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Archiv für die 'Partnerschaft' Kategorie

Das Wichtigste ist die eigene Haltung zum Vatersein

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 19. Dezember 2022

‚Vatersein‘ lautet der Titel des dritten Buchs von Tillmann Prüfer, dessen Kolumne ‚Prüfers Töchter‘ seit vier Jahren wöchentlich im ZEITmagazin zu lesen ist. Im Untertitel heißt es dann appellativ ‚Warum wir mehr denn je neue Väter brauchen‘. Also noch ein weiteres Buch, dass Vätern den Widerspruch zwischen Wollen und Handeln aufzeigt?
Die Antwort lautet Ja und Nein. Prüfer nimmt die Messlatte ‚Bedeutung der Väter für die Entwicklung ihrer Kinder‘ und konfrontiert die Leser*innen mit den daraus folgenden Ansprüchen und der oft lauen Performance von Vätern. Auf der anderen Seite beleuchtet er aber auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, Erwartungen und Zuschreibungen an Väter und die damit verbundenen Ambivalenzen, die noch allzu oft zugunsten des Ernährer Mannes aufgelöst werden. Dabei bleiben die Ansprüche ans gute Vatersein, auf jeden Fall besser als der eigene Vater, auf der Strecke.

Authentisch wirken die von Tillmann Prüfer formulierten Ansprüche vor allem dadurch, dass er in einem Erzählstrang seine eigene Auseinandersetzung mit dem Vater werden und sein reflektiert. Dazu gehört auch das Scheitern der ersten Beziehung. In einem Doppelinterview in der aktuellen Ausgabe des STERN, mit ihm und seinem Vater, äußert dieser auf die erste Frage, „Herr Prüfer, ist Ihr Sohn Tillmann ein guter Vater?“ „Er gibt sich die größte Mühe, und ich denke, er macht es sehr gut.“
Dazu, was einen guten Vater ausmacht, schreibt der Sohn an verschiedenen Stellen seines knapp 200 Seiten umfassenden Buches, aber zunächst einmal ein kurzer Blick in das Werk.

Im ersten Abschnitt skizziert der Autor die Entstehung und Geschichte der existierenden Väterbilder und wirbt dafür, den Feminismus als Chance für Väter zu betrachten, denn die patriarchale Gesellschaft bringe keineswegs allen Männern in gleicher Weise Vorteile. Es gehe nicht darum von außen auf sich zu blicken, in Wettbewerb mit anderen zu treten, um im Benchmarking gut dazustehen und dieses Konkurrenzdenken auf das Vatersein zu übertragen. „Es gibt nur eine Person auf der Welt, die einem beibringen kann, wie gutes Vatersein geht: das eigene Kind.“ Auf der anderen Seite ist die Rolle, „die man als Vater für sein Kind spielt, die wichtigste, die man je im Leben spielen wird.“ Und ein Vater der einfühlsam und interessiert ist, hilft seinen Kindern am meisten.

Im zweiten Abschnitt beschreibt Prüfer die Hindernisse, die einem glücklichen Vatersein im Weg stehen. Da sind zunächst einmal die Widersprüche und Ambivalenzen zwischen den Sphären Beruf und Familie, die auf den ersten Blick dazu (ver-)führen, es keinem Recht machen zu können. „Es scheint klar, dass man etwas anderes machen möchte als früher, machen muss. Doch die Orientierung fällt schwer. Es gibt so viele Ansprüche an den sogenannten neuen Vater, dass es unmöglich ist, allem gerecht zu werden.“ Zumal es Vätern immer noch an Vorbildern mangelt.

Den Vätern gut zuzureden, mehr Interesse für die Kinder zu zeigen und ihre Wünsche, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen einfach zu verwirklichen, genügt nach Ansicht von Prüfer nicht. Dazu braucht es „eine Anstrengung beider Partner – und der ganzen Gesellschaft.“ Zu wissen, dass die Rollenzuschreibung guter Vater = guter Ernährer nichts ist, was schon immer so war ist hilfreich. „Wir sind es geworden. Und genauso können wir auch etwas Neues werden. Wenn wir es denn wagen.“ Dazu ermutigt Prüfer Väter, auch in Gesprächen über sein Buch wie hier zum Beispiel in der ZDF Sendung ‚Hier und heute‘: „… reden Sie mal mit anderen Männern darüber. Männer reden mit anderen Männern kaum über diese Themen, das ist Ihnen irgendwie … da fühlen sie sich schwach, da sind sie unsicher. Sie reden über Alles andere, aber nicht über die Dinge, die sie auch seelisch verletzen und bedrücken oder unsicher machen und ich glaube, wenn sich Väter nur einigermaßen so vernetzt hätten, wie das Frauen schon lange machen und sich Hilfe holen, dann würde sich viel ändern.“

Im Buch bietet er Vätern im dritten Teil einen ‚Werkzeugkasten für den modernen Vater an‘. Darin befinden sich 12 Werkzeuge und ein ‚Universalschlüssel‘. Die einzelnen Werkzeuge reichen von ‚Mach dir einen Plan‘, ‚Lerne vom Kind‘ über ‚Trau dich zu fühlen‘ bis hin zu ‚Mach Fehler und steh dazu!‘ und ‚Beschütz dein Kind und lass es los‘.

Zu jedem Werkzeug gibt es ausführliche Anwendungsbeschreibungen, die durch wissenschaftliche Anmerkungen und Zitate unterlegt sind. Beim ‚Werkzeug 9: Rede und hör zu‘ erfährt man, dass Kinder neue Wörter eher von Vätern lernen als von Müttern. Da Väter weniger Zeit mit Kindern verbringen, müssten sie erst einmal lernen, sich mit den Kindern zu verständigen. Auf dem Weg dahin lernen auch Kinder eine Menge.
Das Universalwerkzeug beinhaltet die Aufforderung an Väter ‚Mach was!‘, „denn die Vatererfahrung findet nicht nur durch Wörter statt, sondern vor Allem durch Taten. Taten kann man fühlen, hören, riechen, sehen.“

Im vierten und letzten Teil des Buches zeichnet Prüfer anhand der Entwicklungsstufen einer jeden Vaterschaft ‚Jeder Vater fängt ganz klein an: Kleinkindpapa‘ bis zum leeren Nest ‚Tschüss Alter! Wenn die Kinder ihre Väter nicht mehr so sehr brauchen‘ die Möglichkeiten auf, als Vater mitzuwachsen.
„All diese Konfrontationen, die kleinen Katastrophen, die ständigen Herausforderungen und Niederlagen, im Wechsel mit minimalen Erfolgen, die machen etwas mit Vätern. Wer Vater wird, der verändert sich.“

Eingestreut in diesen Lebensreigen ist das Kapitel ‚Kein neuer Vater ohne eine neue Mutter‘. Seine These: Es wird „keinen neuen Vater geben, wenn die Partnerin ihm keinen Raum gibt, diese Rolle auszufüllen. Der Autor setzt sich mit dem Phänomen des ‚Maternal Gatekeeping‘ auseinander und geht dabei auch auf den Shitstorm ein, den der Spiegel-Beitrag ‚Papa kann das schon alleine! Was moderne Väter hinkriegen – wenn Mütter sie lassen‘ im Sommer 2021 ausgelöst hat. In der Spiegelrezension schreibt Tobias Becker dazu „Prüfer gelingt das Kunststück, über sogenanntes Maternal Gatekeeping zu schreiben, ohne die Väter aus der Pflicht zu entlassen“ und macht deutlich, dass er immer noch nicht verstehen will, das mit der Beschreibung von ‚Maternal Gatekeeping‘ keine Schuldzuschreibungen verbunden sind, sondern Verhaltensweisen in einem komplexen System analysiert werden.

