihre Sorgen bezüglich der Reaktion ihres Arbeitgebenden auf den Wunsch länger als zwei Monate in Elternzeit gehen zu wollen, beziehen. Freudensprünge werde in der Regel ausbleiben, aber das Gespräch wird sich schnell um die Frage drehen, wie eine gute Lösung für die Zeit der Abwesenheit gefunden werden kann.

Das Buch von Marius Kronsberger liefert ansonsten alle Argumente, die ein Vater braucht, sich für diesen Schritt zu entscheiden und gemeinsam mit der Partnerin auszuhandeln, wer, wann was in welchem Umfang macht. Eine gleichmäßige Aufteilung von Erwerbs- und Carearbeit führt, das soll nicht verschwiegen werden, auch zu einer Steigerung der Partnerschaftsqualität.

Das knapp 150seitige Buch von Marius Kronsberger ist in meinen Augen ein ‚must read‘ für werdende Väter und jede und jeder, der sich fragt, was er einem solchen schenken kann, ist mit 14,90 € dabei.

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Auswertung der Kurzumfrage – Bedeutung von Vätern in der Geburtshilfe

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 15. November 2022

im Oktober hat die LAG-Väterarbeit in NRW eine Kurzumfrage mit 5 Fragen zur Bedeutung von Vätern in der Geburtshilfe gestartet.
Die erste Frage lautete:

Welche Bedeutung haben Väter Ihrer Meinung nach bei der Geburt?

Wichtig bzw. sehr wichtig antworteten 93%. Spannend ist bei dieser Frage der Blick auf die Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Von den 98 Antwortenden haben sich 65 dem männlichen und 30 dem weiblichen Geschlecht zugeordnet. Drei haben keine Angaben gemacht.

Während die Einschätzung, sie haben gar keine oder eine geringe Bedeutung gleichermaßen selten geäußert wird sind prozentual mehr Frauen der Überzeugung, dass werdende Väter bei der Geburt unabkömmlich sind als Männer. Eine große Mehrheit von 63% bzw. 73% schätzen ihre Rolle bei der Geburt aber als wichtig ein.

Frage 2: Kennen Sie Angebote für Väter sich auf die Geburt bzw. aufs Vaterwerden vorzubereiten?

Im Durchschnitt kennen 58% der Antwortenden Angebote zur Geburtsvorbereitung für Väter. Während aber lediglich 52% der Väter entsprechende Angebote bekannt sind, äußern über 73% der Frauen diese Angebote zu kennen.
Bei der Frage, welche Angebote bekannt sind, nennen 6 der 34 Männer väterspezifische Angebote, bei den Frauen äußern drei, diese Angebote zu nennen. Alle anderen Nennungen beziehen sich auf die Teilnahme an den Kursen der Hebammen bzw. Paarkurse. …

Die vollständige Auswertung mit den Grafiken: Bedeutung von Vätern in der Geburtshilfe – Ergebnisse der Kurzumfrage der LAG-Väterarbeit

Schlussfolgerungen für die Arbeit der LAG-Väterarbeit

Väter ‚spielen‘ bei der Geburt eine bedeutsame Rolle, vor, während und unmittelbar nach der Geburt werden Weichen für väterliches Engagement und eine partnerschaftliche Arbeitsteilung gestellt.

In diesem Kontext sind passende Angebote für Väter sind ein unbedingtes Muss und die gemeinsame Vorbereitung im Rahmen eines Hebammenkurses kann diese nicht ersetzen.

Im Rahmen dieser Angebote, die es bislang nur vereinzelt, vor allem in städtischen Ballungszentren gibt, brauchen Väter Möglichkeiten, sich mit anderen (werdenden) Vätern auszutauschen, alleine und gemeinsam mit ihren Kindern, sich als bedeutsam für die Entwicklung ihrer Kinder zu erleben und diese Bedeutung auch gesellschaftlich zugeschrieben zu bekommen.

Für die Schaffung der konkreten Angebote braucht es politischen Gestaltungswillen und die entsprechenden Mittel. Die allgemeine Anerkennung der Bedeutung von Vätern für die Entwicklung von Kindern ist vor allem eine Frage der Haltung. Sie einzunehmen erleichtert die Gestaltung der passenden Rahmenbedingungen, di nicht nur den Vätern, sondern auch den Kindern und den Partnerschaften zugutekommen.

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Väter sind auch rechtliche Subjekte

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 26. Oktober 2022

Bericht zum Werkstattgespräch der LAG-Väterarbeit am 26. Oktober

Das in einem Strategiepapier des ‚Runden Tischs Eltern werden‘ zur guten Geburt gefordert wird, Mutter und Kind als rechtliche Subjekte in der Geburtshilfe zu betrachten, zeigt auf, dass dort einiges schiefläuft.

In seinem Impuls ‚Väter in der Geburtshilfe – systemische Perspektiven‘ zeigte Hans-Georg Nelles einige der ‚Krisensymptome‘ auf: Schließung von ‚unrentablen‘ Kreißsälen, fehlende Hebammen und werdende Väter, die während der Pandemie die Geburt auf den Gängen der Krankenhäuser oder im kalten Auto begleiten mussten. Dies sind in seinen Augen aber nur Symptome der eigentlichen Krise, die seiner Auffassung darin besteht, dass Väter im Geburtshilfesystem nicht als Subjekte betrachtet und vielfach noch nicht einmal in den Blick genommen werden. So erleben

  • 92% der Väter nehmen an Vorsorgeuntersuchungen teil, aber 61% berichten, dass ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden ist
  • Väter haben keinen formalen Status bei der Geburtsvorbereitung, selbst ihr Name wird nicht erfasst. Lediglich 16 % der Väter werden während der Geburt nach ihrem Befinden gefragt.
  • Wenn ‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden und deutlich gemacht wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung von Vätern bei der Nachsorge von ca. 20% auf bis zu 70%

Ergebnisse der Väterforschung zeigen auch, dass Väter, die bei der Geburt dabei sind, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, ihre Kinder häufiger wickeln, ihre Kinder öfter am Körper tragen, häufiger mit ihrem Kind an der frischen Luft unterwegs sind sowie sicherer im Umgang mit dem Kind sind und mehr Spaß daran haben. Dieses Engagement profitiert auch die Partnerschaft.

In dem Beitrag ging der Referent auch auf gute Beispiele ein, Studien des Fatherhoodinstitute aus Großbritannien und die Initiative Erzählcafé, die einen Kostenlosen Flyer für Väter entwickelt hat.

