So lautete die Überschrift in dem Abschnitt ‚Eckpunkte für
eine zukünftige Familienpolitik‘ in dem Familienbericht, den die
Landesregierung 2015 veröffentlichte. Dem Bericht zugrunde lagen die Auswertung
statistischer Daten, eine eigens durchgeführte Familienbefragung sowie die
Ergebnisse verschiedener Workshops an denen Familien und Expert*innen sich
beteiligen konnten. Als letzte Veranstaltung fand im November 2014 unter der
Überschrift ‚Vatersein in Siegen, Vater sein in NRW‘ ein Familiendialog an der
Universität in Siegen statt.
Hier wurden bereits die Ambivalenzen und Widersprüche
deutlich, mit denen Väter und Mütter, nicht nur in NRW, konfrontiert werden. ‚Väter
sehen sich nicht mehr länger nur in der Rolle des Ernährers, sondern möchten
sich aktiv an der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder beteiligen. Bei der Familienbefragung
für NRW haben 42 Prozent der Väter erklärt, dass sie es ideal fänden, wenn
beide Elternteile in gleichem Maße erwerbstätig sind und sich um Haushalt und
Familie kümmern.‘
Die Ursache – Wirkung – Kette‘ wird in dem Bericht
folgendermaßen beschrieben: Dies spiegelt die individuellen Wünsche der Väter,
mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können – stellt aber auch eine
Grundvoraussetzung für eine erhöhte Erwerbstätigkeit der Mütter dar. „Einspruch
Euer Ehren“ würde es jetzt vor Gericht lauten. Hat doch die gleiche
Landesregierung bei der Prognos AG wenige Jahre zuvor eine Untersuchung in
Auftrag gegeben, wovon die Inanspruchnahme von Elternzeit in erster Linie
abhängt. Als die wichtigsten Faktoren wurden identifiziert:
die existierenden Kinderbetreuungsangebote
der Umfang der Berufstätigkeit von Frauen und
die Einstellung zur Betreuung von kleinen
Kindern durch eine andere Person als die Mutter
Insbesondere bei den beiden letzten
Kriterien liegt NRW weit zurück. Darüber hinaus konstatiert der Bericht: ‚die
im Bundesvergleich geringe Inanspruchnahme der Partnermonate beim Elterngeld
bei den Vätern in NRW belegt, dass auch Väter bei der Realisierung des von
ihnen gewünschten Familienmodells auf Widerstände stoßen. … Dass viele Väter
hiermit unzufrieden sind, ist bei den Familiendialogen sehr deutlich geworden:
Väter erklärten, sie hätten immer ein schlechtes Gewissen ihren Kindern
gegenüber, und sie beneideten ihre Partnerin um die Zeit, die diese mit den
gemeinsamen Kindern verbringen könne. Dazu passt, dass 24 Prozent der voll
erwerbstätigen Väter bei der Familienbefragung für NRW den Wunsch nach einer Reduzierung
ihrer Arbeitszeit geäußert haben.
Bei den Gründen, warum sie es nicht tun, spielten
finanzielle Erwägungen eine wichtige Rolle. Äußerungen aus den Familiendialogen
hätten aber auch gezeigt, dass viele Väter ihre Rechte im Hinblick auf eine
Teilzeittätigkeit nicht kennen. Als Ziel wird an dieser Stelle im Bericht
formuliert, die Entscheidungsspielräume für Eltern zu erweitern. Dazu „müssen
die traditionellen Geschlechterbilder für Frauen und Männer so verändert
werden, dass die wechselnden Phasen von Erwerbs- und Familienphasen nicht
länger zu unterschiedlichen Erwerbschancen von Frauen und Männern führen“.
Diese mechanistische Sichtweise karikiert das an sich
wünschenswerte Ziel ‚atmender‘ Lebensläufe von Vätern und Müttern. Verhalten
und noch mehr Haltungen lassen sich nicht durch Anweisungen verändern, sondern
dadurch, dass Väter und Mütter andere Erfahrungen machen können, z.B. durch
Elternzeiten und Verantwortungsübernahme in bislang „vernachlässigten“
Bereichen.
Hier setze die Arbeit der 16 Kompetenzzentren Frau und Beruf
an. Es gehe dabei auch um Strategien für eine bessere Vereinbarkeit von
Familie/Pflege und Beruf, flexible Übergänge zum Wiedereinstieg nach der
Elternzeit, aber auch bessere berufliche Entwicklungs- und
Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen und die Gewinnung weiblicher Auszubildender
in frauenuntypischen Berufen.
Alles gut und EU finanziert, aber was unternimmt die Landesregierung um Vätern
neue Erfahrungen zu ermöglichen? Dazu ist im Familienbericht zu lesen: Mit
ihrem Portal „www.vaeter.nrw.de“informiert die Landesregierung über
Wege zu einer aktiven Vaterschaft. Sie fördert außerdem eine Fachstelle für
Väterarbeit. Zusätzlich wird sie die Diskussion über die Bedeutung von Vaterschaft
stärker in die Gesellschaft hineintragen. Ziele einer Öffentlichkeitskampagne
sind deshalb u. a.:
die Attraktivität der Vaterrolle für Männer zu
steigern,
die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die
mit dem Rollenwandel einhergehenden Anforderungen,
die Bedeutung einer aktiven Vaterschaft für die kindliche
Erziehung darzustellen und
die notwendigen Aushandlungsprozesse von Eltern zu
begleiten.
Die Kampagne ist knapp 9 Monate nach der Veröffentlichung
des Familienberichts Ende Juni 2016 mit einer Plakataktion gestartet. Besonders
wirksam war der Aufbau eines SocialMedia Auftritts bei Facebook, bei dem
wöchentlich Erfahrungsberichte von Vätern publiziert wurden und der innerhalb
weniger Monate mehr als 8.000 Follower hatte.
