Aushandlungen von Paaren zur Elternzeit
Erstellt von Hans-Georg Nelles am 13. August 2015
Zwischen den Wünschen von Vätern, mehr Zeit in Familie bringen zu wollen und der tatsächlichen Reduzierung von Arbeitszeit nach der Geburt eines Kindes oder der Inanspruchnahme von längeren Elternzeiten klafft immer noch eine Lücke. Zur Erklärung dieser Widersprüche gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Untersuchungen und Studien, die gute Gründe und Erklärungen liefern, nach Ansicht der Tübinger Wissenschaftlerin Almut Peukert aber zu kurz greifen.
Sie setzt sich in ihrer kürzlich veröffentlichten Dissertation kritisch mit den vorliegenden Quantitativ empirischen Studien zur Inanspruchnahme von Elternzeit durch Väter auseinander. Neben der jeweiligen Datenbasis und fehlender Vergleichsgruppen gibt sie insbesondere zu bedenken, dass in allen Studien mit theoretischen Modellen es (neo-) utilitaristischen Paradigmas gearbeitet wird, welche als Handlungsmodell der rationalen Wahl voraussetzen. Dies ist ihrer Meinung nach ‚unterkomplex‘.
Sie hält es für erforderlich, den Blick stärker auf die innerpartnerschaftlichen Aushandlungen im Übergang zur Elternschaft zu richten. Auf der Grundlage der von ihr mit 9 Paaren geführten Partner- und Einzelinterviews entwickelt sie anhand des Aspekts „Wer betreut das Kind?“ vier zentrale Begründungsfiguren, die sich in der Selbst- und Fremdzuschreibung von Betreuungsverantwortung und –aufgaben unterscheiden:
„1. ‚Hegemonic Mothering‘: Beide Elternteile sehen selbstverständlich und einvernehmlich die Mutter in der Betreuungsverantwortung, während der Vater als (deutlich) weniger kompetent und verantwortlich positioniert wird.
2. ‚Sameness Taboo‘: Beide Elternteile verstehen sich auf Paarebene als potenziell egalitäre Betreuungspersonen. Der Vater versucht jedoch implizit über geschlechterdifferenzierende Annahmen seine Betreuungsverantwortung zu minimieren.
3. ‚Maternal Gatekeeping‘: Die Mutter schreibt sich selbst die Hauptverantwortung für die Betreuung des Kindes zu und versucht das Engagement des Vaters zu begrenzen. Der Vater hingegen versteht sich als egalitärer Elternteil und widersetzt sich dem ‚Maternal Gatekeeping‘.
4. ‚Equally Shared Parenting‘: Beide Elternteile sehen sich selbstverständlich, einvernehmlich und im gleichen Maße in der Betreuungsverantwortung.“
Auch bei der Frage, „Wer nimmt wie lange Elternzeit?“ weist die Autorin anhand der von ihr untersuchten Paare nach, dass nicht nur die Nominalwerte der Erwerbseinkommen und die beruflichen Rahmenbedingungen maßgeblich sind. „Vielmehr handelt es sich bei den Aushandlungen um eine Konstruktion von Realität, durch die Handlungsoptionen … wahrgenommen werden.“
Die vier Begründungsfiguren spielen auch bei der Elternzeitaufteilung eine Rolle. Peukert weist systematische Unterschiede darin, welche Erwerbstätigkeiten, Karriere(n) und Einkommen in den Aushandlungen der Paare zur Elternzeit relevant bzw. nicht relevant gemacht werden, nach. Weiterlesen »
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