Bericht zum Werkstattgespräch der LAG-Väterarbeit am 26. Oktober
Das in einem Strategiepapier des ‚Runden Tischs Eltern
werden‘ zur guten Geburt gefordert wird, Mutter und Kind als rechtliche Subjekte
in der Geburtshilfe zu betrachten, zeigt auf, dass dort einiges schiefläuft.
In seinem Impuls ‚Väter in der Geburtshilfe – systemische Perspektiven‘
zeigte Hans-Georg Nelles einige der ‚Krisensymptome‘ auf: Schließung von ‚unrentablen‘
Kreißsälen, fehlende Hebammen und werdende Väter, die während der Pandemie die
Geburt auf den Gängen der Krankenhäuser oder im kalten Auto begleiten mussten.
Dies sind in seinen Augen aber nur Symptome der eigentlichen Krise, die seiner
Auffassung darin besteht, dass Väter im Geburtshilfesystem nicht als Subjekte betrachtet
und vielfach noch nicht einmal in den Blick genommen werden. So erleben
92%
der Väter nehmen an Vorsorgeuntersuchungen teil, aber 61% berichten, dass
ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden ist
Väter
haben keinen formalen Status bei der Geburtsvorbereitung, selbst ihr Name
wird nicht erfasst. Lediglich 16 % der Väter werden während der Geburt
nach ihrem Befinden gefragt.
Wenn
‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden und deutlich gemacht
wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung von Vätern bei der
Nachsorge von ca. 20% auf bis zu 70%
Ergebnisse der Väterforschung zeigen auch, dass Väter, die
bei der Geburt dabei sind, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, ihre Kinder
häufiger wickeln, ihre Kinder öfter am Körper tragen, häufiger mit ihrem Kind
an der frischen Luft unterwegs sind sowie sicherer im Umgang mit dem Kind sind
und mehr Spaß daran haben. Dieses Engagement profitiert auch die Partnerschaft.
In dem Beitrag ging der Referent auch auf gute Beispiele ein,
Studien des Fatherhoodinstitute aus Großbritannien und die Initiative Erzählcafé,
die einen Kostenlosen Flyer für Väter entwickelt hat.
Um Veränderungen im System Geburtshilfe zu bewirken sind
jedoch weitere Initiativen und politische Maßnahmen erforderlich. Eine
bundesweite Befragung von Hebammen zu ihren Erfahrungen mit Vätern bei der
Geburtsvorbereitung und unter der Geburt könnten dem Thema Aufmerksamkeit
verleihen. Auch bei der momentan laufenden Umstellung der Hebammenausbildung
könnte darauf hingewirkt werden, das gesamte System werdende Familie in den
Blick zu nehmen und die Rolle der Hebammen bei der (Te-) Konstruktion
traditioneller Rollenbilder zu reflektieren. Im politischen Raum geht es vor
diesem Hintergrund vor allem darum:
Die Bedeutung von Hebammen für das Paar im
Übergang in die Elternschaft mit den psychosozialen Aspekten bei der
akademischen Ausbildung angemessen zu berücksichtigen
Fortbildungsangebote, Informationskampagnen durchzuführen
sowie die Zusammenarbeit mit Hebammenverbänden zu intensivieren, um das Thema
zu etablieren und auch den Nutzen zu kommunizieren, der der Hebammenarbeit
durch die Einbeziehung der Väter zugutekommt.
Neben der Sensibilisierung im Rahmen von Aus-
und Fortbildung muss diese Aufgabe der Hebammen vom Gesetzgeber und den
Krankenkassen ausdrücklich zugeschrieben und honoriert werden.
Damit dies Wirklichkeit werden kann kommt es darauf an, (werdende)
Väter so zu empowern, dass sie ihre Bedürfnisse artikulieren und entsprechende
Angebote einfordern.
Die Teilnehmenden des Werkstattgesprächs, die allesamt
beruflich mit der Beratung und Begleitung von Vätern und Müttern rund um die
Geburt befasst sind, tauschten sich im anschließenden Gespräch über ihre
Erfahrungen mit der ‚Missachtung‘ von Vätern aus. Ein trauriges Resümee: die
traumatisierenden Erfahrungen von Vätern unter der Geburt haben signifikant
zugenommen, während es so gut wie keine Angebote für Väter gibt. Vielfach ist die
Diagnose ‚postnatale Depression‘ bei Vätern selbst beim Fachpersonal nicht
bekannt.
Ein weiterer Schwerpunkt des Gesprächs war die Frage,
inwieweit es sinnvoll ist im Rahmen der Geburtsvorbereitung Risiken zu
thematisieren. Ja, das ist wichtig, es geht dabei nicht darum, die (Vor-)
Freude auf die Geburt zu trüben, sondern das Paar in die Lage zu versetzen, zum
Beispiel im Fall einer ungeplanten Sectio handlungsfähig zu sein und im
Gespräch zu bleiben.
Stefanie Schmid-Altringer, die Initiatorin der Erzählcafés fasste
die Aufgaben der Väter, nicht nur in solchen Situationen, folgendermaßen
zusammen:
Sie unterstützen die Mutter bei der Geburt
Sie haben eine Bodyguard Funktion im Hinblick
auf Gewalt und Respektlosigkeit
Sie achten auf sich selbst (Selbstfürsorge)
Sie sind als Patient auch rechtliches Subjekt im
System
Ein Ergebnis des Gesprächs ist, eine Umfrage unter Vätern
und Expert*innen durchzuführen und zu erfragen, was Väter im Kontext dieses
existenziellen Lebensereignisses brauchen.
Das trifft auf viele Bereiche zu, insbesondere aber dann,
wenn es um die Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit geht. Sich eine
partnerschaftliche Aufgabenteilung zu wünschen ist die eine, sie tatsächlich leben
zu können die andere Seite der Medaille.
Dies stellt auch das Beratungsunternehmen prognos in dem im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Unternehmensprogramms “Erfolgsfaktor Familie” erstellten Policy Paper` ‚Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Beitrag zur Fachkräftesicherung‘ fest. Eine der Kernaussagen des Papers lautet:
„Vereinbarkeit darf sich jedoch nicht nur an Frauen und
Mütter richten, sondern muss auch Männer und Väter adressieren und eine partnerschaftliche
Arbeitsteilung von Müttern und Vätern ermöglichen.“
Meiner Meinung nach kann die Strategie nur erfolgreich sein,
wenn sie Männer und Väter als handelnde Subjekte in dem komplexen System
Familie und Partnerschaft ansieht und nicht nur als Beiwerk‘ adressiert. Die in
dem Papier angeführten Fakten und Studien sprechen dafür. Unter anderem heißt
es dort:
„Väter sind indirekter Teil der Fachkräftestrategie –
ohne ihre Vereinbarkeit geht es nicht.
Der Fokus auf die Potenziale der Müttererwerbstätigkeit
bedeutet nicht, dass Vereinbarkeit ein Frauenthema ist und sich weiterhin
hauptsächlich auf Branchen konzentrieren kann, in denen der Frauen- und
Mütteranteil besonders hoch ist. Väter sind zwar kein direkter Teil der
Fachkräftestrategie, aber dass sie Familie und Beruf gut vereinbaren können ist
existenziell, damit die von vielen Elternpaaren gewünschte partnerschaftliche
Arbeitsteilung realisiert werden kann, Mütter mehr Freiraum für eine
umfassendere Erwerbstätigkeit haben und ihr Fachkräftepotenzial gehoben werden
kann.