Bereits fünf Monate vor dem Start der Kampagne fand der
ebenfalls im Bericht erwähnte Familiengipfel statt. In der Erklärung ist u.a.
zu lesen, „… dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit Müttern und Vätern
gemeinsam das Gespräch über die unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichen der
Elternzeit suchen und den werdenden Müttern und Vätern Ansprechpartner zur
Beratung und Beantragung des Elterngelds benennen, …“ und weiter unten „… dass
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und
ihren Vertretungen in einer Kultur gegenseitiger Wertschätzung die
Inanspruchnahme der Elternzeit festlegen.“
Das klang und klingt gut und wäre, wenn den Worten denn
Taten gefolgt wären, echt innovativ gewesen, aber …
Und auch der Kampagne ging schnell die Luft bzw. das Geld
aus und nach der Landtagswahl im Mai 2017, bei der eine Koalition aus CDU und
FDP die bisherige Regierung ablöste wurde auch die erfolgreiche Facebook Seite
ebenso wie das Portal vaeter.nrw in den neuen Auftritt der Landesregierung
„integriert“. Die besondere Ansprache der Zielgruppe und das
Kommunikationsdesign dem allgemeinen ‚Corporate Design‘ untergeordnet.
Die Fachstelle ist bis Ende 2018
und mit einem halben Jahr Unterbrechung ab Juli 2019 die Geschäftsstelle der
LAG-Väterarbeit weiterhin gefördert. Seit dem Familienbericht sind sechs
Fachtagungen zu Väterthemen gefördert worden, u.a. 2017 in Bielefeld ‚Bewegte
Zeiten für Väter‘ und Olpe ‚Vater ist, was du draus machst!‘, 2019 in
Düsseldorf ‚Eltern bleiben trotz Trennung‘ und 2021 online per Zoom ‚Lockdown
als Chance? – Weichenstellungen für mehr väterliches Engagement‘.
Von den Veranstaltungen gingen
wichtige Impuls aus und die Geschäftsstelle der LAG-Väterarbeit arbeitet
kontinuierlich daran, die Weichen für väterliches Engagement zu stellen. Als
Dienstleister für alle diejenigen, die in Familienbildung- und beratung, Kitas
und Familienzentren Angebotejetzt schon Angebote für Väter machen, aber auch
als Lobbyist bei denen, die Rahmenbedingungen für väterliches Engagement strukturell
gestalten.
In dem Sinne sieht nicht nur die Landesregierung die
Arbeitgebenden als wichtige Akteure, wenn es um aktive Vaterschaft und eine
Unternehmenskultur geht, in der die Bedarfe von Vätern respektiert und
„mitgedacht“ werden.
Der Bericht „Familien gestalten Zukunft“ und insbesondere der Abschnitt ‚Mehr Zeit mit der Familie für Väter‘ sind ein erster Meilenstein nicht nur auf dem Weg zu einer kontinuierlichen Familienberichterstattung, sondern auch im Hinblick darauf, wie ernsthaft das Ziel einer partnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Carearbeit in der Landespolitik verfolgt und umgesetzt wird. In der Legislaturperiode 2017 bis 2022 ist kein weiterer Bericht erfolgt. Dieses Vorhaben steht nun auf der Agenda der neuen Landesregierung und die Krisen ‚Corona‘ ‚Krieg‘ und ‚Inflation‘ und ihre Auswirkungen auf Väter, Mütter und Kinder sind mehr als ein Anlass für die Schwerpunktthemen des neuen Berichts.
Bericht zum Werkstattgespräch der LAG-Väterarbeit am 26. Oktober
Das in einem Strategiepapier des ‚Runden Tischs Eltern
werden‘ zur guten Geburt gefordert wird, Mutter und Kind als rechtliche Subjekte
in der Geburtshilfe zu betrachten, zeigt auf, dass dort einiges schiefläuft.
In seinem Impuls ‚Väter in der Geburtshilfe – systemische Perspektiven‘
zeigte Hans-Georg Nelles einige der ‚Krisensymptome‘ auf: Schließung von ‚unrentablen‘
Kreißsälen, fehlende Hebammen und werdende Väter, die während der Pandemie die
Geburt auf den Gängen der Krankenhäuser oder im kalten Auto begleiten mussten.
Dies sind in seinen Augen aber nur Symptome der eigentlichen Krise, die seiner
Auffassung darin besteht, dass Väter im Geburtshilfesystem nicht als Subjekte betrachtet
und vielfach noch nicht einmal in den Blick genommen werden. So erleben
92%
der Väter nehmen an Vorsorgeuntersuchungen teil, aber 61% berichten, dass
ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden ist
Väter
haben keinen formalen Status bei der Geburtsvorbereitung, selbst ihr Name
wird nicht erfasst. Lediglich 16 % der Väter werden während der Geburt
nach ihrem Befinden gefragt.
Wenn
‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden und deutlich gemacht
wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung von Vätern bei der
Nachsorge von ca. 20% auf bis zu 70%
Ergebnisse der Väterforschung zeigen auch, dass Väter, die
bei der Geburt dabei sind, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, ihre Kinder
häufiger wickeln, ihre Kinder öfter am Körper tragen, häufiger mit ihrem Kind
an der frischen Luft unterwegs sind sowie sicherer im Umgang mit dem Kind sind
und mehr Spaß daran haben. Dieses Engagement profitiert auch die Partnerschaft.
In dem Beitrag ging der Referent auch auf gute Beispiele ein,
Studien des Fatherhoodinstitute aus Großbritannien und die Initiative Erzählcafé,
die einen Kostenlosen Flyer für Väter entwickelt hat.
