AOK Familienstudie untersucht Belastungen und Bewältigungsstrategien von Vätern und Müttern
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Dienstag 2. August 2016
Väter sind traditionell erwerbstätig. Seit vielen Jahren steigt auch der Anteil der erwerbstätigen Mütter. Die zuverlässige und nachhaltige finanzielle Absicherung eines Haushaltes ist heute nur noch durch die Erwerbstätigkeit beider Eltern möglich. Zudem ist jungen Frauen inzwischen eine berufliche Karriere fast genauso wichtig wie vielen jungen Männern. Hierdurch ergeben sich neue Herausforderungen für die Organisation des Familienalltags. Mütter und Väter müssen die Ansprüche von Hausarbeit und Kinderbetreuung mit denen von Beruf und Karriere in Vereinbarung bringen.
Die Studie kommt zu vier wichtigen Ergebnissen:
1. Der größte Anteil von Müttern und Vätern ist heute erwerbstätig, wobei in Paarfamilien der Anteil bei den Vätern deutlich höher als bei den Müttern. Mütter bevorzugen Erwerbstätigkeit in Teilzeit, Väter in Vollzeit. Auch Alleinerziehende sind mehrheitlich erwerbstätig. Alle beruflich aktiven Eltern, sowohl die aus Paarfamilien als auch die Alleinerziehenden, stehen ihrer Erwerbstätigkeit positiv gegenüber und betrachten sie als einen wichtigen Bestandteil ihrer Lebensführung.
2. Die befragten Eltern sehen deutlich die Belastungen, die durch ihre Erwerbstätigkeit für das Familienleben und besonders die Betreuung und Erziehung der Kinder entstehen. An erster Stelle werden zeitliche Belastungen genannt, gefolgt von finanziellen, psychischen, gesundheitlichen, körperlichen und partnerschaftlichen. Die zeitlichen Engpässe werden demnach heute als ganz besonders belastend empfunden. Die Belastung der Frauen in Paarfamilien ist dabei noch um einiges größer als die der Männer in Paarfamilien.
3. Besonders stark ist die Belastung auf allen untersuchten Ebenen bei den Alleinerziehenden. Bei ihnen fallen auch die finanziellen Belastungen stärker ins Gewicht als bei den Paarfamilien. Stehen Alleinerziehende unter zeitlichen Belastungen, dann wirken sich bei ihnen auch alle anderen Ausprägungen von Belastung stärker aus.
4. Zur Bewältigung ihrer Belastungen greifen die befragten Mütter und Väter vor allem auf regenerative Strategien zurück: „Sport treiben“ und „Hobbys nachgehen“ stehen an erster Stelle, gefolgt von Auszeiten. Ansätze der strukturellen Bewältigung der Herausforderungen, wie etwa eine Verbesserung der Haushaltsorganisation oder des Angebotes von außerfamiliärer Kinderbetreuung, werden hingegen wenig genannt. Konkrete mentale Stressbewältigungsstrategien werden nicht berichtet. Daraus lässt sich schließen, dass die Eltern die Belastungen, die sich aus der von ihnen befürworteten Erwerbstätigkeit ergeben, in erster Linie durch eine Regulierung und Kontrolle der persönlichen Stressreaktion zu mildern versuchen. Darüber hinaus stellen sie sich gewissermaßen persönlich der Verantwortung, die sie mit ihrer Entscheidung für die Gestaltung des Familienlebens getroffen haben.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie veranschaulichen, dass die heutige junge Generation von Eltern nicht nur vor neuartigen, sondern vermutlich auch vor größeren Anforderungen an die Bewältigung des Familienalltags steht als frühere Generationen. Im Prinzip werden heute alle Entscheidungen des Familienlebens in die Verantwortlichkeit der Eltern gelegt, ohne dass die strukturellen Bedingungen hierfür im gleichen Ausmaß verbessert werden.
Für die aktuelle AOK Familienstudie hat das Forschungsinstitut produkt + markt 1.000 Eltern von Kindern im Alter von vier bis siebzehn Jahren befragt. Die Befragten waren im Durchschnitt 42,6 Jahre alt und stammten zu etwa 80 Prozent aus Paarfamilien, ein Anteil von knapp 20 Prozent waren Alleinerziehende.