Im allerletzten Kapitel spricht Tillmann Prüfer noch einmal eine Ermutigung aus ‚Trau dich Papa!‘ und weist darauf hin, dass die gesellschaftliche Wahrnehmung der Vaterrolle offensichtlich problematischer ist als die tatsächlich empfundene Nähe von Kindern zu ihren Vätern. „Wahrscheinlich haben wir heute die besten und um ihre Kinder am meisten besorgten Väter, die es jemals in der Geschichte westlicher Länder gegeben hat.“ Aber das ist vor allem auch eine Frage der (Selbst-)Wahrnehmung. „Wenn ich jemand sein kann, an den die Kinder glauben, obwohl ihnen gerade der Glaube an etwas fehlt. Dann werde ich ein guter Vater sein“ lautet der vorletzte Satz in dem Buch. Ich denke, es reicht, wie Heinz Walter vor 15 Jahren in dem Sammelband ‚Vater wer bist du?‘ beschrieben hat, ein ‚hinreichend guter Vater‘ zu sein. Aber das entscheiden ja die Kinder und die haben andere Maßstäbe als die Väter selber und das Feuilleton.

Ich kann den Band von Tillmann Prüfer, jedem empfehlen, der sich mit den Herausforderungen mit denen Väter und Mütter, die es anders mache möchten als es bislang ‚normal‘ ist, konfrontiert sind, auseinandersetzen möchten. Sie werden dabei en passant auch mit spannenden Erkenntnisse der Väterforschung belohnt.

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‚Liebe Väter, die Elternzeit schadet eurer Karriere (langfristig) gar nicht.‘

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 15. Dezember 2022

Die Aufteilung der Betreuungsarbeit macht trotz Elterngeld lediglich langsame Fortschritte. Nur jeder zehnte Vater nimmt mehr als zwei Monate Elternzeit in Anspruch. Das zeigt eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BIB)   für den Zeitraum von 2009 bis 2019.

Der Auswertung zufolge leisten Mütter immer noch den Großteil der Kinderbetreuung. »Über die ersten Lebensmonate des Kindes hinaus sind seit Einführung des Elterngeldes kaum weitere Fortschritte bei der Aufteilung der Familienarbeit zu erkennen«, sagte Mathias Huebener, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim BIB.

Ebenso unverändert ist allerdings auch die Verteilung der Erwerbsarbeitszeiten. Väter von kleinen Kindern leisten hier durchschnittlich 44 Stunden pro Woche, Mütter deutlich weniger als 20 Stunden.

Bei der am 14. Dezember veröffentlichten Studie über die Langzeitwirkungen des Elterngeldes für Väter standen folgende Fragen im Mittelpunkt:

  • Wie hat sich die Nutzung des Elterngelds im Zeitverlauf geändert, und
  • wie partnerschaftlich wird der Bezug aufgeteilt?
  • Wie hat das die Aufteilung der Sorge- und Hausarbeit verändert? Und schließlich:
  • Wie haben sich Karriereverläufe von Eltern nach der Elternzeit entwickelt?

Die Ergebnisse: Für die Beteiligung der Väter macht es keinen Unterschied, ob sie keine oder nur eine sehr kurze Elternzeit genommen haben. In beiden Konstellationen wenden sie durchschnittlich nur etwa zweieinhalb Stunden für die Kinderbetreuung und knapp eine Stunde für die Hausarbeit auf. Dieser Umfang habe sich über die Zeit nicht verändert.
Eine „weniger ungleiche“ Arbeitsteilung lässt sich bei Paaren beobachten, in denen Väter mindestens drei Monate Elternzeit genommen haben. Zwar ist auch hier der Zeitaufwand der Mütter größer, allerdings beteiligen sich die Väter deutlich stärker, insbesondere bei der Kinderbetreuung.

Die Karriereverläufe wurden anhand des ‚Berufsprestiges‘ gemessen, dabei zeigte sich, dass Mütter unabhängig von der Länge der Elternzeit drei Jahre nach dem Wiedereinstieg in den Beruf Rückgänge im Berufsprestige verzeichnen im Vergleich zur Zeit vor der Geburt. Bei Vätern ist es genau umgekehrt: Sie gewannen an Berufsprestige, besonders jene mit einer längeren Elternzeit.

Und auch zu den Gründen, warum Väter überwiegend die für sie vorgesehenen zwei Partnermonate in Anspruch nehmen, liefert der Artikel plausible Erklärungen: Die Furcht vor dem Karriereknick wird erst an dritter Stelle genannt.
Auf Platz eins der Hinderungsgründe stehen finanzielle Nachteile, gefolgt von der Begründung, dass die Partnerin länger beim Kind bleiben wollte.
Der Höchstsatz beim Elterngeld liegt seit 2007 unverändert bei 1.800 €, eine Anpassung ist bislang noch nicht vorgenommen worden.
Bereits zum Fünfjährigen hat die damalige Bundesfamilienministerin Schröder weitere Maßnahmen angekündigt, um noch mehr Väter für die Elternzeit zu gewinnen. Es gebe „starke Verunsicherungen“ bei beiden Elternteilen, da für Väter genauso wie für Mütter die zeitliche Inanspruchnahme durch die Kinderbetreuung ein „Knackpunkt“ sei. „Der Schlüssel liegt darin, die Arbeitszeiten zu verbessern zum Beispiel eine Reduzierungsmöglichkeit auf 80 %“.

Was die zwei ‚Vätermonate‘ betrifft, haben schon bei der Einführung der Elternzeit 2006 Erfahrungen aus den skandinavischen Ländern gezeigt, dass sich die Inanspruchnahme durch Väter an die für sie ‚vorgesehene‘ Zeit annähert.

Und eine aktuelle Studie aus Schweden zeigt, dass eine Ausweitung der ‚Partnermonate‘ alleine nicht ausreicht: “Die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Inanspruchnahme der Elternzeit sind sowohl bei Adoptiveltern als auch bei leiblichen Eltern groß. Wir wissen, dass einige politische Maßnahmen sehr wirksam waren, um die Normen der Vaterschaft und Mutterschaft in Schweden zu verändern, insbesondere Maßnahmen, die darauf abzielen, die Inanspruchnahme der Elternzeit durch den Vater zu erhöhen. Unsere Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass noch mehr getan werden muss, um die Aufteilung der elterlichen Fürsorge in Richtung einer größeren Geschlechtergleichheit zu verschieben”

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Auswertung der Kurzumfrage – Bedeutung von Vätern in der Geburtshilfe

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 15. November 2022

im Oktober hat die LAG-Väterarbeit in NRW eine Kurzumfrage mit 5 Fragen zur Bedeutung von Vätern in der Geburtshilfe gestartet.
Die erste Frage lautete:

Welche Bedeutung haben Väter Ihrer Meinung nach bei der Geburt?

Wichtig bzw. sehr wichtig antworteten 93%. Spannend ist bei dieser Frage der Blick auf die Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Von den 98 Antwortenden haben sich 65 dem männlichen und 30 dem weiblichen Geschlecht zugeordnet. Drei haben keine Angaben gemacht.

Während die Einschätzung, sie haben gar keine oder eine geringe Bedeutung gleichermaßen selten geäußert wird sind prozentual mehr Frauen der Überzeugung, dass werdende Väter bei der Geburt unabkömmlich sind als Männer. Eine große Mehrheit von 63% bzw. 73% schätzen ihre Rolle bei der Geburt aber als wichtig ein.

