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„Kindeswohl und Umgangsrecht“

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 3. Mai 2023

Was ist aus der „Petra Studie“ geworden?

Um herauszufinden, wie Kinder mit getrennten Eltern gut aufwachsen können hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Jahr 2015 die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ in Auftrag gegeben.

Zu einer Veröffentlichung der Studienergebnisse kam es bislang nicht. Auf Nachfrage teilte die Bundesregierung im Dezember 2020 mit, dass die abschließenden Arbeiten an der Studie noch immer ausgeführt würden. Nach dem Tod des Studienleiters Herrn Prof. Dr. Petermann sei die Forschungsdirektorin des Deutschen Jugendinstituts, Frau Prof. Dr. Walper, zur Auswertung und Finalisierung der Studie hinzugezogen worden. Auch die mit der Corona-Pandemie verbundenen Einschränkungen hätten zu weiteren Verzögerungen geführt, sodass eine Veröffentlichung erst im Jahr 2021 möglich sei.

Aus dem Jahresbericht 2019 der mit der Studie beauftragten Forschungsgruppe Petra geht hervor, dass entgegen den Erwartungen weiterhin an der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ gearbeitet werden musste, weil es „Modifikationswünsche“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend umzusetzen galt.

Zudem wurde bekannt, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Verlauf der Studie Vorgaben änderte, obwohl das Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz in einer Stellungnahme eine Verfahrensänderung als nicht erforderlich erachtete. Damit ein Kind an der Studie teilnehmen durfte, mussten fortan beide Eltern der Befragung des Kindes zustimmen. Zu Beginn der Studie reichte noch die Zustimmung eines Elternteils aus.

Auch wurde die Studie anfangs von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet, der insgesamt viermal getagt haben soll. Die letzte Beiratssitzung fand bereits im April 2017 und somit vor Abschluss der Studie statt. Mitgliedern des Beirates zufolge wurden bereits am 30. April 2019 dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine „weit entwickelte Fassung der Studie“ übergeben. Die Frage, was abgegeben wurde, beschäftigte auch das Verwaltungsgericht Berlin. Laut den Rechtsanwälten der Auftraggeberin entsprechen die vorgelegten Unterlagen noch keinen wissenschaftlichen und fachlichen Standards.

Zuletzt wurde bekannt, dass der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit die weitere Auswertung der Studie aufgrund von erheblichen datenschutzrechtlichen Bedenken untersagt hat. In dem entsprechenden Bescheid vom Februar 2021 werden die Einwilligungen der Studienteilnehmer bemängelt. Bereits im Frühjahr 2017 soll der Bundesbeauftragte gegenüber dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstmals entsprechende Bedenken ge-äußert haben. Laut Bundesministerium stünden die Behörden seither im Austausch, um offene Fragen und Beanstandungen zur Studie zu klären. Das Bundesministerium prüft derzeit die Kritik und ob die Untersagungsverfügung einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterzogen werden soll.

Das ist ein kurzer Abriss der ‚offiziellen Lesart‘ des Schicksals der „Petra Studie“, soweit es aus Anfragen der Parteien im Bundestag nachzuvollziehen ist. Auf der Internetseite www.fragdenstaat.de ist dazu zu lesen: „Die Ergebnisse liegen schon lange vor und wurden bisher nicht veröffentlicht. Die Studie wurde mit Steuergeldern finanziert und die Öffentlichkeit hat ein Recht auf die Ergebnisse. Der Hinweis des Ministeriums auf „laufende Gerichtsverfahren” erschien damals schon vorgeschoben und lässt sich nach weiteren Monaten des Abwartens nicht mehr aufrecht erhalten.“

In einem Spiegel Beitrag vom 11. Februar 2022 wird über die Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts vom August 2021 berichtet: „Familienministerium muss Studie zu Trennungskindern herausgeben“

„Die Studie entspricht absolut den wissenschaftlichen Gütekriterien, das bestätigen uns auch unabhängige Fachleute. Wir haben die Vorgaben des Ministeriums, wie besprochen, umgesetzt“, wird Stefan Rücker, Leiter der Forschungsgruppe Petra dort zitiert.

Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin legte das Familienministerium Berufung ein: Es ist nicht der Auffassung, dass es einen Anspruch auf Zugang zu Entwurfsfassungen gibt. Eine Sprecherin des Ministeriums teilte jetzt mit, die Studie solle fertiggestellt werden. Die neue Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) messe ihr eine „hohe Bedeutung“ zu.

Da inzwischen weitere zwei Jahre vergangen sind ist davon auszugehen, dass den politisch Verantwortlichen im Familienministerium, und seit der Vergabe im Jahr 2015 sind es sechs Ministerinnen: Schwesig, Barley, Giffey, Lambrecht, Spiegel und Paus, die Ergebnisse der Studie nicht passen und die wichtigste Zielsetzungen der „PETRA-Studie“, eine empirische Grundlage dafür zu schaffen, Umgangsregelungen nach einer Trennung der Eltern stärker am Wohl und an den Bedürfnissen von Kindern anzupassen und Belastungen zu vermindern, nicht zu den prioritären Zielen gehört. Das erklärt auch, warum wichtige Reformvorhaben im Familienrecht seit Jahren nicht in die Wege geleitet werden.

Zum Schluss eine kurze Anekdote: der Autor dieses Beitrags war in seiner Eigenschaft als Mitglied im Vorstand des Bundesforum Männer im Juni 2014 bei einem Gespräch im Familienausschuss des Bundestages. Der damalige Vorsitzende Paul Lehrieder nahm bei seiner Begrüßung das gerade erschienene Buch von Frau Sünderhauf: „Wechselmodell: Psychologie-Recht-Praxis; Abwechselnde Kinderbetreuung durch Eltern nach Trennung und Scheidung“ in die Hand und erklärte sinngemäß: Mit dem Thema werden wir uns jetzt auch befassen, aber bevor wir etwas entscheiden, wird es dazu erst einmal eine Studie geben.

Quelle

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