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Archiv für Oktober, 2022

Mehr Zeit mit der Familie für Väter …

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 31. Oktober 2022

So lautete die Überschrift in dem Abschnitt ‚Eckpunkte für eine zukünftige Familienpolitik‘ in dem Familienbericht, den die Landesregierung 2015 veröffentlichte. Dem Bericht zugrunde lagen die Auswertung statistischer Daten, eine eigens durchgeführte Familienbefragung sowie die Ergebnisse verschiedener Workshops an denen Familien und Expert*innen sich beteiligen konnten. Als letzte Veranstaltung fand im November 2014 unter der Überschrift ‚Vatersein in Siegen, Vater sein in NRW‘ ein Familiendialog an der Universität in Siegen statt.

Hier wurden bereits die Ambivalenzen und Widersprüche deutlich, mit denen Väter und Mütter, nicht nur in NRW, konfrontiert werden. ‚Väter sehen sich nicht mehr länger nur in der Rolle des Ernährers, sondern möchten sich aktiv an der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder beteiligen. Bei der Familienbefragung für NRW haben 42 Prozent der Väter erklärt, dass sie es ideal fänden, wenn beide Elternteile in gleichem Maße erwerbstätig sind und sich um Haushalt und Familie kümmern.‘

Die Ursache – Wirkung – Kette‘ wird in dem Bericht folgendermaßen beschrieben: Dies spiegelt die individuellen Wünsche der Väter, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können – stellt aber auch eine Grundvoraussetzung für eine erhöhte Erwerbstätigkeit der Mütter dar. „Einspruch Euer Ehren“ würde es jetzt vor Gericht lauten. Hat doch die gleiche Landesregierung bei der Prognos AG wenige Jahre zuvor eine Untersuchung in Auftrag gegeben, wovon die Inanspruchnahme von Elternzeit in erster Linie abhängt. Als die wichtigsten Faktoren wurden identifiziert:

  • die existierenden Kinderbetreuungsangebote
  • der Umfang der Berufstätigkeit von Frauen und
  • die Einstellung zur Betreuung von kleinen Kindern durch eine andere Person als die Mutter

Insbesondere bei den beiden letzten Kriterien liegt NRW weit zurück. Darüber hinaus konstatiert der Bericht: ‚die im Bundesvergleich geringe Inanspruchnahme der Partnermonate beim Elterngeld bei den Vätern in NRW belegt, dass auch Väter bei der Realisierung des von ihnen gewünschten Familienmodells auf Widerstände stoßen. … Dass viele Väter hiermit unzufrieden sind, ist bei den Familiendialogen sehr deutlich geworden: Väter erklärten, sie hätten immer ein schlechtes Gewissen ihren Kindern gegenüber, und sie beneideten ihre Partnerin um die Zeit, die diese mit den gemeinsamen Kindern verbringen könne. Dazu passt, dass 24 Prozent der voll erwerbstätigen Väter bei der Familienbefragung für NRW den Wunsch nach einer Reduzierung ihrer Arbeitszeit geäußert haben.

Bei den Gründen, warum sie es nicht tun, spielten finanzielle Erwägungen eine wichtige Rolle. Äußerungen aus den Familiendialogen hätten aber auch gezeigt, dass viele Väter ihre Rechte im Hinblick auf eine Teilzeittätigkeit nicht kennen. Als Ziel wird an dieser Stelle im Bericht formuliert, die Entscheidungsspielräume für Eltern zu erweitern. Dazu „müssen die traditionellen Geschlechterbilder für Frauen und Männer so verändert werden, dass die wechselnden Phasen von Erwerbs- und Familienphasen nicht länger zu unterschiedlichen Erwerbschancen von Frauen und Männern führen“.

Diese mechanistische Sichtweise karikiert das an sich wünschenswerte Ziel ‚atmender‘ Lebensläufe von Vätern und Müttern. Verhalten und noch mehr Haltungen lassen sich nicht durch Anweisungen verändern, sondern dadurch, dass Väter und Mütter andere Erfahrungen machen können, z.B. durch Elternzeiten und Verantwortungsübernahme in bislang „vernachlässigten“ Bereichen.

Hier setze die Arbeit der 16 Kompetenzzentren Frau und Beruf an. Es gehe dabei auch um Strategien für eine bessere Vereinbarkeit von Familie/Pflege und Beruf, flexible Übergänge zum Wiedereinstieg nach der Elternzeit, aber auch bessere berufliche Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen und die Gewinnung weiblicher Auszubildender in frauenuntypischen Berufen.
Alles gut und EU finanziert, aber was unternimmt die Landesregierung um Vätern neue Erfahrungen zu ermöglichen? Dazu ist im Familienbericht zu lesen: Mit ihrem Portal „www.vaeter.nrw.de“informiert die Landesregierung über Wege zu einer aktiven Vaterschaft. Sie fördert außerdem eine Fachstelle für Väterarbeit. Zusätzlich wird sie die Diskussion über die Bedeutung von Vaterschaft stärker in die Gesellschaft hineintragen. Ziele einer Öffentlichkeitskampagne sind deshalb u. a.:

  • die Attraktivität der Vaterrolle für Männer zu steigern,
  • die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die mit dem Rollenwandel einhergehenden Anforderungen,
  • die Bedeutung einer aktiven Vaterschaft für die kindliche Erziehung darzustellen und
  • die notwendigen Aushandlungsprozesse von Eltern zu begleiten.

Die Kampagne ist knapp 9 Monate nach der Veröffentlichung des Familienberichts Ende Juni 2016 mit einer Plakataktion gestartet. Besonders wirksam war der Aufbau eines SocialMedia Auftritts bei Facebook, bei dem wöchentlich Erfahrungsberichte von Vätern publiziert wurden und der innerhalb weniger Monate mehr als 8.000 Follower hatte.