Frage 2: Kennen Sie Angebote für Väter sich auf die Geburt bzw. aufs Vaterwerden vorzubereiten?

Im Durchschnitt kennen 58% der Antwortenden Angebote zur Geburtsvorbereitung für Väter. Während aber lediglich 52% der Väter entsprechende Angebote bekannt sind, äußern über 73% der Frauen diese Angebote zu kennen.
Bei der Frage, welche Angebote bekannt sind, nennen 6 der 34 Männer väterspezifische Angebote, bei den Frauen äußern drei, diese Angebote zu nennen. Alle anderen Nennungen beziehen sich auf die Teilnahme an den Kursen der Hebammen bzw. Paarkurse. …

Die vollständige Auswertung mit den Grafiken: Bedeutung von Vätern in der Geburtshilfe – Ergebnisse der Kurzumfrage der LAG-Väterarbeit

Schlussfolgerungen für die Arbeit der LAG-Väterarbeit

Väter ‚spielen‘ bei der Geburt eine bedeutsame Rolle, vor, während und unmittelbar nach der Geburt werden Weichen für väterliches Engagement und eine partnerschaftliche Arbeitsteilung gestellt.

In diesem Kontext sind passende Angebote für Väter sind ein unbedingtes Muss und die gemeinsame Vorbereitung im Rahmen eines Hebammenkurses kann diese nicht ersetzen.

Im Rahmen dieser Angebote, die es bislang nur vereinzelt, vor allem in städtischen Ballungszentren gibt, brauchen Väter Möglichkeiten, sich mit anderen (werdenden) Vätern auszutauschen, alleine und gemeinsam mit ihren Kindern, sich als bedeutsam für die Entwicklung ihrer Kinder zu erleben und diese Bedeutung auch gesellschaftlich zugeschrieben zu bekommen.

Für die Schaffung der konkreten Angebote braucht es politischen Gestaltungswillen und die entsprechenden Mittel. Die allgemeine Anerkennung der Bedeutung von Vätern für die Entwicklung von Kindern ist vor allem eine Frage der Haltung. Sie einzunehmen erleichtert die Gestaltung der passenden Rahmenbedingungen, di nicht nur den Vätern, sondern auch den Kindern und den Partnerschaften zugutekommen.

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Ohne Väter geht es nicht

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 17. Oktober 2022

Das trifft auf viele Bereiche zu, insbesondere aber dann, wenn es um die Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit geht. Sich eine partnerschaftliche Aufgabenteilung zu wünschen ist die eine, sie tatsächlich leben zu können die andere Seite der Medaille.

Dies stellt auch das Beratungsunternehmen prognos in dem im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Unternehmensprogramms “Erfolgsfaktor Familie” erstellten Policy Paper` ‚Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Beitrag zur Fachkräftesicherung‘ fest. Eine der Kernaussagen des Papers lautet:

„Vereinbarkeit darf sich jedoch nicht nur an Frauen und Mütter richten, sondern muss auch Männer und Väter adressieren und eine partnerschaftliche Arbeitsteilung von Müttern und Vätern ermöglichen.“

Meiner Meinung nach kann die Strategie nur erfolgreich sein, wenn sie Männer und Väter als handelnde Subjekte in dem komplexen System Familie und Partnerschaft ansieht und nicht nur als Beiwerk‘ adressiert. Die in dem Papier angeführten Fakten und Studien sprechen dafür. Unter anderem heißt es dort:

„Väter sind indirekter Teil der Fachkräftestrategie – ohne ihre Vereinbarkeit geht es nicht.

Der Fokus auf die Potenziale der Müttererwerbstätigkeit bedeutet nicht, dass Vereinbarkeit ein Frauenthema ist und sich weiterhin hauptsächlich auf Branchen konzentrieren kann, in denen der Frauen- und Mütteranteil besonders hoch ist. Väter sind zwar kein direkter Teil der Fachkräftestrategie, aber dass sie Familie und Beruf gut vereinbaren können ist existenziell, damit die von vielen Elternpaaren gewünschte partnerschaftliche Arbeitsteilung realisiert werden kann, Mütter mehr Freiraum für eine umfassendere Erwerbstätigkeit haben und ihr Fachkräftepotenzial gehoben werden kann.

Zudem bestätigen Studien eine erkennbare Änderung der Haltung von „aktiven Vätern“, die zunehmend aktiver in der familiären Fürsorgearbeit werden wollen. Haben 2018 noch 83 Prozent der Väter Vereinbarkeitsangebote in Unternehmen als Angebote für Mütter wahrgenommen, wollen die „Neuen Väter“ gleichfalls Angebote für ihre Vereinbarkeit. 59 Prozent der jungen Männer, die im Alter einer möglichen Vaterschaft oder Familiengründung sind, würden wegen fehlender Möglichkeiten den Arbeitgeber wechseln.

Insbesondere die fehlenden Betreuungsmöglichkeiten während der COVID-19 Pandemie haben einen Schub der Vereinbarkeit von Vätern verursacht. So geben in der repräsentativen Studie „Neue Chancen für Vereinbarkeit“ 43 Prozent der befragten Väter an, dass sie während der Pandemie ihren Arbeitgeber auf Veränderungen ihrer Arbeitsweise oder ihres Arbeitsortes zugunsten der Kinderbetreuung angesprochen haben.

Vereinbarkeit von Müttern und Vätern ist der Schlüssel zu Arbeitgeberattraktivität und Fachkräftegewinnung und -bindung.

Hinweise, dass eine partnerschaftliche Arbeitsteilung von Vätern und Müttern, aber auch Angebote für haushaltsnahe Dienstleistungen, einen positiven Einfluss auf die Fachkräftesituation entfalten können, gibt ein aktueller Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e. V. (DIW). Demnach ist in Deutschland unbezahlte Hausarbeit, Betreuung und Pflege von Kindern und älteren Angehörigen zwischen Männern und Frauen immer noch sehr ungleich verteilt. In rund drei Viertel der deutschen Paarhaushalte übernehmen Frauen mehr als die Hälfte der Sorgearbeit. Reduziert sich jedoch die Sorgearbeit des gesamten Haushalts, steigen sowohl Beschäftigungswahrscheinlichkeit als auch -umfang beider Partner, vor allem jedoch bei Frauen.

43 Prozent der Eltern wünschen sich aktuell eine partnerschaftliche Teilung von Berufs- und Familienarbeit. Je jünger die Frauen und je besser sie gebildet sind, desto höher ist ihr Anspruch an eine partnerschaftliche Arbeitsteilung. Der Väterreport 2021 zeigt auf, dass mittlerweile auch 48 Prozent der Väter mit einem ältesten Kind unter 10 Jahren diese Ansicht teilen.“

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Kurzumfrage: Welche Bedeutung haben Väter in der Geburtshilfe?

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 7. Oktober 2022

Im System der Geburtshilfe rumort es. Immer mehr Geburtskliniken schließen, aus Mangel an Hebammen oder Renditegründen. Während der Pandemie wurden Väter ganz oder teilweise bei Vorsorgeuntersuchungen und der Geburt ausgeschlossen und auch wenn sie dabei sein dürfen, fühlen sich Väter vielfach nicht einbezogen.

Es gibt zwar seit 2016 ein auf 136 Seiten ausformuliertes ‚Nationales Gesundheitsziel Gesunde Geburt‘, aber die von vielen Seiten erhobene Forderung nach einem ‚Geburtsgipfel‘ und der im Frühjahr gestarteten Initiative ‚Bündnis Gute Geburt‘ verdeutlichen den tatsächlichen Handlungsbedarf.