Zudem bestätigen Studien eine erkennbare Änderung der
Haltung von „aktiven Vätern“, die zunehmend aktiver in der familiären
Fürsorgearbeit werden wollen. Haben 2018 noch 83 Prozent der Väter Vereinbarkeitsangebote
in Unternehmen als Angebote für Mütter wahrgenommen, wollen die „Neuen Väter“
gleichfalls Angebote für ihre Vereinbarkeit. 59 Prozent der jungen Männer, die
im Alter einer möglichen Vaterschaft oder Familiengründung sind, würden wegen
fehlender Möglichkeiten den Arbeitgeber wechseln.
Insbesondere die fehlenden Betreuungsmöglichkeiten während
der COVID-19 Pandemie haben einen Schub der Vereinbarkeit von Vätern
verursacht. So geben in der repräsentativen Studie „Neue Chancen für
Vereinbarkeit“ 43 Prozent der befragten Väter an, dass sie während der Pandemie
ihren Arbeitgeber auf Veränderungen ihrer Arbeitsweise oder ihres Arbeitsortes
zugunsten der Kinderbetreuung angesprochen haben.
Vereinbarkeit von Müttern und Vätern ist der Schlüssel zu
Arbeitgeberattraktivität und Fachkräftegewinnung und -bindung.
Hinweise, dass eine partnerschaftliche Arbeitsteilung von Vätern und Müttern, aber auch Angebote für haushaltsnahe Dienstleistungen, einen positiven Einfluss auf die Fachkräftesituation entfalten können, gibt ein aktueller Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e. V. (DIW). Demnach ist in Deutschland unbezahlte Hausarbeit, Betreuung und Pflege von Kindern und älteren Angehörigen zwischen Männern und Frauen immer noch sehr ungleich verteilt. In rund drei Viertel der deutschen Paarhaushalte übernehmen Frauen mehr als die Hälfte der Sorgearbeit. Reduziert sich jedoch die Sorgearbeit des gesamten Haushalts, steigen sowohl Beschäftigungswahrscheinlichkeit als auch -umfang beider Partner, vor allem jedoch bei Frauen.
43 Prozent der Eltern wünschen sich aktuell eine
partnerschaftliche Teilung von Berufs- und Familienarbeit. Je jünger die Frauen
und je besser sie gebildet sind, desto höher ist ihr Anspruch an eine
partnerschaftliche Arbeitsteilung. Der Väterreport 2021 zeigt auf, dass
mittlerweile auch 48 Prozent der Väter mit einem ältesten Kind unter 10 Jahren
diese Ansicht teilen.“
„Frühe Vaterschaft: gewagt, riskant und
instabil!“ lautet das Resümee eines Beitrags von Cornelißen und Bien vom
Deutschen Jugend Institut im April 2014. Der SKM Bundesverband e.V. hat daher
in den vergangenen Jahren seine Beratungsangebote für Jungen, Männer und Väter
deutschlandweit ausgebaut und mit der Trägerschaft der Geschäftsstelle der „LAG
Väterarbeit in NRW“ sein fachliches Profil in dem Themenfeld „Vaterschaft“
vertieft.
Jugendliche Eltern und
ihre Herausforderungen
Während erwachsene Eltern in aller Regel bereits
mitten im Leben stehen, sehen sich jugendliche Mütter und Väter nicht nur mit
der Bewältigung der eigenen Entwicklung, sondern gleichzeitig auch mit
Elternaufgaben konfrontiert. Ihre Voraussetzungen für diese doppelte Belastung
sind in aller Regel mangelhaft. Viele jugendliche Eltern stammen aus einem
problematischen sozialen Umfeld und nicht wenige haben die Schule abgebrochen
oder keinen Einstieg in eine Ausbildung gefunden. Die Folge: Die meisten
jugendlichen Eltern leben in einer prekären wirtschaftlichen Situation, wie
Daten des Mikrozensus in Deutschland zeigen. So haben knapp ein Drittel der
jugendlichen Väter keinen beruflichen Abschluss und ihre frühe Elternschaft
korrespondiert mit einer kurzen Schulbildung.
Darüber hinaus sehen sie sich mit der weit verbreiteten Vorstellung
konfrontiert, dass eine frühe Elternschaft als Lebensform „jenseits der Norm“
betrachtet wird. Noch immer geht man in der Gesellschaft davon aus, dass Frauen
und Männer eine Ausbildung abgeschlossen und einen (sicheren) Arbeitsplatz
gefunden haben sollten, bevor sie eine Familie gründen. Dahingegen können junge
Männer durch eine frühe Vaterschaft aber durchaus in ihrer Identitätsfindung
bestärkt werden. Als junge Väter können und müssen Verantwortung übernehmen und
finden so in ihrer Vaterschaft eine Brücke zum Erwachsenwerden. Dies kann aber
nur gelingen, wenn der Prozess des Erwachsenwerdens nicht durch zusätzliche,
Krisen erzeugende Widrigkeiten wie Geldmangel, belastende Arbeitsanforderungen
oder Konflikte in der Herkunftsfamilie gefährdet wird.
„Väter fördern“
bedeutet auch „Mütter fördern“
Neben der prekären wirtschaftlichen Situation vieler
junger Familien fällt die weitverbreitete Instabilität ihrer Paarbeziehungen
auf: Unter den frühen Müttern sind sehr viel mehr alleinerziehend (42 Prozent),
als dies allgemein bei Müttern mit Kindern unter 7 Jahren der Fall ist (16
Prozent). Dies verschärft nicht nur die wirtschaftliche Lage von Mutter und
Kind. Es bedeutet gleichzeitig, dass die Bindung zwischen Vater und Kind bei
frühen Vätern häufiger in Frage steht. Die „ausgegrenzten“ Väter werden selten
in die alltägliche Betreuung und Versorgung des Kindes einbezogen, so dass
alleinerziehenden Müttern die Entlastung fehlt, die ihnen den erfolgreichen
Abschluss einer Ausbildung oder die berufliche Etablierung erleichtern könnte.
Es ist daher naheliegend jugendlichen Vätern die Hilfe und Unterstützung
anzubieten, die sie benötigen, um mit der neuen Aufgabe und Rolle als Vater und
Partner der Mutter verantwortlich umgehen zu lernen.
Die frühzeitige Einbeziehung der jugendlichen Väter
lohnt sich aber auch, wenn es um die Gesundheit von Mutter und Kind geht. So
hat eine Studie aus Großbritannien gezeigt, dass die Unterstützung junger Väter
auch einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der jungen Mutter und die
Entwicklung des gemeinsamen Kindes. Gestützt wird dieses Ergebnis von weiteren
Studien aus den USA und Großbritannien, welche die Wirksamkeit von Programmen
für jugendliche Väter und die notwendigen Veränderungen bei den Angeboten und
im Mindset der Hilfesysteme untersucht haben.
Ein weiterer entscheidender Grund, auch jugendliche
Väter in den Blick zu nehmen, ist, dass Hilfemaßnahmen für Familien und Kinder
insgesamt erfolgreicher verlaufen, wenn das gesamte Familiensystem eingebunden
wird.
Sie benötigen dringend Unterstützung und Hilfe, da
ansonsten eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass deren Söhne ebenfalls
wieder jugendliche Väter mit ähnlicher sozialer Problematik werden.
Jugendliche Väter im
Blick
Das Verbundprojekt „… jugendliche Väter im Blick“
trägt mit seinen niedrig schwelligen Angeboten dazu bei, dass jugendliche Väter
von bestehenden Hilfsangeboten erreicht werden. So geht beispielsweise der SKFM
in Düsseldorf davon aus, dass die jungen Väter durch die klassischen
Beratungsangebote nicht erreicht werden. Er sucht die Väter daher direkt in
ihrem Sozialraum auf, spricht sie aktiv über Streetwork- und schulische
Sozialarbeit an und macht ihnen niedrigschwellige Gruppenangebote.
