Ich dachte wir wären weiter
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Dienstag 27. November 2012
Steffen Schmitt, stellvertretender Ressortleiter Wissen bei der Zeit ist gerade zusammen mit seiner Frau in Elternzeit und kümmert sich um die Drillinge Jonathan, Ella und Linus. Für die taz beschreibt er seine Beweggründe und Erlebnisse.
‚Seit Mai bin ich in Elternzeit. „Viel Spaß im Von-der-Leyen-Urlaub“, hatte ein Freund gefrotzelt. „Warte doch damit, am Anfang braucht ein Kind sowieso nur die Mutter“, hatte ein Kollege geraten. „Und was ist mit deiner Stelle?“, fragte meine Oma.
Das Thema steckt voller Projektionen. Es ist politisch. Es geht nicht nur um ein paar Monate Auszeit, sondern sozusagen um das Gegenstück zur Forderung nach Frauenquoten. Es geht darum, ob Eltern sich die Familienarbeit fair teilen.
Tagsüber, wenn ich den Kinderwagen durch die Stadt schiebe, sehe ich Väter mit Babys, zumindest in den Vierteln, wo man es auch vermuten würde. Doch auch dort sehe ich mehr Mütter als Väter. Wir Männer sind die Ausnahme. Als Vater von Drillingen bin ich erst recht Exot.
Anders ist es, wenn meine Liebste dabei ist. Dann wird sie mitleidig gefragt: „Haben Sie denn irgendeine Hilfe?“ Ich werde geflissentlich übersehen. Die Physiotherapeutin will ihr die neuen Übungen für die Babys zeigen, nicht mir.
Wenn uns Fremde fragen, wie wir das schaffen mit drei Säuglingen, und ich dann antworte „Prima“ (oder auch mal: „Geht schon“), ernte ich irritierte Blicke, die mir zu bedeuten scheinen, ich hätte da ja sicher gut reden.
Als einer der Jungs für eine Operation ins Krankenhaus musste, konnte ich nicht auf der Station mit den Elternbetten übernachten, weil da sonst nur Mütter waren. Väter als Besucher ja, aber als Babyzuständige, ganz selbstverständlich? Nein. Und das scheint weit übers Krankenhaus hinaus zu gelten.
Ich dachte, wir wären weiter. Waren nicht nach der Einführung des Elterngelds 2007 die Zeitungen voll von Erfahrungsberichten wickelnder Väter? Liest man nicht regelmäßig, sie nähmen vermehrt Elternzeit? …
Wie lange kann, soll, will ich? Mir hat mein dreifaches Kinderglück diese Entscheidung abgenommen. Es war klar, dass ich für die Drillinge lange aussetzen würde, gemeinsam mit meiner Frau. Ganze 14 Monate fehle ich in der Redaktion, verpasse ich den Flurfunk, werde ich bei meiner Rückkehr wieder aufholen müssen.
Meine Babys durch ihr erstes Lebensjahr zu begleiten, ihnen auf die Beine zu helfen und sie in der Krippe einzugewöhnen – das empfinde ich als Privileg. Endlos könnte ich von Lachen, Staunen und kostbaren Momenten schwärmen. Jedem Freund würde ich raten: Lass dir das nicht entgehen! Auch weil ich spüre, dass ich für meine Kinder genauso Bezugsperson werde wie ihre Mutter – eine Gleichwertigkeit, die vielen Männern lange verwehrt blieb. …‘
Dienstag 27. November 2012 um 21:41
Tja, nicht jeder Vater kriegt es von der Mutter erlaubt sich so um das Kinderglück zu kümmern. Ich dachte auch, wir wären weiter, aber in Deutschland herrscht eine Elternschaftsvorstellung wie in den 50er Jahren und eine unheilige Allianz aus Feministen und Erzkatholiken verteidigt diese bis aufs Blut.
Donnerstag 29. November 2012 um 20:46
Amüsanter Beitrag….allerdings, wenn die Feministinnen wirklich authentische Feministinnen wären und nicht rückwärtsgewandt, dann sähe das m.E. alles ganz anders aus: „Ein Fluch, der auf der Frau lastet…besteht darin, dass sie in ihrer Kindheit Frauenhänden überlassen bleibt.“ (Quelle: de Beauvoir, Das andere Geschlecht, S.349). Ein paar interessante Facetten über den „Sonderfall (Pseudo)Feminismus“ liefert m.E. der Beitrag „Die Sehnsucht nach der traditionellen Männlichkeit“ von Prof. Amendt in „Befreiungsbewegung für Männer, S.41. Ich kann mich mit allen Beiträgen aus dem Buch nicht unbedingt identifizieren, aber diesen Beitrag finde ich bemerkenswert.
Freitag 14. Dezember 2012 um 12:14
[…] Drüben bei Väter und Karriere gibt es noch ein paar weitere Eindrücke zu diesen Unterschieden im Original hier. Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen. Ab nächste Woche für die […]