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Lockdown als Chance? – Weichenstellungen für mehr väterliches Engagement

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 7. Oktober 2021

Online Fachtagung der LAG Väterarbeit in NRW

am Dienstag, 16. November 2021

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Bei dieser Veranstaltung wird es darum gehen, Lebenssituationen und -ereignisse, in denen väterliches Engagement beeinflusst wird, zu identifizieren und diejenigen, die Väter in diesen Phasen begleiten und beraten mit denen ins Gespräch zu bringen, die gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen mitgestalten.
Dabei werden die Erfahrungen, die Väter und alle anderen, in der Corona Pandemie, während der Lockdowns mit Schul- und Kitaschließungen, im Homeoffice und in der Ausübung systemrelevante Berufe gemacht haben im Vordergrund stehen und die Chancen der Learnings dieser 18 Monate ausgewertet.
Ergebnis dieser Tagung sind konkrete Ansätze, die es einerseits Vätern bzw. denjenigen die sie begleiten und beraten ermöglichen, Entscheidungsabläufe ‚transparenter‘ zu gestalten und andererseits denjenigen, die Rahmenbedingungen (mit-) gestalten, erlauben vermeintliche Sachzwänge und andere Faktoren, die nicht zu den ‚erwünschten‘ Zielen führen, zu korrigieren und Weichen anders zu stellen.

Programm

Ab 9.00 Uhr Login der Teilnehmenden

9.30 Uhr Eröffnung und Einführung
Videogrußbotschaft Andreas Bothe, Staatssekretär MKFFI
LAG-V Mitglieder im Gespräch: Hans-Georg Nelles, Stephan Buttgereit und Jürgen Haas zu den Herausforderungen und Erfahrungen in der Arbeit der letzten 18 Monate.

10.00 Uhr Keynotes

Engagement von Vätern, Entwicklung, Bedeutung und Rahmenbedingungen
David Juncke Prognos AG

Corona als Brennglas – Erfahrungen von Vätern und Chancen/ Ansatzpunkte für Veränderungen mehr väterliches Engagement
Anna Buschmeyer, Deutsches Jugendinstitut München

11:20 Uhr Pause

11:35 Uhr Videoimpuls: Portraits von Paaren und ihren Erfahrungen in unterschiedlichen Familienkonstellationen

Das vollständige Programm finden Sie hier: Programm Vätertagung 20211007

Weitere Informationen zu den Dialogrunden und den Workshops gibt es hier: Inhalte und Leitfragen der Dialogrunden und Workshops 20211007

Für die Teilnahme an der Tagung werden keine Kosten erhoben, eine Anmeldung ist hier möglich:

https://eveeno.com/lag-vaetertagung-2021

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#TollerPapa

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 4. Oktober 2021

… lautet der Titel des #Vaeter Buchs von Benjamin Wockenfuß, dass an diesem Freitag erscheint. Grafisch ist es ein Hingucker und auf den zweiten Blick fällt auf, dass es eigentlich mindestens zwei Bücher sind. Am einen Ende ist ein in sieben Kapitel gegliederter ‚Wissens-Input‘ wie es der Autor nennt, am anderen Ende ist eine wunderbare ‚Power-Papa & Kreativ-Kid Geschichte, die von Stefanie Messing bebildert ist. In der Mitte des Buches ein analoges Planungstool für die ersten 22 Tage #TollerPapa.

Man kann das Buch aber auch einfach umdrehen und dann ergibt sich eine andere Reihenfolge und eine andere Perspektive. Das gibt den Anspruch und die Haltung von Ben, so tritt der Autor den Lesern und Leserinnen gegenüber, ganz gut wieder. Sein Buch soll kein Fachbuch sein und die fachlichen Erfahrungen die er weitergibt sind seine Erkenntnisse, seine Wahrheit und seine Gefühle.

Das besondere an dem Buch ist, dass es nicht nur an verschiedenen Stellen an fachlich fundierte Texte verweist, die per QR-Code leicht zu erreichen sind, sondern auch in den sozialen Medien über den im Titel formulierten Hashtag eine Community für #Vaeter eröffnet und diese zum aktiven Austausch ihrer Erfahrungen einlädt.

Die im Untertitel vorsichtig formulierte These ‚Erziehung ist (auch) Männersache‘ bildet, versehen mit einem Ausrufezeichen und dem Zusatz ‚… Echt?‘ ist auch die Überschrift zum Kapitel 1. Der Autor positioniert sich hier aber eindeutig: ‚Jeder Mann kann Erziehung!‘ „Ein Vater ist mehr als nur ein Assistent der Mutter. Er hat eigene/ andere Fähigkeiten, die Kinder dringend brauchen.“

So ist es, aber so einfach ist es leider nicht. Lernen tut Mensch dass, was er tut und es gibt weder die geborene Mutter noch den geborenen Vater. Das was einen tollen Papa, einen (hinreichend) guten Vater ausmacht wird gelernt, indem ich es mache und von anderen abgucke. Das was Mann macht oder besser lässt hängt vielfach von gesellschaftlichen und eigenen Erwartungen und gegenseitigen Rollenzuschreibungen ab. Wockenfuß führt noch weitere Faktoren an, die den Lernprozess und eine gelingende Erziehungsgestaltung beeinflussen: Aktives Mitfühlen, Verantwortung annehmen und aushalten und trotz Uneinigkeit ein Elternteam bleiben.

Zu allen drei Punkten bietet er dann praktische Tools an, die dazu anleiten, sich mit seinen eigenen Positionen und Haltungen auseinanderzusetzen und diese auch zu visualisieren. Am Ende dieses und jedem der folgenden 6 Kapitel gibt es ein ‚Fazit to Go‘ einen Einseiter, auf dem die wichtigsten Aussagen noch einem kurz und grafisch ansprechend zusammengefasst werden.

