Über das ‚Korsett der Männlichkeit‘ …
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Sonntag 24. September 2006
… schreibt Walter Hollstein in der Wochenend Ausgabe der Neuen Züricher Zeitung. Ausgehend von den Unfall, Suizid- und Haftzahlen von ‚Buben und Männern‘ in der Schweiz weist er die feministische Kritik an der prinzipiellen Unterprivilegierung der Frauen und der Überprivilegierung der Männer zurück und bezeichnet Ihre weitere Aufrechterhaltung als ‚Ideologie-Stabilisierung statt Realitätseinsicht‘. Richtig ist seiner Meinung nach, ‚von einer männlichen Hegemonie im Sinne einer partiellen Vorherrschaft von Männern zu sprechen. Männer besetzen noch immer die meisten Machtpositionen in Wirtschaft, Politik, Kultur, Verwaltung, Kirche und Freizeitindustrie.
Obwohl die weibliche Erwerbsquote nach wie vor steigt, liegt sie noch immer unter derjenigen der Männer. Auch das weibliche Arbeitsvolumen ist geringer als das männliche. Dementsprechend niedriger fällt gesamtgesellschaftlich das weibliche Einkommen im Vergleich zum männlichen aus. Ein entscheidender Grund dafür ist die ungelöste Problematik der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.‘ Nicht nur in der Schweiz ‚gilt es noch immer als Aufgabe der Frauen, die unterschiedlichen Lebenswelten von Familie und Erwerbstätigkeit zusammenzubringen.
Dass Männer als Väter hier ebenso sehr gefordert wären, wird selten zum Thema. Das traditionelle Arrangement fördert nach wie vor die Erwerbskarriere von Männern, die sich auf den emotionalen und reproduktiven Rückhalt ihrer Frauen und Familien verlassen können. Hier wäre endlich ein Perspektivenwechsel notwendig, der die Männer in die Vereinbarkeitsfrage ebenso einbezieht wie die Frauen.‘ In der Familienpolitik sollte die traditionelle Arbeitsteilung der Geschlechter grundsätzlich überdacht werden. …
‚Der Leistungs- und Erfolgsaspekt ihrer Männlichkeit hindert Männer auch selber daran, der eigenen Schwierigkeiten und Probleme gewahr zu werden. Es entspricht inzwischen dem Zeitgeist, Männlichkeit nur noch mit den negativen Assoziationen von Gewalt, Krieg, Naturzerstörung, sexueller Belästigung und Missbrauch zu verbinden. Auch einstmals positive Qualitäten von Mannsein werden mittlerweile gesellschaftlich umgedeutet. Männlicher Mut wird als männliche Aggressivität denunziert, aus Leistungsmotivation wird Karrierismus, aus Durchsetzungsvermögen männliche Herrschsucht, aus sinnvollem Widerspruch männliche Definitionsmacht und das, was einst als männliche Autonomie durchaus hochgelobt war, wird nun als die männliche Unfähigkeit zur Nähe umgedeutet … mit verheerenden Folgen für die männliche Identitätsbildung von jungen Männern. ‚
Am Ende seines Artikels verweist Hollstein auf die Politik der skandinavischen Länder, die den Männern neue Wege aufzeigen, die sie gehen können. ‚Dementsprechend wird in den skandinavischen Staaten seit mehr als zwanzig Jahren eine Gleichstellungspolitik gemacht, die sich auch so nennen darf, weil sie beide Geschlechter einbezieht, fördert und unterstützt. Diese Praxis soll nun – unter der finnischen Ratspräsidentschaft – für alle Länder der Europäischen Union verbindlich gemacht werden. Zu diesem Zweck findet im kommenden Oktober in Helsinki die EU-Konferenz «Men and Gender Equality» (Männer und Geschlechtergerechtigkeit) statt.‘