Um Veränderungen im System Geburtshilfe zu bewirken sind jedoch weitere Initiativen und politische Maßnahmen erforderlich. Eine bundesweite Befragung von Hebammen zu ihren Erfahrungen mit Vätern bei der Geburtsvorbereitung und unter der Geburt könnten dem Thema Aufmerksamkeit verleihen. Auch bei der momentan laufenden Umstellung der Hebammenausbildung könnte darauf hingewirkt werden, das gesamte System werdende Familie in den Blick zu nehmen und die Rolle der Hebammen bei der (Te-) Konstruktion traditioneller Rollenbilder zu reflektieren. Im politischen Raum geht es vor diesem Hintergrund vor allem darum:

  • Die Bedeutung von Hebammen für das Paar im Übergang in die Elternschaft mit den psychosozialen Aspekten bei der akademischen Ausbildung angemessen zu berücksichtigen
  • Fortbildungsangebote, Informationskampagnen durchzuführen sowie die Zusammenarbeit mit Hebammenverbänden zu intensivieren, um das Thema zu etablieren und auch den Nutzen zu kommunizieren, der der Hebammenarbeit durch die Einbeziehung der Väter zugutekommt.
  • Neben der Sensibilisierung im Rahmen von Aus- und Fortbildung muss diese Aufgabe der Hebammen vom Gesetzgeber und den Krankenkassen ausdrücklich zugeschrieben und honoriert werden.

Damit dies Wirklichkeit werden kann kommt es darauf an, (werdende) Väter so zu empowern, dass sie ihre Bedürfnisse artikulieren und entsprechende Angebote einfordern.

Die Teilnehmenden des Werkstattgesprächs, die allesamt beruflich mit der Beratung und Begleitung von Vätern und Müttern rund um die Geburt befasst sind, tauschten sich im anschließenden Gespräch über ihre Erfahrungen mit der ‚Missachtung‘ von Vätern aus. Ein trauriges Resümee: die traumatisierenden Erfahrungen von Vätern unter der Geburt haben signifikant zugenommen, während es so gut wie keine Angebote für Väter gibt. Vielfach ist die Diagnose ‚postnatale Depression‘ bei Vätern selbst beim Fachpersonal nicht bekannt.

Ein weiterer Schwerpunkt des Gesprächs war die Frage, inwieweit es sinnvoll ist im Rahmen der Geburtsvorbereitung Risiken zu thematisieren. Ja, das ist wichtig, es geht dabei nicht darum, die (Vor-) Freude auf die Geburt zu trüben, sondern das Paar in die Lage zu versetzen, zum Beispiel im Fall einer ungeplanten Sectio handlungsfähig zu sein und im Gespräch zu bleiben.

Stefanie Schmid-Altringer, die Initiatorin der Erzählcafés fasste die Aufgaben der Väter, nicht nur in solchen Situationen, folgendermaßen zusammen:

  • Sie unterstützen die Mutter bei der Geburt
  • Sie haben eine Bodyguard Funktion im Hinblick auf Gewalt und Respektlosigkeit
  • Sie achten auf sich selbst (Selbstfürsorge)
  • Sie sind als Patient auch rechtliches Subjekt im System

Ein Ergebnis des Gesprächs ist, eine Umfrage unter Vätern und Expert*innen durchzuführen und zu erfragen, was Väter im Kontext dieses existenziellen Lebensereignisses brauchen.

Den Impuls zum Download: https://www.lag-vaeterarbeit.nrw/wp-content/uploads/2022/10/Vaeter-in-der-Geburtshilfe-20221026.pdf

Zu den Erzählcafés geht es hier https://erzaehlcafe.net/vaeter/

Der Flyer „Respekt Mann, Du wirst Vater” kann hier heruntergeladen werden https://erzaehlcafe.net/data/uploads/vaeterflyer_online.pdf

Die Veranstaltungen ‚Es war eine schwere Geburt … und vieles kam anders‘ finden Sie hier https://www.guterstart.nrw.de/fhiangebot/details/id/45090

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Väter im System Geburtshilfe – Gedanken zu einer neuen Einordnung

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 13. Oktober 2022

Vater werden und sein verändert alles. Diese an sich triviale Aussage verweist auf die Großartigkeit des Ereignisses einer Geburt und die Komplexität der Wirkungen, die sie auslöst. Sie zeigt aber auch auf die Fülle der Möglichkeiten auf, die Hebammen und andere haben, werdende Väter und Mütter auf diesem Weg zu begleiten und sie auf das dieses Ereignis und die folgenden Jahrzehnte vorzubereiten. Mehr als 90 Prozent der werdenden Väter sind bei der Geburt ihres Kindes dabei und eine gute Vorbereitung wirkt sich nicht nur auf den Geburtsverlauf positiv aus.

Wenn Männer Väter werden, wollen sie nicht nur beruflich weiterhin erfolgreich, sondern gleichermaßen auch gute Väter sein. Das bedeutet in erster Linie, Zeit haben, für die Kinder da zu sein, präsent zu sein, ihre Entwicklung zu begleiten und zu fördern, ihnen die besten Möglichkeiten für einen guten Schulabschluss zu verschaffen sowie möglichst viele Risiken des Alltags von ihnen fernzuhalten. Also ein durch und durch fürsorglicher Vater zu sein.

Im Hinblick auf die Partnerschaft und die Partnerin steht der Anspruch, sich anfallende Aufgaben partnerschaftlich aufzuteilen und nicht in traditionelle Rollenmuster zurückzufallen, im Raum. Eltern werden, Partner bleiben. Die große Herausforderung bei der Umsetzung dieser Ansprüche ist, dass Väter (und Mütter) kaum auf erprobte Muster und Rollenmodelle zurückgreifen können und sich einen eigenen Weg suchen müssen. Es ist zwar inzwischen viel zu diesem Thema geschrieben worden, aber verwirklichen müssen Mann und Frau ihren Traum von einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung, einer geteilten Verantwortung für die Kinder und genügend Gelegenheiten für die Pflege der Paarbeziehung schon selber.

Erfahrungen und Studienergebnisse (BMFSFJ, 2011) zeigen, dass die gewählten Lebensmodelle vielfach nicht Ergebnis zielgerichteter Aushandlungsprozesse sind, sondern Paare vor dem Hintergrund vermeintlich rationaler Gründe nach der Geburt dort ‚hineingeschliddert‘ sind und Väter sich mehr oder weniger freiwillig auf die traditionelle Rolle des Ernährers und Assistenten in der Familie einlassen.

