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Neue Eltern – alte Zwänge? – Baustelle Familienpolitik

Erstellt von Hans-Georg Nelles am Freitag 23. März 2012

Darüber diskutiert Matthias Hanselmann am Samstag von 9:05 Uhr bis 11 Uhr gemeinsam mit Karin Jurczyk und Hans-Georg Nelles. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Seit Jahren diskutieren wir über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Getan hat sich – wenn man die Realität junger Eltern anschaut – erschreckend wenig. Noch immer übernehmen 77 % der Mütter die Hauptlast der Familienarbeit.

Mittlerweile nimmt zwar ein Viertel der Väter Elternzeit, allerdings bleiben nur zehn Prozent dieser Männer mehr als zwei Monate zu Hause. Die Quote der in Vollzeit arbeitenden Mütter verharrt bei rund 30 %, bei Männern liegt sie nach wie vor bei 90 Prozent. Obwohl sie es nicht wollen, verfallen viele Paare, kaum dass sie Eltern werden, in die alten Rollenmuster. Und beide leiden darunter.

„Zu Beginn haben die meisten Paare mehr oder minder egalitäre Pläne“, sagt Karin Jurczyk vom Deutschen Jugendinstitut in München. „Dann kommen die Kinder, und es stellt sich die Frage, wie machen wir es jetzt? Und dann geht es um Verdienst und Karrierechancen, und es greifen die alten Muster. Es gibt natürlich Frauen, die versuchen, das zu ändern, aber sie scheitern und zwar nicht an ihren Männern, sondern an den Rahmenbedingungen. Und es gibt auch die Männer, die es versuchen, aber auch sie scheitern an den Rahmenbedingungen.“

Es gebe zwar die viel gepriesenen „neuen Väter“, aber: „Die zwei Vätermonate sind nun auch nicht so wahnsinnig viel. Denn es heißt eben auch, dass 75 % der Väter noch nicht einmal einen Tag Elternzeit nehmen.“
Die Sozialwissenschaftlerin und zweifache Mutter beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Familienpolitik. Reformen, so ihre Erfahrungen, kämen viel zu langsam voran.

„Es tut sich etwas, aber es tut sich viel zu wenig, und das Ganze ist nicht konzeptgeleitet. Es gibt viele Einzelprojekte, die sind aber nicht abgestimmt und von einer Gesamtidee getragen.“ Daran habe auch der nunmehr achte Familienbericht der Bundesregierung nichts geändert, der in dieser Woche vorgestellt wurde.

„Wir haben keinen Erkenntnisbedarf, wir haben einen Handlungsbedarf!“, mahnt auch Hans-Georg Nelles. Der Sozialwissenschaftler und Autor des „VÄTERBlog“ engagiert sich seit mehr als 15 Jahren für eine aktive Vaterschaft. Vor neun Jahren gründete der dreifache Vater die Beratung „Väter und Karriere“, bei der er nicht nur ratsuchende Männer, sondern auch Firmen und Institutionen informiert, wie Väter Beruf und Familie besser vereinbaren können.

Seine Beobachtung. „Nach wie vor ist es so, dass von Männern erwartet wird, Vollzeit zu arbeiten, und dass Frauen dazuverdienen. Das ist zumindest das westdeutsche Modell, in der DDR war es ja anders. Das verhindert eine partnerschaftliche Aufteilung und widerspricht dem Willen vieler Paare. Dazu kommt die fehlende Infrastruktur, Kinderbetreuung. Und wenn Kinder da sind, geht ein Großteil der Energie drauf, diese fehlenden Angebote zu kompensieren. Und das schreckt junge Menschen ab.“

Die Traditionalisierungsfalle betreffe beide – Frauen wie Männer:  „Ich erlebe sehr viele Männer, die die Panik kriegen und sagen, ‚Es hängt alles von meinem Einkommen ab‘. Es passt nicht zur Rolle, überfordert zu sein, es gilt als unmännlich. Und da fangen die Probleme an.“

Quelle

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3 Kommentare zu “Neue Eltern – alte Zwänge? – Baustelle Familienpolitik”

  1. Chris sagt:

    „Obwohl sie es nicht wollen, verfallen viele Paare, kaum dass sie Eltern werden, in die alten Rollenmuster. Und beide leiden darunter.“

    Ich denke, hier irren Sie, Herr Nelles. Das angebliche Leiden existiert m.E. eher in Ihrer Vorstellung und Sie projizieren es auf die Menschen. Aus Umfragen und Studien weiss man, dass es vorwiegend die Frauen sind, die in der Regel gar nicht Vollzeit arbeiten wollen, sondern Teilzeitarbeit bevorzugen. Warum auch nicht ? Es ist doch eine verständliche persönliche Entscheidung, wenn man Freizeit höher gewichtet als Geld und Karriere. Mir erscheint es häufig wie eine ausschließlich ideologisch motivierte Trotzreaktion einiger Feministinnen, unbedingt gleiche Erwerbstätigkeit von Frauen im Vergleich zu Männern zu fordern, es geht an den Bedürfnissen der Menschen vorbei und hat seine Ursache vermutlich einfach in einer weiblichen bzw. feministischen Profilneurose. Dem sollte man keinen Vorschub leisten, sondern die Menschen selbständig und eigenverantwortlich über ihr Leben entscheiden lassen.