Bereits fünf Monate vor dem Start der Kampagne fand der ebenfalls im Bericht erwähnte Familiengipfel statt. In der Erklärung ist u.a. zu lesen, „… dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit Müttern und Vätern gemeinsam das Gespräch über die unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichen der Elternzeit suchen und den werdenden Müttern und Vätern Ansprechpartner zur Beratung und Beantragung des Elterngelds benennen, …“ und weiter unten „… dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihren Vertretungen in einer Kultur gegenseitiger Wertschätzung die Inanspruchnahme der Elternzeit festlegen.“

Das klang und klingt gut und wäre, wenn den Worten denn Taten gefolgt wären, echt innovativ gewesen, aber …

Und auch der Kampagne ging schnell die Luft bzw. das Geld aus und nach der Landtagswahl im Mai 2017, bei der eine Koalition aus CDU und FDP die bisherige Regierung ablöste wurde auch die erfolgreiche Facebook Seite ebenso wie das Portal vaeter.nrw in den neuen Auftritt der Landesregierung „integriert“. Die besondere Ansprache der Zielgruppe und das Kommunikationsdesign dem allgemeinen ‚Corporate Design‘ untergeordnet.

Die Fachstelle ist bis Ende 2018 und mit einem halben Jahr Unterbrechung ab Juli 2019 die Geschäftsstelle der LAG-Väterarbeit weiterhin gefördert. Seit dem Familienbericht sind sechs Fachtagungen zu Väterthemen gefördert worden, u.a. 2017 in Bielefeld ‚Bewegte Zeiten für Väter‘ und Olpe ‚Vater ist, was du draus machst!‘, 2019 in Düsseldorf ‚Eltern bleiben trotz Trennung‘ und 2021 online per Zoom ‚Lockdown als Chance? – Weichenstellungen für mehr väterliches Engagement‘.

Von den Veranstaltungen gingen wichtige Impuls aus und die Geschäftsstelle der LAG-Väterarbeit arbeitet kontinuierlich daran, die Weichen für väterliches Engagement zu stellen. Als Dienstleister für alle diejenigen, die in Familienbildung- und beratung, Kitas und Familienzentren Angebotejetzt schon Angebote für Väter machen, aber auch als Lobbyist bei denen, die Rahmenbedingungen für väterliches Engagement strukturell gestalten.

In dem Sinne sieht nicht nur die Landesregierung die Arbeitgebenden als wichtige Akteure, wenn es um aktive Vaterschaft und eine Unternehmenskultur geht, in der die Bedarfe von Vätern respektiert und „mitgedacht“ werden.

Der Bericht „Familien gestalten Zukunft“ und insbesondere der Abschnitt ‚Mehr Zeit mit der Familie für Väter‘ sind ein erster Meilenstein nicht nur auf dem Weg zu einer kontinuierlichen Familienberichterstattung, sondern auch im Hinblick darauf, wie ernsthaft das Ziel einer partnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Carearbeit in der Landespolitik verfolgt und umgesetzt wird. In der Legislaturperiode 2017 bis 2022 ist kein weiterer Bericht erfolgt. Dieses Vorhaben steht nun auf der Agenda der neuen Landesregierung und die Krisen ‚Corona‘ ‚Krieg‘ und ‚Inflation‘ und ihre Auswirkungen auf Väter, Mütter und Kinder sind mehr als ein Anlass für die Schwerpunktthemen des neuen Berichts.

Quelle

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Väter sind auch rechtliche Subjekte

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 26. Oktober 2022

Bericht zum Werkstattgespräch der LAG-Väterarbeit am 26. Oktober

Das in einem Strategiepapier des ‚Runden Tischs Eltern werden‘ zur guten Geburt gefordert wird, Mutter und Kind als rechtliche Subjekte in der Geburtshilfe zu betrachten, zeigt auf, dass dort einiges schiefläuft.

In seinem Impuls ‚Väter in der Geburtshilfe – systemische Perspektiven‘ zeigte Hans-Georg Nelles einige der ‚Krisensymptome‘ auf: Schließung von ‚unrentablen‘ Kreißsälen, fehlende Hebammen und werdende Väter, die während der Pandemie die Geburt auf den Gängen der Krankenhäuser oder im kalten Auto begleiten mussten. Dies sind in seinen Augen aber nur Symptome der eigentlichen Krise, die seiner Auffassung darin besteht, dass Väter im Geburtshilfesystem nicht als Subjekte betrachtet und vielfach noch nicht einmal in den Blick genommen werden. So erleben

  • 92% der Väter nehmen an Vorsorgeuntersuchungen teil, aber 61% berichten, dass ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden ist
  • Väter haben keinen formalen Status bei der Geburtsvorbereitung, selbst ihr Name wird nicht erfasst. Lediglich 16 % der Väter werden während der Geburt nach ihrem Befinden gefragt.
  • Wenn ‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden und deutlich gemacht wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung von Vätern bei der Nachsorge von ca. 20% auf bis zu 70%

Ergebnisse der Väterforschung zeigen auch, dass Väter, die bei der Geburt dabei sind, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, ihre Kinder häufiger wickeln, ihre Kinder öfter am Körper tragen, häufiger mit ihrem Kind an der frischen Luft unterwegs sind sowie sicherer im Umgang mit dem Kind sind und mehr Spaß daran haben. Dieses Engagement profitiert auch die Partnerschaft.

In dem Beitrag ging der Referent auch auf gute Beispiele ein, Studien des Fatherhoodinstitute aus Großbritannien und die Initiative Erzählcafé, die einen Kostenlosen Flyer für Väter entwickelt hat.

Um Veränderungen im System Geburtshilfe zu bewirken sind jedoch weitere Initiativen und politische Maßnahmen erforderlich. Eine bundesweite Befragung von Hebammen zu ihren Erfahrungen mit Vätern bei der Geburtsvorbereitung und unter der Geburt könnten dem Thema Aufmerksamkeit verleihen. Auch bei der momentan laufenden Umstellung der Hebammenausbildung könnte darauf hingewirkt werden, das gesamte System werdende Familie in den Blick zu nehmen und die Rolle der Hebammen bei der (Te-) Konstruktion traditioneller Rollenbilder zu reflektieren. Im politischen Raum geht es vor diesem Hintergrund vor allem darum:

  • Die Bedeutung von Hebammen für das Paar im Übergang in die Elternschaft mit den psychosozialen Aspekten bei der akademischen Ausbildung angemessen zu berücksichtigen
  • Fortbildungsangebote, Informationskampagnen durchzuführen sowie die Zusammenarbeit mit Hebammenverbänden zu intensivieren, um das Thema zu etablieren und auch den Nutzen zu kommunizieren, der der Hebammenarbeit durch die Einbeziehung der Väter zugutekommt.
  • Neben der Sensibilisierung im Rahmen von Aus- und Fortbildung muss diese Aufgabe der Hebammen vom Gesetzgeber und den Krankenkassen ausdrücklich zugeschrieben und honoriert werden.