Was Väter brauchen, sind passende Erwartungshaltungen, Rahmenbedingungen und Wertschätzungsstrukturen. Es kommt vor allem darauf an, dass es völlig normal sein wird, beruflichen Erfolg und fürsorgliches Verhalten in Familie und anderswo nicht mehr als Gegensätze zu denken, sondern als gegenseitige Ergänzung und Bereicherung.

In dem Zeitraum zwischen der Entscheidung Vater und Mutter werden zu wollen und der Geburt, der in den meisten Fällen länger als die 280 Tage der Schwangerschaft umfasst, werden nicht nur Pläne geschmiedet und das ‚Nest‘ hergerichtet, sondern die Weichen dafür gestellt, ob die Vorstellungen sich Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich aufzuteilen gelingen können oder nicht.

Auf die Vorbereitung kommt es an

Auf der Grundlage internationaler Forschungsergebnisse, die die Zusammenhänge zwischen dem Verhalten, den Erfahrungen, Einstellungen und Merkmalen von werdenden und neuen Vätern und der Gesundheit und Wohlbefinden von Mutter und Kind aufzeigen, hat die Weltgesundheits-organisation (WHO) eine der zehn Empfehlungen zu Maßnahmen der Gesundheitsförderung von Müttern und Neugeborenen zur Einbeziehung von Vätern formuliert.

Die WHO empfiehlt, die Beteiligung von Männern während der Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt zu fördern, um die Selbstsorge von Frauen und die häuslichen Pflegepraktiken für Frauen und Neugeborene zu verbessern, den Einsatz qualifizierter Vorsorge für Frauen und Neugeborene während der Schwangerschaft, der Entbindung sowie in der postnatalen Periode zu erleichtern, und die Einrichtung für Geburtshilfe rechtzeitig zu nutzen falls es Komplikationen bei den Neugeborenen gibt.

Neben dieser auf die Gesundheit von Mutter und Kind bezogenen Perspektive, die für sich genommen schon Grund genug ist, Väter während der Schwangerschaft, bei der Geburtsvorbereitung, der Geburt und der Zeit danach aktiv einzubeziehen, gibt es weitere, ebenfalls wissenschaftlich gut belegte Gründe, dies zu tun.

Die Gesundheit der Väter und ihre Beziehung zu dem ungeborenen Kind haben einen großen Einfluss darauf, in welchem Maße sie sich an der Erziehung des Kindes beteiligen und Ressourcen für seine gelingende Entwicklung zur Verfügung stellen.

In dem 2016 auf 136 Seiten ausformuliertem ‚Nationalen Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘ wird die Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt. Unter anderem heißt es dort ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden‘.

Ansprüche und Wirklichkeiten

Obwohl also Alles dafürspricht, (werdende) Väter rechtzeitig einzubeziehen und als aktive Subjekte im Geburtsgeschehen zu betrachten, werden sie hierzulande häufig immer noch als ‚Beifahrer‘ (BZgA 2011) betrachtet. In Großbritannien, wo bereits 2006 im Nationalen Gesundheitssystem ein Paradigmenwechsel zugunsten der Einbeziehung von Vätern stattgefunden hat, zeigen gerade veröffentlichte Befragungsergebnisse, dass dieser empfohlene Wandel auch dort noch längst nicht überall praktiziert wird. (Thorpe, 2018)

  • 92% der Väter nehmen an den Vorsorgeuntersuchungen teil, aber 61% berichten, dass ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden ist
  • Väter haben keinen formalen Status bei der Geburtsvorbereitung, selbst ihr Name wird nicht erfasst. Lediglich 16 % der Väter werden während der Geburt nach ihrem Befinden gefragt.
  • Wenn ‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden und deutlich gemacht wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung von Vätern bei der Nachsorge von ca. 20% auf bis zu 70%

Ein Blick hinter die Kulissen

Zu der Thematik liegen vor allem Praxis- und Forschungsberichte aus dem angelsächsischen Raum vor. Auf der Website www.familyincluded.com werden diese seit 2015 systematisch ausgewertet, thematisch gelistet und zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist nach der Erklärung der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2013, in der erklärt wurde, dass die Zusammenarbeit mit den Vätern eine globale Priorität für die Gesundheitsversorgung von Müttern haben sollte, und vor dem Hintergrund, dass es weder Pläne noch Ressourcen gab, um dies umzusetzen, entstanden. Als Haupthindernisse für die tatsächliche Einbeziehung von Vätern werden dort folgende Punkte identifiziert:

Das erste Problem ist die Professionalisierung und die Perspektive auf die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen. Häufig wird diese Gesundheitsversorgung als eine Angelegenheit betrachtet, die sich nur zwischen dem Gesundheitspersonal und der „Patientin”, in diesem Fall der Schwangeren abspielt.

Das zweite Problem ist die Sorge um die Gleichberechtigung der Geschlechter. Fast alle Familien umfassen Männer, und sie haben oft mehr vor allem finanzielle Ressourcen. Wenn man sie in die Pflege einbezieht, so wird befürchtet, könnte dies dazu führen, dass die Autonomie der Frauen eingeschränkt wird und die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Familien nicht in Frage gestellt werden. Diese Aussage spiegelt die Tatsache wider, dass zahlreiche Forschungsprojekte in Ländern mit noch ausgeprägteren patriarchalen Strukturen durchgeführt werden.

Hierzulande geht es vor allem darum, Väter für eine Beteiligung in Familie und an den in der Familie zu erledigenden Arbeiten zu gewinnen und zwar von Anfang an. Für den deutschsprachigen Raum liegen zwei Untersuchungen vor, die die von ‚Family Included‘ identifizierten Hindernisse bestätigen.

