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Väter kamen als Gäste nach Hause

Erstellt von Hans-Georg Nelles am Freitag 20. Januar 2012

‚Die Position des Familienoberhauptes hat sich geändert‘, so beginnt ein Beitrag in den Nürnberger Nachrichten am 20. Januar 1962, der heute im Rahmen der Kalenderblätter abgedruckt ist und erstaunliche Einblicke in das Familienleben und die Väterbilder unserer Eltern und Großeltern bietet:

‚Die Väter scheinen von ihrer Würde als ungekrönte Familien-Oberhäupter immer mehr einzubüßen. Je stärker sie in die Arbeit eingespannt sind, um das „Soll“ eines immer höher steigenden Lebensstandards zu erreichen, desto weniger Zeit bleibt ihnen für ihre Familie. Es gibt zahlreiche Kinder in der Stadt, die ihren Vater nur von den Wochenenden her kennen; für viele andere wieder gilt der Stoßseufzer eines kleinen Mädchens: „ . . . und abends kommt der Papa müde heim!“
Eins steht ganz sicher fest: es kommt auf den Vater selbst an, wie er seine Freizeit nützt, um sich nicht von seinen Kindern zu „entfremden“, wie heute die Soziologen und Psychologen sagen. Schließlich begünstigen allein äußere Umstände, daß die Kinder keine rechte Vorstellung vom Leben ihres Vater haben, der die meisten Stunden in einer ihnen unbekannten Welt, am Arbeitsplatz, verbringt.

Früher, als die Industrie noch keine so vorherrschende Rolle spielte und das Spezialistentum nicht so ausgeprägt war, konnten sich die Kleinen einer Familie noch ein eigenes Bild davon machen, wie und wo der Vater arbeitet, der doch für sie als Vorbild für Tüchtigkeit und Leistung gilt. Die Mütter hingegen, denen ja heute oft weitgehend die Erziehung ihrer Sprößlinge überlassen ist, prägten mehr die „Frohnatur“ der Kleinen, wie der in allen Lebenslagen sattelfeste Geheimrat Goethe berichtet.

Die Jugend- und Sozialberater wie die Kinderärzte und Lehrer meinen, daß die Unsicherheit in Erziehungsfragen die Lage des Vaters in unserer Zeit besonders erschwert. Gerade er aber, der so wenig daheim ist und oft nur gastweise am Familienleben teilnimmt, kann viel helfen, wenn er in ruhigen Stunden mit Rat und Tat für die Seinen da ist. So kann ihm seine schwierige Rolle immer noch viel Applaus bringen.

Nun sagen die Familienpsychologen, die im „müden Papa“ ein nicht zu unterschätzendes, ernstes Problem sehen, aber auch, es sei nicht allzu beklagenswert, wenn die Vaterwürde heute etwas geschmälert erscheint. In vielen Fällen gewinnt dadurch die Partnerschaft mit der Frau. So ist es in zahlreichen Ehen schon selbstverständlich, daß man die Finanzfragen, den Familien-Haushaltsplan, gemeinsam bespricht und berät. Das Gemeinsame in der Familie rückt überhaupt immer mehr in den Mittelpunkt und das läßt den Schluß zu: die Frau ist schon gleichberechtigter als mancher geplagte Vater denkt. … ‚

Quelle

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