Dort ist die Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt, ‚Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden.‘ Die Wirklichkeit ist von dieser bereits 2008 formulierten Vision weit entfernt, das macht auch eine anlässlich der ‚Weltstillwoche‘ veröffentlichte Befragung deutlich. Es braucht passende Rahmenbedingungen damit aus dem ‚Sollen‘ und ‚Wollen‘ tatsächliches Handeln wird.

Bei der Gestaltung von ‚passenden‘ Rahmenbedingungen gibt es sicherlich Spielräume. Um diese auszuloten haben wir eine Kurzumfrage entworfen und bitte Sie, sich 2 Minuten Zeit für eine Beantwortung zu nehmen.

https://www.surveymonkey.de/r/LAGV_Geburtshilfe

Bei einem Werkstattgespräch am 26. Oktober werden wir die Ergebnisse präsentieren, Eckpunkte zu Veränderungen in der Geburtshilfe aus der Perspektive der Väter formulieren und diese in die aktuelle Diskussion einordnen.

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# Es geht nur gemeinsam

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 14. September 2022

Die digitale und kulturelle Transformation eines Geschäftsbereichs starten und umsetzen, dabei eine inspirierende und motivierende Führungskraft sein, eine Partnerschaft auf Augenhöhe führen und über allem ein aktiver Vater die beiden Söhne sein.

In seinem Buch ‚Working Dad, Vereinbarkeit von Familie und Karriere leben‘ beschreibt Roman Gaida ehrlich und authentisch seinen Weg, den er gegangen ist, um das alles hinzubekommen aber auch seine Ängste und Zweifel, mit denen er sich an entscheidenden Abzweigungen auseinandergesetzt hat.

Die Erfahrungen, die er dabei gemacht hat beschreibt er ausführlich und lässt den Leser und natürlich auch die Leserinnen daran teilhaben. Am Ende fast jedes der 45 Kapitel gibt es ‚Tools‘. Hacks‘ oder Checklisten, die den Abschnitt zusammenfassen und leicht anwendbare Werkzeuge darstellen.

Am Anfang steht diese Erkenntnis „Was einem auch niemand sagt, ist, wie es einen Mann verändert, wenn er Vater wird. Natürlich nehmen wir uns vor, ein guter Vater zu sein. Ein Vater, der da ist, sich um die Familie kümmert und trotzdem weiter an seiner Karriere schraubt. Aber die Realität sieht ganz anders aus.“

Wichtig ist es, dass jeder Vater für sich entscheidet, was für ihn Sinn macht oder besser noch die Leidenschaft brennt. Und „vor allem für uns Väter ist es an der Zeit, Karriere neu zu definieren – weg von gesellschaftlichen Normen und vermeintlichen Selbstverständlichkeiten hin zu individuellen Lebensmodellen“.

Und dies ist ja in einer Partnerschaft nicht nur eine Karriere, eine berufliche Entwicklung. Es geht darum, in einem kurzen Lebensabschnitt, der Rushhour des Lebens, die Beziehung zur Partnerin, die Bindung zu den Kindern und die Verantwortung im Job in einen guten Rhythmus zu bekommen. Karriere ist nämlich auch, und das steht nicht im Buch, wenn die Beziehung hält.

Für die Beziehung zu den Kindern braucht vor allem Zeit, „die Entscheidung fällt auf dem Spielplatz“ zitiert der Autor Björn Süffke. Wichtig sei die emotionale Präsenz als Vater, „die wir nur in allen Facetten des täglichen Lebens bieten können. … Unsere Gefühle, die schönen und eben auch die nicht so schönen, unsere Ängste, Freuden, Trauer – und ja, auch wenn wir mal nicht mehr weiterwissen – machen uns zu einem Menschen.“

Dafür müssen Entscheidungen getroffen werden und die haben Konsequenzen bzw. einen Preis. Eine Entscheidung, die jeder werdende Vater für sich und gemeinsam mit seiner Partnerin treffen muss, und zwar rechtzeitig, ist die Inanspruchnahme der Elternzeit und die Verteilung von bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Familienarbeit, die faire Aufteilung von Financial und Mental Load

„Wenn wir erst miteinander darüber sprechen, wer sich nun zu Hause um alles kümmern soll, wenn das Baby schon da ist, dann sind Chaos und eine Beziehungskrise vorprogrammiert. Mama bleibt zu Hause, und Papa geht zur Arbeit. In einigen Fällen mag das beide auf Dauer glücklich machen, aber in vielen Fällen eben nicht. Weder Väter noch Mütter wollen sich heute in die Schublade der alten Geschlechterrolle quetschen lassen, um stillschweigend Vorgelebtes zu wiederholen. Mütter möchten völlig zu Recht ihre ebenfalls mühsam aufgebaute Karriere nicht ganz begraben. Väter wollen nicht das Gewohnheitsrecht der F rauen auf die Kindererziehung akzeptieren. Neue Väter brauchen auch neue Mütter. Kommunikation und Abstimmung bereits vor dem ersten Kind kann helfen, nicht in diese Vereinbarkeitsfalle zu tappen.“

Das ist auch seit über 25 Jahren ein Grundsatz meiner Beratungsarbeit in dem Feld. Diese Fragen müssen auf Augenhöhe verhandelt werden, wenn beide im Job sind.

Und was die Elternzeit angeht, braucht es auch 15 Jahre nach ihrer Einführung in Deutschland noch viel Ermutigung. Gaida hat sie nach der Geburt seiner beiden Söhne nicht in Anspruch genommen.

„Nicht weil mich mein neuer Arbeitgeber davon abgehalten hätte oder die Signale dafür negativ waren, sondern schlichtweg, weil ich Angst hatte, es könnte alles, was ich mir bis dahin aufgebaut hatte, zerstören. Seit meiner Zeit an der Maschine in Schichtarbeit hatte ich so viel investiert, um im Management zu landen. Das wollte ich jetzt nicht leichtfertig verspielen.“

Mit dieser Angst Mit der Angst, stehe er jedoch nicht allein da und führt eine Befragung der Soziolog:innen Thordis Reimer und Mechthild Oechsle aus dem Jahr 2017 an, nach der 45% der Väter befürchten, das eine Elternzeit sich negativ auf ihre berufliche Entwicklung auswirken könnte.

Das dem nicht so ist hat ein Jahr zuvor Mareike Bünning, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), in einer Studie herausgefunden. Wenn Väter Elternzeit nehmen, wirkt sich das nicht negativ auf die Entwicklung ihrer Löhne aus. Wählen Väter dagegen Teilzeit, um Beruf und Familie besser zu verbinden und mehr Zeit für ihre Kinder zu haben, müssen sie mit Lohneinbußen und Karrierenachteilen rechnen. Schon 2015 berichtet das Forschungsinstitut Sowitra in einer Studie: „Langfristige berufliche Nachteile für die Elterngeldväter sind laut der Studie kaum nachweisbar. Mit vorübergehenden Beeinträchtigungen sei allerdings durchaus zu rechnen. Jeder zehnte Befragte berichtet von temporären Auswirkungen auf den Karriereverlauf, wobei die Gefahr mit der Dauer der Elterngeldnutzung ansteigt.“

Roman Gaida thematisiert diese Ambivalenzen jedoch auch und reflektiert seine Verantwortung als Führungskraft an dieser Stelle: „#1 Zu erfahren, dass man Vater wird, ist der schönste Moment im Leben eines Mannes. Denk daran, wenn der nächste Mitarbeiter zu dir kommt und dir freudig davon erzählt, dass er Vater wird.“

In den weiteren drei Teilen geht es dann um die Themen ‚Familienfreundlichkeit: Win-Win für Unternehmen und Leadership‘, ‚Familie‘ und ‚Me-Time‘, in denen der Autor sein Füllhorn an Fragen, Erfahrungen und Tipps ausschüttet. Einer der letzten, meines Erachtens aber sehr wichtigen im Abschnitt ‚Vergesst euch nicht als Paar‘ lautet „Nur wenn beide glücklich sind und sowohl berufliche als auch private Bedürfnisse befriedigt werden, ist Vereinbarkeit möglich.“

Das Buch ist am 14. September beim Campus Verlag erschienen, hat 224 Seiten und kostet 24 €.