Marion Müller und Nicole Zilien (2016) verifizieren in ihrem Forschungsprojekt die Ausgangsthese, „dass die heutigen Geburtsvorbereitungskurse durch ihre Ausgestaltung Geschlechterdifferenzen hervorheben, diese weiterhin mit geschlechterdifferenzierenden Zuschreibungen häuslicher Arbeit koppeln und durch eine wissenschaftlich gestützte Naturalisierung legitimieren. Geburtsvorbereitungskurse bahnen demnach bereits in der pränatalen Phase eine geschlechterdifferenzierende Arbeitsteilung an und lassen sich deshalb als Institutionen der Retraditionalisierung interpretieren.“

Lisa Maria Groß (2017) kommt in ihrer Arbeit ‚Väter als Adressaten in Frühen Hilfen? Über die Konstruktion von Väterlichkeit im professionellen Handeln von Familienhebammen‘ zu dem Ergebnis, „In Interviews mit Familienhebammen und ethnographischen Beobachtungsprotokollen von Hausbesuchen zeigt sich allerdings eine Mütterorientierung im professionellen Handeln von Familienhebammen, die zu einer sekundären Adressierung der Väter hinsichtlich innerfamilialer Sorgetätigkeiten bis hin zur Exklusion väterlicher Fürsorge aus dem Binnenraum der Familie führt.“

Die Vorbereitung des geburtshilflichen Teams auf die Väter

Wie Väter auf die Geburt vorbereitet werden können und welche Rolle die verschiedenen Professionen dabei spielen, hat schon 2014 das, in einer von der Bundeszentrale für gesundheitliche veröffentlichten Broschüre, Ergebnis einer multiprofessionellen Arbeitsgruppe deutlich gemacht. (BZgA 2014)

Ein entscheidender Faktor dabei ist die Haltung gegenüber der Rolle sowie der aktiven Einbeziehung von Vätern. Ihre gute Vorbereitung auf die Geburt kommt auch der werdenden Mutter zugute. Studien zeigen, dass Väter, die ihre Rolle während der Geburt kennen und verstehen, was dort geschieht, selbst besser vor übermäßigem Stress geschützt sind und seltener Gefahr laufen, den Ablauf der Geburt negativ zu beeinflussen. Das gilt insbesondere in den Momenten, in dem es mal nicht „nach Plan läuft“, was aber auch völlig normal ist. (Schäfer, Abu Dakn 2008)

Die Rolle, die sie während der Geburt wahrnehmen können, für ihre Partnerin da zu sein, den neuen Lebensabschnitt gemeinsam zu beginnen und von Anfang an als Vater präsent zu sein. Dabei erleben sie sich vielfach in einer völlig ungewohnten Situation: Sie haben keine Kontrolle über das Geschehen und die Mächtigkeit der Gefühle führt sie vielfach nicht nur emotional an ihre Grenzen, sondern manchmal sogar darüber hinaus. Das Vertrauen in die Kompetenzen des geburtshilflichen Teams und ihr Wissen um die natürlichen Abläufe sind in diesen Momenten gute Stützen.

Dieses Vertrauen kann im Vorfeld der Geburt durch verschiedene Angebote zur Geburtsvorbereitung in den Geburtskliniken und den Kursen der Hebammen bzw. der Familienbildung gebildet werden. Dabei geht es verständlicherweise vorrangig um die biologischen Abläufe der Geburt und die Vorbereitung der Mütter darauf, um ihre Bedürfnisse, Ängste und Sorgen.

Darüber hinaus sind aber zwei weitere Ebenen der Vorbereitung auf die Geburt und vor allem die Zeit danach für Väter von großer Bedeutung. Die gemeinsamen Planungen der werdenden Eltern für die Zeit zu Dritt und der Austausch des werdenden Vaters mit anderen Männern.

Einbeziehung von Vätern nutzt partnerschaftlicher Aufgabenteilung

Die Entscheidung Eltern werden zu wollen, ist heute eine bewusste, auch wenn eine exakte Planung nicht garantiert ist. Im Rahmen dieses Prozesses können Fragen der beruflichen Weiterentwicklung, der familiären Arbeitsteilung und auch die Vorstellungen zu den Rollen als Mutter und Vater sowie die Erfahrungen und Prägungen in der eigenen Herkunftsfamilie thematisiert werden. In ihrem Papa Handbuch beschreiben die Autoren eine Fülle von praktischen Möglichkeiten dazu. (Richter, Schäfer 2020)

Darüber hinaus gibt es eine Fülle an ‚Väterthemen und fragen‘, die am besten bearbeitet werden können, wenn Väter unter sich sind und diese Phase auch von einem erfahrenen Mann und Vater betreut wird:

  • Welche Wünsche und Befürchtungen habe ich für die Geburt?
  • Will ich bei der Geburt dabei sein? Was will ich sehen, was nicht?
  • Was ist mir wichtig für die erste Zeit zuhause?
  • Welche Bedeutung habe ich als Vater für die Entwicklung des Kindes?
  • Wie kann ich meine Vaterkompetenzen entfalten?
  • Wie entwickelt sich das Verhältnis zu meiner Partnerin, wenn sie auch Mutter ist?
  • Was ist mit dem Sex in der Schwangerschaft und nach der Geburt?
  • Wie kann es gelingen, dass wir auch als Vater und Mutter die Verantwortung für finanzielle Versorgung der Familie und die dort anfallenden Care-Aufgaben partnerschaftlich aufteilen?

Die Möglichkeit, sich mit anderen Vätern darüber auszutauschen, haben einen bedeutenden Einfluss auf das spätere Geburtsgeschehen. Derart vorbereitet können Väter vom geburtshilflichen Team als unmittelbar Beteiligte des Geschehens wahrgenommen und als Personen mit eigenen Bedürfnissen und eigenem Erleben angesprochen und einbezogen werden.

Diese „Männerrunden“ sind teilweise schon Praxis bei der Geburtsvorbereitung. Darüber hinaus gibt es an wenigen Orten spezielle Angebote für werdende Väter. (Mens Health 2016)

Ergebnisse eines Praxisprojekts in NRW

Ein vom Familienministerium in NRW gefördertes Praxisprojekt beschäftigte sich mit der Fragestellung, wie die Einbeziehung von Vätern im Rahmen der Geburtsvorbereitung durch Hebammen gefördert werden kann. Im Zentrum standen dabei die Entwicklung und Erprobung eines Fortbildungs-Curriculums. (Nelles 2020)

Die Annahme, Väter und Mütter im Kontext der Geburtsvorbereitung durch Hebammen anzusprechen und dort das Anliegen ‚partnerschaftliche Aufgabenteilung‘ zu thematisieren hat sich bestätigt, da in diesem Zeitraum entscheidende Weichenstellungen vorgenommen werden und mehr als 90 % der Väter an der Geburt und, zumindest beim ersten Kind, auch an angebotenen Kursen zur Vorbereitung teilnehmen.