Die einzelnen Abschnitte sind jeweils in sich abgeschlossen und das Buch kann kreuz und quer gelesen und bearbeitet werden. Dazu fordert der Autor auch explizit auf, es sei ein Arbeitsbuch und das Notieren von Gedanken und die Verschriftlichung von Routinen erleichtere den Blick auf das Wesentliche. Dazu bietet Wockenfuß an vielen Stellen neben den im Buch skizzierten analogen auch digitale Werkzeuge an und stellt deren Vorzüge heraus. Das macht er auch in Bezug auf die digitalen Medienzugänge für Kinder: „Durch digitale Medien, wie etwas Spiele-Apps, haben Kinder die Chance, kreative Gestalter:innen statt lineare Konsument:innen zu sein. Ein großer Schatz!“

Die im Kapitel 4 dargestellte ‚Einfachheit im Vatersein‘ und dem Plädoyer für Langeweile aus der Kreativität erwächst getreu der Gleichung ‚Weniger ist Mehr‘ erinnert mich an eine zentrale Aussage aus dem 2015 erschienen Buch ‚Geht Alles gar nicht Warum wir Kinder, Liebe und Karriere nicht vereinbaren können‘ von Marc Brost und Heinrich Wefing:

„ … Auch früher gab es Erwartungen an Väter …, aber sie waren klarer und eindeutiger, weil es auch klare und eindeutige Rollen gab. Heute dagegen gibt es unendlich viele Erwartungen, weil es unendlich viele Möglichkeiten gibt, … ein guter Vater zu sein, und deswegen scheint es das Beste zu sein, einfach alle Erwartungen zu erfüllen.“

Benjamin Wockenfuß zeigt einen ‚einfachen‘ Weg auf, mit diesen Erwartungen und Möglichkeiten umzugehen. Nicht nur zu Hause mit der Familie, sondern auch im Beruf. Er schlägt hier einen neues Verständnis dafür vor, wie Arbeitswelt und Vatersein zusammengehen können. „Welche Position in meinem Selbstbild übernimmt meine Arbeit eigentlich? Wie sinnstiftend ist sie für mich?“ Die praktischen Vorschläge an dieser Stelle sind meiner Auffassung nach eher auf Väter mit gut abgesicherten Jobs zugeschnitten. Diejenigen die zwei oder drei prekäre Jobs zur Absicherung des Lebensunterhalts haben, stellen sich die Frage „Brauche ich wirklich eine Vollzeitstelle“ wohl nicht.

Eine gute Zusammenfassung formuliert der als Experte in Kapitel 6 zitierte Organisationsberater Hendrik Epe: [es] … wird deutlich, dass ich (m)eine Rolle als Vater … darin sehe, Ambiguitätstoleranz vorzuleben. Es gibt nicht den einen, richtigen Weg in der Erziehung der Kinder, ebenso wenig wie es die eine, richtige Art und Weise der Gestaltung der Arbeitswelt der Zukunft gibt.

#TollerPapa liefert jede Menge Anregungen für Väter, diese ambivalenten Möglichkeiten zu entdecken, eigene Positionen zu bilden und sich gemeinsam mit den Kindern weiter zu entwickeln und der Papa zu sein, den man selber als Kind gebraucht hätte. Das Wendebuch zum Preis von 18 € ist eine tolle Investition sowohl für werdende als auch schon vor langer Zeit gewordene Väter.

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Ich dank dir für jedes Jahr Vater, Vatеr

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 30. September 2021

… Du und ich in Wellenpommes-Mayo
Du und ich im Opel zu Winnetou
Du in Graz am Tanzen auf Grappa
Dein Gesicht, ich am Heulen wegen Hanna
Du am Rand, ich auf der Bühne heiser
„Tu immer, was du liebst, auch wenn du scheiterst“
Sehen auch dich und die Kartons in Friedrichsheim
„Mach’s gut Junge, ich fahr‘ heim“ …

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Daddy Blues – Depressionen von Vätern nach der Geburt eines Kindes

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 20. September 2021

Postnatale Depressionen bei Frauen sind glücklicherweise kein Tabu mehr, auch wenn sie vielfach immer noch als ‚Baby Blues‘ verharmlost werden. Im deutschsprachigen Raum ist aber wenig darüber bekannt, wie die Partner von postpartal depressiv erkrankten Müttern mit der mehrfachen Belastung umgehen, welche die Geburt eines Kindes und die gleichzeitige Erkrankung der Partnerin bedeutet. Abhilfe sollte eine von Marco Schraner und Claudia Meier Magistretti von der Hochschule Luzern durchgeführte Literaturstudie schaffen. Ziel der vom Verein Postnatale Depression Schweiz beauftragten Studie war es, mehr Wissen zu erarbeiten und in Erfahrung zu bringen, wie Väter diese Situation erleben, welche Bewältigungsstrategien sie entwickeln und welche Unterstützung ihnen helfen könnte, ihre Partnerinnen zu unterstützen und dabei selber gesund zu bleiben.

Die Aufmerksamkeit des medizinischen Personals ist bei der Geburt ebenso wie bei postnatalen Depressionen vor allem auf die Mütter gerichtet. Väter haben oft das Gefühl, nicht gehört zu werden und dass ihre Bedürfnisse übersehen werden. In Geburtskliniken werden Frauen selten, Männer üblicherweise nicht auf Depressionsrisiken hin untersucht. Das Problem wird also – wenn überhaupt – erst erkannt, wenn es auftritt. Dann allerdings, so hat sich gezeigt, fühlt sich das Pflegepersonal oft schlecht vorbereitet im Umgang mit den Bedürfnissen der Väter. Eine rechtzeitige Intervention könnte dagegen die psychische Gesundheit der Väter fördern.

Interventionen des medizinischen Personals, die z.B. Väter im Umgang mit ihren neugeborenen Babys schulen, sind dabei hilfreich: Väter fühlen sich dadurch in ihrer Erziehungskompetenz anerkannt, das Gefühl der wahrgenommenen Elternwirksamkeit und die Kontrollwahrnehmung der Väter wird gestärkt. Insgesamt wirken derartige Maßnahmen damit angstreduzierend.

Gestärkte Väter fühlen sich in der Folge vermehrt auch als Teil des ‚Elternbündnisses‘. Selbstverständlich müssen solche Interventionen auf die jeweiligen Bedürfnisse der Väter abgestimmt sein. Dazu gehört zum Beispiel das Überwinden der Unsicherheit, wie sie mit ihren Babys interagieren, wie sie deren Bedürfnisse erkennen und ihnen entsprechen können.

