Gemeinsam getrennt erziehen ist ein Gewinn für Alle
Erstellt von Hans-Georg Nelles am 30. Oktober 2018
Wenn eine Partnerschaft zerbricht, gibt es häufig Streit um das Sorgerecht. Marc Serafin, Jugendamtsleiter in Niederkassel und Berater im Bundesfamilienministerium, spricht im Interview mit der Heilbronner Stimme über mögliche Lösungen im Sinne des Kindeswohls.
„Sie fordern nach der Trennung von Eltern mit Kindern eine Elternschaft auf Augenhöhe. Das ist leichter gesagt als getan. Wo liegen die Fallstricke?
Marc Serafin: Die partnerschaftliche Aufteilung von Familienarbeit und Beruf ist heute ein weithin geteiltes gesellschaftliches Leitbild. Männer und Frauen sind beide berufstätig. Väter nehmen in weit stärker Anteil an der Erziehung als in der Vergangenheit. Kinder profitieren von der intensiveren Beziehung mit beiden Eltern. Das ist für alle Beteiligten ein Gewinn. Das sollte auch nach einer Elterntrennung möglich sein. Unser Familienrecht orientiert sich im Fall einer Elterntrennung aber immer noch am überholten familiären Leitbild der „Hausfrauenehe“, bei der die Mutter die Kinder betreut und der Vater fürs Geldverdienen zuständig ist. Das passt nicht mehr zu heutigen Lebensrealität und führt zu viel Streit.
Wenn man an das Kindeswohl denkt. Ist das Wichtigste nicht, dass das Verhältnis möglichst konfliktfrei läuft?
Serafin: Aufgabe der Eltern ist es, ihre Kinder aus ihren Partnerschaftskonflikten herauszuhalten. Die sind nicht Sache der Kinder. Dazu gehört bei den Eltern die Fähigkeit, zwischen der Partnerebene und der Elternebene zu unterscheiden. Als Eltern haben beide die Verpflichtung die Eltern-Kind-Bindung zu beiden Eltern zu respektieren und zu fördern. Wir wissen aus der Bindungsforschung, dass dies existentiell wichtig für das Aufwachsen von Kindern ist. Eltern können durch professionelle Beratung Unterstützung dafür erhalten.
Muss eine Seite zurückstecken?
Serafin: Als Familie nach einer Partnerschaftstrennung dennoch bewusst Familie zu bleiben und nach guten Wegen von „gemeinsam getrennt Erziehen“ zu suchen, ist eine Win-Win-Situation für alle, insbesondere für die Kinder. Demgegenüber steht das Modell der Alleinerziehenden-Konstellation als Verlustmodell dar …
Lässt sich ein Modell mit zwei gleichberechtigten Partnern überhaupt bewerkstelligen? Schließlich könnte oft eine Seite dann nicht voll arbeiten.
Serafin: Partnerschaftliche Aufteilung heißt, das Leben partnerschaftlich organisieren. Jeder übernimmt Aufgaben und partizipiert an den Vorteilen. Eltern teilen sich Berufstätigkeit und Kindererziehung auf. Wie es vielfach ja auch bereits im Zusammenleben und unterstützt von Kindertagesbetreuung praktiziert wird. Berechnungen haben nachgewiesen, dass Betreuung der Kinder in Doppelresidenz im Kern nicht teurer als Betreuung nur durch einen Elternteil ist. Da wo vielleicht Mehrkosten für mehr Platz und eine kindgerechtere Gestaltung in beiden elterlichen Wohnungen entstehen, sollte uns das im Sinne der Kinder wert sein. …“
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