Lieselotte Ahnert beschreibt in ihrem Buch ‚Auf die Väter kommt es an‘, wie es Paaren gelingen kann, in gemeinsamer Verantwortung ein Kind großzuziehen und zitiert nach dem Modell von Mark Feinberg fünf Kernelemente:
Zufriedenheit mit der Arbeitsteilung in Haushalt
und Kinderbetreuung
Absprachen zum Umgang mit dem Kind
Aushandlungsprozesse
gegenseitige Unterstützung
Solidarität des Elternpaares
Zu dem Punkt der Arbeitsteilung, der ja seit einigen Jahren
unter der Überschrift ‚Mental Load‘ diskutiert wird, führte Feinberg 2003 unter
anderem aus:
Die zweite Komponente der gemeinsamen elterlichen Sorge
bezieht sich auf die Aufteilung der Pflichten, Aufgaben und
Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit der täglichen Routine bei der
Kinderbetreuung und den Aufgaben im Haushalt sowie auf die laufende
Verantwortung für finanzielle, rechtliche und medizinische Fragen im
Zusammenhang mit dem Kind.
Die meisten Untersuchungen in diesem Bereich haben sich auf
Familien mit zwei Elternteilen, Mutter und Vater, konzentriert. Mütter berichten,
dass die Frage der Hausarbeit der wichtigste Auslöser für Konflikte in der Zeit
nach der Geburt ist. Die Wahrnehmung der Mütter in diesem Bereich scheint von
entscheidender Bedeutung zu sein, wahrscheinlich weil Mütter im Allgemeinen die
meisten Aufgaben im Haushalt übernehmen und die letztendliche Verantwortung für
fast alle kinderbezogenen Fragen tragen.
Die Wahrnehmung der Mütter, dass die Beiträge der Väter fair
sind, steht in Zusammenhang mit einer höheren Ehequalität während des Übergangs
zur Elternschaft, während die Wahrnehmung von Ungerechtigkeit mit einer
geringeren Ehequalität verbunden ist. Die Wahrnehmung der Arbeitsteilung bei
der Kindererziehung durch Mütter oder Väter ist jedoch für sich genommen nicht
aussagekräftig für die Anpassung der Eltern oder des Paares. In diesem Bereich
geht es um die Zufriedenheit: Sind die Eltern sowohl mit dem Prozess des
Aushandelns von Verantwortlichkeiten als auch mit der daraus resultierenden
Aufteilung zufrieden?
Die Zufriedenheit ergibt sich daraus, inwieweit die
Arbeitsteilung mit den Erwartungen und Überzeugungen der Eltern in Bezug auf
ihren Beitrag zur Kindererziehung übereinstimmt. Die Diskrepanz zwischen den
Erwartungen beider Elternteile und der Wahrnehmung der Verantwortung für die
Kinderbetreuung steht in signifikantem Zusammenhang mit Depressionen und der
Anpassung der Ehe beider. Wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden, kann ein
Gefühl der Ungerechtigkeit und des Grolls entstehen, was zu erhöhtem
elterlichen Stress führt, der eine warme, einfühlsame Interaktion mit dem Kind
beeinträchtigen kann.
Frau Jaque-Rodney, sie
arbeiten seit mehr als 30 Jahren als Familienhebamme und haben im Jahr 2000 das
Netzwerk der Familienhebammen in Deutschland mitbegründet. Was war Ihre
Motivation, diesen beruflichen Weg einzuschlagen?
Für mich war meine
Motivation wirklich, die Familie als System zu sehen, die Familie als Ganzes zu
sehen. Mann, Frau, Frau, Frau, Mann, Mann, egal welche Konstellationen das war.
Und hier reden wir von einer Mann-Frau-Konstellation. Das war für mich wichtig,
einfach das weiter zu verfolgen und das auch zu unterstützen, da ich schon
damals als Hebamme gemerkt habe, wie wenig Kontakt wir zu den Männern
eigentlich haben und wie schade das ist.