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‚Es braucht Angebote, die von Vätern akzeptiert werden und auf ihre speziellen Bedürfnisse eingehen‘

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 6. Mai 2022

„Das Väterberatungszentrum soll eine offene und niederschwellige Anlaufstelle für Väter sein – auch für jene, die von klassischen Beratungsangeboten nicht erreichbar sind – und damit das Wohl der Kinder fördern. Der offene Ansatz als Treffpunkt und Kommunikationsort für Väter fördert soziale Begegnungen von Vätern und deren Kindern. Der Ort des Austausches und der Informationsvermittlung soll den Zugang zu Beratung erleichtern und die Akzeptanz für pädagogische Angebote erhöhen.“

Ausschreibung der Stadt München für ein Väterberatungszentrum

Stellungnahmen der Parteien zu den Forderungen der LAG Väterarbeit zur Landtagswahl

Die LAG Väterarbeit hat im Vorfeld der Landtagswahl am 15 Mai fünf konkrete väterpolitische Forderungen aufgestellt und die im Landtag vertretenen Parteien darum gebeten darzulegen, inwieweit eine Stimme für Ihre Partei zu einer Umsetzung in den kommenden 5 Jahren beitragen wird.

Die dritte Forderung lautet:

„Finanzierung von zunächst einer qualifizierten Beratungseinrichtung für Väter je Regierungsbezirk. Dazu gehört auch, dass entsprechende Fachkräfte weitergebildet und gefördert werden, um vätersensibel beraten zu können.“

Die CDU hat dazu geantwortet:

Mit von uns seit 2017 initiierten Maßnahmen wie bspw. Expertenworkshops, der Website vaeter.nrw oder auch der Förderung der Fachstelle und der Landesarbeitsgemeinschaft Väterarbeit NRW arbeiten wir bereits daran, spezielle Angebote für Väter in Nordrhein-Westfalen zu unterstützen, um den Anteil der Väter in Elternzeit zu erhöhen. In der Datenbank „Angebote für Väter“ sind vielfältige Bildungs- und Beratungsangebote in Nordrhein-Westfalen zusammengestellt und über eine Suchfunktion abrufbar. Ergänzend wollen wir multiprofessionelle Teams künftig nicht nur an Schulen, sondern auch in verantwortlichen Expertengremien zur Qualitätssicherung von Unterricht, Aus- und Fortbildung, um die bestehenden Angebote bedarfsorientiert ausbauen und ergänzen zu können. In der Jugendhilfe muss es verpflichtende und ständige Weiter- und Fortbildungsangebote für Fachkräfte geben, um für vielfältige Beratungssituationen zu schulen.

Die FDP hat dazu geantwortet:

Den bestehenden Einrichtungen der Familienbildung und -beratung kommt eine ganz besondere Bedeutung bei der Vermittlung von Erziehungskompetenzen und der allgemeinen sowie anlassbezogenen Beratung zu. Wir wollen diese Angebote darum weiter stärken, unter anderem auch im Hinblick darauf, väter- und kultursensibel Beratung und Unterstützung zu liefern. Ziel ist es, den Familien bedarfsgerecht, auf die jeweiligen Erziehungsberechtigten ausgerichtete Beratung und Unterstützung zukommen zu lassen.

Die Grünen haben dazu geantwortet:

NRW hat eine breit aufgestellte Beratungsinfrastruktur, die verschiedenen Bedarfe in NRW abdeckt. Natürlich muss dabei auch vätersensible Beratung angeboten werden. Hier werden wir die Bedarfe prüfen und Entwicklungsmöglichkeiten mit bestehenden Beratungsangeboten und ggf. darüber hinaus beraten.

Die SPD hat dazu geantwortet:

Wir wollen die Beratungsmöglichkeiten von Familien durch Familienbüros insgesamt stärken. Dabei werden wir auch einen Fokus auf Väter legen. Angebote werden wir in diesen Familienbüros gebündelt präsentieren und Möglichkeiten der Vernetzung und Kooperation schaffen.

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Väter und ihre Rolle in der Geburtshilfe und der ersten Phase nach der Geburt

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 14. April 2022

Der Beitrag des Vorsitzenden der LAG Väterarbeit in der aktuellen Ausgabe impu!se der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V.

„Die WHO empfiehlt, die Beteiligung von Männern während der Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt zu fördern, um die Selbstsorge von Frauen und die häuslichen Pflegepraktiken für Frauen und Neugeborene zu verbessern. Neben dieser auf die Gesundheit von Mutter und Kind bezogenen Perspektive gibt es weitere gute Gründe, dies zu tun.

Die Gesundheit der Väter, die Zuschreibung von väterlichen Kompetenzen und ihre Beziehung zu dem ungeborenen Kind haben einen großen Einfluss darauf, in welchem Maße sie sich an der Erziehung des Kindes beteiligen und Ressourcen für seine gelingende Entwicklung zur Verfügung stellen.

In der Phase vor und unmittelbar nach der Geburt werden zudem die Weichen dafür gestellt, ob das gewünschte Lebenskonzept einer partnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit Wirklichkeit werden kann oder die Partnerschaftszufriedenheit darunter leidet, dass sich Vater und Mutter in jeweils unterschiedlichen Sphären voneinander entfremden. Viele Väter haben den Wunsch, die Entwicklung ihrer Kinder von Anfang an mitgestalten und erleben zu können.

Ansprüche und Wirklichkeiten

Erfahrungen und Studienergebnisse zeigen, dass die gewählten Lebensmodelle häufig nicht Ergebnis zielgerichteter Aushandlungsprozesse sind, sondern Paare vor dem Hintergrund vermeintlich rationaler Gründe nach der Geburt dort ‚hineingeschliddert‘ sind und Väter sich mehr oder weniger freiwillig auf die traditionelle Rolle des Ernährers und Assistenten in der Familie einlassen.

Obwohl also alles dafür spricht, werdende Väter rechtzeitig einzubeziehen, sie als aktive Subjekte im Geburtsgeschehen zu betrachten und auf die neue Rolle vorzubereiten, werden sie hierzulande immer noch als ‚Beifahrer‘ betrachtet. In Großbritannien, wo bereits 2006 im Nationalen Gesundheitssystem ein Paradigmenwechsel zugunsten von Vätern stattgefunden hat, zeigen kürzlich veröffentlichte Befragungsergebnisse, dass der empfohlene Wandel auch dort noch längst nicht überall praktiziert wird.

  • 92 Prozent der Väter nehmen an den Vorsorgeuntersuchungen teil, aber 61 Prozent berichten, dass ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden ist.
  • Väter haben keinen formalen Status bei der Geburtsvorbereitung, selbst ihr Name wird nicht erfasst. Lediglich 16 Prozent der Väter werden während der Geburt nach ihrem Befinden gefragt.
  • Wenn ‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden und deutlich gemacht wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung von Vätern bei der Nachsorge von ca. 20 Prozent auf bis zu 70 Prozent

Das Erlebnis der Geburt

Wie Väter auf die Geburt vorbereitet werden können und welche Rolle die verschiedenen Professionen dabei spielen, ist lange bekannt. Der entscheidende Faktor dabei ist die Haltung gegenüber der Rolle der Väter sowie ihrer aktiven Einbeziehung.

