Die Vätermonate haben Norwegen verändert
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Montag 5. November 2012
„Paaaappiiii – komm mal!“ hallt es über den Flur des norwegischen Arbeitgeberverbandes. „Paaappiiii“, fordert der kleine Junge in grünen Cargohosen und mit Stoffhase unter dem Arm vehement. Sein Vater steht vom Schreibtisch auf, kurz darauf laufen beide mit einem Stapel Kopien unter dem Arm um die Wette. Der Kleine ist zu krank, um in die Schule zu gehen, aber nicht so krank, dass sein Vater mit ihm zu Hause bleiben wollte. „Es ist durchaus üblich, die Kinder an solchen Tagen mit ins Büro zu bringen“, sagt Kristina Hagen vom norwegischen Arbeitgeberverband.
In weniger als zwei Jahrzehnten hat sich das Gesellschaftsbild in Norwegen rapide gewandelt. Das alte Familienbild – Mann arbeitet bis zum Umfallen, Frau kümmert sich um Haus und Kinder – wurde von einem Doppelverdiener-Modell abgelöst, das gleichzeitig ein Doppeleltern-Modell ist. „Wir wollen mit unserer Familienpolitik den Frauen die Möglichkeit geben zu arbeiten, und den Männern die Möglichkeit, für ihre Kinder zu sorgen“, sagt die Ministerin für Kinder, Gleichberechtigung und soziale Inklusion Inga Marte Thorkildsen der FTD. „Das stärkt die Position der Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in ihrer Karriere.“
Die Soziologin Anne Lise Ellingsäter von der Universität Oslo führt den Wandel auf die Politik zurück. „Institutionen und Politik sind maßgeblich, um den Alltag zu strukturieren“, sagt sie. Die wichtigste Errungenschaft: die Einführung der Vätermonate. Ähnlich wie in Deutschland bekommen Eltern nach der Geburt eines Kindes ein Jahr lang Elterngeld, 80 Prozent des Lohns. In Norwegen sind 14 Wochen für die Väter reserviert. „Die Vätermonate haben das Elternbild in Norwegen und damit auch die gesamte Gesellschaft nachhaltig verändert“, sagt sie. Der fürsorgliche Vater ist allgegenwärtig: Indem er seinen kranken Sohn mit ins Büro nimmt oder den Kinderwagen schiebt. „Mit den veränderten Gewohnheiten hat sich auch die Einstellung geändert“, sagt Ellingsäter.
Manchen geht der Kulturwandel allerdings zu weit. Die Ausdehnung der Vätermonate von 14 Wochen auf 18 Wochen scheitert bislang auch am Widerstand etlicher Frauengruppen. Jahrelang haben sie für das Recht der Frauen gekämpft, sich um ihre Babys sorgen zu dürfen, diese Errungenschaft wollen sie nicht wieder abgeben.‘