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Die Krise wird zur Männer-Rezession

Erstellt von Hans-Georg Nelles am Donnerstag 30. April 2009

In diesem Fall stimmt ihre Prognose nicht. Im ‚Profil’ Interview hatte Alice Schwarzer auf die Frage: Werden die Frauen die Hauptleidtragenden der Wirtschaftskrise sein? geantwortet, ‚Davon ist auszugehen. Es trifft ja immer die Letzten in der Kette am härtesten.’ Das Gegenteil ist der Fall:

Es sind immer die gleichen Bilder, die derzeit um die Welt gehen: Bei Continental in Frankreich demonstrieren die Mitarbeiter, in Rüsselsheim fordern die Autobauer ein Rettungskonzept für Opel, in New York und London räumen die Banker ihre Büros, in denen sie nicht mehr gebraucht werden. Es sind die Bilder einer Krise – und die Gesichter der Menschen haben eines gemeinsam: Sie sind fast ausnahmslos männlich.

55 % aller Arbeitslosen sind derzeit männlich – und es werden wohl noch mehr. Männliche Mitarbeiter seien von der aktuellen Wirtschaftskrise stärker betroffen als weibliche. Während die Arbeitslosenquote bei Männern im April im Vergleich zum Vorjahr um 12,4 % stieg, ist sie bei Frauen um 2,8 % zurückgegangen. In absoluten Zahlen heißt das: Während 217.848 Männer ihren Job verloren haben, haben 46.939 Frauen sogar eine neue Stelle gefunden.

Eine Begründung, die man auch beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) teilt: „Der Abbau von Arbeitsplätzen trifft momentan vor allem männliche Fachkräfte, weil Industriebranchen wie Auto oder Maschinenbau nach wie vor Männerdomänen sind“, sagt DGB-Sprecherin Claudia Frank.

Außerdem werden derzeit vor allem Vollzeitstellen abgebaut – aber viele Frauen haben keine 40-Stunden-Woche: Ziemlich genau ein Drittel der werktätigen Frauen sind teilzeitbeschäftigt. Bei Männern liegt dieser Anteil gerade mal bei 5,5 %.

So überrascht es auch nicht, dass der Anteil von Frauen im Niedriglohnbereich deutlich höher ist: Laut Bundesagentur sind 67,4 % aller geringfügig Entlohnten weiblich – sie arbeiten als Altenpflegerinnen, Tagesmütter, jobben als Aushilfskraft in Supermärkten oder gehen putzen. Diese Jobs sind zwar nicht gut bezahlt, aber sie werden gebraucht.

Gleichzeitig profitieren Frauen in den besser bezahlten Bereichen – denn traditionell weiblich dominierte Branchen wie Bildung und Gesundheit sind weniger krisenanfällig.

„Frauen sind außerdem flexibler, was Ort und Art des Jobs angeht, sie orientieren sich schneller um“, sagt DGB-Sprecherin Frank. „Wenn eine Frau erkennt: ‚Hier habe ich keine Chance‘, dann versucht sie es woanders, das haben wir in den vergangenen Jahren in Ostdeutschland erlebt.“

Tatsächlich sind dort die jungen Frauen in die westdeutschen Bundesländer oder gar ins Ausland abgewandert – immer den Arbeitsmöglichkeiten hinterher. „Frauen haben in einer Gesellschaft, in der Dienstleistungen immer wichtiger werden, schlicht die besseren Jobs“, sagt Hans Bertram, Soziologe der Berliner Humboldt-Universität.

Denn dass etwa ehemalige Opel-Arbeiter reihenweise auf Dienstleistungsberufe umschulen, hält Bertram für unwahrscheinlich. „Aus einem Stahlarbeiter wird kein Mitarbeiter im Callcenter mehr.“ Dienstleistungsberufe setzten zumeist eine hohe Qualifikation voraus – die man nicht mal eben antrainieren könne. „Der Wandel kommt nur mit den Generationen: Junge Männer entscheiden sich inzwischen vielleicht häufiger, nicht mehr Kfz-Mechaniker oder Bauarbeiter, sondern lieber Krankenpfleger zu werden.“

Es macht also Sinn aus dem Tag der Arbeit, an dem alte Rollenbilder und Ideale hochgehalten werden einen Tag der Neuorientierung und der partnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Fürsorgearbeit zwischen Männern und Frauen, Müttern und Vätern zu machen. Ich bin mal auf die Ansprachen am morgigen 1. Mai gespannt.

Quelle

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