Neue Väter brauchen neue Mütter
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Donnerstag 9. August 2018
Väter werden immer häufiger von Zaungästen zu Beteiligten an der Erziehungsarbeit: Sie bereiten sich zusammen mit der Partnerin auf die Geburt des Kindes vor und sind bei den Kontrollen und auch im Kreißsaal dabei. Sie wechseln zu jeder Tag- und Nachtzeit Windeln, gehen zum Vater – Kind Turnen und drehen ihre Runden auf den Spielplätzen. Doch mit den neuen Aufgaben wächst auch der Druck auf die Väter, ihren verschiedenen Rollen gerecht zu werden, Familie und Karriere gut unter einen Hut zu bringen. Margrit Stamm stellt die neuen Herausforderungen, denen sich die Väter von heute gegenübersehen, in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang und zeigt, dass neue Väter nur Verantwortung übernehmen können, wenn die Mütter loslassen.
„… Wann ist ein Mann ein guter Vater?
Gemessen an der politischen Diskussion in der Schweiz hat man das Gefühl, ein Mann sei schon ein guter Vater, wenn er zwei Wochen Vaterschaftsurlaub nimmt. Andere sind überzeugt davon, dass Männer, die Teilzeit arbeiten, gute Väter sind. Manchmal gelten auch Männer als gute Väter, die Windeln wechseln können und am Freitagnachmittag frei nehmen.
Was sagen Sie?
Dass die Präsenzzeit überbewertet wird. Unserer Studie, auf der das Buch basiert, zeigte, dass vollzeitberufstätige Männer sehr intensive, emotionale und zugewandte Väter sein können und dass sich nicht alle Väter, die Teilzeit arbeiten, besonders intensiv in der Familie engagieren. Ein guter Vater ist, wer sich auf die Familie einlassen und eine für beide Seiten befriedigende Partnerschaft leben kann.
Wenn nicht die Quantität, sondern die Qualität der Zeit entscheidend ist, dann ist ein gesetzlich verankerter Vaterschaftsurlaub unnötig?
Der Vaterschaftsurlaub ist ein wichtiges Signal, zumal unser Staat die Bedeutung der Familie derart betont. Der Vaterschaftsurlaub würde den Männern die Möglichkeit geben, wenn sie Väter werden, beruflich innezuhalten und sich voll auf die neue Situation einzulassen. Im internationalen Vergleich ist die Schweiz ein Entwicklungsland. Dass wir überhaupt über den Vaterschaftsurlaub diskutieren müssen, ist lächerlich. In Deutschland und Österreich haben Väter und Mütter bis zu zwei Jahre Elternzeit.
In Deutschland aber nutzen die meisten Männer die Elternzeit nicht.
Stimmt. Aber der Anteil der Väter, die Elternzeit beantragen, steigt. Interessant ist die Frage, weshalb die Möglichkeit der Elternzeit bei den Männern keine Lawine an Anträgen ausgelöst hat.
Weshalb nicht?
Weil die meisten Männer als Buben immer noch so sozialisiert worden sind, dass sie später einmal eine Familie ernähren müssen. Paare sind ja nicht nur eine Liebes-, sondern auch eine Wirtschaftsgemeinschaft. Weil Frauen oft die tieferen Löhne haben als Männer, setzen viele Paare auf die Karriere des Mannes, wenn die Kinder da sind. Wenn dieser dann noch einen Chef alter Schule hat, der ihm sagt, dass der Elternurlaub seine Aufstiegschancen schmälern könnte, dann ist die Chance gross, dass der Mann auf den Urlaub verzichtet oder ihn nur sehr zurückhaltend bezieht. …“