In der Zeit nach der Geburt eines Kindes sind Väter bzw. ihre Partner für die Mütter generell die wichtigste Unterstützung. Andererseits können Väter gerade nach der Geburt des ersten Kindes betreffend ihre neue Rolle als Kinderbetreuer und Partner stark verunsichert sein. Die Paare stehen also, wenn es um Unterstützung geht, in einer Art gegenseitiger Abhängigkeit zu einander. So kann aus der Depression eines Elternteils eine Abwärtsspirale für beide Partner entstehen. Eine zweite Wechselwirkung besteht zwischen einer nicht zufriedenstellenden Paarbeziehung und dem Auftreten einer väterlichen postnatalen Depression.

In Anbetracht der gravierenden Auswirkungen, die eine Depression auf das Familienleben, die Partnerschaft und das Kindeswohl haben kann, schlagen die Autor:innen vor, Maßnahmen der Früherkennung von depressiven Störungen nach der Geburt eines Kindes in Zukunft vermehrt auch für Väter zu ergreifen. Dies gilt insbesondere für Paare, in denen die Mütter von postnataler Depression betroffen sind.

Quelle

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Papa kann das am besten, was ihm vor der Geburt an Kompetenzen zugeschrieben wird

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 19. August 2021

Partnerschaftliche Aufgabenteilung geht nur gemeinsam, das ist ebenso selbstverständlich wie der blaue Himmel bei Sonnenschein. Trotz dieser Erkenntnis und entgegen dem Wunsch der überwiegenden Zahl junger Väter und Mütter wirken traditionelle Rollenmuster nach wie vor mächtig.

‚Don’t fix the WoMen‘ heißt es zurecht. Individuelles Wollen ist notwendig, strukturelle Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Diskurse aber nach wie vor prägend. Vor diesem Hintergrund ist es bedeutsam, Wirkungen und Mechanismen von dem, was Vätern und Müttern an Erwartungen zugeschrieben wird und sich nicht nur in deren Haltungen und Überzeugungen, sondern vor allem im familiären Handeln widerspiegelt, nicht zu verleugnen und nach dem Motto ‚das nicht sein kann was nicht sein kann‘ aus der Welt zu schaffen. Der Elefant, und in diesem Fall das Phänomen des ‚maternal Gatekeeping‘ ist virulent.

Der Begriff ist erstmals 1989 in der Dissertation „Toward a reconceptualization of paternal involvement in infancy: The role of maternal gatekeeping” von Ashley Howard Beitel beschrieben worden. Inzwischen verzeichnet Google Scholar gut 3.000 wissenschaftliche Arbeiten zu diesem Thema.

Nicht nur vor diesem Hintergrund halte ich es für abwegig, dass aus dem Spiegel Schwerpunkt dieser Woche ‚Papa kann das schon alleine‘ eine Bühne des Geschlechterkampfs konstruiert wird. Worum geht es in dem Beitrag ‚Papa von Mamas Gnaden – Worunter moderne Väter leiden‘?

Die Überschrift spitzt sicherlich thematisch zu, in dem Text wird das Anliegen aber als Erleben und Empfinden von konkreten Vätern bzw. Expert:innen und Praktker:innen wie Marc Schulte vom Papaladen in Berlin oder Simon Bohn von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, dargestellt und wiedergegeben.

Und dann kommen im letzten Drittel des Beitrags folgende verallgemeinernde Aussagen: „Und wie es so ist mit der Mehrheitsdynamik: Mütter rühmen sich großer Weisheit, wenn es um ihre Domäne geht. Sie halten es nicht aus, wenn der Vater dem Kleinkind den gestreiften Pulli zur karierten Hose anzieht. Sie runzeln die Stirn, wenn er vom Einkaufen eine andere Windelmarke mitbringt als sie. Stellen Väter ihren Kindern Fragen, antworten gern stellvertretend die Mütter.

Die Mutterliebe? Für Väter eine fürsorgliche Belagerung, eine Festung. Im Vaterland sprechen alle die Muttersprache. »Maternal Gatekeeping« heißt das Stichwort, das viele Frauen als Kampfbegriff empfinden. Sie begegnen der neuen Väterlichkeit auch deshalb mit Misstrauen, weil sie über Jahrhunderte die Erfahrung gemacht haben, dass im Zweifelsfall doch wieder vieles an ihnen hängen bleibt. Warum also, fragen sie sich, wollen Männer jetzt eigentlich gefeiert werden für etwas, was Mütter schon immer getan haben?“

‚Maternal Gatekeeping‘ wird losgelöst von inhaltlichen Bedeutungen als ‚Kampfbegriff‘ eingeführt und es wird ignoriert, dass er ein wissenschaftlich sehr umfangreich untersuchtes psychologisches Phänomen beschreibt, das sich nicht für einfache Schuldzuweisungen eignet.

Aber es gibt immer Menschen, die über das angebotene Stöckchen springen und sich in den sozialen Medien wider besseres Wissen selbst wiederholen. Ich erinnere mich noch gut an die Diskussion beim Väterkongress Anfang 2017 in Bielefeld. Dort hatte Frau Prof*in Lieselotte Ahnert in ihrem Vortrag ‚Wieviel Mutter braucht ein Kind? … und kommt es überhaupt auf den Vater an‘ auch zum ‚Maternal Gatekeeping‘ umfangreich Stellung bezogen. Die Postings auf Twitter und anderen Kanälen wiederholen teilweise dieselben, dort widerlegten Behauptungen.

So kommen wir nicht weiter. Birk Grüling entwirft in einem Beitrag für Men’s Health Dad eine Vision, wie es gelingen könnte: „Richtiger wäre es, wenn wir uns gegenseitig aus dem Teufelskreis helfen und an einem Strang ziehen. Ohne Misstrauen, ohne Zwietracht, dafür gemeinsam. Dann hätten wir vielleicht eine so mächtige Lobby wie die Automobilbranche, einen so starken Zusammenhalt wie Bundesligavereine. Bildungs- und Familienpolitik hätten plötzlich oberste Priorität. Kinderbetreuung und Hausarbeit würden höchste gesellschaftliche Anerkennung genieße. Zeit für die Familie einzufordern, wäre kein Grund für berufliche Diskriminierung und Vereinbarkeit kein Problem mehr.“

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Und jetzt ist Papa dran

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 13. Mai 2021

Nur wenige Väter gehen länger als zwei Monate in Elternzeit. Das liegt an strukturellen Ungleichheiten, an Arbeitgebern – und auch an den Vätern selbst. Doch es gibt Ideen, wie sich das ändern ließe.

