Offener Brief an Lisa Paus macht Anliegen von Vätern deutlich
Auf Initiative des Bundesforum Männer – Interessenverband für Jungen, Männer & Väter e.V. fordern
insgesamt 19 Organisationen aus der gleichstellungsorientierten Männer-
und Väterarbeit Bundesfamilienministerin Lisa Paus in einem offenen
Brief dazu auf, bei Vereinbarkeitsfragen Väter offensiver in den Blick
zu nehmen und eine zweiwöchige Vaterschaftsfreistellung mit
Lohnausgleich noch in diesem Jahr einzuführen.
In ihrem Koalitionsvertrag »Mehr Fortschritt wagen« einigten sich
SPD, Grüne und FDP im vergangenen Jahr unter anderem darauf, Eltern
dabei zu unterstützen, Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlicher
aufteilen zu können. Ein zentrales Vorhaben in dieser Hinsicht ist die
zweiwöchige vergütete Freistellung für Partner:innen nach der Geburt.
Genau eine solche Leistung ist als Vaterschaftsfreistellung (§4
paternity leave) bereits in der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie verankert.
Die Richtlinie definiert Mindeststandards zur Vereinbarkeit von Beruf
und Privatleben für alle Mitgliedsstaaten der EU. Sie muss bis August
2022 in nationales Recht umgesetzt werden. Die Erwartung aus der
Zivilgesellschaft war insofern, dass die vergütete Freistellung nach
Geburt als erste große Maßnahme für mehr Partnerschaftlichkeit nun im
Sommer kommt.
Jetzt aber verweist die Bundesregierung darauf, die
Vaterschaftsfreistellung aufgrund der in Deutschland geltenden
umfassenderen Regelungen bei Elterngeld und Elternzeit nicht im Rahmen
der Umsetzung der Richtlinie einführen zu müssen. Geplant sei
demgegenüber, die im Koalitionsvertrag verabredete „zweiwöchige
vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der
Geburt eines Kindes“ in einem eigenen Gesetzgebungsverfahren auf den Weg
zu bringen – immerhin angestrebt noch für das Jahr 2022.
Ein hartes Datum zur Einführung dieser wichtigen familien- und
gleichstellungspolitischen Leistung ist damit vom Tisch. Auch ist nun
politisch erst mal offen, wie diese Leistung konkret ausgestaltet sein
wird. Und im Gegensatz zur EU-Vereinbarkeitsrichtlinie, wird Vaterschaft
im Wortlaut der Leistung nicht mehr explizit in den Fokus genommen.
Dabei wäre aus unserer Sicht gerade dies notwendig, um die
gleichstellungspolitische Bedeutung von Vätern hervorzuheben. Viele
Väter wollen heute mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und sich
partnerschaftlich einbringen. Sie sind ein selbstverständlicher Teil der
Familie und von Anfang an wichtig. Daher müssen Väter bei politischen
Maßnahmen, die sie betreffen, auch deutlich als Zielgruppe adressiert
werden.
Gemeinsam mit allen am offenen Brief Beteiligten fordert die LAG Väterarbeit NRW die Bundesfamilienministerin deshalb auf, den Koalitionsvertag ernst zu nehmen und durch die schnelle Einführung der Vaterschaftsfreistellung eine partnerschaftliche und gleichstellungsorientierte Familienpolitik zu stärken. Dazu sind in dem Offenen Brief Eckpunkte zur Ausgestaltung formuliert.
Vor drei Jahren wurde die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie beschlossen, um
in der Europäischen Union notwendige Mindeststandards zur Vereinbarkeit
von Beruf und Privatleben herzustellen und die Rahmenbedingungen für
eine partnerschaftliche Aufteilung von Haus-, Sorge- und Erwerbsarbeit
zwischen den Geschlechtern zu verbessern.