Der SKM Osnabrück setzt er auf neue Wege der Ansprache
und die Kooperation mit anderen Akteuren in der Kommune. Durch die Entwicklung
passender Ansprachekonzepte werden junge Väter ermutigt, ihre neue Rolle an und
Verantwortung zu übernehmen. Das Angebot des SKM Rheydt e.V. beginnt mit einem
Gruppentraining, in dem die Rolle der Vaterschaft und der individuelle
Hilfebedarf partizipatorisch und diskursiv bearbeitet werden. So haben die
jungen Männer die Möglichkeit, Rollenerwartungen an sich und die damit
verbundenen Herausforderungen mit anderen jungen Vätern zu verhandeln – auch in
interkulturellen Kontexten. In anschließenden begleiteten Freizeitangeboten
können die jungen Männer die gemeinsame Zeit mit ihren Kindern als positives
Erlebnis wahrnehmen und dabei auch andere junge Väter bei ihrer
Selbstwirksamkeit als Väter unterstützen.
Offener Brief an Lisa Paus macht Anliegen von Vätern deutlich
Auf Initiative des Bundesforum Männer – Interessenverband für Jungen, Männer & Väter e.V. fordern
insgesamt 19 Organisationen aus der gleichstellungsorientierten Männer-
und Väterarbeit Bundesfamilienministerin Lisa Paus in einem offenen
Brief dazu auf, bei Vereinbarkeitsfragen Väter offensiver in den Blick
zu nehmen und eine zweiwöchige Vaterschaftsfreistellung mit
Lohnausgleich noch in diesem Jahr einzuführen.
In ihrem Koalitionsvertrag »Mehr Fortschritt wagen« einigten sich
SPD, Grüne und FDP im vergangenen Jahr unter anderem darauf, Eltern
dabei zu unterstützen, Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlicher
aufteilen zu können. Ein zentrales Vorhaben in dieser Hinsicht ist die
zweiwöchige vergütete Freistellung für Partner:innen nach der Geburt.
Genau eine solche Leistung ist als Vaterschaftsfreistellung (§4
paternity leave) bereits in der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie verankert.
Die Richtlinie definiert Mindeststandards zur Vereinbarkeit von Beruf
und Privatleben für alle Mitgliedsstaaten der EU. Sie muss bis August
2022 in nationales Recht umgesetzt werden. Die Erwartung aus der
Zivilgesellschaft war insofern, dass die vergütete Freistellung nach
Geburt als erste große Maßnahme für mehr Partnerschaftlichkeit nun im
Sommer kommt.
Jetzt aber verweist die Bundesregierung darauf, die
Vaterschaftsfreistellung aufgrund der in Deutschland geltenden
umfassenderen Regelungen bei Elterngeld und Elternzeit nicht im Rahmen
der Umsetzung der Richtlinie einführen zu müssen. Geplant sei
demgegenüber, die im Koalitionsvertrag verabredete „zweiwöchige
vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der
Geburt eines Kindes“ in einem eigenen Gesetzgebungsverfahren auf den Weg
zu bringen – immerhin angestrebt noch für das Jahr 2022.
Ein hartes Datum zur Einführung dieser wichtigen familien- und
gleichstellungspolitischen Leistung ist damit vom Tisch. Auch ist nun
politisch erst mal offen, wie diese Leistung konkret ausgestaltet sein
wird. Und im Gegensatz zur EU-Vereinbarkeitsrichtlinie, wird Vaterschaft
im Wortlaut der Leistung nicht mehr explizit in den Fokus genommen.
Dabei wäre aus unserer Sicht gerade dies notwendig, um die
gleichstellungspolitische Bedeutung von Vätern hervorzuheben. Viele
Väter wollen heute mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und sich
partnerschaftlich einbringen. Sie sind ein selbstverständlicher Teil der
Familie und von Anfang an wichtig. Daher müssen Väter bei politischen
Maßnahmen, die sie betreffen, auch deutlich als Zielgruppe adressiert
werden.
Gemeinsam mit allen am offenen Brief Beteiligten fordert die LAG Väterarbeit NRW die Bundesfamilienministerin deshalb auf, den Koalitionsvertag ernst zu nehmen und durch die schnelle Einführung der Vaterschaftsfreistellung eine partnerschaftliche und gleichstellungsorientierte Familienpolitik zu stärken. Dazu sind in dem Offenen Brief Eckpunkte zur Ausgestaltung formuliert.
… diese Aussage haben
die Grünen in ihrer Stellungnahme zu den Forderungen der LAG Väterarbeit
anlässlich der Landtagswahl am 15 Mai getroffen.
Auch vor der Wahl im
Mai 2017 haben wir den Parteien 7 Fragen zur Väterpolitik gestellt. Seinerzeit
haben die Grünen auf die Frage ‚Welche Hindernisse müssen ausgeräumt werden,
damit es Männern ermöglicht wird, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu leben?‘
geantwortet „Wir müssen die Denkstruktur in unserer Gesellschaft verändern. Das
bedeutet, durch Kampagnenarbeit auch weiterhin die Rollenverteilungen zu
thematisieren. Die Wirtschaft muss vor allem Männern ermöglichen, diese Rolle
zu übernehmen, ohne dass Nachteile entstehen.“
Aber auch die CDU
äußerte sich ähnlich „Wir möchten Unternehmen dazu ermutigen, familiengerechte
Arbeitszeitmodelle zu implementieren und Betriebskindegärten einzurichten. Hier
hat das Land Nordrhein-Westfalen mit seinen Behörden als öffentlicher
Arbeitgeber eine Vorbildfunktion.“
Die 2017 von der LAG
Väterarbeit skizzierten Herausforderungen bestehen nach wie vor und wir sind
gespannt, wie sich eine Regierungsbeteiligung der Grünen auf die ‚Denkstruktur‘
der Landesregierung auswirken wird.
Politik für Väter in
NRW
Ist das
Schwerpunktthema der LAG im m Mai und Juni. Im Vorfeld der Landtagswahl hat die
LAG Väterarbeit 5 Forderungen aufgestellt und alle im Landtag vertretenen
Parteien um eine Stellungnahme gebeten. Die Antworten haben wir auf unserer
Webseite dokumentiert und am 11. Mai kommentiert:
„Zumindest bei drei Parteien ist eine
verbale Aufgeschlossenheit vorhanden und es bleibt abzuwarten, wer mit wem
koalieren wird bzw. kann und was dann auch tatsächlich vereinbart wird.
Die LAG Väterarbeit wird diesen
Prozess in jedem Fall kritisch begleiten und wir werden die Parteien an ihre
wenn auch vagen ‚Zusagen‘ erinnern.“
Bei dem
Werkstattgespräch am 30. Juni werden wir einen ersten Blick darauf werfen, was
bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und Grünen vereinbart worden ist
bzw. was sich an Ergebnissen abzeichnet.
Rückblick
Am 5. Mai berichte Alexander
Stathopoulos, Geschäftsführer des Verbands Binationaler Familien in Frankfurt, beim
Werkstattgespräch der LAG Väterarbeit von den Erfahrungen des Arbeitskreises
Migrationssensible Väterarbeit (MiseV) in Hessen.
Nach seinem Vortrag entspann sich eine
interessante Diskussion, deren wichtigste Punkte wir in einem Bericht zusammengefasst haben.
Väter profitieren vom Austausch mit
anderen Vätern. In Frankfurt existiert seit 2020 eine Vätergruppe, die sich aus
Vätern mit unterschiedlichen Herkünften zusammensetzt. Diese ‚globale‘
Zusammensetzung hat sich als gewinnbringend für alle Beteiligten
herausgestellt.
