Pubertät mit 50
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Samstag 24. Januar 2009
Jockel Tschiersch ist die Generation Patch einfach zuwider. Wenn er nur diese Patchwork-Weicheier sieht, diese Väter, die alle ganz, ganz lieb haben, dann glaubt er wieder an die unbefleckte Empfängnis.
Er kann sich nämlich beim besten Willen nicht vorstellen, dass einer dieser Daddys je einer Frau ein Kind gemacht hat. Auch in anderen Familien sieht es ziemlich übel aus. Bei Tilmann und Annalena etwa und ihrem dicken Sohn Ernst-Ludwig, die jeden Monat über 9000 Euro raushauen, um ihr Leben coachen zu lassen. Ohne Berater geht da nix mehr. Sogar die beiden Golden Retriever werden zwei Mal die Woche im Pfötchenparadies beim Energy-Flow psychologisch aufgebaut.
Obwohl jeder solche Typen kennt, die unter der Lupe betrachtet eigentlich in die Klapsmühle gehörten, ist in Jockel Tschierschs aktuellem Programm „Pubertät mit 50“ rein gar nichts normal. Zu seinem Erstaunen erkennt der vielbeschäftigte Schauspieler und Kabarettist, dass fast alle Mitmenschen, er selbst eingeschlossen, in irgendeiner Form gerade ihre zweite Pubertät durch machen. Unausgeglichenheit, starke Erregbarkeit und eine akut auftretende Protesthaltung sind dabei noch die geringsten Probleme.
Was Jockel Tschiersch da im BKA-Theater zeigt, ist wieder einmal großartiges One-Man-Kabarett-Theater. Er schlüpft in tausenderlei Rollen und Dialekte, spielt Szenen aus dem eigens erdachten Schundroman „Männer, Müll und ihre Entsorgung“ wie die vom Schnauzer-Bernd und der Östrogen-Elvira.
Natürlich geht es dabei immer wieder um den Jugendwahn älterer Semester und ihre Midlife-Debilität. Dem 51-jährigen Jockel Tschiersch ist ein hintersinnig-böser Ideen-Marathon gelungen. Die Empfehlung von Ulrike Borowczyk: Sehenswert! Unbedingt hingehen!
BKA-Theater, Berlin – Kreuzberg, heute 20:00 Uhr.