Auf der Basis freiwilliger Fortbildungen für Hebammen lässt sich das Ziel, partnerschaftliche Aufgabenteilung im Rahmen der Geburtsvorbereitung zu thematisieren jedoch nicht erreichen. Das liegt zum einen, an der von der, an den unterschiedlichsten Stellen beschriebenen Haltung der Hebammen, Frauen und Männern traditionelle Rollen zuweisen und selbst wenn sie Angebote für Väter machen, diesen Unterstützungs- und Assistentenaufgaben zuweisen.

Auf der anderen Seite sind es strukturelle Rahmenbedingungen wie Personalschlüssel in Kliniken und der Blick der dort arbeitenden Gynäkologen auf die Hebammen sowie die schlechte Bezahlung von letzteren. Dazu kommt die Akademisierung der Hebammenausbildung und die Umsetzung der entsprechenden Verordnungen und die Sicherstellung der praktischen Ausbildungsanteile auf den ‚letzten Drücker‘.

Die Neuaufstellung der Hebammenausbildung bietet, zumindest theoretisch, die Chance, die Themen ‚Bedeutung von Vätern‘ und ‚Aufstellung der Akteure im System Familie‘ in den neuen Curricula zu verankern zumal es in der Anlage 1 der ‚Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen des Bundesministeriums für Gesundheit‘, in der die Kompetenzen von Hebammen aufgeführt sind, ausdrücklich heißt: [ sie] ‚verfügen über Kenntnisse …  über Prozesse der Familiengründung und bereiten die schwangere Frau und ihre Familie ihrer individuellen Lebenssituation entsprechend auf die Geburt, das Wochenbett und die Elternschaft vor …‘ (BMG 2019)

Um die Chance, die Themen im Rahmen der zu erarbeitenden neuen Ausbildungsordnungen breiter zu verankern, wird es aber notwendig sein, mit Unterstützung bereits im System tätigen Akteur*innen, Professor*innen mit ausgewiesener Väterexpertise und Praktikern der Väterbildung zunächst eine Expertise und darauf aufbauend Bausteine für die universitären Lehrpläne zu entwickeln.

Ein anderer Ansatzpunkt die Themen in bestehenden Geburtsvorbereitungskursen zu verankern sind die Qualitätsstandards. Die Kurse werden, zumindest für die Frauen, von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert. Jede Hebamme, die derartige Kurse anbietet kann sie über die Krankenkassen abrechnen. Diese könnten also mit entsprechenden Standards auch Einfluss auf die Inhalte ausüben

Fazit

Als Vision und Wunsch abschließend formuliert: um werdenden und gewordenen Vätern und Müttern die Verwirklichung ihres Wunsches nach einer gleichberechtigten Aufgabenteilung zu ermöglichen braucht es, neben den äußeren, passenden Rahmenbedingungen, ein Angebot sich vor und nach der Geburt mit den oben genannten Themen auseinanderzusetzen. Und zwar an den Orten und zu den Anlässen, die Väter und Mütter sowieso gemeinsam oder getrennt aufsuchen und nutzen. Die Geburtsvorbereitung gehört in jedem Fall dazu. Es braucht aber neben den Hebammen weitere (männliche) Akteure und Angebote für Väter, vor allem für die Zeit nach der Geburt.

Literatur

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2014). „Arbeitszeit: Wünsche nach Verkürzung und Verlängerung halten sich weitgehend die Waage“ http://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/azw.aspx (11. Mai 2021).

Beck, Ulrich (1986). Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main: S.169.

BMFSFJ (2011) https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/vaeter-und-der-wiedereinstieg-der-partnerin-82110 (11. Mai 2021)

BMG (2019) Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/H/RefE_Studien-_und_Pruefungsverordnung_fuer_Hebammen.pdf (11.Mai 2021)

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (2011) Beifahrer, Kleiner Tourenplaner für werdende Väter

BZgA (2014) Väter auf die Geburt vorbereiten, Informationen und praktische Tipps für Fachkräfte https://publikationen.sexualaufklaerung.de/themen/geburt/vaeter-auf-die-geburt-vorbereiten/ (11. Mai 2021)

Family Included (2018) https://familyincluded.com/fatherhood-researchers-respond-who-unicef-early-childhood-development/ (11. Mai 2021)

Fisher, Duncan (2010) Baby’s here! Who does what? How to split the work without splitting up

Groß, Lisa Maria (2017) Väter als Adressaten in Frühen Hilfen? https://www.budrich-journals.de/index.php/diskurs/article/view/28992/25248 (11. Mai 2021)

Mens Health (2016) Das bringen Geburtsvorbereitungskurse für Männer https://www.menshealth.de/dad/partner-family/das-bringen-geburtsvorbereitungskurse-fuer-maenner/ (11. Mai 2021)

Müller, Marion; Zillien, Nicole (2016) Das Rätsel der Retraditionalisierung https://www.akf-bonn.de/files/mueller__marion___zilien__nicole_das_raetsel_der_retraditionalisierung_____zur_verweiblichung_von_elternschaft_in_geburtsvorbereitungskursen._in_kzfss__jahrgang_68__heft_3__2016___s._409-433.pdf (11. Mai 2021)

Nelles, Hans-Georg (2020) Sachbericht ‚Bedeutung von Vätern im Geburtsprozess – Ein Fortbildungs­konzept für Hebammen‘ unveröffentlichtes Manuskript

Richter, Robert; Schäfer, Eberhard (2020) Das Papa Handbuch, Alles, was Sie wissen müssen zu Schwangerschaft, Geburt und dem ersten Jahr mit Baby

Schäfer, Eberhard; Abou-Dakn, Michael; Wöckel, Achim (2008) Vater werden ist nicht schwer? Zur neuen Rolle des Vaters rund um die Geburt

Schopp, Johannes (2019) Eltern stärken, Die Dialogische Haltung in Seminar und Beratung

Thorpe, Nick (2018) https://www.fathersnetwork.org.uk/maternity_services_results_news (11. Mai 2021)

Quelle

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Kurzumfrage: Welche Bedeutung haben Väter in der Geburtshilfe?

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 7. Oktober 2022

Im System der Geburtshilfe rumort es. Immer mehr Geburtskliniken schließen, aus Mangel an Hebammen oder Renditegründen. Während der Pandemie wurden Väter ganz oder teilweise bei Vorsorgeuntersuchungen und der Geburt ausgeschlossen und auch wenn sie dabei sein dürfen, fühlen sich Väter vielfach nicht einbezogen.