Um Veränderungen im System Geburtshilfe zu bewirken sind
jedoch weitere Initiativen und politische Maßnahmen erforderlich. Eine
bundesweite Befragung von Hebammen zu ihren Erfahrungen mit Vätern bei der
Geburtsvorbereitung und unter der Geburt könnten dem Thema Aufmerksamkeit
verleihen. Auch bei der momentan laufenden Umstellung der Hebammenausbildung
könnte darauf hingewirkt werden, das gesamte System werdende Familie in den
Blick zu nehmen und die Rolle der Hebammen bei der (Te-) Konstruktion
traditioneller Rollenbilder zu reflektieren. Im politischen Raum geht es vor
diesem Hintergrund vor allem darum:
Die Bedeutung von Hebammen für das Paar im
Übergang in die Elternschaft mit den psychosozialen Aspekten bei der
akademischen Ausbildung angemessen zu berücksichtigen
Fortbildungsangebote, Informationskampagnen durchzuführen
sowie die Zusammenarbeit mit Hebammenverbänden zu intensivieren, um das Thema
zu etablieren und auch den Nutzen zu kommunizieren, der der Hebammenarbeit
durch die Einbeziehung der Väter zugutekommt.
Neben der Sensibilisierung im Rahmen von Aus-
und Fortbildung muss diese Aufgabe der Hebammen vom Gesetzgeber und den
Krankenkassen ausdrücklich zugeschrieben und honoriert werden.
Damit dies Wirklichkeit werden kann kommt es darauf an, (werdende)
Väter so zu empowern, dass sie ihre Bedürfnisse artikulieren und entsprechende
Angebote einfordern.
Die Teilnehmenden des Werkstattgesprächs, die allesamt
beruflich mit der Beratung und Begleitung von Vätern und Müttern rund um die
Geburt befasst sind, tauschten sich im anschließenden Gespräch über ihre
Erfahrungen mit der ‚Missachtung‘ von Vätern aus. Ein trauriges Resümee: die
traumatisierenden Erfahrungen von Vätern unter der Geburt haben signifikant
zugenommen, während es so gut wie keine Angebote für Väter gibt. Vielfach ist die
Diagnose ‚postnatale Depression‘ bei Vätern selbst beim Fachpersonal nicht
bekannt.
Ein weiterer Schwerpunkt des Gesprächs war die Frage,
inwieweit es sinnvoll ist im Rahmen der Geburtsvorbereitung Risiken zu
thematisieren. Ja, das ist wichtig, es geht dabei nicht darum, die (Vor-)
Freude auf die Geburt zu trüben, sondern das Paar in die Lage zu versetzen, zum
Beispiel im Fall einer ungeplanten Sectio handlungsfähig zu sein und im
Gespräch zu bleiben.
Stefanie Schmid-Altringer, die Initiatorin der Erzählcafés fasste
die Aufgaben der Väter, nicht nur in solchen Situationen, folgendermaßen
zusammen:
Sie unterstützen die Mutter bei der Geburt
Sie haben eine Bodyguard Funktion im Hinblick
auf Gewalt und Respektlosigkeit
Sie achten auf sich selbst (Selbstfürsorge)
Sie sind als Patient auch rechtliches Subjekt im
System
Ein Ergebnis des Gesprächs ist, eine Umfrage unter Vätern
und Expert*innen durchzuführen und zu erfragen, was Väter im Kontext dieses
existenziellen Lebensereignisses brauchen.
Das trifft auf viele Bereiche zu, insbesondere aber dann,
wenn es um die Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit geht. Sich eine
partnerschaftliche Aufgabenteilung zu wünschen ist die eine, sie tatsächlich leben
zu können die andere Seite der Medaille.
Dies stellt auch das Beratungsunternehmen prognos in dem im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Unternehmensprogramms “Erfolgsfaktor Familie” erstellten Policy Paper` ‚Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Beitrag zur Fachkräftesicherung‘ fest. Eine der Kernaussagen des Papers lautet:
„Vereinbarkeit darf sich jedoch nicht nur an Frauen und
Mütter richten, sondern muss auch Männer und Väter adressieren und eine partnerschaftliche
Arbeitsteilung von Müttern und Vätern ermöglichen.“
Meiner Meinung nach kann die Strategie nur erfolgreich sein,
wenn sie Männer und Väter als handelnde Subjekte in dem komplexen System
Familie und Partnerschaft ansieht und nicht nur als Beiwerk‘ adressiert. Die in
dem Papier angeführten Fakten und Studien sprechen dafür. Unter anderem heißt
es dort:
„Väter sind indirekter Teil der Fachkräftestrategie –
ohne ihre Vereinbarkeit geht es nicht.
Der Fokus auf die Potenziale der Müttererwerbstätigkeit
bedeutet nicht, dass Vereinbarkeit ein Frauenthema ist und sich weiterhin
hauptsächlich auf Branchen konzentrieren kann, in denen der Frauen- und
Mütteranteil besonders hoch ist. Väter sind zwar kein direkter Teil der
Fachkräftestrategie, aber dass sie Familie und Beruf gut vereinbaren können ist
existenziell, damit die von vielen Elternpaaren gewünschte partnerschaftliche
Arbeitsteilung realisiert werden kann, Mütter mehr Freiraum für eine
umfassendere Erwerbstätigkeit haben und ihr Fachkräftepotenzial gehoben werden
kann.
Zudem bestätigen Studien eine erkennbare Änderung der
Haltung von „aktiven Vätern“, die zunehmend aktiver in der familiären
Fürsorgearbeit werden wollen. Haben 2018 noch 83 Prozent der Väter Vereinbarkeitsangebote
in Unternehmen als Angebote für Mütter wahrgenommen, wollen die „Neuen Väter“
gleichfalls Angebote für ihre Vereinbarkeit. 59 Prozent der jungen Männer, die
im Alter einer möglichen Vaterschaft oder Familiengründung sind, würden wegen
fehlender Möglichkeiten den Arbeitgeber wechseln.