Als Hans-Georg Nelles vor 25 Jahren mit seiner Arbeit begann, hieß die Elternzeit noch Erziehungsurlaub. Nur ungefähr ein Prozent der Väter machten damals die Erfahrung, dass es eher Arbeit als All-inclusive-Ferien gleichkommt, ein Baby zu wickeln, zu füttern und herumzutragen, bis es einschlummert. Denn all das erledigten fast immer die Mütter. Wenn in politischen Willenserklärungen und bunten Arbeitgeber-Broschüren von „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ die Rede war, dann ging es meist um Mütter, fast nie um Väter. „Das wollte ich ändern“, sagt Nelles, der selbst drei erwachsene Kinder hat. Heute leitet er die Landesarbeitsgemeinschaft Väterarbeit in NRW und berät Unternehmen, wie sie „väterbewusste Personalpolitik“ machen können.

Auch wenn sich in den vergangenen 25 Jahren viel getan hat: Die Arbeit dürfte ihm so schnell nicht ausgehen.

Spricht man mit Aktivisten wie Nelles, mit Juristinnen und Juristen oder Wissenschaftlern, dann wird klar: Ähnlich wie Mütter machen auch Väter im Beruf diskriminierende Erfahrungen. Es fällt nur seltener auf, weil Männer generell seltener und kürzer in Elternzeit gehen. Da ist der Arbeitgeber, der den werdenden Vater sicherheitshalber noch mal fragt, ob er sich das mit der Elternzeit denn gut überlegt habe. Oder der Angestellte, dessen Leistungsbeurteilung nach der beruflichen Auszeit schlechter ausfällt als zuvor. Oder aber, im Extremfall, der Mitarbeiter, dem direkt nach seiner Elternzeit die Kündigung ins Haus flattert. Andererseits gibt es auch Beispiele, die Väter ermutigen könnten, länger im Job auszusetzen.

Bis zu drei Jahre lang können Eltern hierzulande pro Kind in Elternzeit gehen, egal ob Vater oder Mutter. Das Elterngeld, das die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen im Jahr 2007 auf den Weg brachte, wird in der Basis-Version bis zu 14 Monate an die Eltern ausgezahlt, wobei maximal zwölf Monate von einem Elternteil genommen werden dürfen. In der Praxis beantragt ein Elternteil, meist die Mutter, das Elterngeld in knapp drei Viertel aller Fälle für zwölf Monate, der andere Elternteil, meist der Vater, für zwei. Auch deshalb gelten sie umgangssprachlich als „Vätermonate“. Das kann schon mal zu Missverständnissen führen: „Teilweise fragen Vorgesetzte werdende Väter, ob sie das denn überhaupt dürften – mehr als zwei Monate in Elternzeit gehen“, berichtet Nelles. Er lacht dabei ein wenig verzweifelt. …

Quelle

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Väter im Lockdown – die nicht erzählte Geschichte

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 11. Mai 2021

Das ‚Fatherhood Institute‘ stellt heute seine Studie „Lockdown Fathers, the untold story“ vor. Die Studie ist die erste, die detailliert aufzeigt, wie Großbritanniens Väter den Lockdown im Frühjahr 2020 erlebten: was sie taten, wie sie sich fühlten und welche Auswirkungen das auf ihre Kinder hatte.

Einigen ging es natürlich besser als anderen. Sie können alle Details in den Berichten auf der Website nachlesen. Aber in Kurzform ist die Geschichte so.

Väter:

  • verbrachten mehr Zeit mit ihren Kindern
  • bauten stärkere Beziehungen zu ihnen auf
  • halfen bei Hausunterricht und Hausaufgaben
  • wurden besser in der Kindererziehung
  • gewannen an Selbstvertrauen
  • haben mehr Einsicht in die Rolle ihrer Partner bei der Kinderbetreuung gewonnen
  • erledigten mehr Hausarbeit.

Die große Frage lautet also: Wie gehen die Geschichten weiter?

Quelle

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Für uns Väter ist das ein bisschen komplizierter …

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 10. Mai 2021

Ein Gespräch mit Gunter Beetz über die Vorbereitung von Vätern auf die Geburt und was danach auf sie zukommt.

In nehme wahr, dass es in den letzten Jahren in immer mehr Städten in Deutschland Geburtsvorbereitungskurs für werdende Väter gibt. Bei deinem Angebot kommt das Wort Geburtsvorbereitung aber kaum vor. Steckt irgendeine Absicht dahinter?

Für mich markiert die Geburt eines eigenen Kindes eines der wichtigsten Lebensübergänge im Leben eines Mannes. Er übernimmt nicht nur für sich, sondern auch für sein Kind und seine Familie Verantwortung. Für mich greift der Begriff der Geburtsvorbereitung deshalb zu kurz. Ich möchte werdende Väter darauf vorbereiten was auf sie zukommt über das Wochenbett hinaus. Es soll eine Vorbereitung auf die Vater-Rolle sein. Und deshalb nenne ich es „In das Vater-Sein wachsen”.

Aber das Thema Geburt kommt auch vor, oder?

Ja, das ist Teil des Seminars. Gut vorbereitet zu sein auf eine Geburt, ist sehr wichtig. Aber bei mir geht es mehr darum, dass Väter ihren eigenen Umgang damit finden. Ich rate Vätern zum Beispiel, nicht nur am Kopfende zu stehen. Für mich war die Geburt meines eigenen Kindes einer der magischsten Momente in meinem Leben. Ich möchte, dass es jeder mit sich selbst ausmacht, wie viel er sehen will oder, noch wichtiger, dies mit der werdenden Mutter abspricht, was für sie okay ist. Darum geht es. Eine eigene Haltung entwickeln, bei der Geburt und darüber hinaus.

Dein Seminar heißt „In das Vater-Sein wachsen” und geht über ein ganzes Wochenende. Braucht es so viel Vorbereitung?

Frei nach dem Spruch: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“ finde ich, dass man auch in die Vater-Rolle hereinwachsen muss. In meinem Seminar geht es darum, einen intensiven Blick darauf zu werfen, was man für die Rolle mitbringt. Es geht um Fragen wie: Was für ein Vater möchte ich sein? Was wurde mir vorgelebt? Welche Vater-Rolle kenne ich? Was davon möchte ich weiterführen, was aber auch hinter mir lassen? Die Beantwortung dieser Fragen hilft dabei, eine Haltung zu entwickeln. Und diese Haltung ist wichtig, um in der Partnerschaft ein Gegenüber zu sein. Und deswegen ist es so intensiv. Es hilft dabei, nicht direkt in alte Rollenmuster zu verfallen, sondern ein gleichwertiges Gegenüber zu sein.

