Im Interview mit Markus Theunert erläutert Heinz Walter was ihn seit vier Jahrzehnten an Väterforschung reizt:
Herr Walter, Sie sind schon seit vielen Jahren in der Väterforschung tätig. Was reizt Sie so an diesem Thema?
Es sind viele Themen! Je länger man sich dem Themenkomplex Väter widmet, umso mehr Themen entdeckt man, die eine eingehende Auseinandersetzung verlangen. Unter anderem zeugen die zwei dicken, im Psychosozial-Verlag 2002 und 20012 von mir herausgegebenen Bände davon.
Anfangs hat die sozialwissenschaftliche Forschung «Eltern» nahezu durchgehend mit «Mutter» gleichgesetzt, wenn es um Einflüsse der Herkunftsfamilie auf Kinder ging. Eigentlich sollte es einsichtig sein, dass dies eine zu einseitige Sichtweise ist. Doch dauerte es auch in Forschungskreisen ziemlich lange, bis sich diese Einsicht durchsetzen konnte.
Als konkrete Forschungsergebnisse dann zunehmend belegen konnten, in welch hohem Ausmaß Väter bzw. das elterliche Zusammenspiel von Mutter und Vater die Entwicklung der jeweils betroffenen Kinder beeinflussen, kam das Anliegen hinzu, diese Einsichten einer breiteren Öffentlichkeit kundzutun – in Form von Vorträgen, Workshops, Coaching.
Von außen gewinnt man den Eindruck, Väter seien eigentlich nur interessant als «Funktionsträger», als «Mittel zum Zweck». Wie es den Vätern selbst geht, interessiert aber eigentlich niemanden. Täuscht der Eindruck?
Dass dieser Eindruck entsteht, ist verständlich. Denn tatsächlich wird vorherrschend dem Einfluss der Väter (gemeinsam mit dem der Mütter) auf ein mehr oder weniger gut gelingendes Heranwachsen des Nachwuchses nachgegangen. Pointiert könnte man formulieren: Was nützt ein Vater über den schon immer als grösser angenommenen Einfluss der Mutter hinaus?
Doch es gibt auch Anderes. Da sind die Tiefeninterviews der Psychologin Ariane Schorn (2003) mit werdenden Vätern, die einen bunten Strauß von ambivalenten Empfindungen und Zukunftsängsten während der Schwangerschaftsphase zutage fördern.
Da ist das in unserem Konstanzer Arbeitsbereich entstandene KOVI, das Konstanzer Väterinstrument, das Väter auf standardisierte Weise zu einer Selbsteinschätzung bezüglich Aspekten veranlasst, die ihre Vaterschaft betreffen. Zum Beispiel bezüglich der Fragen, wieviel Bereicherung und wie viel Belastung sie durch ihr Vatersein erfahren.
Wenn Sie aufgrund Ihrer professionellen Erfahrung einen Wunsch beim Schweizer Familien- und Gleichstellungsminister Alain Berset zugute hätten: Was würden Sie verlangen?
Was ich mir im Interesse all der Väter wünsche, denen neben ihrem Beruf und neben einer egalitären Partnerschaft die Beziehung zu ihren Kindern ab Geburt ein zentraler Lebensinhalt ist – eine Spezies, die bereits erstaunlich zahlreich ist und deutlich am Zunehmen scheint: Dass sie Rahmenbedingungen und hinreichende Möglichkeiten bekommen, um die Beziehung zu ihren Kindern auch tatsächlich lebendig zu gestalten. Ein entscheidendes Merkmal dieser Rahmenbedingungen ist ihre Kontinuität – nicht auf das Wochenende, den Urlaub, einen bestimmten Altersabschnitt des Kindes beschränkt (wenn auch die ersten Lebensjahre hier besonders entscheidend sind). Kinder sind sehr geschickt, ein Beziehungsfeuer zwischen sich und ihrem Vater zu entfachen. Doch wenn die Glut dieses Feuers immer wieder erlischt, bevor das Feuer neu entfacht werden kann, erlischt auch der Glaube des Kindes irgendwann, für den Vater ein in seiner Einzigartigkeit interessantes Wesen zu sein. Das hat gravierende Konsequenzen für seine Entwicklung.
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