Bis August 2022 muss die Vereinbarkeitsrichtlinie in nationales Recht
umgesetzt werden. Ein zentraler Bestandteil der Richtlinie ist die
Einführung einer Vaterschaftsfreistellung. Eine solche Leistung gibt es
in dieser Form in Deutschland bisher nicht, anders als in anderen
EU-Mitgliedsstaaten.
Das Bundesfamilienministerium hat Ende April einen
Referent*innenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie
vorgelegt. Die Vaterschaftsfreistellung wird darin mit keinem Wort
erwähnt, obwohl die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag
angekündigt hat, „eine zweiwöchige vergütete Freistellung für die
Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes ein[zu]führen.“
Die LAG Väterarbeit NRW, die sich von Anfang an für die Umsetzung der
Richtlinie eingesetzt hat ist darüber sehr irritiert und fordern die
Bundesregierung auf, zeitnah zu klären und öffentlich bekannt zu machen,
wann und in welcher Form eine vergütete Freistellung für Väter (und
andere zweite Elternteile) nach der Geburt gesetzlich eingeführt werden
soll. Die Gleichstellung der Geschlechter geht nur gemeinsam und wird
nur dann nachhaltig gelingen, wenn auch Jungen, Männer und Väter dabei
stärker als bisher in den Blick genommen werden.
Anlässlich des »Vatertags« am 26. Mai möchten wir daran erinnern.
Jetzt ist es an der Ampelkoalition zu zeigen, dass sie es beim Thema
Gleichstellung ernst meint und auch Männer für das Thema gewinnen will.
Bis zur Vorlage des Gesetzentwurfs schien die
Vaterschaftsfreistellung politisch ein Selbstläufer zu sein. Die
vormalige Familienministerin Anne Spiegel kündigte sie im vergangenen
Dezember als wichtiges Vorhaben an. Nun schweigt allerdings der
Referent*innenentwurf der Bundesregierung ausgerechnet zur
Vaterschaftsfreistellung. Diese ist wichtig, um einen klaren rechtlichen
Rahmen auch gegenüber Arbeitgeber*innen zu schaffen, damit Väter sich
in dieser wichtigen ersten Phase voll und ganz auf ihre Kinder und die
Unterstützung ihrer Partnerinnen konzentrieren können.
In einem offenen Brief an Bundesfamilienministerin Lisa Paus vom 20. Mai 2022 fordert Holger Strenz vom Projekt »Papaseiten.de« des Väterzentrum Dresden die Einführung der Vaterschaftsfreistellung nicht weiter hinauszuzögern. Vor einem Jahr hat Papaseiten.de
eine Petition zur Vaterschaftsfreistellung initiiert, die auch von der
LAG-Väterarbeit NRW unterstützt wird und die noch bis zum
Internationalen Vatertag am 19. Juni 2022 mitgezeichnet und geteilt
werden kann.
Bislang sind mehr als 9.000 Unterschriften zusammengekommen. Gemeinsam können wir bis zum Internationalen Vatertag ein deutliches Zeichen setzen. Dafür benötigen wir gerade jetzt Eure und Ihre Unterstützung!
Einem Bericht von Pew Research aus dem Jahr 2018 zufolge bleiben in den USA mehr Männer zu Hause, um sich um ihre Familien zu kümmern. In der Vergangenheit haben wirtschaftliche Abschwünge Männer aus dem Erwerbsleben gedrängt und sie in die Rolle des Hausmannes gedrängt. „Je nachdem, wie man es misst, waren auf dem Höhepunkt der Großen Rezession vielleicht zwei Millionen Männer Väter, die zu Hause blieben“, sagt Soziologieprofessor Scott Melzer. „Und wenn wir uns heute die Pandemie ansehen, haben wir eine weitere wirtschaftliche Katastrophe.“
Aber auch die Veränderungen bei der Erwerbsbeteiligung von
Frauen und der Aufstieg von Frauen im Bildungswesen haben die
Geschlechterrollen nachhaltig beeinflusst. Im Jahr 2020 stellten Frauen zum
ersten Mal mehr als die Hälfte der US-Arbeitskräfte. „Junge Frauen überholen
jetzt die jungen Männer bei den Hochschulabschlüssen und vielen
Graduiertenabschlüssen“, sagt Kim Parker, Direktorin der Abteilung für
soziale Trends am Pew Research Center.