Was unterscheidet deinen Kurs von anderen? Was ist das Besondere daran?

Wir verbringen vier Tage in der Natur und leben autark in einem Waldstück bei Münster. Durch unterschiedliche Natur-Übungen lernen wir uns selbst und unsere eigene Geschichte kennen. Alles zum Thema Vaterschaft. Der Fokus liegt dabei auf unterschiedlichen, menschlichen Qualitäten. Diese zu entwickeln oder zu erforschen, ist ein wichtiger Punkt. Wir entwickeln eine Art eigene innere Landkarte oder intrinsisches Orientierungs-Modell. Und dieses Modell hilft dabei, die unterschiedlichen Vater-Rollen oder unterschiedlichen Qualitäten in sich wahrzunehmen. Bin ich eher ein intuitiver Vater oder eher ein strukturierter? Zweifle ich viel oder habe ich ein gesundes Urvertrauen für diesen Schritt? Wir vergessen häufig, dass wir diese Vater-Rollen oder Qualitäten alle in uns haben und dass wir auch die Wahl haben, was für ein Vater wir sein möchten. Was auch sehr spannend und besonders ist, ist, dass jeder Teilnehmer im Laufe des Prozesses eine Nacht allein im Wald unter einem Plane verbringt mit Iso-Matte und Schlafsack. Alles andere lässt man weg. Wer bin ich dann, wenn ich alles weglasse? Diese Erfahrung, ein Teil der Natur zu sein, das macht etwas mit den Teilnehmern.

Der Wald spielt also eine wichtige Rolle, oder? Man könnte das ja auch im Kloster machen, da gibt es auch karg eingerichtete Räume.

Ja, man könnte das auch im Kloster machen. Was für mich auch wichtig ist, ist, dass wir uns als Teil der Natur verstehen und auch von der Natur lernen. Es berichten viele Teilnehmer, dass das etwas mit ihnen gemacht hat, um auch den Geburtsvorgang oder diesen auch als natürlichen Prozess zu verstehen. Dafür ist die Natur wichtig. Ja.

In deiner Ausschreibung taucht auch der Begriff „transformative Bildung” auf. Was muss ich mir darunter vorstellen?

Transformative Bildung bedeutet, dass wir uns erst einmal selbst besser kennenlernen. Es geht um die Auseinandersetzung mit den erlernten Denk-, Fühl- und Handlungsmustern. Wir schauen darauf, was wir für gewohnte Bewertungen haben oder was uns gesellschaftliche Leitbilder an Normen und Werten vorgeben. Das hilft dann dabei, ein anderes Ich-Verständnis zu bekommen, eine Haltung zu entwickeln. Mit dieser Haltung kann ich dann ein anderes Weltbild vertreten oder mit der Welt anders in Kontakt treten. In dem Falle mit meiner Partnerin.

Zunächst möchte ich, denke ich, mit meinem Kind in Kontakt treten unmittelbar nach der Geburt. Das mit der Welt hört sich ein bisschen spirituell an.

Spirituell ist immer ein schwieriger Begriff. Natur zu erleben hat etwas Spirituelles, finde ich. Je klarer ich mir meiner Rolle bin oder dessen, was ich für eine Vater-Rolle einnehmen will, desto besser kann ich auch mit meinem Kind in Verbindung treten. Und das ist genau das. Klar, nach der Geburt nimmt man sein Kind einmal auf die Brust. Man versucht da zu sein, man versucht für die Frau da zu sein. Mir geht es mehr darum, was man langfristig möchte. Was möchte ich dem Kind bieten? Ich habe immer eine Leitfrage: Was möchte ich, was mein Kind in 25 Jahren über mich erzählt über meine Vater-Rolle oder wie ich als Vater war? Das finde ich ein schönes Leitbild, um danach zu gehen und sich danach zu orientieren.

Nochmal zusammengefasst: Warum ist deiner Meinung nach eine intensive Vorbereitung auf die anstehende Vaterschaft so wichtig?

Was ich, als Vater von zwei Töchtern, gemerkt habe, war, dass wir in diesem ersten Jahr gar keine Zeit hatten, uns so intensiv damit auseinanderzusetzen. Das Kind ist dann da. Da gibt es andere Bedürfnisse. Und deswegen macht eine intensive Vorbereitung sehr viel Sinn. Im Gegensatz zu den werdenden Müttern. Die werdenden Mütter haben einen gewissen Vorteil in Anführungsstrichen, da sie sich neun Monate auf diese Geburt vorbereiten können. Körperlich, seelisch und geistig bereiten sie sich auf den Übergang in das Mutter-Sein vor. Für uns Väter ist das ein bisschen komplizierter. Für uns ist die Schwangerschaft häufig etwas Surreales. Wir werden erst bei der Geburt richtig Vater. Viele Hebammen haben mir erzählt, dass sie bei der Geburt immer auch in das Gesicht des Vaters gucken, weil sie dann merken: „Okay, jetzt ist er Papa geworden.“ Dann kommt aber das Problem im ersten Jahr, was ich eben beschrieben habe, dass es wenig Zeit gibt, sich mit den Veränderungen auseinanderzusetzen. Auch die Mütter sind häufig, ich sage einmal, mit dem Kopf woanders. Einmal völlig wertfrei. Mit dieser intensiven Auseinandersetzung haben wir die Möglichkeit eine eigene Haltung, eine eigene Rolle zu vertreten und dann Kompromisse einzugehen. Wenn man das nicht tut, reagiert man oft und agiert nicht.

Du hast jetzt gerade auch von den Müttern gesprochen, die sich aufgrund der körperlichen, biologischen Vorgänge ganz anders darauf vorbereiten können. Haben die Mütter auch etwas von dieser Vorbereitung, die du speziell für die Väter anbietest?

