Ratzmann verzichtet auf Grünen-Vorsitz
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Donnerstag 4. September 2008
Der Weg für Cem Özdemir ist frei. Berlins Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann zieht sich aus dem Zweikampf um den Vorsitz der Bundespartei auf.
Der 48-Jährige wird bald Vater und will sich der Familie widmen: ‚ Wir bekommen ein Kind und ich empfinde das als ein großes Glück. Ich habe mich dafür entscheiden, dass mein Kind etwas von mir haben soll und umgekehrt.
Das ist aus meiner Sicht mit dem Amt eines Bundesvorsitzenden jedenfalls dann nicht zu vereinbaren, wenn die Erziehung verantwortlich und gleichberechtigt von zwei berufstätigen Elternteilen zusammen in einer Familie geleistet und gleichzeitig das Amt mit aller Ernsthaftigkeit ausgefüllt werden soll.
Ich habe mich für mein Kind entschieden, denn für dieses können nur meine Lebensgefährtin und ich Verantwortung übernehmen. Für unsere Partei gibt es aber mehrere Persönlichkeiten, die das können.’
Donnerstag 4. September 2008 um 21:06
Der Kommentar von Vera Gaserow ‚Lieber Papa als Politguru’ in der Frankfurter Rundschau legt den Finger auf die (Glaubwürdigkeits-) Wunde:
‚Neue Männer braucht das Land! Zugegeben, schon etwas matt dieser Schlachtruf, aber noch laut genug, um mit Verzögerung auch die Spitzen der Politik einzuholen – zumindest bei den Grünen. Schon bei der Ausschau nach einem männlichen Co-Parteichef waren sie auf seltene Karriere-Enthaltsamkeit gestoßen: Die Anwärter wollten lieber Vater ihrer Kinder sein als Obergurus einer Partei. Nun springt den Grünen mit Volker Ratzmann auch der eine von zwei ernsthaften Kandidaten für den Chefposten ab – mit Verweis auf künftige Vater-Pflichten. Ein überraschender, ein respektabler Schritt.
Denn der Verzicht ist kein bloß taktischer Rückzieher eines womöglich unterlegenen Bewerbers, sondern realistische Einsicht: unser Politikbetrieb ist ein unbarmherziges, kinderfeindliches Geschäft. Es widerspricht den Sonntagsreden von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nicht zufällig sind gängige Politikerkarrieren männlich, mit Frau im Rücken, die die lieben Kleinen fernhält. Jetzt nehmen einige die Verantwortung als Vater an. Gewöhnungsbedürftig. Aber der Politik kann das nur gut tun.‘