Und für mich, ich habe auch
Soziologie studiert und das ist etwas, was mich auch beflügelt hat als Hebamme,
viel, viel mehr mit den Männern, mit den Partnern in Kontakt zu kommen. Und
dann, als ich relativ früh in Deutschland war und mir diese Tätigkeit angeboten
wurde beziehungsweise die Qualifizierung erstmal, habe ich gedacht, das ist
genau das, was ich will. Dieses familiäre Feld, also wo sowohl Frau als auch
Mann als gleichwertige Ressource für das Kind angesehen werden und das will ich
unterstützen.
Aufgrund Ihrer Erfahrungen
waren Sie in den folgenden Jahren an der Ausarbeitung zahlreicher Curricula für
die Aus- und Fortbildung von Familienhebammen beteiligt. Welche zusätzlichen
Qualifikationen benötigen Hebammen, um als Familienhebammen tätig werden zu
können?
Auf jeden Fall braucht man
diese Qualifizierung, die vom Land angeboten wird, hier in Nordrhein-Westfalen umfasst
sie 400 Stunden. Das ist ein bisschen unterschiedlich, es gibt eine
Mindestqualifikation von 200 Stunden, aber die meisten Länder haben 400 Stunden
und diese Qualifikation beinhaltet unterschiedliche Lerneinheiten,
unterschiedliche Themen.
Da muss man über das
Systemische Bescheid wissen, da muss man auch über das Bild und überhaupt über
die Definition Familie wissen. Was bedeutet Familie, was ist eine Familie aus
dem Soziologischen, aber auch aus dem rein Statistischen? Was ist eine Familie,
wie bildet sich eine Familie ab? Das ist Thema oder eine Lerneinheit.
Was Familienhebammen auch brauchen
ist Kommunikation. Wie kann ich mit Eltern gut und wertfrei kommunizieren wo
möglich? Also sowohl die gewaltfreie Kommunikation als auch die motivierende
Gesprächsführung. Das sind Themen, die auch dann vorkommen und Themen wie die
Entwicklung des Kindes. Themen wie Kindeswohlgefährdung sind auch ganz wichtig,
aber auch Themen wie Lebenswelt, Familie, so was verstehe ich unter Lebenswelt
Familie?
Als Familienhebamme gehen
wir in unterschiedliche Lebenswelten und es kommt sie nicht einzuengen, weil
ich sie nicht kenne, sondern einfach zu verstehen, die Lebenswelt Familie ist
sehr divers und sehr vielfältig. Das sind so einige Themen,
Qualitätsmanagement, Dokumentation, das sind einige Lerneinheiten, die eine
Familienhebamme braucht, um umfassend Familien begleiten zu können.
Familienhebammen haben, noch mehr als Hebammen bei der
Geburtsvorbereitung und der Geburt das gesamte Familiensystem im Blick. Dabei
spielen Väter, ob sie anwesend sind oder nicht, eine wichtige Rolle. In welchem
Umfang wird diesem Thema bei der Aus- und Fortbildung von Familienhebammen
Rechnung getragen?
Ja, die spielt eine
wesentlich größere Rolle als bei der originären Hebammenausbildung. Es ist
gewachsen, am Anfang war das Thema Vater oder Väter vielleicht nicht so
präsent, aber in Nordrhein-Westfalen auf jeden Fall. Da ich die Qualifikation
auch durchführe, war das für mich von Anfang an ein sehr wichtiges Thema und es
spielt eine wichtige Rolle. Also es gibt unter der Lerneinheit Lebenswelt
Familie auch Einheiten, wo das Thema Väter, Vater, die Rolle des Vaters vorkommt.
Das könnte vielleicht eine größere Rolle spielen. Aber sie spielt auf jeden
Fall im Vergleich zu der originären Ausbildung, finde ich, eine sehr wichtige
Rolle, die man dann ausbauen muss.
Jeder Anbieter macht das
ein bisschen anders. Ich habe von Anfang an dabei auch Männer wie Herrn Vonnoh eingeladen,
um über das Thema zu sprechen. Jürgen Grah war auch lange Jahre in meinem
Qualifizierungskurs. Also für mich spielt es eine größere Rolle, nicht nur zum
Thema Vater, sondern zum Thema überhaupt Kind kriegen, schwanger sein.