Es gibt zwar seit 2016 ein auf 136 Seiten ausformuliertes ‚Nationales Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘, aber die von vielen Seiten erhobene Forderung nach einem ‚Geburtsgipfel‘ und der im Frühjahr gestarteten Initiative ‚Bündnis Gute Geburt‘ verdeutlichen den tatsächlichen Handlungsbedarf.

Dort ist die Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt, ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden.‘ Die Wirklichkeit ist von dieser bereits 2008 formulierten Vision weit entfernt, das macht auch eine anlässlich der ‚Weltstillwoche‘ veröffentlichte Befragung deutlich. Es braucht passende Rahmenbedingungen damit aus dem ‚Sollen‘ und ‚Wollen‘ tatsächliches Handeln wird.

Bei der Gestaltung von ‚passenden‘ Rahmenbedingungen gibt es sicherlich Spielräume. Um diese auszuloten haben wir eine Kurzumfrage entworfen und bitte Sie, sich 2 Minuten Zeit für eine Beantwortung zu nehmen.

https://www.surveymonkey.de/r/LAGV_Geburtshilfe

Bei einem Werkstattgespräch am 26. Oktober werden wir die Ergebnisse präsentieren, Eckpunkte zu Veränderungen in der Geburtshilfe aus der Perspektive der Väter formulieren und diese in die aktuelle Diskussion einordnen.

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… jugendliche Väter im Blick

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 6. Oktober 2022

„Frühe Vaterschaft: gewagt, riskant und instabil!” lautet das Resümee eines Beitrags von Cornelißen und Bien vom Deutschen Jugend Institut im April 2014. Der SKM Bundesverband e.V. hat daher in den vergangenen Jahren seine Beratungsangebote für Jungen, Männer und Väter deutschlandweit ausgebaut und mit der Trägerschaft der Geschäftsstelle der „LAG Väterarbeit in NRW“ sein fachliches Profil in dem Themenfeld „Vaterschaft“ vertieft.

Jugendliche Eltern und ihre Herausforderungen

Während erwachsene Eltern in aller Regel bereits mitten im Leben stehen, sehen sich jugendliche Mütter und Väter nicht nur mit der Bewältigung der eigenen Entwicklung, sondern gleichzeitig auch mit Elternaufgaben konfrontiert. Ihre Voraussetzungen für diese doppelte Belastung sind in aller Regel mangelhaft. Viele jugendliche Eltern stammen aus einem problematischen sozialen Umfeld und nicht wenige haben die Schule abgebrochen oder keinen Einstieg in eine Ausbildung gefunden. Die Folge: Die meisten jugendlichen Eltern leben in einer prekären wirtschaftlichen Situation, wie Daten des Mikrozensus in Deutschland zeigen. So haben knapp ein Drittel der jugendlichen Väter keinen beruflichen Abschluss und ihre frühe Elternschaft korrespondiert mit einer kurzen Schulbildung.
Darüber hinaus sehen sie sich mit der weit verbreiteten Vorstellung konfrontiert, dass eine frühe Elternschaft als Lebensform „jenseits der Norm“ betrachtet wird. Noch immer geht man in der Gesellschaft davon aus, dass Frauen und Männer eine Ausbildung abgeschlossen und einen (sicheren) Arbeitsplatz gefunden haben sollten, bevor sie eine Familie gründen. Dahingegen können junge Männer durch eine frühe Vaterschaft aber durchaus in ihrer Identitätsfindung bestärkt werden. Als junge Väter können und müssen Verantwortung übernehmen und finden so in ihrer Vaterschaft eine Brücke zum Erwachsenwerden. Dies kann aber nur gelingen, wenn der Prozess des Erwachsenwerdens nicht durch zusätzliche, Krisen erzeugende Widrigkeiten wie Geldmangel, belastende Arbeitsanforderungen oder Konflikte in der Herkunftsfamilie gefährdet wird.

„Väter fördern“ bedeutet auch „Mütter fördern“

Neben der prekären wirtschaftlichen Situation vieler junger Familien fällt die weitverbreitete Instabilität ihrer Paarbeziehungen auf: Unter den frühen Müttern sind sehr viel mehr alleinerziehend (42 Prozent), als dies allgemein bei Müttern mit Kindern unter 7 Jahren der Fall ist (16 Prozent). Dies verschärft nicht nur die wirtschaftliche Lage von Mutter und Kind. Es bedeutet gleichzeitig, dass die Bindung zwischen Vater und Kind bei frühen Vätern häufiger in Frage steht. Die „ausgegrenzten“ Väter werden selten in die alltägliche Betreuung und Versorgung des Kindes einbezogen, so dass alleinerziehenden Müttern die Entlastung fehlt, die ihnen den erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung oder die berufliche Etablierung erleichtern könnte. Es ist daher naheliegend jugendlichen Vätern die Hilfe und Unterstützung anzubieten, die sie benötigen, um mit der neuen Aufgabe und Rolle als Vater und Partner der Mutter verantwortlich umgehen zu lernen.

Die frühzeitige Einbeziehung der jugendlichen Väter lohnt sich aber auch, wenn es um die Gesundheit von Mutter und Kind geht. So hat eine Studie aus Großbritannien gezeigt, dass die Unterstützung junger Väter auch einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der jungen Mutter und die Entwicklung des gemeinsamen Kindes. Gestützt wird dieses Ergebnis von weiteren Studien aus den USA und Großbritannien, welche die Wirksamkeit von Programmen für jugendliche Väter und die notwendigen Veränderungen bei den Angeboten und im Mindset der Hilfesysteme untersucht haben.

Ein weiterer entscheidender Grund, auch jugendliche Väter in den Blick zu nehmen, ist, dass Hilfemaßnahmen für Familien und Kinder insgesamt erfolgreicher verlaufen, wenn das gesamte Familiensystem eingebunden wird.

Sie benötigen dringend Unterstützung und Hilfe, da ansonsten eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass deren Söhne ebenfalls wieder jugendliche Väter mit ähnlicher sozialer Problematik werden.