‚Herkunftssprache ist Herzenssprache‘,
für den Fall, dass Väter über zu geringe deutsche Sprachkenntnisse verfügen,
kann zunächst auch eine sprachhomogene Gruppe angezeigt sein, aber Menschen
verstehen sich nicht automatisch gut, nur weil sie eine gemeinsame Sprache
sprechen. Die Gemeinsamkeit entsteht in der Regel in beiden Varianten über das
Vatersein und das Interesse, sich mit den eigenen Kindern zu befassen. Väter
haben in der Regel auch positiv darauf reagiert, wenn sie auf Spielplätzen
angesprochen und auf die Vätergruppe hingewiesen worden sind.
Ausblick
Am 19. Juni ist
Internationaler Vätertag. Bis zu diesem Sonntag wird auch die vor einem Jahr
gestartete Petition zur Einführung einer ‚Vaterschaftsfreistellung‘ laufen.
Was, insbesondere nach einem Interview der ehemaligen
Familienministerin Anne Spiegel. Nach einem Selbstläufer aussah, erweist sich
jetzt doch als schwierig. Im aktuellen Referent*innenentwurf zur Umsetzung der
EU- Vereinbarkeitsrichtlinie ist dieses Vorhaben nicht erwähnt.
Bislang sind mehr als 9.000 Unterschriften zusammengekommen. Gemeinsam können
wir bis zum Internationalen Vatertag ein deutliches Zeichen setzen. Dafür
benötigen wir gerade jetzt Eure und Ihre Unterstützung, zeichnen Sie bitte
die Petition.
In den beiden
Sommermonaten Juli und August werden wir uns mit dem Thema ‚Väter und Kinder
als Opfer häuslicher Gewalt‘ beschäftigen. Am Donnerstag, den 17. August wird
Tobias Schiefer in einem Werkstattgespräch über die Erfahrungen in der
Düsseldorfer Gewaltschutzwohnung ‚Freiraum‘ berichten
14. Juni 2022, Online Member
Meeting der LAG Väterarbeit
30. Juni 2022, 16 bis 17:30 Uhr,
Online Werkstattgespräch ‚Migrationssensible Väterarbeit‘
Nordrhein-Westfalen hat gewählt und die beiden
Gewinner*innen der Wahl, CDU und Grüne haben am vergangenen Wochenende
beschlossen, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. In Sondierungsgesprächen
haben sich die beiden Parteien auf Eckpunkte geeignet die in einem 12 seitigen
Papier zusammengefasst worden sind.
Im Abschnitt ‚ ‚Kinder, Jugend, Familie, Frauen und
Vielfalt‘ tauchen die Begriffe Väter und Mütter nicht auf, das Papier
konzentriert sich auf „zentrale Aspekte für die Zukunft Nordrhein-Westfalens“,
die in den Koalitionsgesprächen ergänzt werden sollen.
In dem Werkstattgespräch am Donnerstag, den 30. Juni werden
wir einen ersten Blick auf die Ergebnisse werfen und nachfragen, was die
zukünftige Landesregierung unternehmen wird, um eine partnerschaftliche
Arbeitsteilung in den Familien auf Landesebene zu stärken und Väter zu
ermutigen, mehr Verantwortung in Familie zu übernehmen.
Zu dieser
Veranstaltung können Sie sich hier anmelden:
‚… gleichermaßen ist es wichtig, Väter in ihrer Rolle zu bestärken‘
Nordrhein-Westfalen hat gewählt und die beiden
Gewinner*innen der Wahl, CDU und Grüne haben am vergangenen Wochenende
beschlossen, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. In Sondierungsgesprächen
haben sich die beiden Parteien auf Eckpunkte geeignet die in einem 12 seitigen
Papier zusammengefasst worden sind.
Im Abschnitt ‚ ‚Kinder, Jugend, Familie, Frauen und
Vielfalt‘ tauchen die Begriffe Väter und Mütter nicht auf, das Papier
konzentriert sich auf „zentrale Aspekte für die Zukunft Nordrhein-Westfalens“,
die in den Koalitionsgesprächen ergänzt werden sollen.
In dem Werkstattgespräch am Donnerstag, den 30. Juni werden
wir einen ersten Blick auf die Ergebnisse werfen und nachfragen, was die
zukünftige Landesregierung unternehmen wird, um eine partnerschaftliche
Arbeitsteilung in den Familien auf Landesebene zu stärken und Väter zu
ermutigen, mehr Verantwortung in Familie zu übernehmen.
In Ihren Antworten auf die Fragen der LAG-Väterarbeit haben
ja alle im Landtag vertretenen Parteien einiges dazu angekündigt.
Vor drei Jahren wurde die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie beschlossen, um
in der Europäischen Union notwendige Mindeststandards zur Vereinbarkeit
von Beruf und Privatleben herzustellen und die Rahmenbedingungen für
eine partnerschaftliche Aufteilung von Haus-, Sorge- und Erwerbsarbeit
zwischen den Geschlechtern zu verbessern.
Bis August 2022 muss die Vereinbarkeitsrichtlinie in nationales Recht
umgesetzt werden. Ein zentraler Bestandteil der Richtlinie ist die
Einführung einer Vaterschaftsfreistellung. Eine solche Leistung gibt es
in dieser Form in Deutschland bisher nicht, anders als in anderen
EU-Mitgliedsstaaten.
Das Bundesfamilienministerium hat Ende April einen
Referent*innenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie
vorgelegt. Die Vaterschaftsfreistellung wird darin mit keinem Wort
erwähnt, obwohl die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag
angekündigt hat, „eine zweiwöchige vergütete Freistellung für die
Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes ein[zu]führen.“
Die LAG Väterarbeit NRW, die sich von Anfang an für die Umsetzung der
Richtlinie eingesetzt hat ist darüber sehr irritiert und fordern die
Bundesregierung auf, zeitnah zu klären und öffentlich bekannt zu machen,
wann und in welcher Form eine vergütete Freistellung für Väter (und
andere zweite Elternteile) nach der Geburt gesetzlich eingeführt werden
soll. Die Gleichstellung der Geschlechter geht nur gemeinsam und wird
nur dann nachhaltig gelingen, wenn auch Jungen, Männer und Väter dabei
stärker als bisher in den Blick genommen werden.
Anlässlich des »Vatertags« am 26. Mai möchten wir daran erinnern.
Jetzt ist es an der Ampelkoalition zu zeigen, dass sie es beim Thema
Gleichstellung ernst meint und auch Männer für das Thema gewinnen will.
Bis zur Vorlage des Gesetzentwurfs schien die
Vaterschaftsfreistellung politisch ein Selbstläufer zu sein. Die
vormalige Familienministerin Anne Spiegel kündigte sie im vergangenen
Dezember als wichtiges Vorhaben an. Nun schweigt allerdings der
Referent*innenentwurf der Bundesregierung ausgerechnet zur
Vaterschaftsfreistellung. Diese ist wichtig, um einen klaren rechtlichen
Rahmen auch gegenüber Arbeitgeber*innen zu schaffen, damit Väter sich
in dieser wichtigen ersten Phase voll und ganz auf ihre Kinder und die
Unterstützung ihrer Partnerinnen konzentrieren können.
In einem offenen Brief an Bundesfamilienministerin Lisa Paus vom 20. Mai 2022 fordert Holger Strenz vom Projekt »Papaseiten.de« des Väterzentrum Dresden die Einführung der Vaterschaftsfreistellung nicht weiter hinauszuzögern. Vor einem Jahr hat Papaseiten.de
eine Petition zur Vaterschaftsfreistellung initiiert, die auch von der
LAG-Väterarbeit NRW unterstützt wird und die noch bis zum
Internationalen Vatertag am 19. Juni 2022 mitgezeichnet und geteilt
werden kann.