Insbesondere die fehlenden Betreuungsmöglichkeiten während
der COVID-19 Pandemie haben einen Schub der Vereinbarkeit von Vätern
verursacht. So geben in der repräsentativen Studie „Neue Chancen für
Vereinbarkeit“ 43 Prozent der befragten Väter an, dass sie während der Pandemie
ihren Arbeitgeber auf Veränderungen ihrer Arbeitsweise oder ihres Arbeitsortes
zugunsten der Kinderbetreuung angesprochen haben.
Vereinbarkeit von Müttern und Vätern ist der Schlüssel zu
Arbeitgeberattraktivität und Fachkräftegewinnung und -bindung.
Hinweise, dass eine partnerschaftliche Arbeitsteilung von Vätern und Müttern, aber auch Angebote für haushaltsnahe Dienstleistungen, einen positiven Einfluss auf die Fachkräftesituation entfalten können, gibt ein aktueller Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e. V. (DIW). Demnach ist in Deutschland unbezahlte Hausarbeit, Betreuung und Pflege von Kindern und älteren Angehörigen zwischen Männern und Frauen immer noch sehr ungleich verteilt. In rund drei Viertel der deutschen Paarhaushalte übernehmen Frauen mehr als die Hälfte der Sorgearbeit. Reduziert sich jedoch die Sorgearbeit des gesamten Haushalts, steigen sowohl Beschäftigungswahrscheinlichkeit als auch -umfang beider Partner, vor allem jedoch bei Frauen.
43 Prozent der Eltern wünschen sich aktuell eine
partnerschaftliche Teilung von Berufs- und Familienarbeit. Je jünger die Frauen
und je besser sie gebildet sind, desto höher ist ihr Anspruch an eine
partnerschaftliche Arbeitsteilung. Der Väterreport 2021 zeigt auf, dass
mittlerweile auch 48 Prozent der Väter mit einem ältesten Kind unter 10 Jahren
diese Ansicht teilen.“
Vater werden und sein verändert alles. Diese an sich
triviale Aussage verweist auf die Großartigkeit des Ereignisses einer Geburt
und die Komplexität der Wirkungen, die sie auslöst. Sie zeigt aber auch auf die
Fülle der Möglichkeiten auf, die Hebammen und andere haben, werdende Väter und
Mütter auf diesem Weg zu begleiten und sie auf das dieses Ereignis und die
folgenden Jahrzehnte vorzubereiten. Mehr als 90 Prozent der werdenden Väter
sind bei der Geburt ihres Kindes dabei und eine gute Vorbereitung wirkt sich
nicht nur auf den Geburtsverlauf positiv aus.
Wenn Männer Väter werden, wollen sie nicht nur beruflich
weiterhin erfolgreich, sondern gleichermaßen auch gute Väter sein. Das bedeutet
in erster Linie, Zeit haben, für die Kinder da zu sein, präsent zu sein, ihre
Entwicklung zu begleiten und zu fördern, ihnen die besten Möglichkeiten für
einen guten Schulabschluss zu verschaffen sowie möglichst viele Risiken des
Alltags von ihnen fernzuhalten. Also ein durch und durch fürsorglicher Vater zu
sein.
Im Hinblick auf die Partnerschaft und die Partnerin steht
der Anspruch, sich anfallende Aufgaben partnerschaftlich aufzuteilen und nicht
in traditionelle Rollenmuster zurückzufallen, im Raum. Eltern werden, Partner
bleiben. Die große Herausforderung bei der Umsetzung dieser Ansprüche ist, dass
Väter (und Mütter) kaum auf erprobte Muster und Rollenmodelle zurückgreifen
können und sich einen eigenen Weg suchen müssen. Es ist zwar inzwischen viel zu
diesem Thema geschrieben worden, aber verwirklichen müssen Mann und Frau ihren
Traum von einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung, einer geteilten
Verantwortung für die Kinder und genügend Gelegenheiten für die Pflege der
Paarbeziehung schon selber.
Erfahrungen und Studienergebnisse (BMFSFJ, 2011) zeigen,
dass die gewählten Lebensmodelle vielfach nicht Ergebnis zielgerichteter
Aushandlungsprozesse sind, sondern Paare vor dem Hintergrund vermeintlich
rationaler Gründe nach der Geburt dort ‚hineingeschliddert‘ sind und Väter sich
mehr oder weniger freiwillig auf die traditionelle Rolle des Ernährers und
Assistenten in der Familie einlassen.
Was Väter brauchen, sind passende Erwartungshaltungen,
Rahmenbedingungen und Wertschätzungsstrukturen. Es kommt vor allem darauf an,
dass es völlig normal sein wird, beruflichen Erfolg und fürsorgliches Verhalten
in Familie und anderswo nicht mehr als Gegensätze zu denken, sondern als
gegenseitige Ergänzung und Bereicherung.
In dem Zeitraum zwischen der Entscheidung Vater und Mutter
werden zu wollen und der Geburt, der in den meisten Fällen länger als die 280
Tage der Schwangerschaft umfasst, werden nicht nur Pläne geschmiedet und das
‚Nest‘ hergerichtet, sondern die Weichen dafür gestellt, ob die Vorstellungen
sich Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich aufzuteilen gelingen können oder
nicht.
Auf die Vorbereitung kommt es an
Auf der Grundlage internationaler Forschungsergebnisse, die
die Zusammenhänge zwischen dem Verhalten, den Erfahrungen, Einstellungen und
Merkmalen von werdenden und neuen Vätern und der Gesundheit und Wohlbefinden
von Mutter und Kind aufzeigen, hat die Weltgesundheits-organisation (WHO) eine
der zehn Empfehlungen zu Maßnahmen der Gesundheitsförderung von Müttern und
Neugeborenen zur Einbeziehung von Vätern formuliert.