Angebote der Geburtsvorbereitung für Väter kommen auch werdenden Müttern zugute. Studien zeigen, dass Väter, die ihre Rolle während der Geburt kennen und verstehen, was dort geschieht, selbst besser vor übermäßigem Stress geschützt sind und seltener Gefahr laufen, den Ablauf der Geburt negativ zu beeinflussen. Das gilt insbesondere in den Momenten, in denen es mal nicht nach Plan läuft.

Bei der Geburt selbst dabei sein zu können, ist für Männer die einzigartige Möglichkeit, das Vaterwerden, das sich bislang als ‚Kopfgeburt‘ abgespielt hat, unmittelbar zu erleben und eine Beziehung zu ihrem Kind aufbauen zu können. Dazu ein O-Ton: „Es war unglaublich, atemberaubend, erstaunlich und erschreckend, die erste Person zu sein, die meine Tochter sah, und Augenkontakt mit ihr herzustellen, als sie herauskam. Ich habe ein Foto, etwa drei Minuten nach ihrer Geburt, auf dem ich sie im Arm halte und wir uns gegenseitig anstarren, und es sieht aus, als würde sie mir die Zunge herausstrecken.“

Väter müssen draußen bleiben

Corona wirkt wie ein Brennglas und hat auch in der Geburtshilfe offengelegt, dass Väter dort noch nicht die Bedeutung haben, die ihnen zusteht. Zehntausende Männer konnten wegen der Corona-Regeln in den vergangenen Monaten die Geburt ihres Kindes nicht miterleben. In manchen Kliniken dürfen Väter den gesamten Verlauf der Geburt begleiten, in anderen ruft sie das Personal erst zur Endphase der Geburt in den Kreißsaal – wenn die Presswehen beginnen oder der Muttermund um einige Zentimeter geöffnet ist. Zum Teil dürfen Väter ihre Familie nur eine Stunde am Tag auf Station besuchen, andernorts gibt es keine Beschränkungen. Zu Vorsorgeterminen, zum Ultraschall dürfen Väter oft ebenfalls nicht mitkommen.

„Ich durfte nur an einer Untersuchung teilnehmen. Meine Frau musste zu allen anderen Untersuchungen und Konsultationen allein gehen. Ich habe diese lebenswichtige Unterstützung für meine Frau und die Entwicklung einer Bindung zu unserem kleinen Sohn völlig verpasst. Das System ist durcheinandergeraten, und die emotionale Belastung, die wir zahlen müssen, ist enorm …“ berichtet ein Vater.

Die Auswirkungen der Geburtserlebnisse auf die Vaterschaft

Studien zeigen, dass die Geburt und ihr Erleben für Väter und Mütter einen wichtigen Ausgangspunkt für den Übergang zur Elternschaft darstellen. Sie erleichtern oder erschweren den Prozess des Vaterwerdens. Mütter mit einem negativen Geburtserlebnis geben häufiger an, dass sie Probleme beim Stillen haben und ihre Wunden schlecht heilen. Das Risiko, dass die Mütter und Väter nach der Geburt eine Depression entwickeln steigt und auch die Eltern-Kind-Bindung war sechs Monate nach Entbindung weniger sicher.

Da die Unterstützung von Vätern im Geburtsprozess positive Auswirkungen auf die Frauen hat, muss sichergestellt werden, dass Väter systematisch einbezogen werden und sich an Schwangerschaft, Geburt und Kinderbetreuung beteiligen. So können sie ihre Partnerinnen unterstützen, eine eigene Identität als Vater entwickeln und eine aktive Rolle in der Versorgung der Säuglinge übernehmen.“

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Partnerschaftlicher Aufgabenteilung als Herausforderung für die Familienbildung

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 18. Februar 2022

Mehr als zwei Drittel aller jungen Männer und Frauen wünschen sich eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit, wenn sie denn einmal Väter und Mütter sind. Wünsche und Wirklichkeiten klaffen aber nach wie vor auseinander, auch wenn es auf den ersten Blick ‚gerecht‘ aussieht.

Die Summe von bezahlter und unbezahlter Arbeit an Wochentagen ist bei Männern und Frauen mit circa 11 Stunden in etwa gleich. Aber bezahlte und unbezahlte Arbeit ist zwischen Männern und Frauen ungleich aufgeteilt. Dies zeigt die alle 10 Jahre durchgeführte Zeitverwendungserhebung ebenso wie Studien, die im Kontext der Pandemie durchgeführt worden.

In einer aktuellen Studie[i] heißt es dazu, „Betrachtet man die gegenwärtige Studienlage zu innerfamilialer Arbeitsteilung und Geschlechterungleichheit, zeigt sich … ein heterogenes und widersprüchliches Bild“ und weiter „Innerfamiliale Arbeitsteilung lässt sich zunächst direkt auf der Mikroebene verorten, bei den Paaren und in Familien. Für die Untersuchung der Arrangements gilt es aber, die innerfamiliale Mikroebene in ihrer Verwobenheit mit dem mobilen Arbeiten im Kontext von Arbeitsorganisationen auf der Mesoebene und den Makrostrukturen des Wohlfahrtsstaates sowie gesellschaftlichen Norm(alitäts)annahmen, wie geschlechterdifferenzierende Zuschreibungen von Betreuungsverantwortung, zu betrachten. … Aushandlungen kommt als Modus für Erzeugung, Erhalt und Veränderung sozialer Ordnung eine zentrale Bedeutung zu.“

Als Fazit bilanzieren die Autor*innen ‚paradoxe Gleichzeitigkeiten‘. „Wir folgern aus unseren Analysen, dass die Diskussion um innerfamiliale Arrangements und ihre Entwicklungen während der Corona­Krise differenziert geführt werden muss: Weder haben wir es ausschließlich mit einer Retraditionalisierung noch mit einer Modernisierung zu tun, sondern vielmehr werden bereits bestehende Geschlechterungleichheiten sichtbar und teilweise verschärft – bei gleichzeitig vorhandenem Modernisierungsstreben.“

Was das für die Aushandlungen in den Partnerschaften bedeutet und welchen Beitrag Familienbildung leisten kann um diese Prozesse zu unterstützen, war das Thema einer Dialogrunde und eines Workshops bei der Fachtagung der LAG Väterarbeit im vergangenen November.

In ihrem Impuls wies auch Barbara Streidl, Autorin der Streitschrift ‚Lasst Väter Vater sein‘, auf die Ambivalenzen hin: Einerseits erleichtere das Homeoffice die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bringe aber andererseits auch die Figur der wartenden Mutter zurück, auf der die deutsche Sozialpolitik beruhe. Familie, Partnerschaft, Erwerbstätigkeit, Haushalt, Selfcare und … die Erwartung ist, dass alles gleichzeitig ‚erledigt‘ werde. Aber der Tag hat nun Mal ‚nur‘ 24 Stunden.

