Ständige Erreichbarkeit – Auswirkungen und Konsequenzen
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Sonntag 16. Februar 2014
Für Mitarbeitende bei BMW ist ein Recht auf ‚Unerreichbarkeit‘ vereinbart worden. Einige der wenigen Untersuchungen zu Ursachen und Folgen der ständigen Erreichbarkeit ist 2011 vom Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) in Kooperation mit der Unfallkasse Hessen durchgeführt worden. 430 Beschäftigte wurden nach den Gründen und Folgen der Erreichbarkeit gefragt.
Es zeigt sich, dass der Großteil der Beschäftigten auch in der Freizeit für dienstliche Belange erreichbar ist. Die meisten fühlen sich hierdurch nicht oder nur wenig belastet. Ungefähr jeder Siebte oft oder immer Erreichbare fühlt sich stark oder sehr stark belastet.
Dasselbe gilt für die Arbeitszeit: Auch hier fühlt sich ungefähr jeder Siebte stark oder sehr stark belastet, wenn er oft oder immer im Außendienst oder auf Dienstreisen erreichbar ist. Diejenigen, die nur manchmal oder nicht erreichbar sind, finden, dass viel Unnötiges besprochen wird. Außerdem vertrauen sie darauf, dass die Mitarbeiter und Kollegen auch ohne sie die richtigen Entscheidungen treffen und in ihrer Freizeit wollen sie abschalten, um Kraft für die weitere Arbeit tanken zu können.
Negative Folgen der Erreichbarkeit werden insgesamt eher niedrig eingeschätzt. Am häufigsten wird genannt, dass die Befragten an die Arbeit denken. Für die Personen, die sich stark belastet fühlen, sollten möglichst schnell Maßnahmen ergriffen werden, um ihre Belastung zu reduzieren. Eine schnell durchzuführende Maßnahme, die nach Ansicht der Befragten am meisten helfen würde, besteht in einer eindeutigen Kommunikation. Hier sind sowohl die Vorgesetzten als auch die Mitarbeiter gefordert:
Beide Seiten sollten von sich aus die jeweiligen Erwartungen und Bedürfnisse miteinander klären. Auch diejenigen, die sich nicht oder nur wenig belastet fühlen, sollten zeitweise „offline“ gehen, um abschalten und sich erholen zu können. Ruhepausen sind wichtig, um die eigene Gesundheit auch langfristig erhalten zu können.
Die Studie hat nämlich gezeigt, dass der Knackpunkt häufig ein Kommunikationsproblem ist. Die meisten Beschäftigten glauben nur, erreichbar sein zu müssen, obwohl es dazu keine Vereinbarung mit den Vorgesetzten gibt: 37 Prozent dieser Befragten haben schlicht das Gefühl, dass sie immer ansprechbar sein müssten, 40 Prozent gehen davon aus, weil sie ein Diensthandy bekommen haben und 22 Prozent kontrollieren E-Mails und Mailbox auch nach Feierabend, weil das alle so machen würden.
„Nur ein Viertel hat tatsächlich diese Vereinbarung“, fasst Dr. Paridon, Leiterin der Studie, das überraschende Ergebnis zusammen. Und offenbar ist ständige Erreichbarkeit nicht immer zielführend: Es werde viel Unnötiges besprochen, so sehen es zumindest diejenigen, die nicht immer erreichbar sind. „Ein Grund dafür ist das Bedürfnis, sich abzusichern, weil sich Mitarbeiter oft vor Verantwortung scheuen und die Vorgesetzten das auch fördern“, erklärt die Wissenschaftlerin.
Einige der Befragten hatten zudem den Eindruck, dass sich Vieles von selbst erledige, wenn sie gar nicht reagieren würden. Die Forscher raten deshalb Vorgesetzten, ihre Erwartungen an ihre Angestellten klar zu äußern: „Letzten Endes bleibt nur reden, reden, reden und offen sagen, wenn man eine Auszeit braucht.“, sagt Dr. Paridon.