Die WHO empfiehlt, die Beteiligung von Männern während der Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt zu fördern, um die Selbstsorge von Frauen und die häuslichen Pflegepraktiken für Frauen und Neugeborene zu verbessern, den Einsatz qualifizierter Vorsorge für Frauen und Neugeborene während der Schwangerschaft, der Entbindung sowie in der postnatalen Periode zu erleichtern, und die Einrichtung für Geburtshilfe rechtzeitig zu nutzen falls es Komplikationen bei den Neugeborenen gibt.
Neben dieser auf die
Gesundheit von Mutter und Kind bezogenen Perspektive, die für sich genommen
schon Grund genug ist, Väter während der Schwangerschaft, bei der
Geburtsvorbereitung, der Geburt und der Zeit danach aktiv einzubeziehen, gibt
es weitere, ebenfalls wissenschaftlich gut belegte Gründe, dies zu tun.
Die Gesundheit der
Väter und ihre Beziehung zu dem ungeborenen Kind haben einen großen Einfluss
darauf, in welchem Maße sie sich an der Erziehung des Kindes beteiligen und
Ressourcen für seine gelingende Entwicklung zur Verfügung stellen.
In dem 2016 auf 136
Seiten ausformuliertem ‚Nationalen Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘ wird die
Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt. Unter anderem heißt
es dort ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich
von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven
Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden‘.
Ansprüche und
Wirklichkeiten
Obwohl also Alles
dafürspricht, (werdende) Väter rechtzeitig einzubeziehen und als aktive
Subjekte im Geburtsgeschehen zu betrachten, werden sie hierzulande häufig immer
noch als ‚Beifahrer‘ (BZgA 2011) betrachtet. In Großbritannien, wo bereits 2006
im Nationalen Gesundheitssystem ein Paradigmenwechsel zugunsten der
Einbeziehung von Vätern stattgefunden hat, zeigen gerade veröffentlichte
Befragungsergebnisse, dass dieser empfohlene Wandel auch dort noch längst nicht
überall praktiziert wird. (Thorpe, 2018)
92% der Väter nehmen an den Vorsorgeuntersuchungen teil,
aber 61% berichten, dass ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt
angesprochen worden ist
Väter haben keinen formalen Status bei der
Geburtsvorbereitung, selbst ihr Name wird nicht erfasst. Lediglich 16 %
der Väter werden während der Geburt nach ihrem Befinden gefragt.
Wenn ‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden
und deutlich gemacht wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung
von Vätern bei der Nachsorge von ca. 20% auf bis zu 70%
Ein Blick hinter die Kulissen
Zu der Thematik liegen vor allem Praxis- und
Forschungsberichte aus dem angelsächsischen Raum vor. Auf der Website www.familyincluded.com werden diese seit 2015 systematisch
ausgewertet, thematisch gelistet und zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist
nach der Erklärung der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2013, in der erklärt
wurde, dass die Zusammenarbeit mit den Vätern eine globale Priorität für die
Gesundheitsversorgung von Müttern haben sollte, und vor dem Hintergrund, dass
es weder Pläne noch Ressourcen gab, um dies umzusetzen, entstanden. Als
Haupthindernisse für die tatsächliche Einbeziehung von Vätern werden dort
folgende Punkte identifiziert:
Das erste Problem ist die Professionalisierung und die
Perspektive auf die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen. Häufig wird diese
Gesundheitsversorgung als eine Angelegenheit betrachtet, die sich nur zwischen
dem Gesundheitspersonal und der „Patientin“, in diesem Fall der
Schwangeren abspielt.
Das zweite Problem ist die Sorge um die Gleichberechtigung
der Geschlechter. Fast alle Familien umfassen Männer, und sie haben oft mehr
vor allem finanzielle Ressourcen. Wenn man sie in die Pflege einbezieht, so
wird befürchtet, könnte dies dazu führen, dass die Autonomie der Frauen
eingeschränkt wird und die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Familien
nicht in Frage gestellt werden. Diese Aussage spiegelt die Tatsache wider, dass
zahlreiche Forschungsprojekte in Ländern mit noch ausgeprägteren patriarchalen
Strukturen durchgeführt werden.
Hierzulande geht es vor allem darum, Väter für eine
Beteiligung in Familie und an den in der Familie zu erledigenden Arbeiten zu
gewinnen und zwar von Anfang an. Für den deutschsprachigen Raum liegen zwei
Untersuchungen vor, die die von ‚Family Included‘ identifizierten Hindernisse
bestätigen.