Damit dies Wirklichkeit werden kann kommt es darauf an, (werdende) Väter so zu empowern, dass sie ihre Bedürfnisse artikulieren und entsprechende Angebote einfordern.

Die Teilnehmenden des Werkstattgesprächs, die allesamt beruflich mit der Beratung und Begleitung von Vätern und Müttern rund um die Geburt befasst sind, tauschten sich im anschließenden Gespräch über ihre Erfahrungen mit der ‚Missachtung‘ von Vätern aus. Ein trauriges Resümee: die traumatisierenden Erfahrungen von Vätern unter der Geburt haben signifikant zugenommen, während es so gut wie keine Angebote für Väter gibt. Vielfach ist die Diagnose ‚postnatale Depression‘ bei Vätern selbst beim Fachpersonal nicht bekannt.

Ein weiterer Schwerpunkt des Gesprächs war die Frage, inwieweit es sinnvoll ist im Rahmen der Geburtsvorbereitung Risiken zu thematisieren. Ja, das ist wichtig, es geht dabei nicht darum, die (Vor-) Freude auf die Geburt zu trüben, sondern das Paar in die Lage zu versetzen, zum Beispiel im Fall einer ungeplanten Sectio handlungsfähig zu sein und im Gespräch zu bleiben.

Stefanie Schmid-Altringer, die Initiatorin der Erzählcafés fasste die Aufgaben der Väter, nicht nur in solchen Situationen, folgendermaßen zusammen:

  • Sie unterstützen die Mutter bei der Geburt
  • Sie haben eine Bodyguard Funktion im Hinblick auf Gewalt und Respektlosigkeit
  • Sie achten auf sich selbst (Selbstfürsorge)
  • Sie sind als Patient auch rechtliches Subjekt im System

Ein Ergebnis des Gesprächs ist, eine Umfrage unter Vätern und Expert*innen durchzuführen und zu erfragen, was Väter im Kontext dieses existenziellen Lebensereignisses brauchen.

Den Impuls zum Download: https://www.lag-vaeterarbeit.nrw/wp-content/uploads/2022/10/Vaeter-in-der-Geburtshilfe-20221026.pdf

Zu den Erzählcafés geht es hier https://erzaehlcafe.net/vaeter/

Der Flyer „Respekt Mann, Du wirst Vater“ kann hier heruntergeladen werden https://erzaehlcafe.net/data/uploads/vaeterflyer_online.pdf

Die Veranstaltungen ‚Es war eine schwere Geburt … und vieles kam anders‘ finden Sie hier https://www.guterstart.nrw.de/fhiangebot/details/id/45090

Quelle

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Ohne Väter geht es nicht

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 17. Oktober 2022

Das trifft auf viele Bereiche zu, insbesondere aber dann, wenn es um die Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit geht. Sich eine partnerschaftliche Aufgabenteilung zu wünschen ist die eine, sie tatsächlich leben zu können die andere Seite der Medaille.

Dies stellt auch das Beratungsunternehmen prognos in dem im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Unternehmensprogramms “Erfolgsfaktor Familie” erstellten Policy Paper` ‚Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Beitrag zur Fachkräftesicherung‘ fest. Eine der Kernaussagen des Papers lautet:

„Vereinbarkeit darf sich jedoch nicht nur an Frauen und Mütter richten, sondern muss auch Männer und Väter adressieren und eine partnerschaftliche Arbeitsteilung von Müttern und Vätern ermöglichen.“

Meiner Meinung nach kann die Strategie nur erfolgreich sein, wenn sie Männer und Väter als handelnde Subjekte in dem komplexen System Familie und Partnerschaft ansieht und nicht nur als Beiwerk‘ adressiert. Die in dem Papier angeführten Fakten und Studien sprechen dafür. Unter anderem heißt es dort:

„Väter sind indirekter Teil der Fachkräftestrategie – ohne ihre Vereinbarkeit geht es nicht.

Der Fokus auf die Potenziale der Müttererwerbstätigkeit bedeutet nicht, dass Vereinbarkeit ein Frauenthema ist und sich weiterhin hauptsächlich auf Branchen konzentrieren kann, in denen der Frauen- und Mütteranteil besonders hoch ist. Väter sind zwar kein direkter Teil der Fachkräftestrategie, aber dass sie Familie und Beruf gut vereinbaren können ist existenziell, damit die von vielen Elternpaaren gewünschte partnerschaftliche Arbeitsteilung realisiert werden kann, Mütter mehr Freiraum für eine umfassendere Erwerbstätigkeit haben und ihr Fachkräftepotenzial gehoben werden kann.

Zudem bestätigen Studien eine erkennbare Änderung der Haltung von „aktiven Vätern“, die zunehmend aktiver in der familiären Fürsorgearbeit werden wollen. Haben 2018 noch 83 Prozent der Väter Vereinbarkeitsangebote in Unternehmen als Angebote für Mütter wahrgenommen, wollen die „Neuen Väter“ gleichfalls Angebote für ihre Vereinbarkeit. 59 Prozent der jungen Männer, die im Alter einer möglichen Vaterschaft oder Familiengründung sind, würden wegen fehlender Möglichkeiten den Arbeitgeber wechseln.

Insbesondere die fehlenden Betreuungsmöglichkeiten während der COVID-19 Pandemie haben einen Schub der Vereinbarkeit von Vätern verursacht. So geben in der repräsentativen Studie „Neue Chancen für Vereinbarkeit“ 43 Prozent der befragten Väter an, dass sie während der Pandemie ihren Arbeitgeber auf Veränderungen ihrer Arbeitsweise oder ihres Arbeitsortes zugunsten der Kinderbetreuung angesprochen haben.

