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Der Hund liegt im Kinderzimmer begraben

Erstellt von Hans-Georg Nelles am Donnerstag 8. Dezember 2011

… sagt Walter Hoffmann, Psychoanalytiker und Leiter des Instituts für Angewandte Tiefenpsychologie. Im Interview mit Oliver Mark erläutert er einige Ursachen menschlicher Maßlosigkeit:

‚… derStandard.at: Sie skizzieren den Arbeitsplatz als Verlängerung des Kinderzimmers, wo alte Beziehungsmuster reaktiviert werden. Welche Mechanismen sind da im Spiel?

Hoffmann: Das hat mit der biologischen Prägung des Menschen zu tun, die Ressourcen der Eltern für sich zu beanspruchen. Im Kinderzimmer geht es darum, vor allem wenn es mehrere Geschwister sind, das Lieblingskind zu sein. Das motiviert Kinder brav zu sein, um sich die Liebe der Eltern zu erhalten. Gleichzeitig führt das zu einer Rivalität mit den Geschwistern. Geschwisterliebe ist ein Mythos, in Wirklichkeit gibt es ein Kain und Abel-Verhältnis im Unbewussten.

derStandard.at: Was hat das mit dem Büro zu tun?

Hoffmann: Diese Muster können sehr einfach auf die Arbeitswelt übertragen werden, weil sie dort ein ganz ähnliches Familienmodell vorfinden. Mit dem Chef gibt es eine Autorität, die den Mitarbeitern, den Kindern, vorgesetzt ist. Diese Autorität wird automatisch mit Zuschreibungen aufgeladen, die mit dem Rationalen nichts zu tun haben, sondern nur mit der Rolle des Menschen und nicht mit dem Menschen selbst. Auch am Arbeitsplatz geht es darum, in der Gruppe der Beste zu sein. Also jene Person, die von der Autorität die Zuwendung erhält. Das Lieblingskind der Eltern.

derStandard.at: Welche Konsequenzen hat das im Umgang mit Kollegen?

Hoffmann: Das führt zu Rivalitäten auf der einen, und Kooperationen auf der anderen Seite. Allianzen werden eingegangen, um einen Vorteil zu bekommen. Das sind Gefühle, die bis in die früheste Kindheit zurückreichen. Das Verhältnis zu Vorgesetzten entspricht oft der emotionalen Struktur von Vater-Mutter-Kind-Beziehungen. Welche Strategie der Mensch wählt, ist scheinbar individuell, praktisch stellt sie aber immer wieder die Rivalität im Kinderzimmer her.

derStandard.at: Wie äußert sich das im Verhalten?

Hoffmann: Das kann sich so äußern, dass man um Anerkennung ringt oder das Gefühl hat, nicht gemocht zu werden, ohne dass es eine rationale Grundlage dafür gibt. Das sind Bilder, die im Hirn neuronal gespeichert sind und durch geeignete Auslöser übertragen werden. Wie im Kino, wo aufgezeichnete Filme in der Gegenwart abgespielt werden ohne dass wir merken, dass schon viel früher aufgezeichnet wurde.

derStandard.at: Und als Einzelkind?

Hoffmann: Ein Einzelkind ist von Haus aus darauf eingestellt, dass es das Wichtigste ist. Viele sind zutiefst gekränkt, wenn ihnen jemand anderer vorgezogen wird, weil das nicht in ihr emotionales Bild passt.

derStandard.at: Auch das spiegelt sich im Büro wider?

Hoffmann: Absolut. Es kommt zu Kränkungen, die ein anderer Mitarbeiter in dieser Form nicht erleben wird, weil er mit solchen Situationen vertraut ist. Oft sind das Leute, die mit so einem Selbstbewusstsein ausgestattet sind, dass sich die anderen gar nicht trauen, die Kompetenz infrage zu stellen und sich spontan der Dynamik unterwerfen. Im Büro sind viele irrationale Gefühle im Spiel. Die Leute sind sich dessen zwar bewusst, versuchen diese aber dennoch pseudorational oder pseudointellektuell zu erklären. Es geht nicht um dumme Vorschläge oder Ideen, die kaputt gemacht werden, sondern um das Gefühl dahinter, das sie zum Scheitern bringt.

derStandard.at: Welche Gefühle verbergen sich hinter Konflikten im Büro?

Hoffmann: Etwa Neid, Missgunst oder Eifersucht. Menschen wollen zum Beispiel auf sich aufmerksam machen, indem sie bewusst die Gegenposition einnehmen. Konflikte werden nicht sachlich, sondern emotional ausgetragen. Nicht die Realität des Arbeitsplatzes ist entscheidend, Gefühle von früher werden jetzt abgerufen. Sie reagieren nicht wie auf eine Kollegin, sondern wie auf die Schwester oder den Bruder. Mit Wut, Rivalität, Eifersucht oder auch Beschützerinstinkt, wenn es eine gute Beziehung war. Wenn man sich als Lieblingskind fühlt, verlangt man auch den Schutz durch die Eltern. Die Erwartungen haben nichts mit der Realität zu tun, sondern werden rein über den Film aus der Vergangenheit gespeist. …‘

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