Ich rege die werdenden Väter dazu an, mit ihren Partnerinnen zu sprechen. Was hat die Partnerin für ein Vaterbild? Was gibt es für Erwartungen an die Vaterschaft? Die Auseinandersetzung hilft beiden, um sich mit den neuen Rollen gut zu identifizieren. Da werden auch die Weichen gestellt für die spätere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Was stellen sich die beiden eigentlich vor? Wie soll das Ganze laufen? Diese Auseinandersetzung schon vor der Geburt zu führen oder zu haben, hilft für die spätere Partnerschaft.

Ja, das finde ich ein ganz wichtiges Stichwort. Partnerschaftlichkeit. Viele Umfragen deuten seit mehr als 20 Jahren darauf hin, dass sich junge Frauen und Männer die Vorstellung haben die Erwerbsarbeit und die Familienarbeit partnerschaftlich aufzuteilen. Das ist ein Vorhaben, das sie haben. Da gibt es diese Karikatur, auf der das moderne Paar in den Kreißsaal hereingeht und als seine Großeltern mit den traditionellen Vorstellungen und Lebensweisen wieder herauskommt. Bist du der Überzeugung, dass das Angebot, das du da machst, ein Stück weit dazu beiträgt, dass die Konzepte, die in den Köpfen sind, Wirklichkeit werden können?

Ich bin der festen Überzeugung, dass das dabei helfen kann. Natürlich ist es Arbeit, nicht in alte Rollenmuster zu verfallen. Wir leben das, was wir von unseren Eltern beigebracht bekommen haben, oft nach und da braucht es genau diese bewusste Auseinandersetzung, um dagegen zu steuern oder um von vornherein transparent damit umzugehen, was man für Wünsche an die Vaterschaft, an die Rolle hat. Was mag man, was mag man nicht? Dieser ganze Mental Load. Um was kümmere ich mich, um was kümmere ich mich nicht? Was möchte ich machen? Das hilft schon. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Auseinandersetzung Paaren hilft.

Du hast zu Beginn gesagt, dass dein Kurs nicht Geburtsvorbereitungs-Kurs heißt, weil die Inhalte, die Themen und die Bedeutung weit über den eigentlichen Geburtsvorgang hinausgehen. Wäre es nicht konsequent in Bezug zu dem Thema Partnerschaftlichkeit und Verwirklichung der Vorstellungen ein Follow-Up zu machen? Also dass die Väter nach sechs Wochen oder nach sechs Monaten noch einmal eingeladen werden und man schaut: „In der Zeit als wir uns im Wald getroffen haben, hattet ihr die und die Vorstellung.“ Das kann man ja auch schriftlich festhalten. Und dass man dann schaut: „Was ist daraus Wirklichkeit geworden und was braucht es, um da nachzusteuern?“

Wenn sich da etwas ergibt, bin ich offen dafür. Ich weiß nur aus eigener Erfahrung, in den ersten Monaten hätte ich da meiner Frau gesagt: „Ich bin dann nochmal für ein Wochenende weg“, ich weiß nicht, ob das nicht doch … Man hat wenig Zeit. Das ist das Problem. Vielleicht ist so etwas online heutzutage einfacher möglich. Da bin ich offen für, ja. Das ist eine gute Idee.

Vielen Dank für das Gespräch

Informationen über die Arbeit von Gunter Beetz finden Sie hier.

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‚…die Belange von Familie sind politisch nichts wert‘

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 8. Mai 2021

Birk Grüling, Autor von ‚Eltern als Team – Ideen eines Vaters für gelebte Vereinbarkeit‘ im Gespräch mit der LAG Väterarbeit in NRW

Was war der Anlass für dich, den Ratgeber zu schreiben?

Sowohl privat als auch als Journalist habe ich mich in den letzten Jahren sehr viel mit dem Thema Vereinbarkeit auseinandergesetzt und damit auch mit der Frage, wie ich eigentlich arbeiten und wie viel Zeit ich für die Familie haben will. Ein ganz wichtiger Moment in diesem Zusammenhang war der Tod meines eigenen Vaters in der Schwangerschaft meiner Frau. Das hat mich sehr zum Grübeln gebracht. Mein Vater hat immer viel gearbeitet und wenig auf seine Gesundheit geachtet, am Ende hat er dadurch seinen Enkel verpasst. Und als Journalist habe ich das Privileg, meinen eigenen Fragen auch noch beruflich nachzugehen. So entstanden aus der privaten Suche nach meiner eigenen Vater-Rolle viele Texte und irgendwann dieses Buch. In dem Buch erzähle ich aber nicht nur von mir, sondern stelle Menschen und ihre tollen Ideen zu den ganz verschiedenen Aspekten von Vereinbarkeit vor. Ein Patent-Rezept entsteht daraus zwar nicht, aber viele spannende Impulse wie ich finde.

Zu Beginn des Buchs schreibst du „Vereinbarkeit ist nicht unmöglich“. Mir kommen da zwei Titel, vor 6 Jahren auch von Journalist:innen geschrieben, in den Kopf. Nämlich: „Geht alles gar nicht“ von Marc Brost und Heinrich Wefing und „Die Alles ist möglich-Lüge: Wieso Familie und Beruf nicht zu vereinbaren sind“ von Susanne Garsoffky und Britta Sembach. Was entgegnest du Ihnen aus heutiger Perspektive?

Ich habe beide Bücher nicht gelesen und kann zu ihnen auch wenig sagen. Allerdings bin ich ein großer Fan von konstruktivem Journalismus. Also Probleme benennen und Lösungen suchen, statt einfach nur zu jammern und die Flinte in Korn zu werfen. Und ja, es gibt sehr viele Probleme – von fehlenden Betreuungsplätzen bis zu alles anderes als familienfreundlichen Arbeitsmodellen. Aber das bedeutet doch nicht, dass ich das Thema Vereinbarkeit für mich abharken und alles so mache wie unsere Eltern-Generation. Es muss doch etwas zwischen Hausmann und 60 Stunden Wochen Karrieremann geben.

Eine große Rolle spielt für dich die Vorbereitung auf das Elternsein. Du sprichst da von der Entwicklung einer „Familienvision“. Wie können sich Väter auf das Vatersein vorbereiten und auf welche „Rolemodels“ und Unterstützung können sie dabei zurückgreifen?