Bislang sind mehr als 9.000 Unterschriften zusammengekommen. Gemeinsam können wir bis zum Internationalen Vatertag ein deutliches Zeichen setzen. Dafür benötigen wir gerade jetzt Eure und Ihre Unterstützung!
Einschätzung der Stellungnahmen der Parteien zu den Forderungen der LAG Väterarbeit zur Landtagswahl
Schon bei der Fachtagung im vergangenen November haben sich 80
Teilnehmende vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Corona Pandemie
mit möglichen Weichenstellungen für mehr väterliches Engagement
auseinandergesetzt. Ein Ergebnis, dass Frau Buschmeyer vom Deutschen
Jugend Institut auf den Punkt gebracht hat war: „Grundsätzlich scheint
es vielen Vätern eigentlich ein Bedürfnis zu sein, zumindest überlange
Arbeitstage und Überstunden zu reduzieren, um mehr Zeit für die Familie
zu haben – gleichzeitig tun sie es nicht. Und dann gilt natürlich, dass
jede Arbeitsstunde, die im Büro verbracht wird, nicht für die Familie
zur Verfügung steht. … Vielleicht kann dies ja der Anfang sein, als
Vater auch für seinen Wunsch einzustehen, mehr zuhause und dort auch
wirklich verfügbar zu sein und damit auch andere traditionelle Muster zu
überwinden.“
Um aus diesem Anfang nachhaltiges Verhalten und kulturelle
Veränderungen zu verwirklichen sind vor allem auch passende
Rahmenbedingungen erforderlich. Viele werden auf der Bundesebene
entschieden, andere ebenso entscheidende auf der Landesebene.
Der Vorstand der LAG-Väterarbeit hat im Vorfeld der Landtagswahl nach
Diskussion mit Mitgliedern folgende fünf Forderungen verabschiedet und
an die Im Landtag vertretenen Parteien mit der Bitte um eine
Stellungnahme versandt.
Im Folgenden werden wir eine Einschätzung zu den Antworten der vier
Parteien abgeben. Den Link zu den kompletten Antworten finden Sie am
Ende des Textes.
Vor dem Hintergrund, dass in der Phase vor und nach der Geburt
entscheidende Weichen für die Aufteilung von bezahlter Erwerbs- und
unbezahlter Care-Arbeit gestellt werden, lautet die erste Forderung: Förderung
von flächendeckenden Angeboten zur Geburtsvorbereitung für Väter, die
werdende Eltern auch dabei unterstützen, partnerschaftlichen
Rollenvorstellungen zu realisieren.
Die CDU weist in ihrer Antwort auf die 2017 eingerichtete
Projektgruppe „Strukturelle Weiterentwicklung Geburtshilfe“ hin. Aufgabe
der Projektgruppe war es unter anderem, Umsetzungsvorschläge zur
Verbesserung der Rahmenbedingungen der geburtshilflichen Versorgung und
zur Senkung der Kaiserschnittrate zu erarbeiten. Ergebnisse sollten
innerhalb eines Jahres vorliegen.
Auf der Webseite des zuständigen Ministeriums finden sich neben der
Beschreibung des Auftrags Hinweise auf zwei Studien zur
geburtshilflichen Versorgung durch Hebammen. Mit der Geburtsvorbereitung
für Väter und dem Thema partnerschaftliche Aufgabenteilung hatte die
Projektgruppe nichts zu tun.
Für die FDP ist eine partnerschaftliche Rollenvorstellung und
-verteilung ein wichtiges Anliegen. Sie unterstützt die Vorhaben der
Bundesregierung in diesem Feld und weist darauf hin, dass zahlreiche
Krankenkassen Geburtsvorbereitungskurse als Kassenleistung anbieten. Das
ist löblich, aber das Problem ist ja, dass diese Angebote insbesondere
im ländlichen Raum nicht existieren.
Die Grünen erkennen ebenfalls an, dass auch Väter auf die Geburt und
die Zeit als Elternteil angemessen vorbereitet werden müssen, aber … Die
von der Ampel im Koalitionsvertrag geplante und jetzt im vorliegenden
Referentenentwurf nicht umgesetzte ‚Vaterschaftsfreistellung‘ ist ein
wichtiger Baustein für die Zeit nach der Geburt.
Die SPD geht auf die eigentliche Forderung ebenfalls nicht ein und
nennt die Freistellung nach der Geburt, die von Schwesig 2015
vorgeschlagene ‚Familienarbeitszeit‘ als Möglichkeiten zur Unterstützung
einer partnerschaftliche Rollenaufteilung ‚werdender Eltern‘. Das ist
eine gute Idee, die sich aber leider nicht im Koalitionsvertrag der
Ampel wiederfindet. Neu einzuführende Familienbüros sollen sich um
Antragstellungen und notwendigen ‚Papierkram‘ nach der Geburt kümmern.
Fazit: Keine der befragten Parteien geht auf die
konkrete Forderung ein, die angeführten Maßnahmen werden größtenteils in
Berlin entschieden. Außer dem grundsätzlichen Bekenntnis zu
‚partnerschaftlichen Rollenaufteilung‘ können Väter nichts erwarten
Bei der zweiten Forderung haben wir ein Thema aufgegriffen, bei dem
die Landesregierung durch die Evaluation der familienpolitischen
Leistungen den ‚Finger in die Wunden‘ gelegt hat: „Beim differenzierten
Blick auf die Einrichtungsarten wird deutlich, dass Väter 2019 am
häufigsten Angebote in Beratungseinrichtungen in Anspruch nahmen, am
seltensten in Einrichtungen der Eltern- und Familienbildung. Gerade mit
Blick auf die Einrichtungen der Eltern- und Familienbildung deuten die
Ergebnisse darauf hin, dass sich der Anteil der männlichen Teilnehmer im
Verhältnis zur Bestandsaufnahme von 2006 kaum verändert hat.“
Vor diesem Hintergrund ist die Forderung nach „Einrichtung eines
Bildungsbudgets im Rahmen des Weiterbildungsgesetzes (§17 WbG) um neue
Zugänge, offene Angebote, aufsuchender Bildung für die bislang kaum
erreichte Zielgruppe der Väter zu entwickeln und durchzuführen. Dadurch
wird auch die regionale Vernetzung und sozialräumliche Ausrichtung der
Angebote gewährleistet.“ naheliegend
Um es vorweg zu nehmen, keine der vier Parteien nimmt Bezug auf die
Ergebnisse der 2021 auf einer Fachtagung in Essen vorgelegten
Evaluation. Hingewiesen wird stattdessen auf die von den vier Fraktionen
im Landtag getragene Novellierung des Weiterbildungsgesetzes, die laut
CDU Nordrhein-Westfalen eine Spitzenplatz bei der gemeinwohlorientierten
Weiterbildung beschert.
Die Grünen sind allen Ernstes der Meinung, dass es besser sei, die
Einrichtungen entscheiden zu lassen, wie sie auf welche Zielgruppe
zugehen. Oder besser gesagt nicht zugehen. Was dass für die Zielgruppe
Väter bedeutet, hat die Evaluation deutlich aufgezeigt.
Die FDP hebt auf die Vereinbarkeit von Weiterbildung und Familie ab
und sieht familienfreundliche Weiterbildung als Karrierechance,
insbesondere im Sinn einer lebenslangen Aus-, Fort- und Weiterbildung.
An dieser Stelle erfolgt dann auch wieder ein Verweis auf das von der
Bundesregierung geplante ‚Lebenschancen-BAFöG‘.
Die SPD stellt an dieser Stelle die geplanten Familienbüros in den
Vordergrund, die Familienbildung und -beratung bündeln und so
sozialräumlich auch ‚Initiativen für Väter‘ bewerben können. Die
Familienzentren in KiTas und Grundschulen, letztere gibt es lediglich an
Modellstandorten, sollen gestärkt werden und im Rahmen der Elternarbeit
auch Väter adressieren.