Jugendliche Väter im Blick

Das Verbundprojekt „… jugendliche Väter im Blick“ trägt mit seinen niedrig schwelligen Angeboten dazu bei, dass jugendliche Väter von bestehenden Hilfsangeboten erreicht werden. So geht beispielsweise der SKFM in Düsseldorf davon aus, dass die jungen Väter durch die klassischen Beratungsangebote nicht erreicht werden. Er sucht die Väter daher direkt in ihrem Sozialraum auf, spricht sie aktiv über Streetwork- und schulische Sozialarbeit an und macht ihnen niedrigschwellige Gruppenangebote.

Der SKM Osnabrück setzt er auf neue Wege der Ansprache und die Kooperation mit anderen Akteuren in der Kommune. Durch die Entwicklung passender Ansprachekonzepte werden junge Väter ermutigt, ihre neue Rolle an und Verantwortung zu übernehmen. Das Angebot des SKM Rheydt e.V. beginnt mit einem Gruppentraining, in dem die Rolle der Vaterschaft und der individuelle Hilfebedarf partizipatorisch und diskursiv bearbeitet werden. So haben die jungen Männer die Möglichkeit, Rollenerwartungen an sich und die damit verbundenen Herausforderungen mit anderen jungen Vätern zu verhandeln – auch in interkulturellen Kontexten. In anschließenden begleiteten Freizeitangeboten können die jungen Männer die gemeinsame Zeit mit ihren Kindern als positives Erlebnis wahrnehmen und dabei auch andere junge Väter bei ihrer Selbstwirksamkeit als Väter unterstützen.

Quelle

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… die meisten erkennen mittlerweile den Mehrwert dieses Ansatzes

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 29. September 2022

Interview mit Gregor Keiner

Du bist schon lange in der Geburtsvorbereitung für Väter tätig. Wie war der Blick darauf, als du mit dieser Arbeit begonnen hast?

Ja, ich habe damit angefangen 2004. Also das ist jetzt wirklich 18 Jahre her. Das heißt, die Geburtsvorbereitung ist jetzt endlich volljährig. Wir haben damals ein Projekt gestartet, noch mit Martin Verlinden im Sozialpädagogischen Institut. Es gab schon ein bisschen Geburtsvorbereitung für Väter, die war unstrukturiert, noch nicht wirklich aufgearbeitet, auch nicht evaluiert. Und salopp würde ich jetzt sagen, dass man die Väter in der Regel davon überzeugen musste, an diesen Stunden teilzunehmen, weil die selber wenig davon gehört hatten, und wenig Ideen hatten im Zusammenhang mit der Geburtsvorbereitung. Die war und ist weiblich konnotiert und die Väter kamen da überhaupt nicht vor.

Die Väter konnten dann in der Regel mit dem Angebot super viel anfangen, waren im Nachhinein sehr überrascht, fanden das toll, waren aber sozusagen von der Erwartungshaltung mehr auf so technische Dinge eingestellt, die eine Geburt mitbringt: wie atmen, Stellungen einnehmen, Frau unterstützen, das war so der Fokus. Und die eigenen Themen, die eine Rolle spielten, waren selten Gegenstand. Es waren eher die Erwartungsfragen, die wir damals an die Väter gerichtet haben. Im Nachhinein war das Feedback aber häufig so, dass da der Wunsch geäußert wurde, sich mehr unter Vätern zu treffen, dass der Fokus auf die eigene Befindlichkeit während des Geburtsvorgangs als hilfreich empfunden wurde. Also auch solche Fragen, wie: Was kann ich machen, wenn es mir zu viel wird? Wo bleibt meine eigene Unversehrtheit? Und so weiter. Und es war auch häufig dieser Aspekt: Wir sind ja Männer. Wir werden Väter. Wenn das Kind auf der Welt ist, dann wird es für uns viel interessanter. Da bestand viel Bedarf, dazu mehr Informationen zu bekommen.

Also wie baue ich eine gute Beziehung auf? Wie gehe ich mit dem Kind um, wenn meine Frau das eigentlich viel mehr für sich vereinnahmt? Wie regle ich das mit dem Arbeitgeber? Damals war das Elterngeld und die Novelle des Gesetzes gerade neu, aber noch nicht so differenziert, wie wir es jetzt haben. Also da gab es viel Beratungsbedarf in die Richtung für die Zeit nach der Geburt. Was Väter für sich tatsächlich als Thema dann begriffen hatten. Ich kann mich erinnern, dass ich auch bei Hebammen viel Überzeugungsarbeit leisten musste, weil das in dem Feld damals noch nicht üblich war und manchmal sogar auch als Angriff verstanden wurde, dass da jetzt Männer kommen und in ein weiblich konnotiertes Feld hineinarbeiten wollen. Also das war auch immer viel Überzeugungsarbeit, dann meinen Standpunkt zu erklären und meinen Ansatz und den Nutzen, der natürlich ein riesengroßer Synergieeffekt ist, darzulegen.

Und ich fand es dann spannend, als dann die Familienhebamme quasi „geboren“ wurde und sich dann auch über die frühen Hilfen, die damals eingeführt wurden, das Thema Gewaltprävention auch auf dem Plan stand. Ich habe versucht, da wissenschaftlich so ein bisschen mehr zu argumentieren und die Geburtsvorbereitung auch als Gewaltprävention zu etablieren.

Ich habe versucht, den Kurs auch unter verschiedenen Akzenten zu differenzieren: bildungsgewohnte Väter, Väter mit Migrationshintergrund, Väter aus sozial schwächer strukturierteren Familien, Väter in der Stadt, auf dem Land und so weiter. Das war allerdings nur bedingt möglich, weil vor allem bildungsgewohnte Väter Zugänge zur Geburtsvorbereitung hatten.

Was hat sich seitdem verändert?

Vor allem ist es das Selbstverständnis, das sich sehr stark verändert hat und das in zwei Richtungen. Auf der einen Seite gibt es ein Umdenken. Die neuen Väter, die sich ja mittlerweile fragen, ob sie nicht vielleicht auch neue Mütter bräuchten, die sind ja damals „erfunden“ und haben sich ja auch weiterentwickelt. Nicht nur zahlenmäßig, wir wissen es von den ganzen Untersuchungen, neben den ganzen Bekunden mehr Carearbeit machen zu wollen, gibt es ja tatsächlich auch Väter, die dies machen. Und auf der anderen Seite, das habe ich immer wieder festgestellt, es ist wichtig, wenn Politik Rahmenbedingungen schafft, die Gesellschaft aufgreifen kann. Und durch die Veränderungen des Elterngeldes in vor allem der Elternzeit ist tatsächlich das Bedürfnis der stillen Gruppe der Väter, die sich gerne auch mehr engagieren, getroffen wurden. Und es waren diese beiden Bewegungen, die dazu geführt haben, dass das Thema mittlerweile selbstverständlich ist.

