Zu wenig Zeit
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Montag 19. März 2012
… haben Familien in Deutschland. Das war ein (vorhersehbares) Ergebnis des in der vergangenen Woche in Berlin präsentierten 8. Familienberichts. Deshalb soll Familienzeitpolitik für die Bundesregierung zukünftig ein wichtiges Feld der Familienpolitik sein, erklärt die zuständige Ministerin. „Zeit für die Familie zu haben, gehört zu den zentralen Voraussetzungen, damit Familienleben gelingen kann. Mütter und Väter sollen ihr Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten und über ihre Zeit souverän und entsprechend ihrer Wünsche entscheiden können.“
Hört sich gut an. Und die Konsequenzen? Werden die lange bekannten Hindernisse auf dem Weg zu einer partnerschaftlicheren Aufgabenteilung in Familie wie das Ehegattensplitting angegangen? Gibt es gar steuerliche Anreize für Väter und Mütter die Arbeitszeiten grundsätzlich auf ca. 30 Stunden pro Woche zu reduzieren? Wird die Einbahnstraßenregelung im Teilzeit- und Befristungsgesetz mit dem Anspruch auf Reduzierung ohne den Anspruch auf Rückkehr auf eine volle Stelle beseitigt?
Fehlanzeige auf der ganzen Linie! Stattdessen werden Oma und Opa ins Spiel gebracht, die sollen’s richten und in die Großelternzeit gehen. Dass ihre Lebensarbeitszeit gerade verlängert wird und auch die Aufgabe der Pflege von älteren Angehörigen auf sich nehmen, was soll’s. Der Vorschlag wirkt erst einmal und überdeckt, dass andere, längst überfällige Reformen im Bereich des Elterngeldes nicht angepackt werden. Der Ausbau des Teilelterngeldes – von der Ministerin bereits angekündigt und dann wieder in der Versenkung verschwunden – gehört auf die politische Agenda. Und auch die Ausweitung der Vätermonate ist notwendig, um die Zeitverteilung bei der Familienarbeit fairer zu gestalten.
Für Eltern kleinerer Kinder sind gute, umfassende und flexible Betreuungsmöglichkeiten von zentraler Bedeutung. Betreuungswünsche und –wirklichkeit fallen immer noch weit auseinander. Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz muss als Anspruch auf einen Ganztagsplatz ausgestaltet werden. Die Verantwortlichen in den Kommunen wissen längst, dass die im Gesetz genannten, und vielfach kaum noch zu erreichenden 35% Versorgungsquote nicht ausreichen. Um als Standort für Unternehmen und junge Familien auch in Zukunft attraktiv zu sein, braucht es mindestens 60% Plätze für unter 3-jährige.
Väter und Mütter wollen selbstverständlich auch Zeit mit ihren Kindern und gemeinsam mit Ihrem Partner bzw. der Partnerin verbringen. Da der Tag nur 24 Stunden und die Woche 7 Tage hat, kommt es neben dem oben genannten darauf an, eigene Wege aus dem scheinbaren Dilemma zu finden. Das bedeutet gemeinsam Prioritäten zu formulieren und Spielräume für Kompromisse auszuloten, denn ‚Time is money‘ mehr Zeit zu haben kostet etwas. Aber die Zeit mit Kindern und eine gelingende Partnerschaft sind unbezahlbar!
Dienstag 20. März 2012 um 23:01
Die alten Griechen unterschieden zwischen der fortschreitenden Zeit, Chronos, und dem rechten Moment, der Zeitqualität Kairos. Wenn es in Familien an gemeinsamer Zeit mangelt, dann werden die besonderen Momente knapp, aus denen die familiäre Gemeinschaft Kraft zieht. Kraft, die stark macht für Herausforderungen und schwere Stunden. Es kommt noch eines hinzu: In Deutschland verbringen Kinder heute zwar immer mehr Zeit in professionellen pädagogischen Institutionen, es interessiert sich jedoch darob kaum jemand für die so wichtige Betreuungsqualität. In den Schlagzeilen steht allein die seinerzeit von der Politik verkündete flächendeckende Versorgungsquote. Das ist bedauerlich, denn wie wir nicht zuletzt in diesem Blog vielfach nachlesen können, spielen die soften Beziehungsthemen für die kindliche Entwicklung eine knallharte Rolle.