Väter zuletzt
Erstellt von Hans-Georg Nelles am 12. Juli 2010
Andere Länder, andere Sitten. Folgende Geschichte habe ich eben in der Financial Times Deutschland gefunden:
‚Der Metzger ist entsetzt, als er das Kind sieht. Eigentlich ist seine Wursttheke der letzte Zufluchtsort. Mailand erlahmt vor Hitze. Geradezu sinnlich, was man da in dem kühlen Geschäft fühlt. Man möchte sich an den Glasvitrinen reiben, sich mit schneeweißem Ricotta und saftigem Prosciutto Cotto die Wangen kühlen.
„Principessa!“, ruft er mit vorwurfsvollem Blick. „Was machst du denn hier? Warum bist du denn nicht bei der Oma am Strand?“ Die Kleine blickt bestürzt, doch der Papa neben ihr kann aufklären. Sie werde schon bald weg sein. Man spürt die Erleichterung im Laden. Frauen und Kinder haben im Sommer in der Stadt nichts zu suchen.
Mailand hat wenig mit dem archaischen Leben Süditaliens gemein. Doch auch hier gibt es Anhänger eines traditionellen Gesellschaftsmodells. Männer arbeiten. Frauen kümmern sich um Kinder, Alte, Kranke und den Rest. Das führt dazu, dass Männer den frühen Sommer über allein in der Stadt verharren, während Frauen und Kinder schon längst am Meer sind.
Das Modell hat seine Vorteile. Soziale zuerst. Im Sommer pflegen Männer wie Frauen außerehelichen Abenteuern nachzugehen. Einer Studie zufolge hilft es aber auch der Konjunktur. Väter geben im Sommer 60 Euro mehr aus, wenn sie allein in der Stadt sind. Es profitieren Wäschereien und Restaurants.
Die Konjunkturspritze wird nicht lange wirken. Im August werden auch die Väter die Arbeit niederlegen, der Metzger sein Geschäft schließen, die Stadt verwaisen. Wer dann überleben möchte, muss zwangsläufig ans Meer.’
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