Vereinbarkeit von Müttern und Vätern ist der Schlüssel zu Arbeitgeberattraktivität und Fachkräftegewinnung und -bindung.

Hinweise, dass eine partnerschaftliche Arbeitsteilung von Vätern und Müttern, aber auch Angebote für haushaltsnahe Dienstleistungen, einen positiven Einfluss auf die Fachkräftesituation entfalten können, gibt ein aktueller Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e. V. (DIW). Demnach ist in Deutschland unbezahlte Hausarbeit, Betreuung und Pflege von Kindern und älteren Angehörigen zwischen Männern und Frauen immer noch sehr ungleich verteilt. In rund drei Viertel der deutschen Paarhaushalte übernehmen Frauen mehr als die Hälfte der Sorgearbeit. Reduziert sich jedoch die Sorgearbeit des gesamten Haushalts, steigen sowohl Beschäftigungswahrscheinlichkeit als auch -umfang beider Partner, vor allem jedoch bei Frauen.

43 Prozent der Eltern wünschen sich aktuell eine partnerschaftliche Teilung von Berufs- und Familienarbeit. Je jünger die Frauen und je besser sie gebildet sind, desto höher ist ihr Anspruch an eine partnerschaftliche Arbeitsteilung. Der Väterreport 2021 zeigt auf, dass mittlerweile auch 48 Prozent der Väter mit einem ältesten Kind unter 10 Jahren diese Ansicht teilen.“

Quelle

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Väter im System Geburtshilfe – Gedanken zu einer neuen Einordnung

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 13. Oktober 2022

Vater werden und sein verändert alles. Diese an sich triviale Aussage verweist auf die Großartigkeit des Ereignisses einer Geburt und die Komplexität der Wirkungen, die sie auslöst. Sie zeigt aber auch auf die Fülle der Möglichkeiten auf, die Hebammen und andere haben, werdende Väter und Mütter auf diesem Weg zu begleiten und sie auf das dieses Ereignis und die folgenden Jahrzehnte vorzubereiten. Mehr als 90 Prozent der werdenden Väter sind bei der Geburt ihres Kindes dabei und eine gute Vorbereitung wirkt sich nicht nur auf den Geburtsverlauf positiv aus.

Wenn Männer Väter werden, wollen sie nicht nur beruflich weiterhin erfolgreich, sondern gleichermaßen auch gute Väter sein. Das bedeutet in erster Linie, Zeit haben, für die Kinder da zu sein, präsent zu sein, ihre Entwicklung zu begleiten und zu fördern, ihnen die besten Möglichkeiten für einen guten Schulabschluss zu verschaffen sowie möglichst viele Risiken des Alltags von ihnen fernzuhalten. Also ein durch und durch fürsorglicher Vater zu sein.

Im Hinblick auf die Partnerschaft und die Partnerin steht der Anspruch, sich anfallende Aufgaben partnerschaftlich aufzuteilen und nicht in traditionelle Rollenmuster zurückzufallen, im Raum. Eltern werden, Partner bleiben. Die große Herausforderung bei der Umsetzung dieser Ansprüche ist, dass Väter (und Mütter) kaum auf erprobte Muster und Rollenmodelle zurückgreifen können und sich einen eigenen Weg suchen müssen. Es ist zwar inzwischen viel zu diesem Thema geschrieben worden, aber verwirklichen müssen Mann und Frau ihren Traum von einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung, einer geteilten Verantwortung für die Kinder und genügend Gelegenheiten für die Pflege der Paarbeziehung schon selber.

Erfahrungen und Studienergebnisse (BMFSFJ, 2011) zeigen, dass die gewählten Lebensmodelle vielfach nicht Ergebnis zielgerichteter Aushandlungsprozesse sind, sondern Paare vor dem Hintergrund vermeintlich rationaler Gründe nach der Geburt dort ‚hineingeschliddert‘ sind und Väter sich mehr oder weniger freiwillig auf die traditionelle Rolle des Ernährers und Assistenten in der Familie einlassen.

Was Väter brauchen, sind passende Erwartungshaltungen, Rahmenbedingungen und Wertschätzungsstrukturen. Es kommt vor allem darauf an, dass es völlig normal sein wird, beruflichen Erfolg und fürsorgliches Verhalten in Familie und anderswo nicht mehr als Gegensätze zu denken, sondern als gegenseitige Ergänzung und Bereicherung.

In dem Zeitraum zwischen der Entscheidung Vater und Mutter werden zu wollen und der Geburt, der in den meisten Fällen länger als die 280 Tage der Schwangerschaft umfasst, werden nicht nur Pläne geschmiedet und das ‚Nest‘ hergerichtet, sondern die Weichen dafür gestellt, ob die Vorstellungen sich Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich aufzuteilen gelingen können oder nicht.

Auf die Vorbereitung kommt es an

Auf der Grundlage internationaler Forschungsergebnisse, die die Zusammenhänge zwischen dem Verhalten, den Erfahrungen, Einstellungen und Merkmalen von werdenden und neuen Vätern und der Gesundheit und Wohlbefinden von Mutter und Kind aufzeigen, hat die Weltgesundheits-organisation (WHO) eine der zehn Empfehlungen zu Maßnahmen der Gesundheitsförderung von Müttern und Neugeborenen zur Einbeziehung von Vätern formuliert.

Die WHO empfiehlt, die Beteiligung von Männern während der Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt zu fördern, um die Selbstsorge von Frauen und die häuslichen Pflegepraktiken für Frauen und Neugeborene zu verbessern, den Einsatz qualifizierter Vorsorge für Frauen und Neugeborene während der Schwangerschaft, der Entbindung sowie in der postnatalen Periode zu erleichtern, und die Einrichtung für Geburtshilfe rechtzeitig zu nutzen falls es Komplikationen bei den Neugeborenen gibt.

Neben dieser auf die Gesundheit von Mutter und Kind bezogenen Perspektive, die für sich genommen schon Grund genug ist, Väter während der Schwangerschaft, bei der Geburtsvorbereitung, der Geburt und der Zeit danach aktiv einzubeziehen, gibt es weitere, ebenfalls wissenschaftlich gut belegte Gründe, dies zu tun.