Wenn eine Frau mit
jemanden zusammen ist, dann ist der Partner auch zu sehen und auch
wertzuschätzen. Und auch die Fragestellung, wie können wir auch Väter
beflügeln, dass sie nicht nur sich als Ressource sich sehen, sondern sich auch als
wichtiger Bestandteil diese Einheit, diese Triade zu sehen. Wir reden viel zu
häufig darüber, dass die Väter eine Ressource sind. Ja, das stimmt, aber sie
sind eine wichtige Person einfach, wenn sie da sind.
Und auch die
unterschiedlichen Stile der Väter. Wir haben unterschiedliche Modelle, wir
haben Modelle, die sind sehr patriarchal, die sind sehr fürsorglich. Wir haben
Väter, die aus einem anderen Land kommen oder auch aus Deutschland kommen und
ein Verständnis vom Vater sein übernommen haben oder auch nicht. Und das auch
zu verstehen, es gibt die unterschiedlichen Modelle von Vatersein, von Vätern.
Und das müssen wir in den Kontext unserer alltäglichen Arbeit bringen.
Familienhebammen sind ja
dort im Einsatz, wo die frühen Hilfen sagen: Da ist eine Familie, die hat einen
besonderen Unterstützungsbedarf. Und da ist es vielfach so, dass aus dem
Blickwinkel der Familienhebammen Väter in dem Moment keine Ressource sind,
sondern ein Teil eines Problems. Und es gibt auch Studien, wo Familienhebammen
beobachtet worden sind, die sagen, dass dann Familienhebammen dazu neigen,
dieses „Problem“, also die Väter, erst einmal auszuklammern und zu sagen, jetzt
gucken wir doch erstmal, dass die Mutter mit dem Kind zurechtkommt. Und das
Problem mit dem Vater, das können wir vielleicht später angehen. Wie schätzen
Sie das ein?
Ja, diese Konstellation
gibt es auch, wo die Väter eine ganz schöne Herausforderung sein können für die
Entwicklung der Familie als solche, die gibt es auch. Ich schaue eher sehr
positiv da hin, wenn die Väter da sind, wie wir sie auch unterstützen und wie
wir sie auch beflügeln und befähigen können. Und bei den Vätern, die abwesend
sind, sie sind manchmal nicht da, aber sind trotzdem im Gedächtnis der Frau da,
es ist trotzdem ein Thema.
Und wenn die Frau mir auch
zeigt, dass das für sie wichtig ist, auch wenn er nicht da ist, der wohnt
woanders, da versuche ich trotzdem ihn auch mit einzubinden in einem Gespräch
mit der Frau. Mit der Fragestellung: Okay, was machen wir denn mit diesem
Vater, der nichts von seinem Kind wissen will? Ich frage die Frau, was ist ihre
Lösung? Aber ich bin eher sehr positiv auch von der Erfahrung. Die Väter, die
da sind und wirklich auch mit einbezogen werden wollen, da habe ich sehr gute
Erfahrungen gemacht.
Da, wo Gewalt
möglicherweise ein Thema ist da muss eine Frau geschützt werden. Und das mache
ich auch und darüber sprechen wir in der Qualifizierung, wie das gehen kann.
Also was und worauf wir achten können. Aber eher positiv denken. Das Hebammen
oft für die Mutter da sind und der Vater ihnen egal ist – das ist er für mich
nicht, das war für mich noch nie der Fall. Ich finde, wenn die Väter da sind,
dann sind sie so wertvoll und brauchen genauso eine Unterstützung wie manche
Frauen.
Also Unterstützung im
Sinne vom Familienleben, Unterstützung bei Themen wie, was ist Bindung, wie
kann ich das ermöglichen? Und wir wissen als Familienhebammen, dass Väter die
Informationen möglicherweise anders aufnehmen als eine Frau? Sie brauchen möglicherweise
Videos, vielleicht auch Studien, vielleicht andere Väter. Und da muss man
gucken, wie kann ich diesen Vater erreichen mit dem, was er braucht auf seine
Art und Weise?
Und selbstverständlich
Väter, die nicht gut für die Familie sind, wo die Frau sowieso mit dem nichts
zu tun haben will. Ich versuche sie nicht mit einzubeziehen in der Begleitung,
wenn die Frau von Anfang an das nicht will. Aber ein
abwesender Vater ist nicht immer ein Vater, der nicht gewünscht ist. Da
muss man schauen, wie ist das für die Frau und wie kann ich ihn einbeziehen in
meine Tätigkeiten.