Fünf Väter erzählen CNBC Make It, warum sie sich berufen fühlten, einen der anspruchsvollsten Jobs der Welt zu übernehmen.
Im Rahmen der Verwirklichung der „europäischen Säule sozialer Rechte“ schlägt die EU-Kommission die Einführung von neuen oder höheren Mindeststandards zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben vor. Dazu soll unter anderem ein neues Recht für Väter auf Tage Freistellung bei der Geburt eines Kindes gehören. Der bestehende Anspruch auf vier Monate Elternzeit soll außerdem für Kinder im Alter von bis zwölf Jahren statt wie bisher bis acht Jahren gelten.
Die Elternzeit soll nach den Plänen der Kommission ein individueller Anspruch für Mütter und Väter werden, der nicht mehr auf den anderen Elternteil übertragen werden kann. So soll ein starker Anreiz für Väter geschaffen werden, diese Möglichkeit ebenfalls zu nutzen.
Der Vorschlag sieht auch vor, einen Urlaub für pflegende Angehörige von fünf Tagen bei Erkrankung direkter Angehöriger einzuführen. Die familienbezogenen Urlaubsregelungen werden zumindest in Höhe des Krankengelds vergütet. Eltern von Kindern bis zwölf Jahren und pflegende Angehörige solle das Recht eingeräumt werden, flexible Arbeitsregelungen zu beantragen, wie reduzierte oder flexible Arbeitszeiten oder Telearbeit.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen insbesondere Männern mehr Möglichkeiten geben, Eltern- und Pflegeverantwortung wahrzunehmen. Dies kommt den Kindern zugute und fördert die Erwerbsbeteiligung von Frauen, verringert dadurch den Unterschied zwischen Frauen und Männern bei der Beschäftigung, der 2015 noch bei 11,6 Prozentpunkten und bei Familien mit kleinen Kindern unter sechs Jahren sogar bei 30 Prozentpunkten lag.
Zwei Mitglieder der New Yorker Vätergruppe, Scott Behson und Christopher Persley, machen gemeinsam mit der Oskar Preisträgerin Anne Hatheway in einem von der UNO produzierten Video Werbung für eine bezahlte Elternzeit von Vätern.
Im April 2016 kündigte Etsy, eine internationale Handelsplattform für den Kauf und Verkauf von handgemachten Produkten, Vintage und Künstlerbedarf an, allen Beschäftigten, unabhängig von Geschlecht, Land, Wohnsitz oder Familienstand 26 Wochen bezahlte Elternzeit zu gewähren.
Nach neun Monaten wurde eine erste Bilanz gezogen: 48 Beschäftigte haben die Möglichkeit genutzt, jeweils zur Hälfte Männer und Frauen (der Frauenanteil bei Etsy beträgt 54%). Die Inanspruchnahme der Elternzeit hatte einen überwiegend positiven Einfluss auf die berufliche Entwicklung: 35% sind seit April 2016 befördert worden, von ihnen 41% auf das Level eines Direktors oder höher.
Teresa Heinze schreibt ihre Bachelorarbeit am Lehrstuhl für Personal- und Organisationspsychologie der RWTH Aachen. Sie möchte in ihrer Arbeit den Zusammenhang von Einstellungen zu Geschlechterrollen und der zur „Väterzeit“ untersuchen. Desweitern interessiert es sie, wie sich Frauen und Männer in diesen Einstellungen unterscheiden. Hierzu möchte sie Personen zu befragen, die sich schon mit dem Thema Elternzeit, insbesondere Väterzeit, auseinandersetzen mussten. Die Befragung nimmt circa 10-15 Minuten in Anspruch. Für Rückfragen steht Ihnen die Studierende gerne zur Verfügung
In dem aktuellen Newsletter äußert sich Markus Theunert, Präsident von männer.ch, über den Forschungsstand zu Vätern und zur Einführung einer Väterzeit in der Schweiz:
„29 Jahre alt war der Schweizer Durchschnittsvater im Jahr 1979 bei der Geburt seines ersten Kindes. Im Jahr 2012 ist er bereits 34 Jahre alt. Diese Information veröffentlichte das Bundesamt für Statistik (BfS) Anfang Dezember.