Die Gesundheit der Väter und ihre Beziehung zu dem ungeborenen Kind haben einen großen Einfluss darauf, in welchem Maße sie sich an der Erziehung des Kindes beteiligen und Ressourcen für seine gelingende Entwicklung zur Verfügung stellen.

In dem 2016 auf 136 Seiten ausformuliertem ‚Nationalen Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘ wird die Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt. Unter anderem heißt es dort ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden‘.

Ansprüche und Wirklichkeiten

Obwohl also Alles dafürspricht, (werdende) Väter rechtzeitig einzubeziehen und als aktive Subjekte im Geburtsgeschehen zu betrachten, werden sie hierzulande häufig immer noch als ‚Beifahrer‘ (BZgA 2011) betrachtet. In Großbritannien, wo bereits 2006 im Nationalen Gesundheitssystem ein Paradigmenwechsel zugunsten der Einbeziehung von Vätern stattgefunden hat, zeigen gerade veröffentlichte Befragungsergebnisse, dass dieser empfohlene Wandel auch dort noch längst nicht überall praktiziert wird. (Thorpe, 2018)

  • 92% der Väter nehmen an den Vorsorgeuntersuchungen teil, aber 61% berichten, dass ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden ist
  • Väter haben keinen formalen Status bei der Geburtsvorbereitung, selbst ihr Name wird nicht erfasst. Lediglich 16 % der Väter werden während der Geburt nach ihrem Befinden gefragt.
  • Wenn ‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden und deutlich gemacht wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung von Vätern bei der Nachsorge von ca. 20% auf bis zu 70%

Ein Blick hinter die Kulissen

Zu der Thematik liegen vor allem Praxis- und Forschungsberichte aus dem angelsächsischen Raum vor. Auf der Website www.familyincluded.com werden diese seit 2015 systematisch ausgewertet, thematisch gelistet und zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist nach der Erklärung der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2013, in der erklärt wurde, dass die Zusammenarbeit mit den Vätern eine globale Priorität für die Gesundheitsversorgung von Müttern haben sollte, und vor dem Hintergrund, dass es weder Pläne noch Ressourcen gab, um dies umzusetzen, entstanden. Als Haupthindernisse für die tatsächliche Einbeziehung von Vätern werden dort folgende Punkte identifiziert:

Das erste Problem ist die Professionalisierung und die Perspektive auf die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen. Häufig wird diese Gesundheitsversorgung als eine Angelegenheit betrachtet, die sich nur zwischen dem Gesundheitspersonal und der „Patientin“, in diesem Fall der Schwangeren abspielt.

Das zweite Problem ist die Sorge um die Gleichberechtigung der Geschlechter. Fast alle Familien umfassen Männer, und sie haben oft mehr vor allem finanzielle Ressourcen. Wenn man sie in die Pflege einbezieht, so wird befürchtet, könnte dies dazu führen, dass die Autonomie der Frauen eingeschränkt wird und die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Familien nicht in Frage gestellt werden. Diese Aussage spiegelt die Tatsache wider, dass zahlreiche Forschungsprojekte in Ländern mit noch ausgeprägteren patriarchalen Strukturen durchgeführt werden.

Hierzulande geht es vor allem darum, Väter für eine Beteiligung in Familie und an den in der Familie zu erledigenden Arbeiten zu gewinnen und zwar von Anfang an. Für den deutschsprachigen Raum liegen zwei Untersuchungen vor, die die von ‚Family Included‘ identifizierten Hindernisse bestätigen.

Marion Müller und Nicole Zilien (2016) verifizieren in ihrem Forschungsprojekt die Ausgangsthese, „dass die heutigen Geburtsvorbereitungskurse durch ihre Ausgestaltung Geschlechterdifferenzen hervorheben, diese weiterhin mit geschlechterdifferenzierenden Zuschreibungen häuslicher Arbeit koppeln und durch eine wissenschaftlich gestützte Naturalisierung legitimieren. Geburtsvorbereitungskurse bahnen demnach bereits in der pränatalen Phase eine geschlechterdifferenzierende Arbeitsteilung an und lassen sich deshalb als Institutionen der Retraditionalisierung interpretieren.“

Lisa Maria Groß (2017) kommt in ihrer Arbeit ‚Väter als Adressaten in Frühen Hilfen? Über die Konstruktion von Väterlichkeit im professionellen Handeln von Familienhebammen‘ zu dem Ergebnis, „In Interviews mit Familienhebammen und ethnographischen Beobachtungsprotokollen von Hausbesuchen zeigt sich allerdings eine Mütterorientierung im professionellen Handeln von Familienhebammen, die zu einer sekundären Adressierung der Väter hinsichtlich innerfamilialer Sorgetätigkeiten bis hin zur Exklusion väterlicher Fürsorge aus dem Binnenraum der Familie führt.“

Die Vorbereitung des geburtshilflichen Teams auf die Väter

Wie Väter auf die Geburt vorbereitet werden können und welche Rolle die verschiedenen Professionen dabei spielen, hat schon 2014 das, in einer von der Bundeszentrale für gesundheitliche veröffentlichten Broschüre, Ergebnis einer multiprofessionellen Arbeitsgruppe deutlich gemacht. (BZgA 2014)

Ein entscheidender Faktor dabei ist die Haltung gegenüber der Rolle sowie der aktiven Einbeziehung von Vätern. Ihre gute Vorbereitung auf die Geburt kommt auch der werdenden Mutter zugute. Studien zeigen, dass Väter, die ihre Rolle während der Geburt kennen und verstehen, was dort geschieht, selbst besser vor übermäßigem Stress geschützt sind und seltener Gefahr laufen, den Ablauf der Geburt negativ zu beeinflussen. Das gilt insbesondere in den Momenten, in dem es mal nicht „nach Plan läuft“, was aber auch völlig normal ist. (Schäfer, Abu Dakn 2008)

Die Rolle, die sie während der Geburt wahrnehmen können, für ihre Partnerin da zu sein, den neuen Lebensabschnitt gemeinsam zu beginnen und von Anfang an als Vater präsent zu sein. Dabei erleben sie sich vielfach in einer völlig ungewohnten Situation: Sie haben keine Kontrolle über das Geschehen und die Mächtigkeit der Gefühle führt sie vielfach nicht nur emotional an ihre Grenzen, sondern manchmal sogar darüber hinaus. Das Vertrauen in die Kompetenzen des geburtshilflichen Teams und ihr Wissen um die natürlichen Abläufe sind in diesen Momenten gute Stützen.