Marion Müller und Nicole Zilien (2016) verifizieren in ihrem
Forschungsprojekt die Ausgangsthese, „dass die heutigen
Geburtsvorbereitungskurse durch ihre Ausgestaltung Geschlechterdifferenzen
hervorheben, diese weiterhin mit geschlechterdifferenzierenden Zuschreibungen
häuslicher Arbeit koppeln und durch eine wissenschaftlich gestützte
Naturalisierung legitimieren. Geburtsvorbereitungskurse bahnen demnach bereits
in der pränatalen Phase eine geschlechterdifferenzierende Arbeitsteilung an und
lassen sich deshalb als Institutionen der Retraditionalisierung
interpretieren.“
Lisa Maria Groß (2017) kommt in ihrer Arbeit ‚Väter als
Adressaten in Frühen Hilfen? Über die Konstruktion von Väterlichkeit im
professionellen Handeln von Familienhebammen‘ zu dem Ergebnis, „In Interviews mit Familienhebammen und ethnographischen
Beobachtungsprotokollen von Hausbesuchen zeigt sich allerdings eine Mütterorientierung
im professionellen Handeln von Familienhebammen, die zu einer sekundären
Adressierung der Väter hinsichtlich innerfamilialer Sorgetätigkeiten bis hin
zur Exklusion väterlicher Fürsorge aus dem Binnenraum der Familie
führt.“
Die Vorbereitung des geburtshilflichen Teams auf die
Väter
Wie Väter auf die Geburt vorbereitet werden können und
welche Rolle die verschiedenen Professionen dabei spielen, hat schon 2014 das,
in einer von der Bundeszentrale für gesundheitliche veröffentlichten Broschüre,
Ergebnis einer multiprofessionellen Arbeitsgruppe deutlich gemacht. (BZgA 2014)
Ein entscheidender Faktor dabei ist die Haltung gegenüber
der Rolle sowie der aktiven Einbeziehung von Vätern. Ihre gute Vorbereitung auf
die Geburt kommt auch der werdenden Mutter zugute. Studien zeigen, dass Väter,
die ihre Rolle während der Geburt kennen und verstehen, was dort geschieht,
selbst besser vor übermäßigem Stress geschützt sind und seltener Gefahr laufen,
den Ablauf der Geburt negativ zu beeinflussen. Das gilt insbesondere in den
Momenten, in dem es mal nicht „nach Plan läuft“, was aber auch völlig normal
ist. (Schäfer, Abu Dakn 2008)
Die Rolle, die sie während der Geburt wahrnehmen können, für
ihre Partnerin da zu sein, den neuen Lebensabschnitt gemeinsam zu beginnen und
von Anfang an als Vater präsent zu sein. Dabei erleben sie sich vielfach in
einer völlig ungewohnten Situation: Sie haben keine Kontrolle über das
Geschehen und die Mächtigkeit der Gefühle führt sie vielfach nicht nur
emotional an ihre Grenzen, sondern manchmal sogar darüber hinaus. Das Vertrauen
in die Kompetenzen des geburtshilflichen Teams und ihr Wissen um die
natürlichen Abläufe sind in diesen Momenten gute Stützen.
Dieses Vertrauen kann im Vorfeld der Geburt durch
verschiedene Angebote zur Geburtsvorbereitung in den Geburtskliniken und den
Kursen der Hebammen bzw. der Familienbildung gebildet werden. Dabei geht es
verständlicherweise vorrangig um die biologischen Abläufe der Geburt und die
Vorbereitung der Mütter darauf, um ihre Bedürfnisse, Ängste und Sorgen.
Darüber hinaus sind aber zwei weitere Ebenen der
Vorbereitung auf die Geburt und vor allem die Zeit danach für Väter von großer
Bedeutung. Die gemeinsamen Planungen der werdenden Eltern für die Zeit zu Dritt
und der Austausch des werdenden Vaters mit anderen Männern.
Einbeziehung von Vätern nutzt partnerschaftlicher
Aufgabenteilung
Die Entscheidung Eltern werden zu wollen, ist heute eine
bewusste, auch wenn eine exakte Planung nicht garantiert ist. Im Rahmen dieses
Prozesses können Fragen der beruflichen Weiterentwicklung, der familiären
Arbeitsteilung und auch die Vorstellungen zu den Rollen als Mutter und Vater sowie
die Erfahrungen und Prägungen in der eigenen Herkunftsfamilie thematisiert
werden. In ihrem Papa Handbuch beschreiben die Autoren eine Fülle von
praktischen Möglichkeiten dazu. (Richter, Schäfer 2020)
Darüber hinaus gibt es eine Fülle an ‚Väterthemen und fragen‘,
die am besten bearbeitet werden können, wenn Väter unter sich sind und diese
Phase auch von einem erfahrenen Mann und Vater betreut wird:
Welche Wünsche und Befürchtungen habe ich für
die Geburt?
Will ich bei der Geburt dabei sein? Was will ich
sehen, was nicht?
Was ist mir wichtig für die erste Zeit zuhause?
Welche Bedeutung habe ich als Vater für die
Entwicklung des Kindes?
Wie kann ich meine Vaterkompetenzen entfalten?
Wie entwickelt sich das Verhältnis zu meiner
Partnerin, wenn sie auch Mutter ist?
Was ist mit dem Sex in der Schwangerschaft und
nach der Geburt?
Wie kann es gelingen, dass wir auch als Vater
und Mutter die Verantwortung für finanzielle Versorgung der Familie und die
dort anfallenden Care-Aufgaben partnerschaftlich aufteilen?
Die Möglichkeit, sich mit anderen Vätern darüber auszutauschen,
haben einen bedeutenden Einfluss auf das spätere Geburtsgeschehen. Derart
vorbereitet können Väter vom geburtshilflichen Team als unmittelbar Beteiligte
des Geschehens wahrgenommen und als Personen mit eigenen Bedürfnissen und
eigenem Erleben angesprochen und einbezogen werden.
Diese „Männerrunden“ sind teilweise schon Praxis bei der
Geburtsvorbereitung. Darüber hinaus gibt es an wenigen Orten spezielle Angebote
für werdende Väter. (Mens Health 2016)
Ergebnisse eines Praxisprojekts in NRW
Ein vom Familienministerium in NRW gefördertes Praxisprojekt
beschäftigte sich mit der Fragestellung, wie die Einbeziehung von Vätern im
Rahmen der Geburtsvorbereitung durch Hebammen gefördert werden kann. Im Zentrum
standen dabei die Entwicklung und Erprobung eines Fortbildungs-Curriculums.
(Nelles 2020)
Die Annahme, Väter und Mütter im Kontext der
Geburtsvorbereitung durch Hebammen anzusprechen und dort das Anliegen
‚partnerschaftliche Aufgabenteilung‘ zu thematisieren hat sich bestätigt, da in
diesem Zeitraum entscheidende Weichenstellungen vorgenommen werden und mehr als
90 % der Väter an der Geburt und, zumindest beim ersten Kind, auch an
angebotenen Kursen zur Vorbereitung teilnehmen.
