… die meisten erkennen mittlerweile den Mehrwert dieses Ansatzes
Erstellt von Hans-Georg Nelles am 29. September 2022
Interview mit Gregor Keiner
Du bist schon lange in der Geburtsvorbereitung für Väter tätig. Wie war der Blick darauf, als du mit dieser Arbeit begonnen hast?
Ja, ich habe damit angefangen 2004. Also das ist jetzt wirklich 18 Jahre her. Das heißt, die Geburtsvorbereitung ist jetzt endlich volljährig. Wir haben damals ein Projekt gestartet, noch mit Martin Verlinden im Sozialpädagogischen Institut. Es gab schon ein bisschen Geburtsvorbereitung für Väter, die war unstrukturiert, noch nicht wirklich aufgearbeitet, auch nicht evaluiert. Und salopp würde ich jetzt sagen, dass man die Väter in der Regel davon überzeugen musste, an diesen Stunden teilzunehmen, weil die selber wenig davon gehört hatten, und wenig Ideen hatten im Zusammenhang mit der Geburtsvorbereitung. Die war und ist weiblich konnotiert und die Väter kamen da überhaupt nicht vor.
Die Väter konnten dann in der Regel mit dem Angebot super viel anfangen, waren im Nachhinein sehr überrascht, fanden das toll, waren aber sozusagen von der Erwartungshaltung mehr auf so technische Dinge eingestellt, die eine Geburt mitbringt: wie atmen, Stellungen einnehmen, Frau unterstützen, das war so der Fokus. Und die eigenen Themen, die eine Rolle spielten, waren selten Gegenstand. Es waren eher die Erwartungsfragen, die wir damals an die Väter gerichtet haben. Im Nachhinein war das Feedback aber häufig so, dass da der Wunsch geäußert wurde, sich mehr unter Vätern zu treffen, dass der Fokus auf die eigene Befindlichkeit während des Geburtsvorgangs als hilfreich empfunden wurde. Also auch solche Fragen, wie: Was kann ich machen, wenn es mir zu viel wird? Wo bleibt meine eigene Unversehrtheit? Und so weiter. Und es war auch häufig dieser Aspekt: Wir sind ja Männer. Wir werden Väter. Wenn das Kind auf der Welt ist, dann wird es für uns viel interessanter. Da bestand viel Bedarf, dazu mehr Informationen zu bekommen.
Also wie baue ich eine gute Beziehung auf? Wie gehe ich mit dem Kind um, wenn meine Frau das eigentlich viel mehr für sich vereinnahmt? Wie regle ich das mit dem Arbeitgeber? Damals war das Elterngeld und die Novelle des Gesetzes gerade neu, aber noch nicht so differenziert, wie wir es jetzt haben. Also da gab es viel Beratungsbedarf in die Richtung für die Zeit nach der Geburt. Was Väter für sich tatsächlich als Thema dann begriffen hatten. Ich kann mich erinnern, dass ich auch bei Hebammen viel Überzeugungsarbeit leisten musste, weil das in dem Feld damals noch nicht üblich war und manchmal sogar auch als Angriff verstanden wurde, dass da jetzt Männer kommen und in ein weiblich konnotiertes Feld hineinarbeiten wollen. Also das war auch immer viel Überzeugungsarbeit, dann meinen Standpunkt zu erklären und meinen Ansatz und den Nutzen, der natürlich ein riesengroßer Synergieeffekt ist, darzulegen.
Und ich fand es dann spannend, als dann die Familienhebamme quasi „geboren“ wurde und sich dann auch über die frühen Hilfen, die damals eingeführt wurden, das Thema Gewaltprävention auch auf dem Plan stand. Ich habe versucht, da wissenschaftlich so ein bisschen mehr zu argumentieren und die Geburtsvorbereitung auch als Gewaltprävention zu etablieren.
Ich habe versucht, den Kurs auch unter verschiedenen Akzenten zu differenzieren: bildungsgewohnte Väter, Väter mit Migrationshintergrund, Väter aus sozial schwächer strukturierteren Familien, Väter in der Stadt, auf dem Land und so weiter. Das war allerdings nur bedingt möglich, weil vor allem bildungsgewohnte Väter Zugänge zur Geburtsvorbereitung hatten.
Was hat sich seitdem verändert?
Vor allem ist es das Selbstverständnis, das sich sehr stark verändert hat und das in zwei Richtungen. Auf der einen Seite gibt es ein Umdenken. Die neuen Väter, die sich ja mittlerweile fragen, ob sie nicht vielleicht auch neue Mütter bräuchten, die sind ja damals „erfunden“ und haben sich ja auch weiterentwickelt. Nicht nur zahlenmäßig, wir wissen es von den ganzen Untersuchungen, neben den ganzen Bekunden mehr Carearbeit machen zu wollen, gibt es ja tatsächlich auch Väter, die dies machen. Und auf der anderen Seite, das habe ich immer wieder festgestellt, es ist wichtig, wenn Politik Rahmenbedingungen schafft, die Gesellschaft aufgreifen kann. Und durch die Veränderungen des Elterngeldes in vor allem der Elternzeit ist tatsächlich das Bedürfnis der stillen Gruppe der Väter, die sich gerne auch mehr engagieren, getroffen wurden. Und es waren diese beiden Bewegungen, die dazu geführt haben, dass das Thema mittlerweile selbstverständlich ist.
Mein Kurs ist im letzten Jahr auch in einem Fernsehfeature aufgenommen worden. Und es wurde immer wieder bekräftigt, ja, das ist eine super Sache. Warum gibt es das eigentlich so wenig?
Die Väter melden sich heute selbst an. Wir haben keinen Kurs, der auch nur einen Platz frei hätte. Es gibt einen Riesenbedarf, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, weil immer mehr verstanden wird, dass diese ganzen „weichen“ Themen wie Bindungen, Beziehungen aufbauen, Regulation, Gesundheitsprävention einfach eine große Bedeutung haben. Es gibt mittlerweile ein unübersichtliches Angebot an Büchern, Ratgebern, Podcasts und Sendungen, die Geburtsvorbereitung für Väter hat vor diesem Hintergrund an Bedeutung gewonnen und ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden, zumindest in der Stadt Was mich sehr freut.
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