Karriere ist auch, wenn die Beziehung hält!
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Mittwoch 4. Juni 2014
In der kommenden Woche findet in Salzburg eine Podiumsdiskussion und ein Workshop zum Thema „Männer an den Herd; Neue Väter – neue Arbeitswelt“ statt. Im Vorfeld habe ich den Salzburger Nachrichten ein Interview gegeben:
„Wenn Männer engagierte Väter sind, wirft sie das schnell aus der Karrierespur. Trotzdem wollen vor allem junge Männer anders leben und arbeiten. Eine Herausforderung.
Karin Zauner Wenn Männer ihre Karriere und das Vatersein besser verbinden können, nützt das auch den Frauen im Berufsleben. Das sagt der deutsche Sozialwissenschaftler Hans-Georg Nelles im Gespräch mit den SN.
Ihr Projektansatz heißt „Väter und Karriere“. Wozu braucht man denn das? Es sind doch ohnehin die Männer, die Karriere machen.
Nelles: Im deutschsprachigen Raum haben wir die Vorstellung, dass Karriere heißt, ich werde Chef, ich komme an die Spitze, und ich übe Macht aus. Es gibt aber andere Definitionen von Karriere. Ein Kollege aus der Schweiz hat die Definition geprägt, Karriere ist, wenn die Beziehung hält. Die meisten, die Karriere machen, sind Männer. Wenn sie auch Väter sind, sind sie das meist im herkömmlichen Sinn.
Sie sind abwesende Väter, sie sorgen finanziell sehr gut für die Familie, aber sie haben keine Zeit, eine gute Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen. Auch die Beziehung in der Partnerschaft ist kritisch, denn Beziehungsbindung braucht Zeit. Männer, die nicht nur Väter im Sinne der Ernährer der Familie sein wollen, sondern Zeit für die Kinder haben wollen, stehen schnell vor der Frage, ob sie genauso Karriere machen wollen wie die traditionellen Väter. Väter, die für eine bestimmte Zeit mehr für die Familie da sein wollen, sind schnell weg von der Karrierespur.
Hat sich in dieser Frage in den vergangenen Jahren Wesentliches geändert? Oder ist das nur ein Thema für einige Randgruppen, bei denen es gerade populär ist?
Ich bin seit zwölf Jahren mit dem Thema in Unternehmen unterwegs. 2003 war das Thema noch ein absolutes Randthema. Wenn man damals in einem Unternehmen gefragt hat, was habt ihr für Väter im Angebot, dann haben die mich nach dem Motto angeschaut, was soll denn diese Frage? Seither hat sich viel geändert. Die jungen Männer und jungen Frauen wollen anders leben als ihre Eltern und Großeltern. Gerade in den Branchen, die nicht von Bewerbern überrannt werden, fragen junge Männer, was das Unternehmen denn den Vätern zu bieten habe. Unternehmensvertreter sagen, wenn wir uns darauf nicht einrichten, bekommen wir die guten Leute nicht mehr.
Wir brauchen sie aber. Das ist auch in mittelständischen Unternehmen ein Thema, nicht nur bei den großen, und es ist eine Folge des Generationenwechsels in den Unternehmen. Ich habe unlängst ein Gespräch mit dem Chef eines kleinen Familienunternehmens mit langer Tradition gehabt, der als erster verantwortlicher Chef Elternzeit genommen hat. Er ist nicht ganz ausgestiegen, aber statt 80 war er nur mehr 30 Stunden in der Woche im Unternehmen und alle haben gemerkt, das funktioniert. Das wirkt sich auf alle anderen aus.
Das Thema Beruf und Vereinbarkeit wurde lange Zeit nur von der Frauenseite aus betrachtet. Helfen jetzt die Männer mit, damit bei der Gleichstellung etwas passiert?
Es wird viel über die Frauenquote gesprochen, und sie wird auch etwas bewirken. Wenn ich das Thema aber von der Väterseite betrachte, und wenn Väter verstärkt in Elternzeit gehen, und das nicht mehr zum K.-o.-Kriterium wird, dann verändern sich die Unternehmenskultur und die Werte. Wir sind dann an einem Punkt, an dem Männer oder Frauen sagen: Ja, ich kann Verantwortung übernehmen, aber nicht zu diesen Bedingungen. Wenn Männer aber in der Versorgerfunktion sind, fügen sie sich bestimmten Bedingungen, die sie krank machen. Geben Männer aber stärker ihren Wünschen und Vorstellungen nach, dann werden sich Unternehmen anders ausrichten. Das kommt dann auch den Frauen zugute. Paare sagen oft, wir würden uns ja gern Familien- und Erwerbsarbeit besser aufteilen, aber das geht sich finanziell nicht aus, weil das Einkommen der Frauen zu gering ist.
So gesehen haben doch viele keine Wahlmöglichkeit, oder doch?
In den unteren Einkommensschichten wird doch schon genau das gemacht, worüber in den höheren Einkommensschichten geredet wird. Dort sind es die Lebensumstände und die geringen Einkommen, die die Paare dazu zwingen, dass beide Partner ein Einkommen haben. Hier gibt es die Wahlmöglichkeit nicht, dass einer zu Hause bleibt und der andere arbeiten geht. Diese Aufteilung der Ernähreraufgabe und der Familienarbeit ist hier freilich vielfach nicht so schön, wie sich das in den höheren Einkommensschichten gestalten lässt.
Wie reagieren die Führungskräfte in den Unternehmen, wenn Sie sie zum Thema Väter und Karriere beraten?
Viele sagen, dass sie es sich nicht vorstellen können, dass Männer freiwillig Fürsorgeaufgaben in der Familie übernehmen wollen und dies auch gut können. Diese Aufgaben werden immer noch als weiblich angesehen. Wenn sie sich das aber vorstellen können, haben sie oftmals die Befürchtung, nicht mehr dazuzugehören, etwa zu den Chefkollegen. Sie haben Angst vor Aussagen wie: Der hat ja seine Abteilung nicht im Griff, bei dem gehen ständig Männer in Elternzeit. Da wird schnell die Männlichkeit infrage gestellt.
Von wem geht der stärkste Druck aus? Von den Jungen oder von der Generation der Älteren, die jetzt bei ihren erwachsenen Kindern erleben, wie schwierig es für sie ist?
Ich denke, der größte Druck kommt von den Jungen, weil sie es anders haben wollen. Der zweite große Katalysator sind aber die Führungskräfte mit Mitte bis Ende 50, die bei ihren eigenen Kindern erleben, was es heißt, wenn es in den Unternehmen nicht passt. Die reflektieren das auch. Sie sagen, als ich angefangen habe, war es anders, aber meine Tochter will das nicht mehr so, und das verstehe ich gut. Deren Einfluss ist nicht zu unterschätzen.
Er holt das Thema Vereinbarkeit aus der Frauenecke
Hans-Georg Nelles ist Sozialwissenschaftler und Organisationsberater in Deutschland und seit mehr als 15 Jahren für die Durchführung von Projekten im Themenfeld Vereinbarkeit von Arbeit und Leben verantwortlich. Vor zehn Jahren hat er „Väter und Karriere“ entwickelt, ein Projektansatz, der Unternehmen für die Belange von Vätern sensibilisiert und versucht, das Thema Vereinbarkeit aus der Frauenecke zu holen.
Donnerstag 5. Juni 2014 um 21:27
Mit dem Begriff „traditionell“ hadere ich ja inwzischen ein wenig. Wenn es „nachkriegstraditionell“ oder „wirtstchaftswundertraditionell“ hieße, wäre das sinniger, oder? 🙂