Auf der Basis freiwilliger Fortbildungen für Hebammen lässt
sich das Ziel, partnerschaftliche Aufgabenteilung im Rahmen der
Geburtsvorbereitung zu thematisieren jedoch nicht erreichen. Das liegt zum
einen, an der von der, an den unterschiedlichsten Stellen beschriebenen Haltung
der Hebammen, Frauen und Männern traditionelle Rollen zuweisen und selbst wenn
sie Angebote für Väter machen, diesen Unterstützungs- und Assistentenaufgaben
zuweisen.
Auf der anderen Seite sind es strukturelle Rahmenbedingungen
wie Personalschlüssel in Kliniken und der Blick der dort arbeitenden Gynäkologen
auf die Hebammen sowie die schlechte Bezahlung von letzteren. Dazu kommt die
Akademisierung der Hebammenausbildung und die Umsetzung der entsprechenden
Verordnungen und die Sicherstellung der praktischen Ausbildungsanteile auf den
‚letzten Drücker‘.
Die Neuaufstellung der Hebammenausbildung bietet, zumindest
theoretisch, die Chance, die Themen ‚Bedeutung von Vätern‘ und ‚Aufstellung der
Akteure im System Familie‘ in den neuen Curricula zu verankern zumal es in der
Anlage 1 der ‚Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen des
Bundesministeriums für Gesundheit‘, in der die Kompetenzen von Hebammen
aufgeführt sind, ausdrücklich heißt: [ sie] ‚verfügen über Kenntnisse … über Prozesse der Familiengründung und bereiten
die schwangere Frau und ihre Familie ihrer individuellen Lebenssituation
entsprechend auf die Geburt, das Wochenbett und die Elternschaft vor …‘ (BMG
2019)
Um die Chance, die Themen im Rahmen der zu erarbeitenden
neuen Ausbildungsordnungen breiter zu verankern, wird es aber notwendig sein,
mit Unterstützung bereits im System tätigen Akteur*innen, Professor*innen mit
ausgewiesener Väterexpertise und Praktikern der Väterbildung zunächst eine
Expertise und darauf aufbauend Bausteine für die universitären Lehrpläne zu
entwickeln.
Ein anderer Ansatzpunkt die Themen in bestehenden
Geburtsvorbereitungskursen zu verankern sind die Qualitätsstandards. Die Kurse
werden, zumindest für die Frauen, von den gesetzlichen Krankenkassen
finanziert. Jede Hebamme, die derartige Kurse anbietet kann sie über die
Krankenkassen abrechnen. Diese könnten also mit entsprechenden Standards auch
Einfluss auf die Inhalte ausüben
Fazit
Als Vision und Wunsch abschließend formuliert: um werdenden
und gewordenen Vätern und Müttern die Verwirklichung ihres Wunsches nach einer
gleichberechtigten Aufgabenteilung zu ermöglichen braucht es, neben den
äußeren, passenden Rahmenbedingungen, ein Angebot sich vor und nach der Geburt
mit den oben genannten Themen auseinanderzusetzen. Und zwar an den Orten und zu
den Anlässen, die Väter und Mütter sowieso gemeinsam oder getrennt aufsuchen
und nutzen. Die Geburtsvorbereitung gehört in jedem Fall dazu. Es braucht aber
neben den Hebammen weitere (männliche) Akteure und Angebote für Väter, vor
allem für die Zeit nach der Geburt.
Im System der Geburtshilfe rumort es. Immer mehr
Geburtskliniken schließen, aus Mangel an Hebammen oder Renditegründen. Während
der Pandemie wurden Väter ganz oder teilweise bei Vorsorgeuntersuchungen und
der Geburt ausgeschlossen und auch wenn sie dabei sein dürfen, fühlen sich
Väter vielfach nicht einbezogen.
Es gibt zwar seit 2016 ein auf 136 Seiten ausformuliertes
‚Nationales Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘, aber die von vielen Seiten
erhobene Forderung nach einem ‚Geburtsgipfel‘ und der im Frühjahr gestarteten
Initiative ‚Bündnis Gute Geburt‘ verdeutlichen den tatsächlichen
Handlungsbedarf.
Dort ist die Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt, ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden.‘ Die Wirklichkeit ist von dieser bereits 2008 formulierten Vision weit entfernt, das macht auch eine anlässlich der ‚Weltstillwoche‘ veröffentlichte Befragung deutlich. Es braucht passende Rahmenbedingungen damit aus dem ‚Sollen‘ und ‚Wollen‘ tatsächliches Handeln wird.
Bei der Gestaltung von ‚passenden‘ Rahmenbedingungen gibt es
sicherlich Spielräume. Um diese auszuloten haben wir eine Kurzumfrage entworfen
und bitte Sie, sich 2 Minuten Zeit für eine Beantwortung zu nehmen.
Bei einem Werkstattgespräch am 26. Oktober werden wir die Ergebnisse präsentieren, Eckpunkte zu Veränderungen in der Geburtshilfe aus der Perspektive der Väter formulieren und diese in die aktuelle Diskussion einordnen.
„Frühe Vaterschaft: gewagt, riskant und
instabil!“ lautet das Resümee eines Beitrags von Cornelißen und Bien vom
Deutschen Jugend Institut im April 2014. Der SKM Bundesverband e.V. hat daher
in den vergangenen Jahren seine Beratungsangebote für Jungen, Männer und Väter
deutschlandweit ausgebaut und mit der Trägerschaft der Geschäftsstelle der „LAG
Väterarbeit in NRW“ sein fachliches Profil in dem Themenfeld „Vaterschaft“
vertieft.