Welche Erfahrungen haben Sie mit der Zielgruppe ‚jugendliche
Väter‘ gemacht und welche zusätzlichen Unterstützungsbedarfe sehen sie bei den
Jugendlichen?
Ja, also gerade am Anfang
meiner Tätigkeit als Familienhebamme viel, viel mehr als jetzt, muss ich sagen.
Aber die Statistiken, also die Evidenzen, sprechen auch dafür, dass jugendliche
Schwangerschaften, die Zahlen runtergegangen sind. Aber am Anfang hatte ich
sehr viel mit jugendlichen Eltern und jugendliche Väter zu tun. Das war nicht
immer einfach, da manche von diesen Jugendlichen mit 15, 16, 17 Vater geworden
sind. Und in ihrem Jugend sein und in ihrer Entwicklung und die Hormone und alles
Mögliche nicht immer sehr gut zu erreichen waren.
Was ich aber allerdings
gemerkt habe damals und auch jetzt, wenn sie sehr jung sind, also unter 18 sind
oder unter 21, ihnen erstmal zu sagen, als Familienhebamme bin ich auch für sie
zuständig, sie sind für mich auch wichtig. Und es gibt auch keine Frage, die zu
dumm ist und es gibt auch keine Frage, die sie nicht stellen können. Also ihnen
von Anfang an zeigen, dass sie wichtig sind. Und gerade bei den Jugendlichen,
bei den jugendlichen Väter, ist das echt sehr wichtig, dass sie den Eindruck
haben, okay, sie ist nicht nur für meine Freundin da, sondern sie interessiert
sich auch für mich. Sie also von Anfang an einzubeziehen.
Aber einfach ist es nicht,
einfach ist es nicht, da braucht man einen langen Zeitraum, wo Vertrauen
wächst. Da muss man auch das „jugendliche“ in dem Vater ansprechen und auch
anerkennen und auch mit einbeziehen. Das heißt, dass, wenn er darüber spricht,
dass er am Wochenende mit seinen Freunden „durch die Gemeinde ziehen möchte“,
das nicht zu verpönen, sondern auch die Frage zu stellen, okay, wie kann das
denn gehen? Also wie stellst du dir das vor? Also bei den jugendlichen Vätern
anzudocken.
Bei den jugendlichen
Vätern sind neben den Familienhebammen unter Umständen auch andere Hilfesysteme
eingebunden. Wie schätzen Sie das ein, sind diese Systeme auf jugendliche
Eltern vorbereitet oder sehen sie auch Handlungsbedarfe an Unterstützung für
die Hilfesysteme selber?
Ich glaube, dass wir auf
einem guten Weg sind im Vergleich zum Beginn meiner Tätigkeit, wo ich damit
konfrontiert worden bin auch mit anderen Systemen in Kontakt gekommen bin. Ich
glaube, dass es trotzdem noch nicht ausreichend ist. Die Jugendhilfe und auch
Sozialarbeiter oder Sozialarbeit grundsätzlich mit Jugendlichen, die braucht viel
mehr Wissen darüber, wie sie ticken und wie sie kommunikativ an sie herantreten
können. Ich glaube, da können wir uns auf jeden Fall verbessern. Aber im Vergleich
zu der 90iger-Jahren, wo ich angefangen habe, wo meiner Meinung nach in der
Jugendhilfe Väter nicht so wertschätzend behandelt worden sind, sind wir auf
jeden Fall in einer guten Entwicklung.
Zum Schluss ein Blick in die Zukunft. Viele junge Eltern
wünschen sich eine partnerschaftliche Aufteilung von unbezahlter Care und
bezahlter Erwerbsarbeit. Die Weichen dafür werden unmittelbar vor und nach der
Geburt gestellt. Welchen Beitrag könnten Hebammen und Familienhebammen Ihrer
Meinung nach leisten, um den Eltern die Verwirklichung dieses Wunsches zu
erleichtern?
