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‚Ein Ehrenmann schlägt seine Frau nicht’

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 27. April 2009

Im Gespräch mit Caroline Schmidt spricht Kazim Erdogan, der vor zweieinhalb Jahren in Berlin die erste türkische Vätergruppe ins Leben gerufen hat, über die Klischees, mit denen türkische Männer zu kämpfen haben und die Erfolge seiner Arbeit.

‘… SPIEGEL ONLINE: Sie sagten eben “meistens wachsen die Kinder bei den Frauen auf” – gibt es auch allein erziehende Väter?

Erdogan: Wir haben einige Väter in der Gruppe, die ihre zwei, drei Kinder alleine groß ziehen. Für die ist es am Anfang doppelt hart. Immerhin helfen oft die Großeltern.

SPIEGEL ONLINE: Spielen Ehre und Gewalt in diesen Gesprächen eine Rolle?

Erdogan: Wir reden darüber fast jeden Montag. Wir haben am Anfang unserer Sitzung immer eine Viertelstunde, in der jemand ein Thema vorschlagen kann. Oft spricht dann ein Mann irgendeine Gewalttat im Bekanntenkreis an, manche schildern auch eigene Aggressionen. Es ist für sie nicht einfach, ihre Frauen mit neuen Partnern zu sehen. Wir versuchen dann gemeinsam, denjenigen zu beruhigen. Und ich sage ihm dann immer, dass seine Ehre nicht von der Treue seiner Frau oder der Keuschheit seiner Tochter abhängt, sondern ganz allein von seinem Verhalten. Ein Ehrenmann rastet nicht aus und schlägt auf seine Frau ein.

SPIEGEL ONLINE: Es ist ein gängiges Vorurteil, dass türkische Männer sich nicht im Griff haben.

Erdogan: Damit haben die Väter immer zu kämpfen. Auch in den Behörden herrscht das Bild des brutalen, türkischen Mannes vor. Mit diesen Klischees wird man nicht leicht fertig. Wenn es zum Beispiel in einem Sorgerechtsstreit den Verdacht gibt, der Mann schlägt, sind die Kinder schnell weg. Viele Sachbearbeiter schenken den Geschichten der Frauen eher Glauben als denen der Männer.

SPIEGEL ONLINE: Welche Erfolge können Sie nach zweieinhalb Jahren Vätergruppe verzeichnen?

Erdogan: Die Männer sind offener geworden, viel offener. Türkische Männer reden sonst nie über ihre Probleme, Ehekrisen oder Scheidungen dürfen in traditionellen Familien niemals gegenüber Freunden oder Bekannten thematisiert werden. Sie sind auch ruhiger geworden, haben Tricks und Kniffe gelernt, sich selbst in schwierigen Situationen im Griff zu behalten. Viele Männer erzählen mir, dass sie sich jetzt mit ihren Kindern und Enkelkindern besser verstehen als früher, auch mit der Ehefrau laufe es besser. Manche haben jetzt eigene Vätergruppen gegründet, um diese Erfahrungen weiter zu geben.’

Quelle

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