Jugendliche Eltern und
ihre Herausforderungen
Während erwachsene Eltern in aller Regel bereits
mitten im Leben stehen, sehen sich jugendliche Mütter und Väter nicht nur mit
der Bewältigung der eigenen Entwicklung, sondern gleichzeitig auch mit
Elternaufgaben konfrontiert. Ihre Voraussetzungen für diese doppelte Belastung
sind in aller Regel mangelhaft. Viele jugendliche Eltern stammen aus einem
problematischen sozialen Umfeld und nicht wenige haben die Schule abgebrochen
oder keinen Einstieg in eine Ausbildung gefunden. Die Folge: Die meisten
jugendlichen Eltern leben in einer prekären wirtschaftlichen Situation, wie
Daten des Mikrozensus in Deutschland zeigen. So haben knapp ein Drittel der
jugendlichen Väter keinen beruflichen Abschluss und ihre frühe Elternschaft
korrespondiert mit einer kurzen Schulbildung.
Darüber hinaus sehen sie sich mit der weit verbreiteten Vorstellung
konfrontiert, dass eine frühe Elternschaft als Lebensform „jenseits der Norm“
betrachtet wird. Noch immer geht man in der Gesellschaft davon aus, dass Frauen
und Männer eine Ausbildung abgeschlossen und einen (sicheren) Arbeitsplatz
gefunden haben sollten, bevor sie eine Familie gründen. Dahingegen können junge
Männer durch eine frühe Vaterschaft aber durchaus in ihrer Identitätsfindung
bestärkt werden. Als junge Väter können und müssen Verantwortung übernehmen und
finden so in ihrer Vaterschaft eine Brücke zum Erwachsenwerden. Dies kann aber
nur gelingen, wenn der Prozess des Erwachsenwerdens nicht durch zusätzliche,
Krisen erzeugende Widrigkeiten wie Geldmangel, belastende Arbeitsanforderungen
oder Konflikte in der Herkunftsfamilie gefährdet wird.
„Väter fördern“
bedeutet auch „Mütter fördern“
Neben der prekären wirtschaftlichen Situation vieler
junger Familien fällt die weitverbreitete Instabilität ihrer Paarbeziehungen
auf: Unter den frühen Müttern sind sehr viel mehr alleinerziehend (42 Prozent),
als dies allgemein bei Müttern mit Kindern unter 7 Jahren der Fall ist (16
Prozent). Dies verschärft nicht nur die wirtschaftliche Lage von Mutter und
Kind. Es bedeutet gleichzeitig, dass die Bindung zwischen Vater und Kind bei
frühen Vätern häufiger in Frage steht. Die „ausgegrenzten“ Väter werden selten
in die alltägliche Betreuung und Versorgung des Kindes einbezogen, so dass
alleinerziehenden Müttern die Entlastung fehlt, die ihnen den erfolgreichen
Abschluss einer Ausbildung oder die berufliche Etablierung erleichtern könnte.
Es ist daher naheliegend jugendlichen Vätern die Hilfe und Unterstützung
anzubieten, die sie benötigen, um mit der neuen Aufgabe und Rolle als Vater und
Partner der Mutter verantwortlich umgehen zu lernen.
Die frühzeitige Einbeziehung der jugendlichen Väter
lohnt sich aber auch, wenn es um die Gesundheit von Mutter und Kind geht. So
hat eine Studie aus Großbritannien gezeigt, dass die Unterstützung junger Väter
auch einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der jungen Mutter und die
Entwicklung des gemeinsamen Kindes. Gestützt wird dieses Ergebnis von weiteren
Studien aus den USA und Großbritannien, welche die Wirksamkeit von Programmen
für jugendliche Väter und die notwendigen Veränderungen bei den Angeboten und
im Mindset der Hilfesysteme untersucht haben.
Ein weiterer entscheidender Grund, auch jugendliche
Väter in den Blick zu nehmen, ist, dass Hilfemaßnahmen für Familien und Kinder
insgesamt erfolgreicher verlaufen, wenn das gesamte Familiensystem eingebunden
wird.
Sie benötigen dringend Unterstützung und Hilfe, da
ansonsten eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass deren Söhne ebenfalls
wieder jugendliche Väter mit ähnlicher sozialer Problematik werden.
Jugendliche Väter im
Blick
Das Verbundprojekt „… jugendliche Väter im Blick“
trägt mit seinen niedrig schwelligen Angeboten dazu bei, dass jugendliche Väter
von bestehenden Hilfsangeboten erreicht werden. So geht beispielsweise der SKFM
in Düsseldorf davon aus, dass die jungen Väter durch die klassischen
Beratungsangebote nicht erreicht werden. Er sucht die Väter daher direkt in
ihrem Sozialraum auf, spricht sie aktiv über Streetwork- und schulische
Sozialarbeit an und macht ihnen niedrigschwellige Gruppenangebote.
Der SKM Osnabrück setzt er auf neue Wege der Ansprache
und die Kooperation mit anderen Akteuren in der Kommune. Durch die Entwicklung
passender Ansprachekonzepte werden junge Väter ermutigt, ihre neue Rolle an und
Verantwortung zu übernehmen. Das Angebot des SKM Rheydt e.V. beginnt mit einem
Gruppentraining, in dem die Rolle der Vaterschaft und der individuelle
Hilfebedarf partizipatorisch und diskursiv bearbeitet werden. So haben die
jungen Männer die Möglichkeit, Rollenerwartungen an sich und die damit
verbundenen Herausforderungen mit anderen jungen Vätern zu verhandeln – auch in
interkulturellen Kontexten. In anschließenden begleiteten Freizeitangeboten
können die jungen Männer die gemeinsame Zeit mit ihren Kindern als positives
Erlebnis wahrnehmen und dabei auch andere junge Väter bei ihrer
Selbstwirksamkeit als Väter unterstützen.