Ich glaube, wir müssen
dazu viel, viel mehr Öffentlichkeitsarbeit machen, dass die jungen Familien
wissen, was kommt da auf sie zu, gerade bei Familienhebammen. Aber auch die
originäre Hebamme einbeziehen, wir müssen mehr Öffentlichkeitsarbeit machen im
Sinne von, wie können wir junge Eltern unterstützen und nicht immer so sehr von
der Mutter sprechen, sondern wirklich von jungen Eltern.
Heutzutage haben wir auch
den Transmann, der auch schwanger ist, hatten wir hier gerade vor ein paar
Monaten. Das heißt, dass ändert sich auch alles. Aber mehr
Öffentlichkeitsarbeit zu machen auch im Sinne von, warum brauchen Kinder denn
Väter, welche Grundbedürfnisse haben Kinder und was brauchen sie, um sich gut
zu entwickeln? So eine Art Aufklärung zu machen in Form von einem Video
vielleicht, nicht immer in Form von Vortrag oder Text. Aber solche bildlichen
Sachen zu entwickeln, die möglicherweise junge Eltern auch mehr ansprechen.
Ich erhoffe mir auch gerade
bei den jungen Eltern, dass wir sie über die Sozialen Medien anders erreichen
können, das sind die Medien, wo wir sie finden. Wir müssen uns öffnen, Facebook,
Instagram und TikTok, auch wenn man das nicht immer gut findet. Aber man kann
auch seine Stimme benutzen, um die jungen Eltern auch anzusprechen, um ihnen
Hinweise zu geben. Ich habe damit angefangen und ich habe ja auf jeden Fall ein
supergutes Feedback von den jungen Eltern.
Dieses kurz, knapp, aber
Klarheit über unterschiedliche Themen, Vitamin D, über postpartalen Babyblues,
was man machen kann, über Windeln wechseln. Junge Eltern müssen wir dort
abholen, wo sie sind und nicht wo wir denken wo sie sind. Und das auch unter
anderem über die sozialen Medien. Und dann können wir sie sicher machen, dann
können wir sie stark machen. Mir ist es wichtig, dass die jungen Eltern wissen,
dass wenn ich mit denen spreche, dass ich nicht so lehrhaft ankomme, dass sie
getriggert werden wie in der Schule.
Ich möchte mit ihnen sprechen,
so wie ich mit jedem anderen spreche. In der Regel geht es gut, manchmal geht
es nicht gut. Wenn es nicht gut geht, muss ich mir auch eingestehen, ich kann
die Energie nicht aufbringen für dieses Paar. Und dann muss ich sie
weiterleiten an ein anderes Angebot, an die Jugendhilfe oder dahin, wo sie die
Sache mehr ernst nehmen.
Vielen Dank, dass sie sich
die Zeit für das Gespräch genommen haben
Mehr Informationen zu Frau Jaque-Rodney finden Sie auf ihrer Webseite
Stefan Hallen
ist Sozialpädagoge bei der Fachberatungsstelle für Familien mit
Gewalterfahrung, Diakonie Düsseldorf; Systemischer Berater (DGSF),
Selbstbehauptungstrainer für Jungen, Trainer für Kampfesspiele ® und Fachkraft für Täterarbeit nach Häuslicher Gewalt (BAG).
Nach langjähriger freiberuflicher Erfahrung im Bereich individualpädagogischer Jugendhilfe-Settings arbeitet er seit 2005 bei der Diakonie Düsseldorf, wo er über 10 Jahre eine innovative, geschlechterbezogene Jungenarbeit aufgebaut hat. Jetzt ist er bei der Fachberatungsstelle für Familien mit Gewalterfahrung im Bereich Täter- und Väterarbeit beschäftigt.
Ergänze bitte den Satz ‚Vater werden ist …‘
wie eine Initiation. Plötzlich stehst du nicht mehr am Ende einer langen Reihe von Ahnen, sondern dazwischen.
Welche Eigenschaften fallen dir beim Wort ‚Vater‘ ein?
Was sollte Mann beim Vater werden unbedingt beachten?
Du bist nicht allein.
Nimm dir Zeit. Das erste Lebensjahr ist nicht das Leichteste.
Auch eine förderliche, möglichst liebevolle Grundhaltung und
Einstellung gegenuber der Mutter des Kindes. Alles andere wurde das Kind
spuren und sich negativ auf eure Beziehung auswirken.