Dieses Vertrauen kann im Vorfeld der Geburt durch verschiedene Angebote zur Geburtsvorbereitung in den Geburtskliniken und den Kursen der Hebammen bzw. der Familienbildung gebildet werden. Dabei geht es verständlicherweise vorrangig um die biologischen Abläufe der Geburt und die Vorbereitung der Mütter darauf, um ihre Bedürfnisse, Ängste und Sorgen.

Darüber hinaus sind aber zwei weitere Ebenen der Vorbereitung auf die Geburt und vor allem die Zeit danach für Väter von großer Bedeutung. Die gemeinsamen Planungen der werdenden Eltern für die Zeit zu Dritt und der Austausch des werdenden Vaters mit anderen Männern.

Einbeziehung von Vätern nutzt partnerschaftlicher Aufgabenteilung

Die Entscheidung Eltern werden zu wollen, ist heute eine bewusste, auch wenn eine exakte Planung nicht garantiert ist. Im Rahmen dieses Prozesses können Fragen der beruflichen Weiterentwicklung, der familiären Arbeitsteilung und auch die Vorstellungen zu den Rollen als Mutter und Vater sowie die Erfahrungen und Prägungen in der eigenen Herkunftsfamilie thematisiert werden. In ihrem Papa Handbuch beschreiben die Autoren eine Fülle von praktischen Möglichkeiten dazu. (Richter, Schäfer 2020)

Darüber hinaus gibt es eine Fülle an ‚Väterthemen und fragen‘, die am besten bearbeitet werden können, wenn Väter unter sich sind und diese Phase auch von einem erfahrenen Mann und Vater betreut wird:

  • Welche Wünsche und Befürchtungen habe ich für die Geburt?
  • Will ich bei der Geburt dabei sein? Was will ich sehen, was nicht?
  • Was ist mir wichtig für die erste Zeit zuhause?
  • Welche Bedeutung habe ich als Vater für die Entwicklung des Kindes?
  • Wie kann ich meine Vaterkompetenzen entfalten?
  • Wie entwickelt sich das Verhältnis zu meiner Partnerin, wenn sie auch Mutter ist?
  • Was ist mit dem Sex in der Schwangerschaft und nach der Geburt?
  • Wie kann es gelingen, dass wir auch als Vater und Mutter die Verantwortung für finanzielle Versorgung der Familie und die dort anfallenden Care-Aufgaben partnerschaftlich aufteilen?

Die Möglichkeit, sich mit anderen Vätern darüber auszutauschen, haben einen bedeutenden Einfluss auf das spätere Geburtsgeschehen. Derart vorbereitet können Väter vom geburtshilflichen Team als unmittelbar Beteiligte des Geschehens wahrgenommen und als Personen mit eigenen Bedürfnissen und eigenem Erleben angesprochen und einbezogen werden.

Diese „Männerrunden“ sind teilweise schon Praxis bei der Geburtsvorbereitung. Darüber hinaus gibt es an wenigen Orten spezielle Angebote für werdende Väter. (Mens Health 2016)

Ergebnisse eines Praxisprojekts in NRW

Ein vom Familienministerium in NRW gefördertes Praxisprojekt beschäftigte sich mit der Fragestellung, wie die Einbeziehung von Vätern im Rahmen der Geburtsvorbereitung durch Hebammen gefördert werden kann. Im Zentrum standen dabei die Entwicklung und Erprobung eines Fortbildungs-Curriculums. (Nelles 2020)

Die Annahme, Väter und Mütter im Kontext der Geburtsvorbereitung durch Hebammen anzusprechen und dort das Anliegen ‚partnerschaftliche Aufgabenteilung‘ zu thematisieren hat sich bestätigt, da in diesem Zeitraum entscheidende Weichenstellungen vorgenommen werden und mehr als 90 % der Väter an der Geburt und, zumindest beim ersten Kind, auch an angebotenen Kursen zur Vorbereitung teilnehmen.

Auf der Basis freiwilliger Fortbildungen für Hebammen lässt sich das Ziel, partnerschaftliche Aufgabenteilung im Rahmen der Geburtsvorbereitung zu thematisieren jedoch nicht erreichen. Das liegt zum einen, an der von der, an den unterschiedlichsten Stellen beschriebenen Haltung der Hebammen, Frauen und Männern traditionelle Rollen zuweisen und selbst wenn sie Angebote für Väter machen, diesen Unterstützungs- und Assistentenaufgaben zuweisen.

Auf der anderen Seite sind es strukturelle Rahmenbedingungen wie Personalschlüssel in Kliniken und der Blick der dort arbeitenden Gynäkologen auf die Hebammen sowie die schlechte Bezahlung von letzteren. Dazu kommt die Akademisierung der Hebammenausbildung und die Umsetzung der entsprechenden Verordnungen und die Sicherstellung der praktischen Ausbildungsanteile auf den ‚letzten Drücker‘.

Die Neuaufstellung der Hebammenausbildung bietet, zumindest theoretisch, die Chance, die Themen ‚Bedeutung von Vätern‘ und ‚Aufstellung der Akteure im System Familie‘ in den neuen Curricula zu verankern zumal es in der Anlage 1 der ‚Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen des Bundesministeriums für Gesundheit‘, in der die Kompetenzen von Hebammen aufgeführt sind, ausdrücklich heißt: [ sie] ‚verfügen über Kenntnisse …  über Prozesse der Familiengründung und bereiten die schwangere Frau und ihre Familie ihrer individuellen Lebenssituation entsprechend auf die Geburt, das Wochenbett und die Elternschaft vor …‘ (BMG 2019)

Um die Chance, die Themen im Rahmen der zu erarbeitenden neuen Ausbildungsordnungen breiter zu verankern, wird es aber notwendig sein, mit Unterstützung bereits im System tätigen Akteur*innen, Professor*innen mit ausgewiesener Väterexpertise und Praktikern der Väterbildung zunächst eine Expertise und darauf aufbauend Bausteine für die universitären Lehrpläne zu entwickeln.

