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Archiv für September 17th, 2006

Affentheater, Rat Race, Hamsterräder und andere tierische Karrieremuster

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 17. September 2006

‚Der Weg vom Urwald ins Büro ist gar nicht weit‘ schreibt der Wissenschaftsjournalist Richard Conniff in seinem Buch ‚Was für ein Affentheater‘. Das könnte, zumindest vorübergehend, eine Erklärung für ein ansonsten kaum erklärbares Verhalten sein.

Am vergangenen Freitag war ich bei der IHK zu Köln bei der Veranstaltuing ‚Standortvorteil: Familienbewusste Unternehmenspolitik zu Gast. Im Workshop 3 ‚Männer im Spannungsfeld zwischen Job und Familie‘ referierte Marcus Schmitz die Ergebnisse der von IGS durchgeführten Online Umfrage ‚Väter zwischen Karriere und Familie‘.

Ein Ergebnis unter anderen: 80% der Väter arbeiten mehr als die tarifvertragliche Arbeitszeit und 23% nehmen weniger Urlaub als ihnen zusteht. Auf der anderen Seite möchten 82% mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Sie tun es aber nicht.

Woran liegt’s? Daran, dass sie das Verhalten des ‚Oberaffen‘ imitieren? Oder wie es Jürgen Goldfuss etwas differenzierter im Handelsblatt formulierte:

‚Es gibt einige, die die abendliche Ruhe im Büro dem Familienstress zu Hause vorziehen und dem Partner bereitwillig die alleinige Abwicklung der Erziehungsaufgaben überlassen. Solche Menschen nutzen den Arbeitsanfall im Büro als willkommene und sozial akzeptierte Ausrede. „Schatz, es wird heute leider wieder spät, Geschäftsessen mit Kunden, du weißt schon.“ Gerade dieser Typus zeigt an der Bar dann besonders stolz die Fotos von Junior beim Fußballtraining herum. Und viele kokettieren geradezu: „Ich bin soo beschäftigt.“ Dahinter steht die unausgesprochene Angst: Wer zu zivilen Zeiten nach Hause kommt, zählt im Geschäftsleben nichts. Sie genießen und pflegen den Nimbus des Unentbehrlichen, ohne den nichts läuft.‘ und einige Abschnitte weiter der Tipp:

karriere_laufrad.jpg

‚Jede Führungskraft im Hamsterrad sollte ab und zu innehalten und sich daran erinnern: Arbeit ist zwar ein ganz wichtiger Teil des Lebens – aber nur ein Teil und nicht das Ganze. Jeder sollte sich klar machen: Eine funktionierende Familie ist durch keinen materiellen Gegenwert zu ersetzen. An solche Basics werden künftig immer mehr Führungskräfte unfreiwillig erinnert – spätestens dann, wenn sich mit der nächsten Kündigungswelle die Firma von ihnen trennt.

Wer allerdings einen Chef hat, der als Negativbeispiel noch spät abends am Schreibtisch rührig ist, der sollte sich dessen mangelnde Managementfähigkeiten nicht zum Vorbild nehmen. Denn wer dort abends noch rumsitzt, ist lediglich ein guter Sachbearbeiter, dem die Fähigkeit zu managen – das heißt eben auch: zu delegieren – fehlt.‘

Die Versuchung, am Rat Race teilzunehmen ist jedoch groß, wenn im Unternehmen die Anwesenheitskultur vorherrscht. So ist in der Washington Post zu lesen:

‚The focus on hours sets up a rat race at many companies, where most people want to work shorter hours, but no one is willing to step forward to ask for them, because the first person to make such a move will be branded as insufficiently committed to his or her job…. It’s your classic dilemma, everyone knows what the answer is, but no one wants to be the guinea pig.‘

Was heißt ‚guinea pig‘ auf Deutsch? Weichei !?

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Anruf von der Redaktion

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 17. September 2006

Eigentlich hatte ich mir ja geschworen hier nichts mehr über Frau Herrmann zu schreiben. Aber am vergangenen Mittwoch erhielt ich den Anruf der Redaktion eines angesehenen TV Nachrichtenmagazins. Man wolle den Medienhype, den ihre Äußerungen im Moment verursachen zum Anlass nehmen, sich noch einmal ernsthaft mit dem Thema Geschlechterrollen auseinanderzusetzen.
Frank Plaßberg
hatte zu diesem Zeitpunkt sein ‚Evaloo‘ noch nicht erlebt. Nach Ansicht einiger Bekannter und Freunde ist es allein dem Auftritt von Armin Laschet zu verdanken, dass etliche Fernseher und Fensterscheiben nicht zu Bruch gegangen sind.
‚Ich wäre doch mit dem Thema befasst, ob ich nicht Väter oder Unternehmen kenne, die bereit wären zu einem kurzen Dreh, ca. 30 Minuten. So gegen 15:00 Uhr sei die Wochenkonferenz, da würden die Themen für die nächste Woche festgeklopft. 4 Stunden, das seien in der Medienbranche fast eine halbe Ewigkeit. Ob ich denn auch zu einem kurzen Interview …‘
Nach einem kurzen Fachgeplenkel sagte ich zu, mich bei den mir bekannten väterfreundlichen Unternehmen umzuhören, ob sie kurzfristig bereit seien, sich an dem Vorhaben zu beteiligen.

Nach anderthalb Stunden, der Prokurist des einen Unternehmens, auch ein junger Vater, musste erst im Urlaub angerufen werden, konnte ich dem Redakteur zwei Unternehmen nennen, die bereit waren, ihre Ansichten zum Thema ‚aktive Väter, ein Gewinn für Unternehmen!‘ öfffentlich darzustellen.
Dem Readkteur reichte das noch nicht, ob ich denn nicht auch noch einen Vater, der im Moment Verantwortung für Familie und Haushalt …

Also nochmal ans Telefon und nach eiteren 30 Minuten konnte ich wieder ‚Vollzug melden‘. Ich würde dann auch informiert wie es weiter geht.

Funkstille!

Am Freitag treffe ich den kaufmänniscchen Leiter des anderen Unternehmens bei einer IHK Veranstaltung in Köln, nein, man habe (noch) nichts von der Redaktion gehört. Ein Anruf bei dem aktiven Vater ergab die Auskunft, dass er nach Ansicht des Redakteurs wohl nicht so ganz ins Profil (welches Profil?) gepasst habe.

Fuck! Jetzt muss ich meinem Ärger doch mal Raum verschaffen. Ob es richtig war, das Thema als Antithese zu Frau H. aufzustellen, da hatte ich von Anfang an Bauchschmerzen. Mir war es daher auch wichtig, dass engagierte Unternehmen und glaubwürdige Vorgesetzte etwas zu dem Thema sagen, denn wie lautete zum Beispiel das Resümme der 2. Tagung des ‚Aktionsforums Männer und Leben‘ ‚Kinder machen Väter‘ im Januar beim Hessischen Rundfunk: ‚Engagierte Väter scheitern an ihrem Chef‘.
Für den Redakteur (und viele andere JournalistInnen) sah das Profil des gesuchten Vaters wohl so aus: Angesichts der Lektüre des oben erwähnten Buchs und dem Konsum der fünften Sendung mit bzw. über Frau H. entschließt sich Vater spontan und im Vorgriff auf die kommende Elterngeldregelung, die Geschlechterrollen zu tauschen, den Kinderwagen zu schieben und den Apfelkuchen zu backen.

Mit derartig individualisierten Sichtweisen auf das Thema dauert es noch länger bis sich was verändert.

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