Was würde deiner Meinung nach Vätern in Zukunft das Vater sein erleichtern?
Mehr Zeit zu haben für das und mit dem Kind, gerade in den ersten
Lebensjahren. Und dass die Mutter dieses Geschenk auch gut annehmen
können
An welches Erlebnis mit deinem Vater erinnern du sich am liebsten?
Wir waren mal 6 Wochen zu zweit in Australien, wohin sein Bruder, mein Onkel ausgewandert ist. Dort haben wir im Outback einmal im Freien übernachtet und er erzählte mir, dass es für ihn das erste Mal sei, dass er unter freiem Himmel schlafe. Auf dieser Reise hat er mir auch erzählt, dass er es bedaure, sich früher nicht mehr Zeit für uns genommen zu haben, als wir noch klein waren. Das hat gutgetan.
Vor einem Monat hat die Veröffentlichung von
Umfrageergebnissen der Organisation ‚Plan International‘ großen Wirbel
verursacht. Begriffe wie ‚Retraditionalisierung‘ und ‚Rollback in Sachen
Geschlechtergerechtigkeit‘ waren noch die harmlosesten, die mit den Antworten der
befragten Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren in Verbindung gebracht wurden.
Bei den Vorstellungen zur Aufgabenteilung in der Familie sehen
52 Prozent der jungen Männer ihre Rolle darin, im Beruf genug Geld zu
verdienen, die Zuständigkeit für die Carearbeit weisen sie ihrer Partnerin zu.
In seiner Stellungnahme hat der Vorstand der LAG Väterarbeit die Frage
gestellt, ob diese Rollenerwartung wirklich aus der Welt ist. Das Gerangel um
die Familienstartzeit, die als Vaterschaftsfreistellung im Koalitionsvertrag
verankert ist, Kürzungen im Bereich des Elterngeldes und ausbleibende Reformen
im Familienrecht wecken Zweifel am politischen Willen.
„Wir müssen wieder mehr arbeiten“ wird Michael Hüther,
Direktor des arbeitgeberfinanzierten Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), im
Spiegel zitiert. Er will dem Fachkräftemangel mit längeren Arbeitszeiten
entgegenwirken. Es brauche eine Ausweitung der individuellen Arbeitszeit im
Jahr, „nicht den unrealistischen Traum der Viertagewoche“. Bereits im Jahr 2023
würden 4,2 Milliarden Arbeitsstunden fehlen.
An anderer Stelle haben sein und andere Wirtschaftsinstitute
vorgerechnet, dass eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von Müttern mit
Kindern unter 18 Jahren um eine Stunde einen jährlichen Zugewinn von mehr als
100 Millionen Stunden bewirken würde.
Eine aktuelle Veröffentlichung zeigt auf, wie es um die Nutzung dieser ‚Stellschraube‘ für die Volkswirtschaft und die Möglichkeiten für Väter zur Reduzierung ihrer Erwerbsarbeitszeit im Sinne einer geschlechtergerechten Aufteilung von Care- und Erwerbsarbeit bestellt ist.
Die Erwerbsbeteiligung von Müttern in Deutschland ist in den
vergangenen zwei Jahrzehnten zwar angestiegen. 2022 gingen 73 Prozent aller
Mütter mit minderjährigen Kindern in Westdeutschland und 75 Prozent aller
Mütter in Ostdeutschland einer bezahlten Tätigkeit nach, die meisten von ihnen jedoch
in Teilzeit. Bei der Einstellung zur Müttererwerbstätigkeit zeigen sich nach
wie vor erhebliche Unterschiede, wie die neue Studie des Bundesinstituts für
Bevölkerungsforschung (BiB) belegt. Demnach ist die Einstellung gegenüber einer
Erwerbstätigkeit von Müttern stark vom Alter des jüngsten Kindes und der
Herkunft der Eltern abhängig.
Darüber hinaus wurden auch die
Einstellungen zur Erwerbstätigkeit von Vätern erfasst. Die Mehrheit der
befragten Männer und Frauen spricht sich hier für eine Vollzeiterwerbstätigkeit
aus. Ist das jüngste Kind in der fiktiven Konstellation zwei Jahre alt, findet
eine Teilzeiterwerbstätigkeit von Vätern zwar durchaus noch Zustimmung – ab
einem Alter von vier Jahren aber nicht mehr. Frauen befürworten zudem eher als
die Männer selbst eine Teilzeitbeschäftigung von Vätern.
