Über die Veröffentlichung meines Beitrags ‚Eine Quote für die Ursachen‘ bei Spiegel Online habe ich mich sehr gefreut und hoffe, er wird die Debatte bereichern:
Am Montag stand die Einigung bei den Koalitionsverhandlungen: Bei Neubesetzungen in Aufsichtsräten in großen Unternehmen soll ab 2016 eine Frauenquote von 30 Prozent gelten.
Die Quote soll einen Rollenwandel antreiben, der sich allein nicht recht einstellt – einerseits. Andererseits: Dass sich niemand gerne etwas vorschreiben lassen möchte, kann ich gut verstehen. Das Institut der Deutschen Wirtschaft schrieb: „Die Quote blendet die Ursachen aus“, nicht das Geschlecht sondern die Qualifikation sei entscheidend, die Unternehmen verbitten sich „gesetzliche Nachhilfe“.
Also gehen wir an die Ursachen, ganz geschlechterneutral. Und natürlich nicht in Form einer Vorschrift, sondern als freundschaftlichen Rat.
Wenn es nur um Qualifikation geht, dann kann die Familienpause ja nicht ausschließlich Frauensache sein. Deshalb gibt es ja bereits die Elternzeit für Väter. Ein durchaus beliebtes Modell, aber noch nicht so beliebt, dass Chancengleichheit herrscht: Für Frauen wird Elternschaft noch immer viel leichter zur Karrierebremse als für Männer, weil klar ist, dass die Familienpause der Männer kurz und schmerzlos ist.
Chancengleichheit kann also auch dann entstehen, wenn die Väterzeit gefördert wird. Unternehmen, die das schaffen, ziehen qualifizierte Männer wie Frauen an. Gerade auch solche aus der Generation Y, der Familie genauso wichtig ist wie Karriere.
Ich schlage dazu eine Kennzahl ‚Väter in Elternzeit‘ vor. Wohlgemerkt: eine Kennzahl, also keine politische Regel, sondern eine betriebswirtschaftliche Zielvereinbarung, die ein Unternehmen aus freien Stücken trifft. Mit solchen Kennzahlen messen Firmen ihre Erfolge in vielen Bereichen.
Wie hoch könnte diese Kennzahl sein? Im Bundesdurchschnitt nehmen inzwischen 28,3 Prozent der Väter eine Elternzeit von mindestens zwei Monaten in Anspruch, eine Kennzahl von 30 Prozent wäre also nicht allzu ambitioniert. Vor allem vor dem Hintergrund, dass in allen Umfragen schon lange mehr als 50 Prozent der Männer den Wunsch äußern, in Elternzeit gehen zu wollen. Nehmen wir also einen Anteil von 40 Prozent als erstrebenswertes Ziel.
Wie ginge es dann weiter? Nachdem ein Unternehmen sich sein Erfolgsziel gesetzt hat, werden im nächsten Schritt die Bedingungen und Stellschrauben benannt, die entscheidend sind, um das Ziel zu erreichen. Das können förderliche Faktoren sein, die verstärkt werden müssen, aber auch hinderliche, die es zu beseitigen gilt.
Im konkreten Fall sind das sicherlich die vorherrschenden Karrieremuster, die Anwesenheit und permanente Verfügbarkeit erwarten. Und die Haltung gegenüber Lebensphasen der Familienverantwortung. Sie werden nämlich oft als „Auszeiten“ betrachtet und nicht als Gelegenheiten sozialen Kompetenzerwerbs.
Wenn diese Punkte erst einmal offen gelegt, Zielvereinbarungen mit den Führungskräften getroffen und Erfolgsprämien an das Erreichen dieser Kennzahlen gekoppelt sind, dann wird eine Entwicklung in Gang gesetzt, die im Idealfall die Quotenfrage gleich mit erledigt. Männer wollen nämlich vor allem eins nicht, Exoten sein. Sie wollen, dass es völlig normal ist, dass sie in bestimmten Lebensphasen Verantwortung in der Familie übernehmen und Arbeitszeiten reduzieren. Sie wollen dies nicht als Entscheidung gegen berufliches Engagement und Entwicklungsambitionen gewertet wissen.
Wenn das so akzeptiert und wertgeschätzt wird, wird es auf der anderen Seite auch völlig normal sein, dass Frauen Führungsaufgaben übernehmen und Aufsichtsräte besetzen. Denn das sind zwei Seiten derselben Medaille. Ein Unternehmen mit einem hohen Anteil an Vätern in Elternzeit dürfte schnell eine Belegschaft haben, die auch ohne Zwang viele Frauenquoten erfüllt.
Mit der Idee stehe ich übrigens nicht alleine da. Gerade wurde der „HR-Report 2013/2014 Schwerpunkt Frauenförderung“ von der Unternehmensberatung Hays und dem Institut für Beschäftigung und Employability vorgelegt. Ein Ansatz dort: „Die Förderung der Akzeptanz aktiver Vaterschaft und eine Zunahme von Erwerbsbiographien mit Brüchen“ würde Chancen und Perspektiven gleichermaßen eröffnen. Für Frauen und für Männer.