Mein Kurs ist im letzten Jahr auch in einem Fernsehfeature aufgenommen worden. Und es wurde immer wieder bekräftigt, ja, das ist eine super Sache. Warum gibt es das eigentlich so wenig?

Die Väter melden sich heute selbst an. Wir haben keinen Kurs, der auch nur einen Platz frei hätte. Es gibt einen Riesenbedarf, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, weil immer mehr verstanden wird, dass diese ganzen „weichen“ Themen wie Bindungen, Beziehungen aufbauen, Regulation, Gesundheitsprävention einfach eine große Bedeutung haben. Es gibt mittlerweile ein unübersichtliches Angebot an Büchern, Ratgebern, Podcasts und Sendungen, die Geburtsvorbereitung für Väter hat vor diesem Hintergrund an Bedeutung gewonnen und ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden, zumindest in der Stadt Was mich sehr freut.

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Wann kommt die Vaterschaftsfreistellung?

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 20. Juni 2022

Offener Brief an Lisa Paus macht Anliegen von Vätern deutlich

Auf Initiative des Bundesforum Männer – Interessenverband für Jungen, Männer & Väter e.V. fordern insgesamt 19 Organisationen aus der gleichstellungsorientierten Männer- und Väterarbeit Bundesfamilienministerin Lisa Paus in einem offenen Brief dazu auf, bei Vereinbarkeitsfragen Väter offensiver in den Blick zu nehmen und eine zweiwöchige Vaterschaftsfreistellung mit Lohnausgleich noch in diesem Jahr einzuführen.

In ihrem Koalitionsvertrag »Mehr Fortschritt wagen« einigten sich SPD, Grüne und FDP im vergangenen Jahr unter anderem darauf, Eltern dabei zu unterstützen, Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlicher aufteilen zu können. Ein zentrales Vorhaben in dieser Hinsicht ist die zweiwöchige vergütete Freistellung für Partner:innen nach der Geburt.

Genau eine solche Leistung ist als Vaterschaftsfreistellung (§4 paternity leave) bereits in der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie verankert. Die Richtlinie definiert Mindeststandards zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für alle Mitgliedsstaaten der EU. Sie muss bis August 2022 in nationales Recht umgesetzt werden. Die Erwartung aus der Zivilgesellschaft war insofern, dass die vergütete Freistellung nach Geburt als erste große Maßnahme für mehr Partnerschaftlichkeit nun im Sommer kommt.

Jetzt aber verweist die Bundesregierung darauf, die Vaterschaftsfreistellung aufgrund der in Deutschland geltenden umfassenderen Regelungen bei Elterngeld und Elternzeit nicht im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie einführen zu müssen. Geplant sei demgegenüber, die im Koalitionsvertrag verabredete „zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes“ in einem eigenen Gesetzgebungsverfahren auf den Weg zu bringen – immerhin angestrebt noch für das Jahr 2022.

Ein hartes Datum zur Einführung dieser wichtigen familien- und gleichstellungspolitischen Leistung ist damit vom Tisch. Auch ist nun politisch erst mal offen, wie diese Leistung konkret ausgestaltet sein wird. Und im Gegensatz zur EU-Vereinbarkeitsrichtlinie, wird Vaterschaft im Wortlaut der Leistung nicht mehr explizit in den Fokus genommen. Dabei wäre aus unserer Sicht gerade dies notwendig, um die gleichstellungspolitische Bedeutung von Vätern hervorzuheben. Viele Väter wollen heute mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und sich partnerschaftlich einbringen. Sie sind ein selbstverständlicher Teil der Familie und von Anfang an wichtig. Daher müssen Väter bei politischen Maßnahmen, die sie betreffen, auch deutlich als Zielgruppe adressiert werden.

Gemeinsam mit allen am offenen Brief Beteiligten fordert die LAG Väterarbeit NRW die Bundesfamilienministerin deshalb auf, den Koalitionsvertag ernst zu nehmen und durch die schnelle Einführung der Vaterschaftsfreistellung eine partnerschaftliche und gleichstellungsorientierte Familienpolitik zu stärken. Dazu sind in dem Offenen Brief Eckpunkte zur Ausgestaltung formuliert.

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Bringing Baby Home – Väter im ersten Jahr nach der Geburt

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 16. Juni 2022

‚Bringing Baby Home‘ lautet der Titel der aktuellen Studie des britischen Fatherhoodinstituts. Dabei wurden empirische Daten über Väter und Vaterschaft im Vereinigten Königreich im ersten Jahr nach der Geburt untersucht. Wer sind die Väter, wie agieren sie, was beeinflusst ihr Handeln, welche Wirkungen auf Kinder und Mütter haben sie und wie gehen die Gesundheitsdienste mit ihnen um.

Was das Fatherhoodinstitut herausgefunden hat, bestätigt eine bedauerliche Tatsache: Die Gesundheits-Systeme sind nicht darauf ausgerichtet, neue Väter anzusprechen und zu unterstützen, obwohl es eindeutige Beweise dafür gibt, dass ein routinierter Umgang mit ihnen in der Perinatalperiode dringend erforderlich ist. Es gibt drei klare Gründe, die für eine bessere Unterstützung sprechen:

  1. Die körperliche und seelische Gesundheit der Väter hat erhebliche Auswirkungen auf die künftige Gesundheit und das Wohlbefinden des Kindes. Zu den negativen Folgen für das Kind, die nachweislich mit den Eigenschaften und Verhaltensweisen der Väter zusammenhängen, gehören ein erhöhtes Risiko für Fettleibigkeit, Atemprobleme und eine beeinträchtigte kognitive Entwicklung.
  2. Mütter wollen und können von einer besseren Einbindung des Vaters profitieren, indem sie bessere Geburtsergebnisse und -erfahrungen, eine bessere Unterstützung bei der Erholung nach der Geburt und bei der Aufnahme und Fortsetzung des Stillens sowie ein größeres Potenzial für eine Aufteilung der Betreuungsaufgaben erhalten
  3. Die Perinatalperiode ist ein „goldener Moment“, um Gesundheitsprobleme und Verhaltensweisen der Väter selbst zu erkennen und anzugehen.

Die Studie sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse finden Sie hier.

Quelle

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