Als Vision wurde eine gesellschaftliche Aufwertung der Carearbeit formuliert, die sich auch so äußern kann: „Da will ich ja eigentlich zum Laternenumzug“, sagt der Oberstaatsanwalt, als es um eine Veranstaltung am Abend des 10. Novembers ging. Die Veranstaltung begann um halb acht, da ist der Umzug vorbei und er kommt knapp zur Veranstaltung.“

Es geht also darum, dem alltäglichen Vatersein Raum und Zeit zu gestatten, das ist in erster Linie eine Frage der Haltung. Im Hinblick auf die in den Partnerschaften notwendigen Aushandlungen geht es auch um Einstellungen, aber vor allem um Kompetenzen und deren Zuschreibungen auf Väter und Mütter. Einem klassisches Feld der Familienbildung.

Wie diese in NRW aufgestellt ist und wo Entwicklungspotenziale sind, hat die im vergangenen Jahr vorgelegte Evaluation[ii] der familienpolitischen Leistungen gezeigt. Dort steht unter anderem, es „wird deutlich, dass Väter 2019 am häufigsten Angebote in Beratungseinrichtungen in Anspruch nahmen, … der Anteil der männlichen Teilnehmer in der Familienbildung [hat sich] im Verhältnis zur Bestandsaufnahme von 2006 kaum verändert hat. [er verharrt] auf dem niedrigen Niveau von 16 bis 17 Prozent. An anderer Stelle ist zu lesen, dass sich „Väter nicht durch die klassischen auf Reflexivität und Dialog angelegten Kursgruppen angesprochen fühlen und entweder Outdoor-Aktivitäten oder etwas Technisches bzw. Handwerkliches bräuchten. Zudem wird die Teilnahme von Vätern/Männern überwiegend abends oder an Wochenenden verzeichnet.“

Diese und weitere Ergebnisse der Evaluationsstudie griff auch Jürgen Haas in seinem Impuls zu Beginn des Workshops auf und wies auf einen weiteren ‚Mangel‘ hin, den geringen Anteil von männlichen Mitarbeitenden in der Familienbildung.

Wer mehr Väter in der Familienbildung möchte, muss sich so sein Fazit, als Entscheidungsträger und Anbieter, auch mit diesen Herausforderungen auseinandersetzen. „Prognos hat in der aktuellen Studie zu den familienbezogenen Leistungen in NRW auf fünf Handlungsfelder hingewiesen, die meines Erachtens auch für die Familienbildung Relevanz haben: Bekanntheit, Vernetzung, Digitalisierung, Angebotsformate und das Personal.

Als Ergebnis des Workshops wurden drei zentrale Weichenstellungen formuliert:

  • für die Neuausrichtung der Angebote im Bereich der Familienbildungsarbeit braucht es einen langen Atem. Projekte sind oft sehr kurzfristig angelegt. Dadurch kann man das Vertrauen und die Kontinuität der Väterbeteiligung nicht sicherstellen
  • eine Erhöhung der Anteile des pädagogischen männlichen Personals in der Familienbildung und auch die der freiberuflichen Honorarkräfte kann durch eine bessere finanzielle Ausstattung erreicht werden
  • die Fachkräfte müssen in die Lage versetzt werden, Väter gendersensibel in den Blick zu nehmen und anzusprechen. Dazu braucht es passende Qualifizierungsangebote.

Take Aways für Väter

  • Es ist gut, dass Sie sich vornehmen, sich alle anfallenden Aufgaben in der Familie ‚gerecht‘ aufzuteilen. Damit dies Vorhaben auch gelingt, ist es hilfreich, sich mit ihrer Partnerin darüber auszutauschen welche Erwartungen sie als Vater und Mutter an sich und den jeweils anderen haben.
  • Im nächsten Schritt geht es dann darum, wer was zu welchem Zeitpunkt macht: Elternzeit nimmt, Kinder und Haushalt betreut oder das Geld für die Finanzierung des Projekt Familie verdient. Lassen Sie sich bei diesen ‚Verhandlungen‘ nicht vorschnell durch die Verlockungen des vermeintlich leichteren Wegs, eine*r geht Geld verdienen und eine*r bleibt zu Hause über den Tisch ziehen. Auch wenn Sie vorhaben, beim nächsten Kind alles anders zu machen führt diese gutgemeinte ‚temporäre Teilretraditionalisierung‘ geradewegs in alte Rollenmuster und engt ihre Spielräume und Wünsche, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen und dafür ggf. auch Arbeitszeiten zu reduzieren extrem ein
  • Fangen Sie mit diesen Aushandlungsprozessen frühzeitig an, am besten genau dann, wenn Sie über die Umsetzung ihrer Kinderwünsche sprechen. Eine ‚Arbeitshilfe‘ dazu finden Sie hier oder auch auf dieser Webseite.

Denkanstöße für Beschäftigte in der Familienbildung und Familienzentren

  • Es ist gut, wenn Sie in Zukunft Väter verstärkt in die Familienbildungsarbeit ihrer Einrichtung einbinden möchten. Beziehen Sie bei der Planung der Angebote am besten Väter mit ein.
  • Planen Sie diese Angebote möglichst niedrigschwellig und zun den Zeiten, in der die Väter auch daran teilnehmen können: nach Feierabend, am besten Freitagnachmittag oder Samstagvormittag
  • Kommunizieren Sie die Angebote so, dass Väter diese auch im Internet finden können.
  • Bei allen Fragen, die Sie zu diesem Thema haben steht Ihnen die Geschäftsstelle der LAG-Väterarbeit gerne beratend zur Seite.

Zum Download

Der Impuls von Barbara Streidl Impuls Väterarbeit WS2

Der Impuls von Jürgen Haas Input_Jürgen Haas

Die Leitfragen von Dialogrunde und Workshop 2

Die Zusammenfassung der Visionen und Forderungen von Dialogrunde und Workshop 2

Das Interview mit Heiner Fischer Angebote der Familienbildung müssen sich an der Lebenswelt von Vätern orientieren

[i] Almut Peukert, Miriam Beblo, Laura Lüth und Katharina Zimmermann; Erwerbs- und Familienarbeit im Homeoffice? Innerfamiliale Arbeitsteilung in der Corona-Krise auf dem Prüfstand; in Sozialer Fortschritt, 71 (2022), S.29ff

[ii] Prognos AG (Juncke, David; Weßler-Poßberg, Dagmar; Nikodemus, Johanna)/TH Köln (Müller-Giebeler, Ute; Zufacher, Michaela; Eggers, Thorsten) (2020): Evaluation der Familienbildung in Nordrhein-Westfalen. Abschlussbericht der Evaluation der Familienpolitischen Leistungen im Auftrag des MKFFI NRW, https://www.mkffi.nrw/sites/default/files/asset/document/abschlussbericht_familienbildung_final.pdf

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Männer & Väter als Subjekte im Gleichstellungsprozess

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 18. Januar 2022

Holger, du hast bei der Fachtagung der LAG Väterarbeit in NRW im November die Dialogrunde und den Workshop im Themenfeld ‚Gleichberechtigung und Beteiligung‘ moderiert. Eine der Visionen die in der Dialogrunde formuliert wurde lautet: ‚Familienarbeit aus der Tabuzone holen‘. Was ist damit gemeint?

Im gesellschaftlichen Kontext gehen wir vom Idealbild der heilen Familie aus, ein Ort von Liebe und Geborgenheit. Treten Probleme und Herausforderungen auf, werden diese schnell individualisiert und stehen in Verantwortung der Eltern. Dann gibt es Aussagen wie: „Die Eltern sind überfordert sie sollen sich doch Hilfe holen.“ Im unternehmerischen Kontext soll Familienarbeit idealerweise funktionieren und nicht den Arbeitsprozess stören.