Fazit: Es ist erschreckend, dass das Land die
eigenen Angebote evaluieren lässt und die Parteien die Ergebnisse
entweder nicht kennen, oder was noch schlimmer wäre kennen und keinerlei
Konsequenzen daraus ziehen
Dies gilt zumindest teilweise auch für die nächste Forderung, die die
Familienberatung betrifft. Auch hier werden Väter nur am Rande
erreicht, insbesondere wenn es um für sie schwierige und krisenhafte
Situationen geht. Die Stadt München hat daraus Konsequenten gezogen und
die Einrichtung eines ‚Väterberatungszentrums ausgeschrieben: „Das
Väterberatungszentrum soll eine offene und niederschwellige Anlaufstelle
für Väter sein – auch für jene, die von klassischen Beratungsangeboten
nicht erreichbar sind – und damit das Wohl der Kinder fördern. Der
offene Ansatz als Treffpunkt und Kommunikationsort für Väter fördert
soziale Begegnungen von Vätern und deren Kindern. Der Ort des
Austausches und der Informationsvermittlung soll den Zugang zu Beratung
erleichtern und die Akzeptanz für pädagogische Angebote erhöhen.“
Vor diesem Hintergrund lautet die dritte Forderung der LAG-Väterarbeit: „Finanzierung
von zunächst einer qualifizierten Beratungseinrichtung für Väter je
Regierungsbezirk. Dazu gehört auch, dass entsprechende Fachkräfte
weitergebildet und gefördert werden, um vätersensibel beraten zu
können.“
Die CDU zählt an dieser Stelle die von verschiedenen Vorgänger
Regierungen und von ihr nach 2017 weiterfinanzierten Maßnahmen auf.
vaeter.nrw ist 2006 vom damaligen Familienminister Armin Laschet
initiiert worden, in der erwähnten Datenbank finden Väter allerdings
lediglich Verweise auf die Webseiten der 155 Familienbildungsstätten in
NRW. Hintergrund ist, dass es seit 2018 keine Reaktionsteam für
vater.nrw mehr gibt. Die Fachstelle Väterarbeit 2014 nach langen
Vorgesprächen erstmalig finanziert worden hat Väterangebote in 10
Städten in allen fünf Regierungsbezirken des Landes vernetzt und Bedarfe
aufgegriffen. Die Expertenworkshops waren Teil der von der ehemaligen
Familienministerin Kampmann initiierten Kampagne ‚Vater ist, was du
draus machst‘.
Das Vorhaben, in der Jugendhilfe verpflichtende und ständige Weiter-
und Fortbildungsangebote für Fachkräfte zu etablieren, um für
vielfältige Beratungssituationen zu schulen, ist zu begrüßen und
eigentlich eine Antwort auf die letzte Forderung.
Die FDP möchte bestehende Beratungseinrichtungen so stärken, dass
diese auch väter- und kultursensibel Beratung und Unterstützung leisten
können.
Die Grünen sind der Überzeugung, dass „natürlich […] auch
vätersensible Beratung angeboten werden muss“. Sie werden die Bedarfe
prüfen und Entwicklungsmöglichkeiten mit bestehenden Beratungsangeboten
und ggf. darüber hinaus beraten.
Die SPD zieht auch an dieser Stelle ihren ‚ Joker‘ Familienbüros, die dabei einen Fokus auf Väter legen sollen.
Fazit: An dieser Stelle ist zumindest ansatzweise zu erkennen, dass der Handlungsbedarf gesehen und nach Lösungen gesucht wird.
Die vierte Forderung greift das Thema ‚Männer und Väter als Subjekte
der Gleichstellungspolitik auf. Vor neun Jahren ist ja der Versuch
gescheitert, diesen Rechte im Bundesgleichstellungsgesetz zuzuschreiben
aber die Zeiten haben sich weiterentwickelt und in NRW gibt es
inzwischen in fünf kommunen: Bonn, Düsseldorf, Dortmund Essen und
Münster, Männer in den Gleichstellungsbüros, –stellen bzw. -ämtern.
In der Ausschreibung der Stadt Essen hieß es seinerzeit: „Als offene,
tolerante Stadt und Ort der Vielfalt versteht die Stadtverwaltung
Gleichstellung als ganzheitliche zukunftsgerichtete Strategie. War
Gleichstellungsarbeit bislang überwiegend auf frauenspezifische Belange
fokussiert, sollen nunmehr verstärkt auch Männer in die Wahrnehmung und
in den Fokus der Gleichstellungspolitik gerückt, tradierte
Rollenzuweisungen für die verschiedenen Geschlechter hinterfragt, neue
Lebenskonzepte und -formen erarbeitet und unterstützt werden.“
Vor diesem Hintergrund lautet die Vierte Forderung: „Weiterentwicklung
des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern für das Land
Nordrhein-Westfalen (LGG) in dem Sinne, dass zunächst in allen Kreisen
und Kreisfreien Städten neben den Gleichstellungsbeauftragten auch die
Stelle eines Ansprechpartners für Väter eingerichtet und zusätzlich
finanziert wird.“
In ihrer Antwort verweist die CDU auf den im März 2021
veröffentlichten Atlas zur Gleichstellung in NRW, aus dem für alle
Kreise und kreisfreien Städte gleichstellungspolitische Handlungsbedarfe
abgeleitet werden können. Väter sp ielen lediglich in dem Abschnitt
Elterngeldbezug eine Rolle. Auf die Zusammenhänge zwischen der
Inanspruchnahme von Elternzeiten und Elterngeld und der Besetzung von
Leitungspositionen in Verwaltungen wird nicht eingegangen.
Die Bildung einer Infrastruktur für von Gewalt betroffene Männer in
Form von 20 Plätzen in Gewaltschutzwohnungen ist der zuständigen
Ministerin Scharrenbach hoch anzurechnen. NRW belegt damit bundesweit
den Spitzenplatz. Darum ging es bei der Forderung allerdings nicht.
Die FDP möchte das Landesgleichstellungsgesetz zu einem
‚Landesdiversitätsgesetz‘ weiterentwickeln, um die realen
Lebensverhältnisse abzubilden und auch die Belange von Männern und
Diversen aufnehmen und sie als Bewerbende für das Amt des/ der
Diversitätsbeauftragten zulassen.
Die Grünen möchten in der öffentlichen Verwaltung Strukturen stärken,
die der Vielfalt von Lebensrealitäten, aber auch
Diskriminierungserfahrungen Rechnung tragen und diese Vielfalt
gleichzeitig als Bereicherung für Verwaltungen und Unternehmen begreift.
Der öffentlichen Verwaltung komme dabei eine Vorbildfunktion zu.
Auch die SPD fördert selbstverständlich die Gleichstellung von Frauen
und Männern. Die gleichstarke Vertretung von Männern und Frauen auf
allen politischen Ebenen soll durch ein Paritätsgesetz erreicht werden.
Die besonderen Bedarfe von Vätern mit Akteuren vor Ort geklärt werden.
Fazit: Die Bedarfe von Männern und Vätern werden
gesehen, es fehlt aber bei fast allen der Mut, strukturell verankerte
Beteiligungsmöglichkeiten zu etablieren und Väter den Status von
gleichstellungspolitisch handelnden Subjekten zu geben.