Diese Erwartungen erfüllen Väter vollumfänglich. Väter von kleinen Kindern mit einer Vollzeitstelle arbeiten durchschnittlich 44 Stunden pro Woche. Und die Ausgangsfrage lässt sich momentan leider nur mit ‚NEIN‘ beantworten.
Väter sind unglaublich flexibel sind, wenn es darum geht,
was sie für ihre Familien leisten können und den Anforderungen der jeweiligen
Situation gerecht werden zu können.
Dr. Mairi Macleod, Evolutionsbiologin, Wissenschaftsautorin
und Beraterin, hat bei einem DADx-Sitzung des Fathers Network Scotland erklärt,
warum Männer biologisch so angepasst sind, dass sie, wenn die Bedingungen
stimmen, zupackende Väter sind, und auch danach zu fragen:
Wie können wir die Praxis am Arbeitsplatz
ändern, damit Väter Väter sein können?
Was sind die Vorteile für Arbeitgeber, Väter und
die ganze Familie?
Und wie könnte die globale Pandemie dazu
beitragen, die Dinge in Zukunft zum Besseren zu wenden?
Dr. Macleod leistet Pionierarbeit, wenn es darum geht, gewachsene Motivationen zu verstehen und aufzuzeigen, wie wir unser Umfeld, unsere Gewohnheiten und unsere Einstellungen so verändern können, dass sie unseren Bedürfnissen in der modernen Welt besser entsprechen.
Der demografische Wandel, die Alterung von Gesellschaften und der Mangel an Fachkräften, gerade auch in der Pflege sind Themen, die in fast allen Ländern an Bedeutung gewinnen. Die aktuelle Studie und der Bericht „State of America’s Fathers“ hat die Einbeziehung von Männern ins Pflegesystem als Jahresthema.
Männer, nicht nur in den in den USA, wollen sich kümmern und übernehmen mehr Pflegearbeit als je zuvor. Die Autor:innen der Studie gehen von der Überzeugung aus, dass die Befähigung und Unterstützung von Männern zur Pflege für alle notwendig ist – für Frauen, für Kinder und für Männer selbst.
Ihnen geht es vor allem darum, Männer als Verbündete in den
Diskurs über die Care Arbeit einzubeziehen und die Leistungen der Männer
anzuerkennen, die sich bereits heute für die Pflegepolitik, die Unterstützung
und die Gleichstellung einsetzen. Die Diskussion über die Pflegearbeit von
Männern ist für sie auch eine Gelegenheit, politische Polarisierungen zu
überwinden und alle Männer dazu aufzurufen, sich zu verbinden, mitfühlend zu
sein und nach Gleichberechtigung zu streben, und die Fortschritte in der
Pflegepolitik zu erreichen, die benötigt werden.
Um eine stärkere Beteiligung von Männern an der Pflege zu
erreichen, ist es unabdingbar Männer und Väter dabei zu unterstützen, sich in
die Pflege einzubringen zu können. Vor allem gilt es, die strukturellen
Faktoren zu verändern, die den Wert der Pflege in der Gesellschaft bestimmen
und beeinflussen, und die festlegen, wer diese Arbeit übernimmt. Zusätzlich
braucht es einen Kulturwandel, der uns davon abbringt, die Pflege durch eine
individuelle Brille zu betrachten, und der uns zu gemeinsamen Problemlösungen
und öffentlichen Lösungen führt.
Konkrete Maßnahmen – große und kleine – können uns zu einer
Welt führen, in der alle ein berufliches und persönliches Leben mit Würde gestalten
können. Dazu gehören Änderungen von Gesetzen und Politiken mit angemessener
Mittelausstattung und klaren Umsetzungsplänen, Änderungen in Schulen, am
Arbeitsplatz und in Gesundheitseinrichtungen, Änderungen kultureller Narrative,
Änderungen der Geschlechternormen im Zusammenhang mit der Pflegearbeit und
Änderungen in unserem öffentlichen und privaten Leben und Lebensunterhalt.