Ein anderer Ansatzpunkt die Themen in bestehenden Geburtsvorbereitungskursen zu verankern sind die Qualitätsstandards. Die Kurse werden, zumindest für die Frauen, von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert. Jede Hebamme, die derartige Kurse anbietet kann sie über die Krankenkassen abrechnen. Diese könnten also mit entsprechenden Standards auch Einfluss auf die Inhalte ausüben

Fazit

Als Vision und Wunsch abschließend formuliert: um werdenden und gewordenen Vätern und Müttern die Verwirklichung ihres Wunsches nach einer gleichberechtigten Aufgabenteilung zu ermöglichen braucht es, neben den äußeren, passenden Rahmenbedingungen, ein Angebot sich vor und nach der Geburt mit den oben genannten Themen auseinanderzusetzen. Und zwar an den Orten und zu den Anlässen, die Väter und Mütter sowieso gemeinsam oder getrennt aufsuchen und nutzen. Die Geburtsvorbereitung gehört in jedem Fall dazu. Es braucht aber neben den Hebammen weitere (männliche) Akteure und Angebote für Väter, vor allem für die Zeit nach der Geburt.

Literatur

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2014). „Arbeitszeit: Wünsche nach Verkürzung und Verlängerung halten sich weitgehend die Waage“ http://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/azw.aspx (11. Mai 2021).

Beck, Ulrich (1986). Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main: S.169.

BMFSFJ (2011) https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/vaeter-und-der-wiedereinstieg-der-partnerin-82110 (11. Mai 2021)

BMG (2019) Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/H/RefE_Studien-_und_Pruefungsverordnung_fuer_Hebammen.pdf (11.Mai 2021)

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (2011) Beifahrer, Kleiner Tourenplaner für werdende Väter

BZgA (2014) Väter auf die Geburt vorbereiten, Informationen und praktische Tipps für Fachkräfte https://publikationen.sexualaufklaerung.de/themen/geburt/vaeter-auf-die-geburt-vorbereiten/ (11. Mai 2021)

Family Included (2018) https://familyincluded.com/fatherhood-researchers-respond-who-unicef-early-childhood-development/ (11. Mai 2021)

Fisher, Duncan (2010) Baby’s here! Who does what? How to split the work without splitting up

Groß, Lisa Maria (2017) Väter als Adressaten in Frühen Hilfen? https://www.budrich-journals.de/index.php/diskurs/article/view/28992/25248 (11. Mai 2021)

Mens Health (2016) Das bringen Geburtsvorbereitungskurse für Männer https://www.menshealth.de/dad/partner-family/das-bringen-geburtsvorbereitungskurse-fuer-maenner/ (11. Mai 2021)

Müller, Marion; Zillien, Nicole (2016) Das Rätsel der Retraditionalisierung https://www.akf-bonn.de/files/mueller__marion___zilien__nicole_das_raetsel_der_retraditionalisierung_____zur_verweiblichung_von_elternschaft_in_geburtsvorbereitungskursen._in_kzfss__jahrgang_68__heft_3__2016___s._409-433.pdf (11. Mai 2021)

Nelles, Hans-Georg (2020) Sachbericht ‚Bedeutung von Vätern im Geburtsprozess – Ein Fortbildungs­konzept für Hebammen‘ unveröffentlichtes Manuskript

Richter, Robert; Schäfer, Eberhard (2020) Das Papa Handbuch, Alles, was Sie wissen müssen zu Schwangerschaft, Geburt und dem ersten Jahr mit Baby

Schäfer, Eberhard; Abou-Dakn, Michael; Wöckel, Achim (2008) Vater werden ist nicht schwer? Zur neuen Rolle des Vaters rund um die Geburt

Schopp, Johannes (2019) Eltern stärken, Die Dialogische Haltung in Seminar und Beratung

Thorpe, Nick (2018) https://www.fathersnetwork.org.uk/maternity_services_results_news (11. Mai 2021)

Quelle

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Kurzumfrage: Welche Bedeutung haben Väter in der Geburtshilfe?

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 7. Oktober 2022

Im System der Geburtshilfe rumort es. Immer mehr Geburtskliniken schließen, aus Mangel an Hebammen oder Renditegründen. Während der Pandemie wurden Väter ganz oder teilweise bei Vorsorgeuntersuchungen und der Geburt ausgeschlossen und auch wenn sie dabei sein dürfen, fühlen sich Väter vielfach nicht einbezogen.

Es gibt zwar seit 2016 ein auf 136 Seiten ausformuliertes ‚Nationales Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘, aber die von vielen Seiten erhobene Forderung nach einem ‚Geburtsgipfel‘ und der im Frühjahr gestarteten Initiative ‚Bündnis Gute Geburt‘ verdeutlichen den tatsächlichen Handlungsbedarf.

Dort ist die Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt, ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden.‘ Die Wirklichkeit ist von dieser bereits 2008 formulierten Vision weit entfernt, das macht auch eine anlässlich der ‚Weltstillwoche‘ veröffentlichte Befragung deutlich. Es braucht passende Rahmenbedingungen damit aus dem ‚Sollen‘ und ‚Wollen‘ tatsächliches Handeln wird.

Bei der Gestaltung von ‚passenden‘ Rahmenbedingungen gibt es sicherlich Spielräume. Um diese auszuloten haben wir eine Kurzumfrage entworfen und bitte Sie, sich 2 Minuten Zeit für eine Beantwortung zu nehmen.

https://www.surveymonkey.de/r/LAGV_Geburtshilfe

Bei einem Werkstattgespräch am 26. Oktober werden wir die Ergebnisse präsentieren, Eckpunkte zu Veränderungen in der Geburtshilfe aus der Perspektive der Väter formulieren und diese in die aktuelle Diskussion einordnen.