Ich glaube, der wichtigste Schritt ist die bewusste Auseinandersetzung mit den wichtigen Fragen der Vaterrolle. Also sehe ich mich eher als Ernährer und „Wochenendpapa“ oder will ich wirklich in Teilzeit arbeiten und kann ich mir dabei sogar vorstellen auf bestimmte Symbole zu verzichten. Ich habe das Gefühl, dass selbst vorher gleichberechtigte Paare ganz schnell in „traditionelle“ Rollenbilder abrutschen, einfach weil sie diese nie richtig hinterfragt haben. Und daraus entstehen oft Konflikte. Im Babykurs meiner Frau beschwerten sich zum Beispiel unzählige Mütter darüber, dass ihre Männer doch gar nicht so engagierte Papas waren, wie der Generation der „Neuen Väter“ gemeinhin nachgesagt wird. Und ich kann sagen: Konflikte über unausgesprochene Erwartungen klärt man lieber im Vorfeld, als völlig übermüdet und genervt mit zahnendem Baby auf dem Arm. Deshalb würde ich jedem raten, sich mit seiner zukünftigen Rolle auszusetzen und ruhig mal mit anderen Vätern und natürlich mit der eigenen Partnerin darüber zu sprechen. Und wenn ich die Rolemodels vielleicht nicht im eigenen Freundeskreis findet, kann ich sie mir im Internet suchen und mit ihnen in Kontakt treten.

Im Zusammenhang mit der Elternzeit schreibst du: „Noch nie standen die Chancen besser, mit alten Werten zu brechen, der Last des alleinigen Ernährers zu entfliehen und die eigene Vaterrolle neu und anders zu gestalten.“ Die Elternzeit gibt es ja schon seit 14 Jahren, woher rührt dein Optimismus?

Ist das wirklich optimistisch? Im Vergleich zu allen Väter-Generationen vor uns haben wir fürstliche Möglichkeiten. Gleichzeitig nutzen wir sie nicht genug und rutschen immer noch viel zu oft in Rollenbilder aus den 50er Jahren. Deshalb muss es noch mehr Druck zur Gleichberechtigung geben – zum Beispiel könnten Mütter und Väter, die gleichberechtigt in Elternzeit gehen, mehr Geld bekommen oder sogar eine „Pflicht“ zur Gleichberechtigung eingeführt werden, jedenfalls wenn man Elterngeld bekommen möchte. Ich bin also eher enttäuscht darüber, dass wir Eltern immer noch zu wenig aus den Chancen machen, bin aber froh, dass es sie überhaupt gibt – auch wenn bei ihnen durchaus Nachholbedarf besteht.

Welche Rolle spielen dabei die letzten 14 Monate mit Corona?

Corona ist ein komplexes Thema – einerseits haben wir gespürt, dass zuhause arbeiten deutlich besser funktioniert und daraus könnte eine deutlich rasantere Flexibilisierung der Arbeitswelt entstehen. Auch manche Väter haben sich nun stärker in die Care-Arbeit eingebracht und damit einen Wertewandel durchlaufen. Andererseits hat die Pandemie auch gezeigt, wie groß die Probleme in diesem Land sind – zum Beispiel, dass die Belange von Familie politisch nichts wert sind oder das auch Bildung keine so große Rolle spielte wie die Belange von Industrie und Wirtschaft. Und wir haben erlebt, dass am Ende in vielen Familien die Mütter die Last der Pandemie tragen und die Väter selbst im Homeoffice gut auf Tauchstation gehen können.  Am Ende sehe ich die Pandemie aber durchaus als Chance für Veränderungen. Jedenfalls kann man jetzt die Probleme und die Versäumnisse nicht mehr klein oder schön reden.

Ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, ist die Erwerbsarbeitszeit bzw. die „30 Stunden Woche“ als neue Vollzeit. Warum ist die Möglichkeit einer Reduzierung der Erwerbsarbeitszeit für Väter so wichtig?

Ich hole mal etwas theoretisch aus. Forscher der Oxford University kamen in einer Studie zum Schluss, dass in den USA 47 Prozent aller Arbeitsplätze in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten bedroht sind. In Deutschland sieht es ähnlich aus. Wir müssen uns also schon heute Gedanken machen, wie wir bald weniger vorhandene Arbeit besser verteilen können. Und ich halte dabei die 30 Stunden Woche für ein tolles Modell. Die Zeit reicht aus, um Arbeit zu gestalten und auch „Karriere“ zu machen. Auf der anderen Seite bleibt so deutlich mehr Platz für die Familie oder das Privatleben. Außerdem ließe sich die Arbeit besser und gerechter verteilen. Dadurch das auch sehr hochqualifizierte Mütter oft nur geringen Umfang arbeiten, geht Unternehmen viel Wissen und Knowhow verloren. Kurzum: Die 30-Stunden Woche wäre geeignet, um die „Work-Life-Balance“ zu verbessern und mehr Gleichberechtigung zu schaffen. Allerdings darf das nicht eine Akademiker-Geschichte bleiben. Auch in der Pflege oder im Einzelhandel muss eine 30 Stunden Woche so gut bezahlt sein, dass ich davon meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Und davon sind wir leider oft noch etwas entfernt.

Der Begriff des „Mental Load“ wird ja im Kontext von partnerschaftlicher Arbeitsteilung von vielen angeführt. Du schreibst in dem Abschnitt „Wir müssen über Geld reden“ von einem „Financial Load“, sind das zwei Seiten einer Medaille?

Ich glaube, 1 zu 1 übertragbar sind die beiden Dinge nicht. Aber die (fast) alleinige Last des Familienernährers ist für mich ein wichtiges Thema, über das zu wenig besprochen wird. Dieses Modell ist nämlich immens gefährlich und sehr belastend. Dem Alleinernährer darf nichts passieren, von seinem Gehalt lebt die Familie. Kommt es doch zu einem Unfall oder einer schweren Erkrankung, wird es richtig schwer für die Familie – nicht nur emotional, sondern auch finanziell. Von den negativen Auswirkungen auf die Rentenansprüche der Frau ganz zu schweigen – Kinder groß zu ziehen, ist ein großes Armutsrisiko im Alter. Deshalb müssen wir dringend auch die „Last“ der Erwerbsarbeit besser verteilen und dazu gehört auch die Überwindung des Gender Pay Gaps. Und wir Väter gewinnen dabei nur: Wir müssen weniger arbeiten, müssen uns weniger Sorgen machen, ob das Gehalt für alle wohl reicht und haben noch mehr Zeit für die Kinder. Achja, Paare, die gleichberechtigt arbeiten, haben auch noch ein deutlich höheres Familieneinkommen als Alleinernährer.

