Jetzt erst recht, Angebote für junge Männer und Väter ausbauen
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Montag 19. Juni 2023
Stellungnahme des Vorstands der LAG Väterarbeit NRW zu den Befragungsergebnissen von Plan International
Die Veröffentlichung von Ergebnissen der Umfrage ‚Spannungsfeld Männlichkeit‘ schlägt hohe Wellen. Im Mittelpunkt der Empörung steht die vermeintliche Gewaltbereitschaft von mehr als einem Drittel der befragten Männer.
Neben dem Thema ‚Gewalt in der Partnerschaft‘ zielte die Umfrage aber auf weitere Aspekte von Männlichkeiten und die Ergebnisse sind, völlig unabhängig von der Frage, ob sie repräsentativ sind oder nicht, ein Weckruf zum Handeln. Für uns als Landesarbeitsgemeinschaft Väterarbeit, aber auch die Verantwortlichen in Kindertagesstätten, Schulen, Familienbildung- und -beratung und die politisch Verantwortlichen in NRW und im Bund.
Die von den befragten jungen Männern im Alter zwischen 18 und 35 Jahren geäußerten Haltungen und Meinungen zeugen von einer großen Verunsicherung darüber, was Männlichkeiten heute ausmachen und einer Rückbesinnung auf überwunden geglaubte Vorstellungen.
Das kommt deutlich in den Vorstellungen zur Aufgabenteilung
in der Familie zum Ausdruck: 52 Prozent der jungen Männer sehen ihre Rolle
darin, im Beruf genug Geld zu verdienen, die Zuständigkeit für die Carearbeit
weisen sie ihrer Partnerin zu.
Abgesehen davon, dass dies auch bedeutet, dass 48 Prozent der Befragten einer
partnerschaftlichen Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zustimmt,
ist diese Rollenerwartung wirklich aus der Welt? Das Gerangel um die
Familienstartzeit, die als Vaterschaftsfreistellung im Koalitionsvertrag
verankert ist, weckt Zweifel.
Dabei sind diese zwei Wochen mehr als eine gemeinsame
Startzeit für Familien. Sie sind ein deutliches Signal, Vater du gehörst auch
an den Wickeltisch, du hast von Anfang an die Möglichkeit eine Bindung zu
deinem Kind aufzubauen und Verantwortung in und nicht nur für die Familie zu
übernehmen.
Diese Erfahrungen prägen und wirken langfristig im Hinblick auf
Partnerschaftszufriedenheit, fürsorglichem Verhalten und Engagement und beugen
so Konflikten und Gewalt in Beziehungen vor.
Fast alle befragten Männer empfinden einen Veränderungsdruck. Damit sich dieser Druck und die damit verbundene Verunsicherung nicht in Gewalt und anderen destruktiven Handlungen entlädt, brauchen die jungen Männer Angebote, ihr Verhalten und ihre Ansichten im Austausch mit anderen Männern zu reflektieren und bei einer Krise auch passende Beratung.
Wir sind der Überzeugung, dass die kruden Rollenvorstellungen
und Männlichkeitsbilder auch Ergebnis von Erziehung sind. In Kindertagesstätten
und Schulen gibt es zu wenig geschlechterreflektierte Jungenarbeit und die
Anliegen und Bedürfnisse von Jungen spielen in der Ausbildung von
Erzieher*innen und Sozialpädagog*innen kaum eine Rolle.
Das gleiche gilt für das Geburtshilfesystem, Väter und ihre Anliegen sind auch
hier nicht im Blick. Die Potenziale und Ressourcen einer Geburtsvorbereitung,
die auch auf eine geschlechtergerechte Aufgabenteilung in der Familie abzielt,
bleiben ungenutzt.
Die LAG Väterarbeit und ihre Mitglieder bieten Mitarbeitenden in den verschiedenen Einrichtungen und Hilfesystemen hierzu Fortbildungsangebote an. Vätern selbst werden Räume und Möglichkeiten eröffnet, sich mit anderen Vätern über ihren Alltag als Väter zu verständigen, auszutauschen und Sicherheut in der neuen Rolle zu finden.