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… jugendliche Väter im Blick

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 6. Oktober 2022

„Frühe Vaterschaft: gewagt, riskant und instabil!“ lautet das Resümee eines Beitrags von Cornelißen und Bien vom Deutschen Jugend Institut im April 2014. Der SKM Bundesverband e.V. hat daher in den vergangenen Jahren seine Beratungsangebote für Jungen, Männer und Väter deutschlandweit ausgebaut und mit der Trägerschaft der Geschäftsstelle der „LAG Väterarbeit in NRW“ sein fachliches Profil in dem Themenfeld „Vaterschaft“ vertieft.

Jugendliche Eltern und ihre Herausforderungen

Während erwachsene Eltern in aller Regel bereits mitten im Leben stehen, sehen sich jugendliche Mütter und Väter nicht nur mit der Bewältigung der eigenen Entwicklung, sondern gleichzeitig auch mit Elternaufgaben konfrontiert. Ihre Voraussetzungen für diese doppelte Belastung sind in aller Regel mangelhaft. Viele jugendliche Eltern stammen aus einem problematischen sozialen Umfeld und nicht wenige haben die Schule abgebrochen oder keinen Einstieg in eine Ausbildung gefunden. Die Folge: Die meisten jugendlichen Eltern leben in einer prekären wirtschaftlichen Situation, wie Daten des Mikrozensus in Deutschland zeigen. So haben knapp ein Drittel der jugendlichen Väter keinen beruflichen Abschluss und ihre frühe Elternschaft korrespondiert mit einer kurzen Schulbildung.
Darüber hinaus sehen sie sich mit der weit verbreiteten Vorstellung konfrontiert, dass eine frühe Elternschaft als Lebensform „jenseits der Norm“ betrachtet wird. Noch immer geht man in der Gesellschaft davon aus, dass Frauen und Männer eine Ausbildung abgeschlossen und einen (sicheren) Arbeitsplatz gefunden haben sollten, bevor sie eine Familie gründen. Dahingegen können junge Männer durch eine frühe Vaterschaft aber durchaus in ihrer Identitätsfindung bestärkt werden. Als junge Väter können und müssen Verantwortung übernehmen und finden so in ihrer Vaterschaft eine Brücke zum Erwachsenwerden. Dies kann aber nur gelingen, wenn der Prozess des Erwachsenwerdens nicht durch zusätzliche, Krisen erzeugende Widrigkeiten wie Geldmangel, belastende Arbeitsanforderungen oder Konflikte in der Herkunftsfamilie gefährdet wird.

„Väter fördern“ bedeutet auch „Mütter fördern“

Neben der prekären wirtschaftlichen Situation vieler junger Familien fällt die weitverbreitete Instabilität ihrer Paarbeziehungen auf: Unter den frühen Müttern sind sehr viel mehr alleinerziehend (42 Prozent), als dies allgemein bei Müttern mit Kindern unter 7 Jahren der Fall ist (16 Prozent). Dies verschärft nicht nur die wirtschaftliche Lage von Mutter und Kind. Es bedeutet gleichzeitig, dass die Bindung zwischen Vater und Kind bei frühen Vätern häufiger in Frage steht. Die „ausgegrenzten“ Väter werden selten in die alltägliche Betreuung und Versorgung des Kindes einbezogen, so dass alleinerziehenden Müttern die Entlastung fehlt, die ihnen den erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung oder die berufliche Etablierung erleichtern könnte. Es ist daher naheliegend jugendlichen Vätern die Hilfe und Unterstützung anzubieten, die sie benötigen, um mit der neuen Aufgabe und Rolle als Vater und Partner der Mutter verantwortlich umgehen zu lernen.

Die frühzeitige Einbeziehung der jugendlichen Väter lohnt sich aber auch, wenn es um die Gesundheit von Mutter und Kind geht. So hat eine Studie aus Großbritannien gezeigt, dass die Unterstützung junger Väter auch einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der jungen Mutter und die Entwicklung des gemeinsamen Kindes. Gestützt wird dieses Ergebnis von weiteren Studien aus den USA und Großbritannien, welche die Wirksamkeit von Programmen für jugendliche Väter und die notwendigen Veränderungen bei den Angeboten und im Mindset der Hilfesysteme untersucht haben.

Ein weiterer entscheidender Grund, auch jugendliche Väter in den Blick zu nehmen, ist, dass Hilfemaßnahmen für Familien und Kinder insgesamt erfolgreicher verlaufen, wenn das gesamte Familiensystem eingebunden wird.

Sie benötigen dringend Unterstützung und Hilfe, da ansonsten eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass deren Söhne ebenfalls wieder jugendliche Väter mit ähnlicher sozialer Problematik werden.

Jugendliche Väter im Blick

Das Verbundprojekt „… jugendliche Väter im Blick“ trägt mit seinen niedrig schwelligen Angeboten dazu bei, dass jugendliche Väter von bestehenden Hilfsangeboten erreicht werden. So geht beispielsweise der SKFM in Düsseldorf davon aus, dass die jungen Väter durch die klassischen Beratungsangebote nicht erreicht werden. Er sucht die Väter daher direkt in ihrem Sozialraum auf, spricht sie aktiv über Streetwork- und schulische Sozialarbeit an und macht ihnen niedrigschwellige Gruppenangebote.

Der SKM Osnabrück setzt er auf neue Wege der Ansprache und die Kooperation mit anderen Akteuren in der Kommune. Durch die Entwicklung passender Ansprachekonzepte werden junge Väter ermutigt, ihre neue Rolle an und Verantwortung zu übernehmen. Das Angebot des SKM Rheydt e.V. beginnt mit einem Gruppentraining, in dem die Rolle der Vaterschaft und der individuelle Hilfebedarf partizipatorisch und diskursiv bearbeitet werden. So haben die jungen Männer die Möglichkeit, Rollenerwartungen an sich und die damit verbundenen Herausforderungen mit anderen jungen Vätern zu verhandeln – auch in interkulturellen Kontexten. In anschließenden begleiteten Freizeitangeboten können die jungen Männer die gemeinsame Zeit mit ihren Kindern als positives Erlebnis wahrnehmen und dabei auch andere junge Väter bei ihrer Selbstwirksamkeit als Väter unterstützen.

Quelle

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