  2. Mark von Väterblog Papalapapi sagt:

    Eine tolle Sendung, habe ich aufmerksam verfolgt. Leider wieder mal viel zu wenig Zeit für ein wichtiges und umfassendes Thema, das in der Tat keiner Gesamtidee, keinem Gesamtkonzept von politischer Seite folgt.

    Ich hätte auch viel zu sagen dazu, was ich demnächst in meinem Weblog auch tun werde. Ich wartete zur Sendung auf „Deutschlandradio Kultur“ über eine halbe Stunde in der Leitung, um etwas über „Kita-Scheine“ und die Kosten der Kinderbetreuung zu sagen.

    Nach 60 Jahren fällt den Gesetzgebern ein, für alle Krippenplätze bereitzustellen. Wobei es ja an den Stunden hängt, die Eltern ihre Kleinen in die Kindergärten geben. Dafür lässt man sich Kita-Scheine ausstellen. Unter 6 Stunden pro Tag – und das ist schon wenig – besteht kaum eine Chance, ein Kind unterzubringen. Die Kitas sind aus Kostengründen darauf angewiesen, „Vollzeitkinder“ zu nehmen. Von den Erwerbstätigen wird Flexibilität verlangt, aber hier? Pustekuchen mit Flexibilität. Kindergartenplätze sind immer noch zu teuer, zu rar, zu unflexibel und zu unsicher in diesem Land. Dabei fängt genau hier die Bildung an, hier, in den Kindergärten verläuft die Schnittstelle zwischen Familien- und Bildungspolitik. Aber das scheinen die Politik, die offenbar auch schon den ÜBERblick verloren haben, anders zu sehen. In Hamburg haben sie die Studiengebühren abgeschafft. Bildungspolitik wegen der Wählerstimmer der Studenten (die natürlich keine Kinder haben). Dabei wird dieses Geld weiter unter gebraucht, dort, wo alles anfängt: In den Familien und Kindergärten!

  3. Frank Schneider sagt:

    Eine tolle Sendung, wie so häufig, auf Deutschland Radio Kultur.

    Ich habe glücklicherweise nur eine 1/4 Stunde auf meine Sendezeit warten müssen.

    Eine besondere Erkenntnis erhielt ich hierbei durch einen von Herrn Nelles (Wie er sagte)übernommenen Wort- bzw. Satzlaut, auf meine Berichterstattung, über eine erhaltene Kündigung nach Rückkehr aus einer 11 monatigen Elternzeit. (10 jährige Betriebszugehörigkeit)

    „Ihr damaliger Chef hat dies aus erfahrener Produkt Entäuschung getan“.

    Das Gericht hat mir Recht gegeben (Dafür war meine Sendezeit zu kurz) aber wie gesagt:“ Ich hatte dann was neues“.

    Zu den Kita Gebühren, muss ich zugeben, dass ich den Ansatz mit den Studiengebühren, wie in dem Kommentar vor meinem aufgeführt, auch verfolgt habe. Allerdings, bin ich aus meiner täglichen Berufserfahrung dazu übergegangen, zu fragen :“Warum sind so viele Familienlose (und/oder Kinderlose) in den mittleren/oberen Führungsschichten. Ich wünsche meinem Sohn (später) auch die Möglichkeit zu Studieren und finde diesen Ansatz, auch aus diesem Grunde, daher zu kurz gegriffen.
    Ich finde es wichtiger größere Rentenanreize für Familien zu finden.

    Aber noch mehr zu den Kita Gebühren:(Meine Sendezeit war kurz gehalten)
    Ich habe derzeit 75% Kurzarbeit. Der Februar Lohn wurde noch nicht ausgezahlt. Die Kita Gebühren von 400,-€ (in Hamburg + Essen) fallen trotzdem an.
    Meine Kollegen (nicht alle) die keine Kinder haben, mögen so eine schlimme Zeit, zumindest ersteinmal, sorglos überstehen. Ich für meinen Teil, habe große finanzielle Hürden zu überwinden, um überhaupt über Wasser zu bleiben.

    Womit ich zur Rentenversicherung übergehen möchte:
    – Ich habe während des Interviews erwähnt das Mütter, automatisch , 3 Jahre Rentenansprüche erhalten und das Väter diese Ansprüche explizit stellen müssen. Ergänzen möchte ich diese Aussage durch die Erkenntnis, dass Väter diesen Anspruch, spätestens, 1 Monat nach Beendigung der Elternzeit, stellen müssen.

    Wo ich Recht geben muss, ist, dass das Thema zu kurz behandelt wird.

    Abschließend möchte ich meiner Frau und meinem Sohn, alle Liebe zusprechen, die sie, zu Recht, erhalten.

    Einen extra Gruß noch an Horst, der die Vätergruppe in Hamburg Eimsbüttel leitet.

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