Koalitionsparteien diskutieren Männlichkeitsbilder
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Dienstag 8. März 2011
In der Koalition ist eine Debatte über die Emanzipation der Männer in der Gesellschaft entbrannt. „Es sind derzeit nicht selten die Männer, die Probleme haben, ihre Rolle zu finden“, sagte Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, zur taz, „insofern brauchen sie sicher mehr Selbstbewusstsein“.
Jungen seien die Bildungsverlierer von heute, sagte Spahn der taz: „Im Bildungssystem etwa haben heute die Jungs aus der Stadt Probleme, nicht wie früher die Mädchen vom Land.“
Joachim Herrmann (CSU), Innenminister in Bayern, sieht Nachholbedarf im Alltag. „Gleichberechtigung von Mann und Frau ist heute juristisch eine Selbstverständlichkeit, praktisch gibt es aber noch viel zu tun“, sagte Herrmann zur taz. …
Hintergrund der Debatte ist ein Gastbeitrag von Kanzlerin Angela Merkel in der Sonderausgabe der taz zum 100. Internationalen Frauentag (Ausgabe vom 8. 3.). Darin hatte die CDU-Politikerin die Männer aufgefordert, über sich nachzudenken. „Ich bin überzeugt: Sie haben viel zu gewinnen“, schreibt Merkel. Und: „Wenn junge Väter heute selbstverständlich Elternzeit nehmen, wenn ich sie in Berlin mit ihren Kindern auf den Spielplätzen sehe, dann haben sie keine alte Rolle aufgegeben, sondern eine neue, positive hinzugewonnen.“
Johannes Vogel, Mitglied des FDP-Bundesvorstandes, fühlt sich durch Merkels Statement „selbstverständlich angesprochen: Allgemein und persönlich“, sagte Vogel gegenüber der taz. In der Generation des 29-Jährigen sei es „absolut normal, dass Väter Elternzeit nehmen. Darüber muss ich gar nicht nachdenken.“ In seinem Freundeskreis kenne er kein Paar, bei dem das klassische Rollenmodell gelebt werde: der Mann als Alleinverdiener, die Frau als Hausfrau und Mutter.
Für jüngere Frauen und Männer spielt dieses Modell eine immer geringere Rolle. Das belegen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Danach will nur jede vierte Frau ausschließlich für Kinder und Haushalt zuständig sein. Bezeichneten sich 1999 mehr als 12 Millionen Frauen als Hausfrauen, waren es zehn Jahre später nur noch 8,8 Millionen. …
Dirk Niebel, FDP-Entwicklungshilfeminister, hatte 2005 als einziger männlicher Bundestagsabgeordneter zwei Jahre Erziehungsurlaub genommen. Seine Umwelt hatte darauf mit Irritation reagiert. „Die unterschwellige Reaktion war: Mann macht so etwas nicht“, sagte Niebel damals in einem Magazininterview. …
Die Politik müsse es Männern leichter machen, „ein neues Selbstverständnis zu leben“, schreibt Merkel in ihrem taz-Text: „Bitte keine schiefen Blicke mehr, wenn der junge Vater früher das Büro verlässt.“ Diesen Wunsch unterstützt auch CSU-Politiker Joachim Herrmann. Er habe das schon vor zehn Jahren so gemacht und dabei zahlreiche Väter getroffen. …Herrmann war als Nachfolger des zurückgetretenen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg im Gespräch, hatte einen Wechsel nach Berlin aber abgelehnt, weil er das Amt mit seiner Familie nicht in Einklang bringen könne.