Dass Männer in der Schweiz immer länger warten bis zur Vaterschaft erstaunt kaum. Dass das BfS diese Daten im Jahr 2013 zum ersten Mal veröffentlich umso mehr. Nicht nur die späte Erhebung dieser Daten spricht Bände – auch die Art der Datenerhebung ist skandalös: Die Daten gelten nur für die Gruppe der verheirateten Väter. Über die ledigen Väter gibt es keine Angaben.
Das heißt: Die Schweiz ist ein echtes Entwicklungsland, was das Wissen über die Väter angeht.
Wie viele Väter gibt es insgesamt im Land?
Wie viele Kinder hat der durchschnittliche Vater?
Wie viele Männer haben Kinder mit verschiedenen Frauen?
Wie groß ist der Abstand zwischen Erst- und Zweitgeborenem?
All das wissen wir nicht. Entsprechend lausig sind vertiefende qualitative Fragen untersucht, beispielsweise jene nach den Gründen für oder gegen eine Vaterschaft.
männer.ch wird sich der Frage annehmen, wie diese Lücke geschlossen werden kann. Und hoffen, dass der Bund zumindest in dieser Frage etwas Sensibilität für Väter zeigt. Die bundesrätliche Position in Sachen Vaterschaftsurlaub lässt allerdings wenig Gutes hoffen: Obwohl die Regierung in ihrem Bericht Ende Oktober acht spannende Varianten für Vaterschaftsurlaub und Elternzeit aufzeigt, will sie keine einzige davon weiter verfolgen.
Der Bundesrat, so lässt er verlauten, sei der Ansicht, dass die Einführung eines Vaterschafts- oder Elternurlaubs zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht erste Priorität hat. Für uns schon.“
Ich bin mir nicht sicher, ob die aufgeworfenen Fragen für Väter in Deutschland zu beantworten sind.
Riskiert ein Schweizer seine berufliche Karriere, wenn er zugunsten seines Kindes das Arbeitspensum reduziert? Angesichts der lebhaften öffentlichen Diskussion von Vaterschaftsurlaub und Elternzeit wollte es das Magazin Reader’s Digest genau wissen und beauftragte das Meinungsforschungsinstitut Isopublic. Das Ergebnis: Mit 52,6 % glaubt mehr als die Hälfte der Befragten nicht, dass eine Auszeit für die Familie das berufliche Weiterkommen gefährde. 41,8 % haben diese Befürchtung schon.
Beträchtlich fallen die Unterschiede zwischen den Geschlechtern aus: Während 46,4 % der befragten Männer die Baby-Pause als ein berufliches Risiko einschätzen, sind nur 37,3 % der befragten Frauen dieser Ansicht. Vielmehr sind 57,1 % der Frauen der Überzeugung, die Entscheidung, für den Nachwuchs da zu sein, stelle keine Gefahr für die Karriere des Mannes dar; bei den Herren glauben das zumindest 48 %.
Deutlich auseinander driften die Meinungen zwischen Deutschschweizern und Westschweizern: 51,7 % der Romands sind der Meinung, ein Mann riskiere seine berufliche Karriere, wenn er eine Baby-Pause einlegt. 44,9 % sehen darin keine Probleme. In der Deutschschweiz sind mit 55,1 % mehr als die Hälfte der Befragten so zuversichtlich. Nur 38,6 % hätten Angst um ihren Job. Weiterlesen »