„Vereinbarkeit ist kein Sprint sondern ein Marathon“ steht auf einer der letzten Seiten deines Buchs. Was müssen Väter in jedem Fall beachten, damit sie die „Strecke“ durchhalten?

Familienleben ist hoch dynamisch. Ständig tauchen neue Herausforderungen auf. Geschwister werden geboren, Arbeitszeiten verändern sich, die Schulzeit beginnt, auch unvorhersehbare Dinge wie Krankheiten bringen alte Routinen durcheinander. Deshalb muss ich auch in Sachen Vereinbarkeit ständig nachjustieren und immer wieder neue Wege und Lösungen suchen. Denn alles was gestern noch reibungslos klappte, kann morgen schon völlig unpassend sein. Deshalb ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben und sich auch als Eltern-Team regelmäßig zu fragen, ob die vor zwei Monaten oder zwei Jahren getroffenen Entscheidungen noch heute passen oder ob gegengesteuert werden muss. Das ist glaube ich das wichtigste Rezept beim Durchhalten. Am Ende müssen einfach alle Beteiligten zufrieden sein.

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Eltern als Team – Ideen eines Vaters für gelebte Vereinbarkeit

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 5. Mai 2021

Das ist der Titel des ‚konstruktiven Buches‘ von Birk Grüling, Jahrgang 1985 und selbst Vater eines Sohnes. Konstruktiv in dem Sinne, dass er Vereinbarkeit für möglich hält und sich vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen selbstkritisch mit den Möglichkeiten und Hindernissen auseinandersetzt. Diese subjektive Perspektive wird ergänzt durch die Perspektive von 16 Praktiker:innen, Coaches, Therapeut:innen, Trainer:innen und Personalverantwortlichen sowie zahlreichen Vätern und Müttern, die ihr Ringen um eine gemeinsame Lösung beschreiben.

„Eltern als Team“, das ist die Übersetzung des seit langem geäußerten Wunschs junger Mütter und Väter nach einer partnerschaftlichen Aufteilung von bezahlter Erwerbsarbeit und unbezahlter Familien- bzw. Care-Arbeit. Vereinbarkeit geht nur gemeinsam, wenn überhaupt.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass sich ebenfalls Journalist:innen, Marc Brost und Heinrich Wefing mit „Geht alles gar nicht“ und Susanne Garsoffky und Britta Sembach mit „Die Alles ist möglich-Lüge: Wieso Familie und Beruf nicht zu vereinbaren sind“ ganz anders positioniert haben.

Aber auch Grüling macht an dieser Stelle keine falschen Versprechungen. Vereinbarkeit ist kein Sprint, den Mann oder Frau mal eben abläuft, sondern ein Marathon, der den permanenten Austausch zwischen Vater und Mutter erfordert. Und damit beginnen die werdenden Eltern am besten vor der Geburt.

Damit meint der Autor nicht nur die ‚Geburtsvorbereitung und den „Nestbau“, er skizziert quasi als Vorbereitung auf die Vereinbarkeit für eine gemeinsame ‚Familienvision‘ die natürlich voraussetzt, dass auch der werdende Vater eine Vorstellung davon entwickelt, welcher Vater er sein möchte. Wie dieser Visionsentwicklungsprozess aussehen kann, beschreibt er sehr anschaulich. „Die erste Frage für dich wäre also: Welches Bild von mir als Vater … habe ich selbst?“ und dabei geht es natürlich auch um die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen mit dem eigenen Vater bzw. der eigenen Mutter.

Die Hinweise und Fragestellungen die Grüling an dieser, aber auch an vielen anderen Stellen formuliert, sind ein passendes Angebot und verleiten wirklich dazu, sich auf die entsprechenden Situationen und Herausforderungen einzulassen und im Anschluss daran, das Gespräch mit der Partnerin zu suchen.

Apropos Partnerschaft, dass es nicht nur um eine möglichst optimale und gleichberechtigte Aufgabenteilung geht, sondern um die Pflege einer Beziehung und die Selbstsorge, macht er in einem eigenen Abschnitt deutlich. Wie wichtig dies ist, macht das Zitat zu Beginn dieses Abschnitts deutlich, dass Jeder und Jede kennt, die schon einmal geflogen ist: „Im unwahrscheinlichsten Fall eines Druckverlusts falle automatisch Sauerstoffmasken aus der Kabinendecke … Atmen Sie normal weiter. Helfen Sie danach Kindern und hilfsbedürftigen Menschen.“ Nur in dieser Reihenfolge gelingen Beziehungen, Vereinbarkeit und Erziehung von Kindern.

Weitere Themen sind Elternzeit, Bedeutung und Auswahl von Kinderbetreuungseinrichtungen und die Routine, die sich irgendwann einstellt. Grüling spricht in diesem Zusammenhang auch von den „Drei Säulen der Vereinbarkeit“ und macht deutlich, dass sich zwar jedes werdende und gewordene Elternpaar für ihren Weg entscheidet, dass die Gestaltung der Rahmenbedingungen keineswegs nur Privatsache ist.

Diese eröffnen Möglichkeiten oder engen sie ein. Das fängt bei Regelungen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht an, geht über die Kinderbetreuung und hört bei Regelungen zur Arbeitszeit noch lange nicht auf. Die „30 Stunden Woche“ taucht an vielen Stellen als Option auf und es wird deutlich, dass diese in der Lebensphase mit kleinen Kindern, der Weg sein kann, „Mental- und Financial Load“ gerecht zu verteilen und Väter und Mütter in die Lage zu versetzen, als Team zu agieren.

„Noch nie standen die Chancen besser, mit alten Werten zu brechen, der Last des alleinigen Ernährers zu entfliehen und die eigene Vaterrolle neu und anders zu gestalten.“ Lautet eine der Kernaussagen des Buchs, dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die Familien in den vergangenen 14 Monaten gemacht haben. Der Ratgeber von Birk Grüling ist bestens dazu geeignet, die richtigen Lehren aus dieser Zeit zu ziehen und sich als werdende oder gewordene Väter und Mütter mit der eigenen Zukunft als Eltern und Paar auseinanderzusetzen.

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