In der letzten Forderung ging es um die Kompetenzen von denjenigen,
die an den unterschiedlichen Stellen pädagogisch handelnd, beratend oder
im Kontext von Geburtsvorbereitung und Geburten mit Vätern zu tun
haben. Dass die Praktiker*innen für diese Aufgabe teilweise unzureichend
ausgebildet und vorbereitet sind wird zum Beispiel im Abschlussbericht
des Projekts ‚Bedeutung von Vätern im Geburtsprozess‘ deutlich:
„Die Annahme, Väter und Mütter im Kontext der Geburtsvorbereitung
anzusprechen und dort das Anliegen ‚partnerschaftliche Aufgabenteilung‘
zu thematisieren ist richtig, da in diesem Zeitraum entscheidende
Weichenstellungen vorgenommen werden.
Da mehr als 90 % der Väter an der Geburt und, zumindest beim ersten
Kind, auch an angebotenen Kursen zur Vorbereitung teilnehmen, sind
Hebammen entscheidende ‚Player‘ auf diesem Feld.
Auf der Basis freiwilliger Fortbildungen für Hebammen und mit dem
Hinweis, ihnen nützliche Methoden für die Arbeit mit und die Ansprache
von Vätern zur Verfügung stellen, lässt sich das Ziel nicht erreichen.
Das liegt zum einen, an der von der, an den unterschiedlichsten Stellen
beschriebenen Haltung der Hebammen, die Frauen und Männern traditionelle
Rollen zuweisen und selbst wenn sie Angebote für Väter machen, diesen
Unterstützungs- und Assistentenaufgaben zuweisen.“ Auch in den
Curriculas für eine universitäre Ausbildung nimmt diese Thema nicht viel
mehr als eine Semesterwochenstunde in Anspruch.
Vor diesem Hintergrund lautet die fünfte Forderung: „Hinwirkung
des Landes darauf, dass in den (Rahmen-) Lehrplänen für Erzieher*innen,
Sozialarbeiter*innen und -pädagog*innen sowie Hebammen Aus- und
Fortbildungsinhalte geplant werden, die diese Fachkräfte in die Lage
versetzen, Väter gendersensibel in den Blick zu nehmen, anzusprechen und
einzubeziehen.“
Die Stellungnahme der CDU ist auch bei dieser Forderung die
umfangreichste, geht aber vollkommen am Thema vorbei. Familienzentren,
KiBiz und digitales Familienzentrum NRW sind wichtige Vorhaben, haben
aber nichts mit den Kompetenzen zu tun, die dort Beschäftigten in die
Lage zu versetzen, Väter gendersensibel in den Blick zu nehmen,
anzusprechen und einzubeziehen.
Die FDP strebt an, die Rolle von Vätern in den genannten Lehrplänen
noch stärker in den Fokus zu rücken und unterstützt eine
Weiterentwicklung und Anpassung an die heutigen Lebensverhältnisse
jenseits tradierter Rollenbilder.
Auch die Grünen sind der Überzeugung, die Vielfalt von Familienformen
genauso in Aus-, Fort- und Weiterbildung zu integrieren, wie insgesamt
gender- und diversitätssensible Ansätze zu vermitteln. Gleichermaßen
halten sie es für wichtig, Väter in ihrer Rolle zu bestärken und
Geschlechter-stereotype, auch in Bezug auf Elternschaft, zu
durchbrechen.
Die SPD hat sich vorgenommen, in der kommenden Legislatur sich mit
den Ausbildungsordnungen und dem Sozialberufeanerkennungsgesetz zu
befassen. Die Einbeziehung eines vatersensiblen Blicks halten ist für
sie ein wichtiger Hinweis.
Fazit: Zumindest bei den drei zuletzt genannten
Parteien ist eine verbale Aufgeschlossenheit vorhanden und es bleibt
abzuwarten, wer mit wem koalieren wird bzw. kann und was dann auch
tatsächlich vereinbart wird.
Die LAG Väterarbeit wird diesen Prozess in jedem Fall kritisch
begleiten und wir werden die Parteien an ihre wenn auch vagen ‚Zusagen‘
erinnern.
„Als
Vision und Wunsch abschließend formuliert: um werdenden und gewordenen
Väter und Müttern die Verwirklichung ihres Wunsches nach einer
gleichberechtigten Aufgabenteilung zu ermöglichen braucht es, neben den
äußeren, passenden Rahmenbedingungen, ein Angebot sich vor und nach der
Geburt mit den o.g. Themen auseinanderzusetzen. Und zwar an den Orten
und zu den Anlässen, die Väter und Mütter sowieso gemeinsam oder
getrennt aufsuchen und nutzen. Die Geburtsvorbereitung gehört in jedem
Fall dazu. Es braucht aber neben den Hebammen weitere (männliche)
Akteure und Angebote für Väter, vor allem für die Zeit nach der Geburt.“
Abschlussbericht des Modellprojekts ‚Bedeutung von Vätern im Geburtsprozess
Stellungnahmen der Parteien zu den Forderungen der LAG Väterarbeit zur Landtagswahl
Die LAG Väterarbeit hat im Vorfeld der Landtagswahl am 15 Mai fünf
konkrete väterpolitische Forderungen aufgestellt und die im Landtag
vertretenen Parteien darum gebeten darzulegen, inwieweit eine Stimme für
Ihre Partei zu einer Umsetzung in den kommenden 5 Jahren beitragen
wird.
Die erste Forderung lautet:
„Förderung von flächendeckenden Angeboten zur
Geburtsvorbereitung für Väter, die werdende Eltern auch dabei
unterstützen, partnerschaftlichen Rollenvorstellungen zu realisieren.“
Die CDU hat dazu geantwortet:
Familien sind die Voraussetzung für das Funktionieren unserer
Gesellschaft. Deshalb fördern wir sie um gut gerüstet für die
Schwangerschaft und die Zeit vor und nach der Geburt zu sein. Vätern
kommt bei der Schwangerschaftsvorbereitung oft eine unterstützende Rolle
zuteil. Eine gute Vorbereitung kann oft Sicherheit verschaffen. Deshalb
haben wir im Herbst 2017 die Projektgruppe „Strukturelle
Weiterentwicklung Geburtshilfe“ eingerichtet, um die geburtshilfliche
Versorgung strukturiert weiterzu-entwickeln. Ziel ist es, aktuelle
Fragen und Herausforderungen in der Geburtshilfe zu identifizieren und
ein Konzept mit konkreten Handlungsempfehlungen für eine flächendeckende
Versorgung mit qualitativ hochwertigen Geburtshilfe-leistungen für das
Land Nordrhein-Westfalen zu erarbeiten. Damit sich Familien in NRW
wohlfühlen, erhalten sie bedarfsgerechte Unterstützung, die sie für ihre
individuelle Wahl und die Realisierung ihres persönlichen Lebensmodells
benötigen.
Die FDP hat dazu geantwortet:
Eine partnerschaftliche Rollenvorstellung und -verteilung ist uns ein
wichtiges Anliegen. Wir setzen uns daher für Toleranz und Offenheit für
eine Vielfalt von Rollen- und Lebensentwürfen ein und unterstützen die
Vorhaben der Bundesregierung hierzu ausdrücklich. Generell möchten wir
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch einen flächendeckenden
Ausbau der Betreuungsangebote, insbesondere auch in Randzeiten, und der
Unterstützung von Jobsharing- und Topsharing-Modelle, stärken.
Geburtsvorbereitungskurse für Väter werden von vielen Krankenkassen als
Satzungsleistung angeboten. Aus unserer Sicht sind Satzungsleistungen
der jeweiligen Krankenkasse ein wesentlicher Baustein für den
Kassenwettbewerb. Änderungen des Katalogs von gesetzlichen Leistungen
der Krankenversicherung und grundsätzlich zulässigen Satzungsleistungen
wären auf Bundesebene zu entscheiden.