Konkret werden in dem Report unter anderem folgende
Forderungen aufgestellt:
Nationale Politiken für bezahlte Pflegezeit zu
unterstützen, zusammen mit Maßnahmen am Arbeitsplatz, die Männer (und alle
pflegenden Angehörigen) dabei unterstützen, Pflegezeit zu nehmen und Pflege zu
übernehmen.
Herausstellen, dass Pflege durch Männer wichtig
ist, und dies sowohl online als auch an allen Orten, an denen sich Männer
aufhalten
Männer als Aktivisten und Fürsprecher für die
Pflegepolitik zu ermutigen und zu engagieren
Medien dabei unterstützen, über die Pflegearbeit
von Männern zu berichten.
die Art und Weise, wie Jungen sich mit Pflege
auseinandersetzen können, radikal verändern und ihnen von klein auf Möglichkeiten
geben zu erfahren, Pflegeaufgaben ist.
Die Studie „State of America’s Fathers“ bestätigt, was
wir auch in Deutschland schon lange wissen: Eltern und alle Menschen, die sich
um ein Kind oder einen geliebten Menschen kümmern, brauchen Unterstützung dabei,
Fürsorgeaufgaben wahrzunehmen, ohne ihren Job, ihre finanzielle Stabilität oder
ihr Wohlergehen zu riskieren.
Wenn ein Paar mit Kindern sich trennt ist dies eine enorme
Herausforderung zur Neuorganisation für alle Familienmitglieder. In der Regel
fehlen den Eltern Erfahrungen wie sie ihre Kinder dabei am besten begleiten
können, meist sind sie akut und lange danach damit beschäftigt, ihre eigene
Situation neu einzurichten.
Auch wenn in den letzten Jahren immer mehr Eltern für ihre
Kinder eine gute Regelung suchen und dabei Rat und Hilfe suchen, erleben immer
noch zu viele Kinder unsichere und schlimmstenfalls hochstreitende
Eltern.
Der Familienkongress des Väteraufbruch für Kinder beschäftigt
sich deshalb nach einer Bestandsaufnahme der Lage von Trennungskindern und
ihren Familien mit Konzepten, wie Familien vor, während und nach einer Trennung
unterstützt und wie sie das für sich und ihre Kinder geeignete Betreuungsmodell
finden können.
Der Familienkongress findet von Freitag, den 24. November, 19:00 Uhr bis Sonntag, 26. November, 15:00 Uhr, im Stephanstift, in 30625 Hannover statt.
Referent:innen
Dr. Stefan Rücker, Leitung Forschungsgruppe PETRA u.a.
Prof. Dr. Nina Weimann-Sandig, Professur für Soziologie und Empirische Sozialforschung, EFS Dresden
RA Sabine Hufschmidt, Mediatorin/Anwältin
n.n.
Themen
Von der Bindungsfürsorge bis Eltern-Kind-Entfremdung – wie Erziehungsverhalten getrennter Eltern auf Kinder wirkt (Dr. Stefan Rücker, Leitung Forschungsgruppe PETRA u.a)
Kinder brauchen beide Eltern (Prof. Dr. Nina Weimann-Sandig, Professur für Soziologie und Empirische Sozialforschung, EFS Dresden)
Chancen der Familienmediation – auch bei hochstrittigen Trennungseltern? (RA Sabine Hufschmidt, Mediatorin/Anwältin)
Mutter, Mutter Kind – Regenbogenfamilien und mögliche Eltern-Kind-Beziehungen mit anschließender Diskussion (Film am Vorabend)
Teilnahmebeitrag
In den Kosten ist auch die Verpflegung Mittag-, Kaffee und
Abendessen enthalten.
80,00 € Mitglieder und Kooperationsvereinbarungen mit anderen Verbänden
60,00 € Studierende
110,00 € sonstige Teilnehmende bei Anmeldung bis zum 31.10.2023
140,00 € ab dem 01.11.2023 (soweit noch Plätze verfügbar)
Nähere Informationen zum Programm werden auf der Kongress-Seite veröffentlicht und fortlaufend aktualisiert. Dort ist ab sofort auch eine Voranmeldung möglich.