Schlaflose Nächte bei zahnenden Kindern, Erkrankungen, neue Lebensabschnitte oder auch die Zeit der Pubertät sind jedoch ganz normale Familienthemen, die in der Regel viel Kraft und elterliche Aufmerksamkeit benötigen. Konkret geht es darum, dass Kolleginnen nicht ausgegrenzt und belächelt werden, wenn sie aufgrund von Aufgaben mit und für die Kinder eher gehen müssen oder die familiären Themen über berufliche Aufgaben stellen.

Ebenso sind Themen wie Allein- bzw. Getrennterziehende oder Trennung keine, mit denen man im Arbeitsalltag oder auch im Freundeskreis punkten kann, wenn Familie und Familienarbeit zur besonderen Herausforderung wird. Unsere Gesellschaft verweist lieber an individuelle Unterstützungsangebote, als dass strukturelle Veränderungen angedacht und auf den Weg gebracht werden.

Nicht zuletzt gehört Familien- und Care-Arbeit nach wie vor zu den unentgeltlichen Leistungen, die für eine Gesellschaft zwar unabdingbar sind, aber eben nicht finanziert und entsprechend anerkannt werden. Nicht zuletzt sehen wir im Umgang mit Familien während der Pandemie, dass zwar Trostpflaster verabreicht werden, wie einmalige Zahlungen, aber dass wir viel mehr über Wirtschaft und Finanzen berichten, als dass die herausfordernde Familien- und Sorgearbeit in den Mittelpunkt gerückt werden. Ebenso ist das Lohngefälle ein Ausdruck dafür, welchen Wert Sorgearbeit in unserer Gesellschaft hat und wie selbstverständlich sie in diesem Lohngefälle gegenüber produzierendem Gewerbe gehalten wird.

Warum ist es wichtig, Männer und Väter von Anfang an als Akteure im Gleichstellungsprozess zu adressieren und einzubeziehen?

Weil Gleichstellung nur im Miteinander und im für einander Einstehen gelingen kann. Equal Pay und Equal Care sind Aufgaben, die längerfristig Müttern wie Vätern zugutekommen. Rollenklischees entwickeln sich, sobald wir auf die Welt kommen und prägen unsere Gesellschaft nachhaltig. Wenn wir daran etwas ändern wollen, dann müssen wir an individuellen Einstellungen etwas verändern und bei den frühen Sozialisationsinstanzen starten. Kinder müssen erleben können, dass Väter im Alltag anwesend sind und sich ebenso um Kinder kümmern, wie sie ihre bezahlte Arbeit meistern. So braucht es in allen Lebensbereichen männliche Vorbilder, die ein gleichberechtigtes Leben ohne Rollenzuschreibungen anstreben oder bereits realisiert haben. Und hierfür braucht es Männer und Väter die dies auch leben wollen, also davon überzeugt sind, dass dies für sie und für die nachfolgende Generation ein guter Weg ist, Gesellschaft zu gestalten. Oft erleben heute Männer Gleichstellung als Beschneidung von Möglichkeiten, als Zurechtweisen und defizitär. Dabei gilt es das Augenmerk darauf zu legen, was Männer und Väter von diesem Prozess ganz individuell und im Zusammenleben mit Frauen und Müttern davon haben.

Welche Vorteile bringt das für Väter und die Beziehung zu ihren Kindern?

Es bringt Stabilität für die Beziehung, wenn Väter nicht nur im Spaßbereich erlebt werden, sondern auch zeigen dass sie im Carebereich fit sind. Viele Väter, die Elternzeit genommen haben, berichten davon, dass sie später eine gute Beziehung zu ihren Kindern haben. Zum einen ist dies natürlich in der Begleitung im Aufwachsen der Kinder eine wichtige Ressource. Aber ich denke zudem ist es eine wichtige Energiequelle für Väter selbst, wenn sie am Werden ihrer Kinder beteiligt sind und durch Beziehung zu ihnen gestärkt und getragen werden. Nicht zuletzt verhindert es soziale Isolation, insbesondere in Krisen & Konfliktsituationen.

Welche Stolpersteine und Widerstände gilt es dabei unbedingt zu beachten?

Väter sind, wenn es um Familien- und Carearbeit geht, in einem für sie noch relativ neuen Lebensbereich unterwegs. Es fehlt an Erfahrungen und Angeboten. Häufig bekommen sie direkt oder durch die Blume gesagt, dass die Mütter hier die bessere Arbeit leisten. Als Beispiel sei ein Vater genannt, der in der Familienberatung bei der Umgangsgestaltung danach gefragt wurde, ob er für seine Kinder sorgen könne. Dieser Vater hatte ein Jahr Elternzeit genommen. Als er die Frage bejahte, kam die nächste Rückfrage, was er denn für seine Kinder koche? Diese subtilen Kontrollfragen sind verunsichern Väter zusätzlich und zeigen ein fehlendes Zutrauen. Väter brauchen jedoch offene und vertrauensvolle Rahmenbedingungen, um sich noch mehr in den Care- und Sorgebereich einzubringen.

Wahrscheinlich stehen sich jedoch die Männer im Gleichstellungsprozess am meisten selbst im Weg, wird das Thema Gleichberechtigung mit „schwach sein“ verknüpft und innerlich abgewertet. Auf der anderen Seite braucht es natürlich auch Mütter und Frauen, die Veränderungen aushalten, insbesondere, wenn sie nicht nach ihren Ideen umgesetzt werden. Wichtig ist dabei, dass ein Austausch miteinander stattfindet und mögliche Stolpersteine gemeinsam aus dem Weg geräumt werden können.

Nicht zuletzt ist es Aufgabe der Politik, den gesellschaftlichen Umdenkprozess zu forcieren und zu unterstützen. Väter und Männer aktiv hierzu einzuladen und dafür strukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen.

Was sind deiner Meinung nach die ersten drei Schritte auf dem Weg hin zu einer ‚echten‘ Gleichberechtigung in den Sphären Erwerbs- und Carearbeit?

Die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Männer nicht mit dem Gedanken des Familienernährers aufwachsen, also als hauptverantwortlich in die Erwerbsarbeit gedrängt werden und dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf aktiv von Unternehmen angesprochen und Vätern Mut gemacht wird, sich auszuprobieren, den Bereich von Sorgearbeit zu entdecken und sich selbst zu zeigen.

Themen, wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen auf Männer und Väter direkt zugeschnitten werden, auch wenn es dieselben Inhalte betrifft. Solange wir in traditionellen Rollenvorstellungen verhaftet sind, braucht es aktive und manchmal provokative Anstöße zum Umdenken. Role-Model-Kampagnen können dabei positive Denkanstöße liefern und eine Vielfalt aufzeigen, die ganz unterschiedliche Väter anspricht.

Frauen in den Vorstandsetagen sind dabei ebenso wichtig, wie Väter in einer Elternzeit von sieben Monaten und mehr. Die Elternzeit- und Elterngeldreform 2007 hat gezeigt, dass strukturelle Anreize Veränderungen wunderbar beschleunigen können. Hier kann Politik entsprechend unterstützend wirken.

Holger Strenz ist Vater von 2 Töchtern, Sozialpädagoge, Systemischer Paar- und Familientherapeut. Er ergründet, untersucht und beforscht das männliche Geschlecht seit über 25 Jahren und versteht sich als Netzwerker, der mit Papaseiten.de Väterarbeit in Dresden und in Sachsen einen Weg bahnt. Seit über 15 Jahren geschieht dies innerhalb der Gleichstellungsarbeit. Er ist Mitglied der Fachgruppe Väter im Bundesforum Männer und im Väterexpertennetz Deutschland e.V. Aktuell koordiniert er die Kampagne zur Petition „10 Tage Vaterschaftsfreistellung* zur Geburt“.

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