Die Grünen haben dazu geantwortet:
Auch Väter müssen auf die Geburt und die Zeit als Elternteil
angemessen vorbereitet werden. Um Familien direkt nach der Geburt zu
unterstützen und auch Väter dabei rechtlich zu stärken, hat die
Ampel-Koalition auf der Bundesebene vor, eine zweiwöchige vergütete
Freistellung des Partners bzw. der Partnerin nach der Geburt
einzuführen.
Die SPD hat dazu geantwortet:
Wir wollen die gemeinsame und vor allem partnerschaftliche Rollenaufteilung der werdenden Eltern unterstützen. So wollen wir mit einer Familienarbeitszeit Familien ermöglichen, Arbeitszeiten zu reduzieren und dennoch nicht auf Einkommen verzichten zu müssen. Damit Familien nach der Geburt eines Kindes ausreichend Zeit zum Kennenlernen und Zusammenwachsen haben, führen wir eine Partnerfreistellung nach der Geburt ein. Um den Papierkram in den ersten Wochen des Elternseins zu reduzieren, zum Beispiel beim Elterngeld, wollen wir Familienbüros einführen, die sich um die Antragstellung in den ersten Lebenswochen kümmern und Familien auch später bei der Beantragung von Leistungen und dem Finden passender Angebote unterstützen
Vor einigen Wochen hat eine Fachzeitschrift nach meiner Einschätzung zur Vaterschaftsfreistellung gefragt. Frau Spiegel ist zwar inzwischen nicht mehr Familienministerin, aber ihre Nachfolgerin Lisa Paus hat angekündigt, an deren Inititiativen anzuknüpfen und das Thema steht für mich weiterhin oben auf der Agenda
Wie finden Sie den Vorschlag von Frau Spiegel?
Frau Spiegel greift mit ihrem Vorschlag eine Forderung auf, die wir
und andere Väterverbände schon lange erhoben haben. Die zwei Wochen
Vaterschaftsfreistellung finden sich zudem mit unterschiedlichen
Bezeichnungen in den Wahlprogrammen der drei Ampelparteien und sind auch
Gegenstand der EU Vereinbarkeitsrichtlinie, die bis zum Herbst 2022 in
geltendes Recht umgesetzt werden muss.
Inhaltlich geht es in der Zeit unmittelbar nach der Geburt darum,
sich als Familie neu aufzustellen, aus dem Paar ist eine Triade
geworden. Zu sehen, dass es die ‚geborene Mutter‘ nicht gibt und Mann es
genauso gut kann, wenn er es einfach tut. Sich dabei als Vater wirksam
zu erleben,. die Reaktionen des neugeborenen Kindes wahrzunehmen, es zu
begleiten und eine sichere Beziehung und Bindung zu ihm aufzubauen.
Dafür ist die 14tägige Lohnfortzahlung eine Investition, die sich ein
Leben lang auszahlt.
In dem Vorschlag stecken aber noch weitere Potenziale. In einer
Untersuchung, die das Beratungsunternehmen EY 2016 bei mehr als 21.000
Kund*innen in 91 Ländern durchgeführt hat, zeigte sich nämlich, dass in
Unternehmen, die Beschäftigten eine bezahlte Freistellung nach der
Geburt gewährten, der Anteil von Frauen in Führungspositionen deutlich
höher war.
Wo könnte es Herausforderungen oder Stolpersteine bei der Umsetzung geben?
Da diese Regelung von allen drei Ampelparteien gleichermaßen gewollt
ist, dürfte es an dieser Stelle keine Stolpersteine geben. Eine
Herausforderung ist sicherlich die Finanzierung. Wenn diese jedoch
analog zum Mutterschaftsgeld organisiert, also in einem Umlageverfahren
durch alle Arbeitgebenden finanziert wird, sehe ich an dieser Stelle
keine großen finanziellen Belastungen auf die durch Corona strapazierte
Staatskasse und einzelne Arbeitgebende zukommen.
Zufriedene Väter sind ein Gewinn für jeden Betrieb und die Kompetenzen
die sie durch ihr Engagement in Familie erwerben, gleichen die Kosten
für die Umlage sehr schnell wieder aus.
Sind zwei Wochen bezahlter Urlaub für das zweite Elternteil genug, um eine Bindung zum Neugeborenen aufzubauen?
Die zwei Wochen bezahlte Freistellung sind meines Erachtens kein
‚Urlaub‘ im landläufigen Sinn. Sie ermöglichen einen niedrigschwelligen
Einstieg ins Vatersein, nach der Geburt hat jeder neuer Vater die
Möglichkeit, seine Partnerin in der Zeit des Wochenbetts zu unterstützen
und eine Beziehung zu seinem Kind aufzubauen. Für eine sichere Bindung
sind zwei Wochen eine zu kurze Zeit, aber es geht um einen guten
Einstieg und die gesellschaftliche Zuschreibung ‚Mann du kannst ein
guter Vater sein und du bist bedeutsam für die Entwicklung deines
Kindes‘.
Wie viele Elterngeldmonate für Paare würden Sie sich
wünschen? Wie viel bezahlte Freistellung beider Elternteile ist Ihrer
Meinung nach nötig?
Bislang gibt es ja 14 Elterngeldmonate die nach dem Muster 12 plus 2
konstruiert sind und durch Regelungen wie ‚Elterngeld-Plus Monate‘ und
dem ‚Partnerschaftsbonus‘ auf bis zu 28 bezahlte Monate Elternzeit
ausgedehnt werden können. Die Regelungen sind ziemlich kompliziert, auch
wenn in der Corona Zeit schon einiges vereinfacht worden ist.
Ich würde mir wünschen, dass es für Väter und Mütter jeweils 8
reservierte Elterngeldmonate gibt und dass es weitere 8 bezahlte Monate
gibt, die flexibel bis zum Schuleintritt des Kindes eingesetzt werden
können. Damit würde ein klares Signal dafür gesetzt, dass Väter und
Mütter gleichermaßen für ihre Kinder verantwortlich sind und die damit
verbundenen Aufgaben und Arbeiten von Anfang an partnerschaftlich
aufgeteilt werden können.
Die weiteren acht Monate bieten den Eltern dann die Möglichkeit sich
nach Bedarf und flexibel Zeit für die Kinder zu nehmen, wenn sie
gebraucht wird. Neben dem Geld spielt die Zeit, die Väter und Mütter
einsetzen können eine große Rolle.
Dazu kommt noch die Infrastruktur, also zum Beispiel die qualitativ
hochwertigen Kinderbetreuungsangebote, die in ausreichender Zahl und mit
passenden Öffnungszeiten wohnungsnah zur Verfügung stehen.
Gibt es etwas anders, was Sie sich hinsichtlich der Elternzeit-/Elterngeldregelung wünschen würden?
Ja, ich wünsche mir, dass das Engagement von Vätern für ihre Familie
und insbesondere für ihre Beteiligung an der Erziehung ihrer Kinder
nicht als ‚Ergänzung‘ oder ‚Unterstützung‘ der Leistungen der Mütter
betrachtet werden sondern als genauso notwendig wie selbstverständlich.
Und zwar von Anfang an und nicht nach dem Motto ‚krabbeln lerne ich bei
Mama, laufen dann bei Papa‘.
Damit das Wirklichkeit werden kann, braucht es, quasi als notwendige
Bedingung, gute gesetzliche Regelungen zu Elterngeld und Elternzeit,
aber auch passende strukturelle Rahmenbedingungen wie
Arbeitszeitregelungen und Kinderbetreuungsangebote.
Damit es hinreicht, sind aber auch Haltungen erforderlich, die Vätern
von Anfang an, also schon lange vor der Geburt, Kompetenzen zuschreiben
und ihnen von Geburt an Möglichkeiten geben, diese zu erwerben und
weiterzuentwickeln.
In diesem komplexen Gebilde sind die zwei Wochen Vaterschaftsfreistellung ein ganz wichtiger Baustein.